Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=28.12.2007  Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 11.11.23
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Stubenlohstr. 20     D-91052 Erlangen * Mail: sekretariat@sgipt.org

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    Willkommen in der Abteilung Wissenschaft unserer Internet-Publikation GIPT 1), Bereich Logik, Methodologie und  Analogie, hier speziell zum Thema:

    Nicht finden:
    Zur Logik und Bedeutung des Nicht findens und was daraus folgt

    Existenz und Nicht-Existenz in den empirischen Wissenschaften

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

       


    Einführung
    Ganz allgemein stellen wir in dieser Arbeit die Frage: was folgt daraus, wenn jemand etwas nicht findet? Woran kann finden scheitern? Nun, man kann am falschen Ort, zur falschen Zeit, einen "falschen Gegenstand" mit falschen Methoden suchen. Grob betrachtet erscheinen folgende Hauptfallunterscheidgungen nützlich:
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    1. das Gesuchte gibt es nicht und sollte von daher auch nicht gefunden werden können (Positiver Nicht-Existenzbeweis, z.B. es gibt keine größte natürlich Zahl)
    2. das Gesuchte gibt es zwar, aber nicht - immer - dort oder so beschaffen wie man dachte (Modifizierter und spezifizierter Existenzbeweis, etwa absolute Kategorien in der Natur, z.B. Zeit und Raum).
    3. die Frage, ob es das Gesucht gibt oder nicht gibt, muss a) - b) einstweilen - offen bleiben; sie ist mit den - derzeitigen -  Erkenntnismitteln nicht lösbar: a) Unentscheidbarkeitsbweis, b) offene Frage.
    1. das Gesuchte gibt es zwar nicht, aber etwas anderes wird dafür gehalten (Irrtum, Fehler, Lüge, Glaube, Wahn)
    2. das Gesuchte gibt es zwar nicht an dem Ort oder so beschaffen wie man dachte, aber anders =2), z.B. die Vorstellung der alten Griechen von etwas Unteilbaren, für das längere Zeit das Atom gehalten wurde.
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    Dieser Ansatz führt im Prinzip zu - den ersten - vier Hauptmöglichkeiten, weil 2 und 5 als gleichwertig angesehen werden können.
        In der Mathematik hat der Nicht/ Existenzbeweis eine besondere Bedeutung und ist seit dem Grundlagenstreit heftig umstritten: die Konstrukiven lassen nur Nicht/ Existenzbeweise gelten, die effektiv geführt werden und stehen der der allgemeinen Anwendung des tertium non datur [1,2,]- besonders auf  unendliche Gesamtheiten - sehr kritisch bis ablehnend gegenüber. Erret Bishop drückt es so aus: "Wenn ein Mensch beweist, daß eine positive ganze Zahl existiert, sollte er wissen, wie er sie finden kann." Die Platonisten und Traditionalisten sehen das nicht so streng.
        Während in der Mathematik relativ zu einer Logik und bestimmten Axiomen "absolute" Wahrheiten möglich sind, wird dies für die  Erfahrungswissenschaften von den meisten WissenschaftstheoretikerInnen ganz anders gesehen. Hier gilt für die meisten die Überzeugung, dass es in den Erfahrungswissenschaften grundsätzlich keine ewige, sichere oder gar absolute Erkenntnis gibt. Mir leuchtet diese Sichtweise nicht ein, weil man natürlich auch in den Erfahrungswissenschaften relativ zu einer Logik und zu bestimmten in empirischen Axiomen sagen kann, dass gewisse Folgerungen gelten. Im Gegensatz zur Mathematik und Logik kommt bei den Erfahrungswissenschaften nun aber ein weiteres wichtiges Kriterium hinzu, nämlich, welche prüfbaren Voraussagen und Erklärungen mit einer Theorie möglich sind.

    Beispiel Hirnforschung
    Dietrich Dörner: Man muss wissen, wonach man sucht. Werden uns die Neurowissenschaften den freien Willen austreiben? Von wegen! Gehirn und Geist 7, 2004[PDF]
        S.38: "Wer zwar viel über Nervenzellen, Transmitter und bildgebende Verfahren weiß, dagegen wenig oder gar nichts darüber,
    wie große Neuronenverbände Denken und Entscheiden, Erinnern und Vorstellen hervorbringen, der wird damit schwerlich die Willensfreiheit ad acta legen können. ... Will man aber nun herausfinden, wie neuronale Netzwerke welche psychischen Prozesse hervorbringen, so braucht es dafür zunächst die richtigen »Suchbilder«: Man muss wissen, wonach genau man sucht. Wer in riesigen Neuronenverbänden nicht ziellos nach den Grundlagen von Denken, Fühlen, Wahrnehmen stöbern will, braucht eine klare Vorstellung davon, was damit eigentlich gemeint ist – was also die mentalen Prozesse ausmacht. Die Modelle für all diese Prozesse liefert aber nicht die Hirnforschung, sondern die Psychologie. Ohne deren Beitrag stochern selbst Neurobiologen nur mit der langen Stange ihrer ausgefeilten Methoden im Nebel – und die Wahrscheinlichkeit, auf diese Weise etwas herauszufinden, ist denkbar gering.
        Das Fehlen geeigneter Suchbilder hat meines Erachtens auch die jüngsten Diskussionen um den freien Willen so fruchtlos gemacht. ..."

    Was bedeutet es, wenn die Hirnforscher kein Zentrum des "ICH" im Gehirn finden?
    Was bedeutet es, wenn die Hirnforscher keine Belege für den "freien Willen" finden?
    Was bedeutet es, wenn Hirnchirurgen beim Öffenen des Gehirns und Suchen im Gehirn keine Seele entdecken?
    Existiert Gott?
    Ist der Zug  IC 781 am 26. Geburtstag von Sabine M. Um 13.49 Uhr mit einer Geschwindigkeit Von 82,5 Km/H durch den Bahnhof Eichstätt gefahren? [Sekundärquelle]

    Das Wort "nicht" ist ein unverzichtbarer Begriff  in Wissenschaft und Leben mit einer sehr interessanten Geistesgeschichte, aber auch ein gefährliches Homonym [ 1, 2, 3, 4, 5]. Es bedeutet gewöhnlich, daß etwas fehlt. Zugegen oder da und abwesend oder weg sein sind die beiden Grundqualitäten der Existenz.

    Beispiele:

    Suche nach etwas, das es zwar gibt, aber nicht so, wie vermutet und gewünscht
    Am 28.12.07 suchte ich zur Vorbereitung auf eine gesundheitliche Beratung meine Gesundheitsdaten, von denen ich meinte, ich hätte sie in einer Excel-Datei abgespeichert. Ich fand auch eine Exceldatei, sogar an dem Ort, wo sie sinnvollerweise plaziert sein sollte, aber sie enthielt keine Daten, nur den Titel "Gesundheitsdaten", sonst war sie leer.
     

    Aus dem Wörterbuch der Logik [Bib]

    "Begriffe, kontradiktorische [contradictoriae lat.]: unvereinbare Begriffe, die einander ausschließen, zwischen denen es keinen mittleren, dritten Zwischenbegriff gibt.
        Die Begriffe weiß und nicht weiß negieren einander z. B. völlig. Man kann sie nicht gleichzeitig in ein und derselben Beziehung auf ein und denselben Gegenstand anwenden, auch die konträren Begriffe weiß und schwarz kann man nicht auf ein und denselben Gegenstand gleichzeitig und in ein und derselben Beziehung anwenden (> Begriffe, konträre). Aber von konträren Begriffen unterscheiden sich k. B. dadurch, daß zwischen konträren Begriffen ein Mittelbegriff, ein dritter, möglich ist, während es zwischen k. B. keinen Mittelbegriff, keinen dritten, gibt. Welche Farbe wir auch in der Tat wählen z. B. Blau oder Gelb, keine kann zum Mittelbegriff werden, weil sie in den Umfang des Begriffes nichtweiß eingeht (Abb.).
     

        Mit k. B. hat man es in jeder Wissenschaft zu tun: in der Mathematik z. B. sind solche Begriffspaare: gleich - nicht gleich, kommensurabel - nicht kommensurabel, spitz - nicht spitz, gerade - nicht gerade, entsprechende Paare in der Chemie sind z. B. organisch - anorganisch, wäßrige Lösung - nicht wäßrige Lösung, gesättigte Lösung - ungesättigte Lösung.

    Begriffe, konträre [contrariae lat.]: unvereinbare Begriffe, zwischen denen ein Drittes, ein Mittleres möglich ist, und die sich nicht nur gegenseitig negieren, sondern auch etwa Positives für das im diskordanten [uneinigen] Begriff verneinte enthalten, z. B. die Paare tapfer - feige, schwer - leicht, warm - kalt.
        Jeder Begriff des Paares weiß - schwarz geht in den Umfang des subordinierenden [=  unterordnenden; RS] Begriffs Farbe ein, füllt ihn aber nicht voll aus (Abb.).
        Operationen mit k. B. werden in Übereinstimmung mit den Forderungen des Satzes vom Widerspruch vorgenommen, aus dem sich folgende Regeln ableiten lassen:
        I. Nicht beide k. B. können, über ein und dieselbe Klasse von Gegenständen genommen, in ein und derselben Zeit und in ein und derselben Beziehung gleichzeitig wahr sein. Wurde z. B. festgestellt, daß das eine Metall leicht ist, muß der k. B. schwer in bezug auf dieses Metall falsch sein.
        II. Beide k. B. können sich, über ein und dieselbe Klasse von Gegenständen genommen, zu ein und derselben Zeit und in ein und derselben Beziehung als falsch erweisen. Dies erklärt sich daraus, daß zwischen k. B. ein Drittes, Mittleres möglich ist. Die  Begriffe heller Stern und schwacher Stern sind z. B. k. B. Daraus folgt, daß zwischen ihnen ein Drittes möglich ist, z. B. die Sonne, die die Astronomen als einen der Leuchtkraft nach mittleren Stern klassifizieren, der nicht sehr hell, aber auch nicht sehr schwach ist.
        III. Aus der Wahrheit einer Aussage für den einen von zwei k. B. folgt mit Notwendigkeit die Falschheit der entsprechenden Aussage für den anderen. Wenn wahr ist, daß durch eine Leitung Schwachstrom fließt, dann muß die konträre Behauptung, daß durch sie Starkstrom fließt, falsch sein.
        IV. Aus der Falschheit einer Aussage über den einen von zwei k. B. folgt logisch weder die Wahrheit noch die Falschheit der entsprechenden Aussage für den anderen. Ist z. B. die Behauptung »dieses Dreieck ist spitzwinklig« falsch, so kann man über die konträre Behauptung »dieses Dreieck ist stumpfwinklig« nichts Bestimmtes sagen, weil es zwei Möglichkeiten gibt: das Dreieck kann stumpfwinklig sein, es kann aber auch rechtwinklig sein. Die angeführten Regeln gelten für beliebige k. B., unabhängig von ihrem konkreten Inhalt. Aus der Physik genommene k. B., z. B. kalt - warm, weiß - schwarz, aus der Mathematik gewählte wie groß - klein, gekrümmt - gerade oder aus jedem beliebigen Wissensbereich herangezogene k. B. sind in gleichem Maße dem Satz vom Widerspruch untergeordnet." (Spalten 80f).

    Die Negation im Historischen Wörterbuch der Philosophie


    Quelle: "Negation" von A. Menne in Ritter (1984), Bd. 6, S. 666-670 aus logischer Sicht.
     



    Existenz und Nichtexistenzbeweise.
    Existenzbeweise spielen nicht nur in der Mathematik eine besondere Rolle, nicht nur in der gesamten Wissenschaft, sondern auch im Leben.
    1. Gibt es auf dem Himmelskörper X Wasser?
    2. Wurde das Opfer vergiftet (läßt sich also Gift nachweisen)?
    3. Liebt sie (er)  ihn (sie) oder nicht?
    4. Wen hat die ZeugIn gesehen?
    5. Wie viel Primzahlzwillinge gibt es?




    Die Logik ist für den Alltag und seine Probleme wenig entwickelt
    Die Geschichten und Aussagen im Alltag sind vielfach aus zahlreichen Elementaraussagen zusammengesetzt (komplex) und teilweise richtig, teilweise falsch, teilweise unklar oder unentscheidbar, so daß sich grundsätzlich das Problem ergibt, den Wahrheitsgehalt einer zusammengesetzten (komplexen) Aussage differenziert zu erfassen. Dabei macht die Frage, ob es eine quantifizierte Wahrheit gibt (siehe z.B. Aussagepsychologische Wahrheitstheorie 1), ebenso Sinn und muß bejaht werden wie in anderen Zusammenhängen die Frage nach der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen.
        Beispiel Zeugenbericht BZ1: Gegen 19.30 lief ein Hund über die Straße und verschwand hinter dem Haus. Später klapperte eine Tür und dann hörte X ein Klirren. Im ersten Stock ging kurz ein Licht an. Dann knallte ein Sektkorken. Danach hörte X ein Schlürfen und leises Winseln. Das Licht oben ging aus. In der Ferne hörte X eine Sirene. Unter welchen Bedingungen ist dieser Bericht nun wahr oder falsch bzw. wie wahr oder wie falsch und was kann indirekt gefolgert werden, wenn ein Teil davon falsch ist?
     



    Literatur (Auswahl) und Links (Auswahl: beachte)
    Siehe bitte die Literaturangaben unter den verschiedenen Ausarbeitungen zu Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben (Überblick), Literaturliste bei Definition und definieren und Literatur und Linkliste (LiLi): Irrtum, Betrug, Tricks, Täuschung, Fälschung, Risiko, Versagen und anderes Fehlverhalten in Forschung, Wissenschaft und Technik.
    Nicht im Grimm'schen Deutschen Wörterbuch [Uni-Trier, URL geändert].

    Plaum, Ernst (1999). Weshalb fährt der IC 781 am 26. Geburtstag von Sabine M. Um 13.49 Uhr mit einer Geschwindigkeit Von 82,5 Km/H durch den Bahnhof Eichstätt? Oder: Das Elend mit der Suche nach reinen Wirkfaktoren in einer hochkomplexen Realität. Gestalt Theory 21,3, 191-207. [Zusammenfassung]



    Stichworte: suchen, finden, nicht finden, Existenz, Existenzbeweis, Nicht-Existenz, Nicht-Existenzbeweis; Hypothese, Vermutung.



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Geistesgeschichte zur Negation. Die Geistesgeschichte der Negation findet man ausführlich und mit umfangreichen Literaturverzeichnissen von Claus Thiel in Mittelstraß Bd. II und von W. Bonsiepen in Ritter (1984), Bd. 6 dargestellt. Nicht [Uni-Trier, URL geändert] im Grimm'schen Deutschen Wörterbuch (DWB).
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    Querverweise
    Standort: Nicht finden: Zur Logik und Bedeutung des Nicht findens ... und was daraus folgt.
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    Nicht und nicht nicht ...
    Überblick Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben.
    Überblick: Abstrakte Grundbegriffe aus den Wissenschaften
    Wissenschaft in der IP-GIPT
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    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
     * Logik site:www.sgipt.org * Analogie site:www.sgipt.org * 
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS).  Nicht finden: Zur Logik und Bedeutung des Nicht findens und was daraus folgt. Wissenschaftstheoretische und sprachkritische logische Studie. Aus unserer Abteilung Arbeiten zur Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/analogik/nifin0.htm
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    Ende
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    korrigiert: irs 27.12.05



    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    11.11.23    Metadaten, Korr., Links, Layout.
    29.11.15    Linkfehler geprüft und korrigiert.
    28.12.07    Angelegt.