Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=20.04.2003 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 06.12.2020
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20    D-91052 Erlangen
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    Anfang_Deutscher "Nationalcharakter"_ Überblick_Rel. Aktuelles_Rel. Beständiges _Titelblatt_ Konzept__Archiv_ Region_ Service_iec-verlag__ Wichtiger Hinweis zu Links

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Politische Psychologie, Bereich Kultur, und hier zum speziellen Thema:

    Der Deutsche "Nationalcharakter" - Gibt es den?
    Materialien zu Geschichte und Zeitgeist des deutschen "Nationalcharakters"

    recherchiert von Rudolf Sponsel, Erlangen


    „Das Festhalten an der deutschen Staatsangehörigkeit in Art. 116 (1), 16 (1) GG und damit an an der bisherigen Identität des Staatsvolkes des deutschen Staates ist normativer Ausdruck dieses Verständnisses und dieser Grundentscheidung. Aus dem Wahrungsgebot folgt insbesondere die verfassungsrechtliche Pflicht, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten.“
    Quelle: Neue Juristische Wochenschrift, Heft 2, S. 1313 f., 1988

    Einführung in das Problemfeld Nationalcharaktere.
    Bibliothek der Deutschen Werte (satirisch).
    Historisches

    • Tacitus' Germania (98).
    • Deutscher Michel.
    • Von deutscher Republik 1775-1795: Texte radikaler Demokraten.
      • Hieraus Adolph Freiherr von Knigge: Die Unbelehrbaren.
    • Madame de Staël Über Deutschland (1813f).
    • W.v.Humboldt: Charakter von Gemeinschaften und Zeiten.
    • Richard Wagner: Was ist deutsch?
    Die Chronik der Deutschen.
    Nation, Nationalismus, Nationale Identität.
    Zeitgeschichtlich Aktuelleres:
    • Die Nachkriegs-Deutschen (Perspektive 1958)
    • Pross: Was ist heute deutsch?
    • Glunk: Der gemittelte Deutsche. Eine statistische Spurensuche.
    • Wickert: Warum ist es so schwer ein Deutscher zu sein?
    • Helmut Schmidt über die Angst der Deutschen vor dem Neuen.
    • Zur Ära Kohl und dem absoluten Niedergang deutscher Politik informiert.
    • Der deutsche Durchschnittsbürger um die Jahrtausendwende wird erkennbar in.
    • Rubrik Kultur/ Deutsche Leidtkultur in den Wochenpolitischen Kommentaren.
    • De Maizières Leitkultur-Thesen.
    Feiern.
    Lebensformen, Kultur und Zeitgeist der Deutschen in der DDR.
    Querverweise



    Einführung in das Problemfeld Nationalcharaktere
     
    Wissenschaftlich betrachtet ist es sehr fraglich, ob es so etwas wie einen Nationalcharakter gibt. Dies herauszufinden wäre die Aufgabe einer anthropologischen Persönlichkeits- Psychologie, die notwendigerweise Vergleiche mit anderen Nationen und Völkern einbeziehen müßte (> Wilhelm von Humboldt). Klare Definitionsregeln und Operationalisierungen, wie ein "Nationalcharakter" zu konstruieren und empirisch zu beweisen ist, liegen bislang kaum vor [Überblick und Hinweise hier]. Wahrscheinlich verteilen sich die Charakter- und Persönlichkeitstypen über die meisten Völker und Kulturen hinweg. 
    Gute Charaktertypisierungen findet man in der deutschen Wehrmachtspsychologie. Die deutsche Gründlichkeit findet man hier etwa in dem Charaktertypus des sog. "Grundtoffels". Neuer, gängiger und etwas abweichend wird in der Persönlichkeitstypologie der Begriff des zwanghaften Menschen - deftiger: Zwangscharakters - verwendet. Diese Persönlichkeitstypen gibt es aber überall auf der Welt, unter autoritär orientierten Erziehungsumgebungen dürfte dieser Typus aber gehäuft vorkommen. 

    Gründlich und kritisch wird die ganze Problematik inzwischen in meiner Arbeit "Mitglied und Gruppe" bearbeitet.


    Bibliothek der Deutschen Werte

    Möglicherweise sind Satire, Kabarett, Witz und Überzeichnung gute Möglichkeiten für Hypothesen zu Nationalcharakteren.
     

    Beispiel: Die deutsche Gründlichkeit. 
    An sich ein reizvolles Thema - aber auch schwierig, und hier, wie mir scheint, nicht sehr umwerfend, wenn auch einzelne Lichter dabei sind (siehe bitte Leseprobe unten). Die Reihe "Bibliothek der deutschen Werte" (siehe bitte links) ist satirisch angelegt, übertreibt also und erscheint mir daher geeignet, Aspekte des Zeitgeistes und National- Charakters zu erfassen. 

    Leseprobe aus Die deutsche Gründlichkeit

    Müller zu Helmut Kohl Dissertation



    Tacitus' Germania

    Quelle: Chronik der Deutschen (3.A. 1995), S. 46



    Deutscher Michel
    Aus dem Wörterbuch der Geschichte, S. 1056:
    "deutscher Michel. Eine vom Erzengel Michael, dem Schutzpatron der Deutschen, abgeleitete Bez. für den Deutschen. In der Karikatur erscheint der d.M. als das Gegenteil des strahlenden Gotteskämpfers: als ein Bauernbursche mit Zipfelmütze und in Kniehosen, Inbegriff der Einfalt und einer gutmütigen Schwerfälligkeit. Die Gestalt des d.M. wurde oft und gern von polit. Bewegungen benutzt, um das Volk aufzurütteln, so bereits während der Reformationszeit. Z.Z. des Dreißigjährigen Krieges erhielt der Reiterführer Michael Obentraut (1574-1625) den Beinamen »der d.M.«.
        LIT. A. Hauffen, Geschichte des d.M. (1918); E. Boehlich, Joh. Mich. Elias Obentraut. Zur Geschichte und Legende des d.M. (Bausteine. Festschrift für Max Koch, 1926); C. Rademacher, Wodan-St. Michael – Der d.M. (1934)."
        Quelle: [Wörterbuch: deutscher Michel. Wörterbuch Geschichte, S. 1056, digitale Bibliothek Bd. 71.

    Wikipedia. zur Darstellung (Abruf 16.10.17):
    "Darstellung Sein auffallendstes Attribut ist seine Schlaf- bzw. Zipfelmütze. Die frühesten bildhaften Darstellungen des Michels datieren auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seine bildliche Ausformung bezieht sich auf literarische Vorläufer bzw. ein volkstümliches Verständnis der Figur. Den eigentlichen Höhepunkt seiner Popularität erreichte der Michel bereits in den 1840er Jahren.
        Eigenschaften und Wesen der Figur sind bis heute ein Politikum. Die Ansicht, der Michel würde auf den Erzengel Michael (Schutzpatron Deutschlands seit der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955) oder den Reitergeneral Hans Michael Elias von Obentraut zurückgehen, ist bis heute weit verbreitet. Es finden sich für beide Behauptungen keine stichhaltigen Belege. Hinsichtlich der Einflüsse durch die Figur des Heiligen Michael existieren zumindest interessante Hypothesen (Stichwort: Pilgerfahrten zum Mont-Saint-Michel oder die Rolle des Schutzheiligen bei der Christianisierung Norddeutschlands). Die früheste belegte Überlieferung findet sich in einem von Sebastian Franck 1541 herausgegebenen Sprichwörterbuch – also einige Jahrzehnte vor Obentrauts Geburt. Der deutsche Michel bezeichnet hier einen Dummkopf, Tölpel und Fantasten. Auch in anderen zeitgenössischen Quellen findet sich ein ähnliches Verständnis."



    Von deutscher Republik 1775-1795: Texte radikaler Demokraten

    Und hieraus Adolph Freiherr von Knigge mal ganz anders:

    "Die Unbelehrbaren

    Personen, die in solchem Ämtern und Würden stehen, welche man in freien Staaten für unbedeutend, unnütz oder gar für verächtlich und schädlich hält, Hofschranzen und andre besoldete, pensionierte und bepfründete Müßiggänger, können den Gedanken nicht ertragen, daß ein System Anhänger finden mögte, das ihre ganze Existenz vernichtet, indem es nur dem Fleiße und dem wahren Verdienste Achtung, Vorrechte und Vorteile einräumt.
    Solche Fürsten und Edelleute, die sich bewußt sind, daß sie gar nichts mehr sein würden, wenn sie aufhören sollten, Fürsten und Edelleute zu sein;

    Auch manche bessere, verdienstvollere Männer unter diesen, die aber von Jugend auf mit den Vorurteilen ihres Standes aufgewachsen und gewöhnt sind, Dinge, deren Wert jetzt in [176] Frankreich gänzlich verrufen ist, wo nicht wie Schätze voll inneren, echten Gehalts, wenigsten wie eine, durch den Stempel der Konvention gewürdigte, nützliche Ware zu betrachten;

    Geadelte Bürger und alle solche Personen; die es sich haben Mühe und Geld kosten lassen, in eine Klasse hinaufzurücken, mit Ständen in Verbindung zu kommen, die sie außerdem vielleicht verachten würden;
    Hohe und niedre Geistliche aller Bekenntnisse, die so gern Religion und Gottes-Verehrung, Theologie, Dogmatik, Kirchen-System und Christuslehre mit einander verwechseln, ihr Amt zu einem besondern Stande im Staate erheben und ihre Sache zur Sache Gottes machen;

    Solche Menschen, die überhaupt gegen jede Neuerung eingenommen sind und es gern beim Alten lassen;
    Schmeichler; feile, kriechende Schriftssteller, und alle solche Insekten, die unbemerkt herumkriechen und sich fürchten müßten, zertreten zu werden, wenn sie sich nicht in das Unterfutter der Großen dieser Erde einnisteten; an Leib und Seele arme Schlucker, die sich von den Brosamen nähren, welche von der Herren Tische fallen;

    Gutmütige, furchtsame, mitleidige, gefühlvolle und sanguinische Menschen, welche durch die Schilderung der vernübten Gewalttätigkeiten erschüttert und empört werden;

    Untertanen guter Fürsten, besonders in dem nördlichen Teile von Teutschland, die, unter milden Regierungen, bei dem Genusse ihres Eigentums und ihrer Freiheit, gar keinen Begriff vom Despotendrucke haben und - o! der glücklichen Unwissenheit! - das Bedürfnis einer andern Verfassung nicht kennen;

    Alle diese stimmen mehr oder weniger lebhaft die allgemeine Meinung gegen die französische Revolution. Man kann ihnen, was die nachteiligen Eindrücke betrim, welche sie bewirken, noch diejenigen zugesellen, die, aus unvernünftigem Eifer, ohne Kenntnis der Sache, aus unbändigem Freiheitssinne, aus [177] ungerechter Unzufriedenheit mit den Regierungen , welche nicht so hohe Begriffe, wie sie selbst, von ihren Verdiensten haben, sich unberufen zu ungeschickten Verteidigern aufwerfen."



    Historischer Hinweis: Madame de Staël Über Deutschland (1813)
     

    Germaine de Staël-Holstein, Tochter des Schweizer Bankiers und ersten bürgerlichen Finanzministers unter Ludwig XVI., Jacques Necker, wurde 1766 in Paris geboren und lebte bis 1817.

    Der Insel-Verlag:
    "De l'Allemagne, »die bedeutendste Kulturgeschichte der Goethe-Zeit« (R. Minder), 1813 im Londoner Exil erschienen, nachdem Napoleon die französische Auflage von 1810 hatte einstampfen lassen, ist neben Tacitus' De Germania und Heines ebenfalls De l'Allemagne überschrifteter Artikelserie das international bekannteste Buch über Deutschland. Außer einer Fülle scharfsinniger Beobachtungen, die die Verfasserin während ihrer beiden ausgedehnten Deutschlandreisen (1803/04 und 1807/08) machen konnte, entfaltet sie hier das durch die Norm der französischen Salonkultur gefilterte Resultat ihrer Gespräche mit Goethe, Schiller, Fichte, Schelling, A. Müller, F. v. Gentz wie auch ihrer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit den Gebrüdern Schlegel, B. Constant, W. v. Humboldt, Sismondi, Ch. de Villers und vielen anderen.
    Gelobt und bewundert, aber auch geschmäht und kritisiert, beförderte diese wagemutige Schrift, ein Grundtext der deutsch-französischen Beziehungen, die Ausprägung der Romantik in Frankreich und markierte den Eintritt der deutschen Literatur ins europäische Bewußtsein.
    Den spezifischen Charakter dieses historischen Dokuments erhellt auf vorzügliche Weise die vollständige deutsche Erstübersetzung aus dem Jahre 1814, welche hier in einer neu durchgesehenen Fassung dem deutschen Leser erstmals wieder zugänglich gemacht wird."

    Ein wichtiges historisches Buch über die Deutschen und ihre Eigenarten (von Marcel Reich-Ranitzki manipulativ sophistisch mißbraucht).



    Die Chronik der Deutschen

    Was "ein" Deutscher "ist", wird - falls es überhaupt möglich ist, dies nationalcharakterlich zu fassen - wesentlich durch die Geschichte "der" Deutschen beeinflußt. Aber auch hier bedarf es natürlich des Vergleichs, um nicht etwas für "deutsch" zu halten, das ebensogut auf andere Völker und Nationen zutrifft. Einen hilfreichen Überblick geben die Chronik Bände, etwa der Vergleich Chronik der Deutschen mit Chronik der Menschheit.
     

    Hier 3.A. Ausgabe 1995, mit:
    Sachregister
    Personenregister
    Bildquellenverzeichnis 
    Vorwort Hans-Dietrich Genscher 
    Ur- und Frühgeschichte 800 v. Chr-101 v. Chr.
    Rom und Germanien 100v.Chr.181 n.Chr.
    Das Reich der Merowinger 482-749
    Das Reich der Karolinger 750-918
    Das Kaisertum der Ottonen 919-1024
    Die Salier und der Investiturstreit 1024-1137
    Das Stauferimperium 1138-1250 
    Interregnum und Wahlkönigtum 1251-1355
    Das Spätmittelalter 1356-1516 
    Reformation und Gegenreformation 1517-1617l 
    Der Dreißigjährige Krieg 618-1648 
    Die deutschen Fürstenstaaten 1649-1714
    Das Zeitalter der Aufklärung und des Absolutismus 1715-1788
    Deutschland und die Französische Revolution  1789-1815 
    Wiener Kongreß und Restauration 1816-1829 
    Vormärz und Deutsche Revolution 1830-1849 
    Industrialisierung und soziale Folgen 1850-1869 
    Das Zeitalter Bismarcks 1870-1890 
    Das Zeitalter des Imperialismus 1891-1913
    Der Erste Weltkrieg  1914-1918 
    Die Weimarer Republik 1919-1932 
    Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg 1933-1945 
    Der kalte Krieg und die Teilung Deutschlands 1946-1965 
    Alter Konflikt und Neue Ostpolitik 1966-1988 
    Ende des kalten Krieges und Wiedervereinigung ab 1989 



    Nation, Nationalismus, Nationale Identität

    Eine außerordentlich wertvolle Anthologie 18. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts der Bundeszentrale für Politische Bildung. Hieraus die Begriffsbestimmungen (S. 128):"

    Nation
    Der Begriff Nation bezeichnet eine soziale Großgruppe, die bestimmt wird durch gemeinsame Abstammung, Wohngebiet, Sprache, Religion, Rechts- und Staatsordnung, Kultur, Welt- und Gesellschaftsvorstellungen, Geschichte sowie durch die Intensität der Kommunikation. Entscheidend dabei ist, daß die Angehörigen einer Nation vom Andersund Besonderssein im Vergleich zu allen anderen Nationen überzeugt sind, da nicht immer alle oben genannten Merkmale vorhanden sind. Unterschieden wird u.a. zwischen Staats-, Kultur- und Willensnation. Versuche, Nation anhand objektiver, allgemeingültiger Merkmale zu definieren, bleiben bis heute umstritten. Begriffsgeschichtlich standen bis ins 18. Jahrhundert hinein regionale und soziale Bezeichnungen der Nation gleichberechtigt neben anderen Definitionen. So bezeichnete lateinisch "natio" in der Antike und weit ins Mittelalter hinein die Abstammung oder den Herkunftsort einer Person. Im 19. und 20. Jahrhundert wird Nation, ausgehend von Europa, zu einem Zentralbegriff politischer Integration.

    Nationalismus
    Nationalismus ist eine Ideologie, die - beruhend auf einem bestimmten Nationalbewußtsein - den Gedanken der Nation und des Nationalstaats militant nach innen und außen vertritt. Soziale Großgruppen werden zu einer inneren Einheit verbunden, um sie gegen eine als anders empfundene Umwelt abzugrenzen. Dies geschieht durch überzogene nationale Identifikation, aber auch durch Assimilation oder gewalttätige Gleichschaltung. Der Nationalismus ist an keine bestimmte Staats- oder Gesellschaftsform gebunden. Oft vereint sich im Nationalismus das Bewußtsein eines Anders- oder Besondersseins mit einem starken Sendungsbewußtsein. Dies kann zur Abwertung oder Geringschätzung anderer Völker oder nationaler Minderheiten im eigenen Staatsgebiet führen.

    Nationalstaat
    Im Nationalstaat besteht eine weitgehende Identität von Nation und Staatsvolk. Im Gegensatz zum Nationalitäten- oder Vielvölkerstaat sind die Staatsangehörigen im Nationalstaat alle oder die überwiegende Mehrheit
    Angehörige ein und derselben Nation. Das Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Nation und der politische Wille derselben zu einem eigenen und selbständigen Staat ist die politische Grundlage eines Nationalstaats.

    Patriotismus
    Patriotismus ist die Liebe zum Vaterland, zur Heimat und bedeutet Verehrung und gefühlsmäßige Hingabe an Traditionen, Werte und historisch-kulturelle Leistungen des eigenen Volkes bzw. der eigenen Nation. Außerlich zeigt sich Patriotismus z. B. in der Wertschätzung von Symbolen (Hymnen, Flaggen) oder Institutionen (Verfassung, Parlament), aber auch in der Bereitschaft, sich für das eigene Volk einzusetzen. Er orientiert sich primär am Staatswesen und unterscheidet sich vom Nationalismus, der sich stärker auf die Interessen eines Volkes oder einer Nation bezieht. Die Ubergänge sind allerdings fließend.

    Rassismus
    Rassismus ist ein Begriff aus der politischen und sozialen Sprache des 20. Jahrhunderts. Er wird aber auch, was nicht unumstritten ist, zur Bezeichnung bestimmter Erscheinungen in der Vergangenheit herangezogen. Rassismus kennzeichnet im engeren Sinne die im 19. Jahrhundert ausformulierten Ideologien der Rassenunterschiede, die bis in die Gegenwart in jeweils unterschiedlichen Bezügen (u. a. Kolonialismus, Nationalsozialismus, Antisemitismus, Apartheid, neue Rechte) die Basis der dort gerechtfertigten oder praktizierten Diskriminierung von Menschen bildet.

    Staatenbund
    Als Staatenbund bezeichnet man einen losen völkerrechtlichen Zusammenschluß von Staaten zu gemeinsamen politischen Zwecken (Beispiel: der Deutsche Bund 1815 -1866). Die Souveränität liegt nicht beim Gesamtstaat, sondern bei den Gliedstaaten. So bleiben die Gliedstaaten im Staatenbund zum Beispiel Völkerrechtssubjekte, unterhalten eigene diplomatische Vertretungen und können selbst Staatsverträge abschließen. Gegenteil des Staatenbundes ist der Bundesstaat.

    Zusammengestellt nach: Dieter Nohlen (Hrsg.): Worterbuch Staat und Politik, Bonn 1995.
    Brockhaus Enzyklopädie, 19. und 20. Auflage, Mannheim 1991/ 1998"


    Die Nachkriegs-Deutschen (Perspektive 1958)
     

     
     
     
     
     
     
     
     

     

    Hieraus (S. 10):"Der Einzelne: Das Individuum läuft weg. Politik ist eine Angelegenheit der Berufspolitiker. Europa eine Angelegenheit der Berufseuropäer, Innenpolitik eine Sache der Funktionäre, Außenpolitik eine der Diplomaten und die Steuer, jener echte Zweikampf des Staates gegen den Bürger, ist eine Sache, in der man nur mit Kenntnis der Geheimregeln weiterkommt oder auch nicht. Deshalb ist das Individuum, das sich entzieht, heute eine so moderne Sache. Es ist auf der Flucht. Das »Ohnemich« des Einzelnen gegenüber dem Staat oder anderen höheren Formen der Existenz hatte sich in fast antiker Weise wie eine Seuche ausgebreitet und predigte einmal Gleichmut, dann die Neutralität gegenüber den Verschlingungen der Weltmächte. Auch dem Mittelalter ist dieser Rückzug des Herzens vor der Welt nicht fremd. Wir wollen hier die moderne Abart bestimmen. Wer ist dieser moderne »Mensch, der sich entzieht« ?
    Ohwohl sich hier zunächst unser deutsches Erlebnis abzeichnet, geht dieser Vorgang weit über unsere Grenzen hinaus. Das Individuum, das sich entzieht, ist ein Bestandteil aller Massengesellschaften. Es reicht nicht in die Bezirke der Macht. Es spürt, es kann nicht heran und herein. Der Hebelarm fehlt. Das Element der Demokratie, heißt es — aber es heißt nur so —, sei der gemeine Mann, der mit dem Stimmschein in der Hand seinen Willen überträgt und die Welt danach ordnet. Es ist nach der philosophischen Übereinkunft von zwei Jahrhunderten eine harmonische, wenn auch nicht konflikttreie Welt, in der der Viille der Meisten zum Besten wirkt. Dieser Glaube wird durch die Veränderungen der Gegenwart angegriffen. Wir nennen die Punkte. ..."

    Inhaltsverzeichnis "Deutschland Heute" (Perspektive 1958)

    IM KÄFIG DES KOMFORTS

    • Die Transmissionen der Macht (Ein Versuch über den Einzelwert des Menschen)
    • Mensch aus der Zählmaschine (Zur Technik der Meinungsbefragung im Nachkriegsdeutschland)
    • Die Karriere des Arbeiters (Typische Erfahrungen in Großbetrieben)
    • Unter Tage (Die Zechen im Strom der Hochkonjunktur)
    • Ein Tag auf dem Lande (1954)
    • Schichtwechsel auf dem Dorfe (1957) . . .
    • Auf dem Markt der Liebe (Wandlungen der modernen Prostitution)
    • Der Verbrecher in der modernen Welt....


    ZWISCHEN ELBE UND ODER

    • Wo ein Gutshof stand (Wiedersehen mit einem Dorf in Sachsen)
    • Der Weg nach Stalinstadt (Das Eisenhattenkombinat an der Oder im zweiten Fünfjahrplan)
    • Mannequins in Leipzig (In der Schere zwischen neuem Komfort und altem Mangel)
    • Die Intelligenz in der Schere (Die Umkehr der Bi1dungsprivilegien in der Ostzone)
    • Ein neuer Marx wird gesucht. (Unruhige Intelligenz zwischen Dresden und Ostberlin)


    DER MENSCH VON DER STANGE

    • Lächeln hinterm Ladentisch (Das Warenhaus als Kunstwerk)
    • Verführung im Basar (Psychannalyse des Schaufensters)
    • Die Herren im Büro (Zur Situation der Angestellten im 20. Jahrhundert)
    • Großes Fernweh auf Rädern (Das demokratische Gefälle im modernen Reisebetrieb)
    • Die Weihnachtsschlacht (Psychologie und Strategie)


    DAS BILDUNGSGEFECHT

    • Eines Tages bin ich Lehrer (Der Student auf der Pädagaglichen Akademie)
    • Ein Mühlrad im Kopf (Die Leiden des höheren Schülers)
    • Achtung und Mißachtung des Lehrers.


    NACHHUT DER AVANTGARDE

    • Die letzten Feuer der Farbe (Über den Ausgang der expressionistischen Malerei)
    • Die Einsamkeit der Maler (Die Künstler am Angelhaken der Dialektik)
    • Im Gefängnis der modernen Kunst
    • Die Welt der Einäugigen (Nach einem Jahrhundert Photegraphie)
    • Snobismus in der Architektur (Über die Wendung zum dekorativen zun femininen Stil)
    • Turmbau und Zellenstaat (Richtungen der modernen Architektur)



    Pross: Was ist heute deutsch?
     
     

    Pross, Helge (1982) Was ist heute deutsch? Wertorientierungen in der Bundesrepublik. Reinbek: Rowohlt.

    Aus dem "Schluss", S. 133f:
    "Was ist heute deutsch? Sicher nicht die Konzeptionen der wünschenswerten sozialen Beziehungen und der wünschenswerten sozialen Zustände, sicher nicht die Tugendideen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts und in der Spätphase der Weimarer Republik dominierten. Verhaltensweisen wie fragloser Gehorsam, Disziplin und Unterordnung werden nicht mehr als Tugenden angesehen. Pflicht als ständige Arbeit an sich selbst und an der Qualität der Aufgabenerfüllung gilt nicht als moralischer Imperativ. Ebensowenig werden andere asketische Arbeitsauffassungen prämiert. Auch der Gedanke, der einzelne habe einer übergeordneten Idee oder einer übergeordneten Institution zu dienen, hat seine Geltung verloren. Eine obrigkeitliche Regierung wird nicht gewünscht. An die Stelle dieser Orientierungen sind innerhalb des Privatbereichs Werte des Individualismus getreten. Der Terminus «Individualismus» wird hier freilich nicht im emphatischen Sinn des 18. Jahrhunderts verwendet, er meint in unserem Zusammenhang nicht die Entfaltung des Menschen zur mündigen, nach Autonomie, Humanität und umfassender Urteilskraft strebenden Person. «Individualismus» steht viel- [>134] mehr für das Verlangen nach persönlicher Unabhängigkeit, Selbstbehauptung, Durchsetzung der eigenen Interessen, Partizipation. Es ist ein Individualismus der Selbst-bezogenheit, im modischen Jargon auch «Selbstverwirklichung» genannt. ... ..."


    Glunk (1996): Der gemittelte Deutsche. Eine statistische Spurensuche.
     
     



    Wickert: Warum ist es so schwer ein Deutscher zu sein?

    "Wir lieben unsere harte D-Mark, wir sind stolz auf die deutsche Ordnung und Stabilität, aber auf Fragen nach unserer Nationalität antworten wir eher vage und verschämt. Nationalgefühl und Heimatstolz sind in Deutschland immer noch untrennbar mit Fremdenhaß und Antisemitismus verknüpft. Gibt es sie also nicht, die gemeinsame deutsche Identität? Mit Hilfe von Nationalmythen und Aussprüchen von Politikern, Intellektuellen und Künstlern
    versucht Ulrich Wickert, die deutsche Identität aufzuspüren. Er zeigt, wie die Deutschen aus ihrer dunklen Geschichte lernen können, ohne in ihrem Schatten zu stehen, und beschreibt seine Vision von einem zukünftigen, selbstbewußteren Deutschland."
        Quelle: Rückumschlagklappentext. Wickert, Ulrich (1999) Deutschland auf Bewährung. Der schwierige Weg in die Zukunft. München: Heyne.
     

      Inhalt
      Vorwort zur Taschenbuchausgabe I
      Vorwort 9

      Heimat - nicht Vaterland
      Wie ich zum Deutschen wurde 15
      Angst vor Deutschland 26
      Was ist nationale Identität? 31
      Stolz und Zweifel 40
      Vom Selbstverständnis der anderen 50
      Mensch sein - oder Deutscher? 65
      Aus Zufall: Deutscher werden 76
      Vergangenheitspolitik 93

      Das schwierige Erbe
      Von Blut und Boden 113
      Nation und Heimat 131
      DDR - das deutschere Deutschland? 156
      Symbole und Rituale 165
      Erinnern heißt wissen 207
      Wider die Tabus 242
      Wider die Tabus Der Hermann-Mythos 255

      Das selbstbewußte Volk
      D-Mark - Mythos oder Symbol 273
      Schuld, Scham oder Freispruch? 286
      Der humane Staat 297

      Anhang
      Anmerkungen 309
      Literaturhinweise 322
      Personenregister 327


    Über die Ängstlichkeit der Deutschen vor dem Neuen
    Helmut Schmidt (Bundeskanzler 1974-1982)

    "Eine der wichtigsten Aufgaben für Politik und Wissenschaft und Unternehmen und für alle ist, daß wir uns mit ganz langem Atem darum bemühen, die Deutschen aufzuklären, damit die psychotischen deutschen Ängste vor technischer Innovation überwunden werden. Die Deutschen sind heute die Europameister der Angst. Alles, was neu ist, begegnet bei uns Ängsten, und die Ängste werden ausgebeutet von irgendwelchen Politikern oder Verbänden oder Bürgerinitiativen. Zuerst waren sie gegen Kernkraft, dann waren sie dagegen, daß weiterhin Kohle und Öl verbrannt wird, denn das schafft Abgase in die Luft, was ja auch stimmt. Dann sind sie aber nun neuerdings auch gegen Windspargel (Windkraft [93] Generatoren), denn die verschandeln ja die Landschaft. Alles Neue macht Angst, deshalb muß man dagegen sein. So denken viele. Aber in Wahrheit muß die Nation begreifen, und dazu müssen wir alle beitragen: Ohne Innovationen verurteilen wir uns selbst zu Verlust weiterer Arbeitsplätze und zu Verlust weiterer Teile unseres allgemeinen Lebensstandards." Quelle (S. 93-94)

    Helmut Schmidt zu den Fehlern bei der Wiedervereinigung

    Zur Ära Kohl und dem absoluten Niedergang deutscher Politik informiert

    Mit Kohls Dissertation beschäftigt sich auch Hans-Christian Müller in "Die deutsche Gründlichkeit" (S. 71ff):



    Der deutsche Durchschnittsbürger um die Jahrtausendwende wird erkennbar in

    Man beginnt zu verstehen, warum die Hollywooddemokratie weniger als alle anderen reformierbar sind: Römisches Brot und Spiele sind hier stahlbetonperfektioniert. Die Demokratie muß daher mit der Kontrolle der Medien beginnen.



    Rubrik Kultur/ Deutsche Leidtkultur in den Wochenpolitischen Kommentaren
    Zwischen 2002 und 2005 habe ich bis auf die Sommerferienzeit Wochenpolitische Kommentare verfasst. An 12-2003 habe ich darin die Rubrik "Kunst, Kultur und Leidtkultur" aufgenommen.
        Einige Beispiele:
    • Neil Postman: Wir amüsieren uns zu Tode. (Pwk04-04)
    • Die Highlights des deutschen Bundestags. (Pwk03-10)
    • Lexikon der Beleidigungen. (Pwk03-17)
    • Sandsation. (Pwk03-26)
    • Neues vom "Theater" um das Theater Erlangen: Epilog. (Pwk03-49)
    • Lebensfeind Dumpfbacken-Fernsehen. (Pwk04-29)
    • Nachlese Die Wölfe im Garagentheater Erlangen: Ein Pyrrhussieg auf breiter Front? (Pwk05-19)


    Querverweise: Überblick Kultur in der IP-GIPT  *  Überblick und Verteilerseite Kunst.



    De Maizières Leitkultur-Thesen

    "Gesellschaft und Verfassung Interview 01.05.2017 Leit­kul­tur für Deutsch­land - Was ist das eigentlich?
    BILD am Sonntag vom 30.04.2017
    Ein Diskussionsbeitrag von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière zur Frage, "was uns im Innersten zusammenhält"

    Wer sind wir? Und wer wollen wir sein? Als Gesellschaft. Als Nation. Die Fragen sind leicht gestellt, die Antworten schwer: Neil McGregor versucht sie in seinen "Erinnerungen einer Nation" auf über 600 und Dietrich Borchmeyer in "Was ist Deutsch?" gar auf über 1000 Buchseiten.

    Einige Dinge sind klar. Sie sind auch unstreitig: Wir achten die Grundrechte und das Grundgesetz. Über allem steht die Wahrung der Menschenwürde. Wir sind ein demokratischer Rechtsstaat. Wir sprechen dieselbe Sprache, unsere Amtssprache ist deutsch. Für all das haben wir ein Wort: Verfassungspatriotismus. Ein gutes Wort. Aber ist das alles? Demokratie, Achtung der Verfassung und Menschenwürde gilt in allen westlichen Gesellschaften.

    Ich meine: Es gibt noch mehr. Es gibt so etwas wie eine "Leitkultur für Deutschland". Manche stoßen sich schon an dem Begriff der "Leitkultur". Das hat zu tun mit einer Debatte vor vielen Jahren. Man kann das auch anders formulieren. Zum Beispiel so: Über Sprache, Verfassung und Achtung der Grundrechte hinaus gibt es etwas, was uns im Innersten zusammenhält, was uns ausmacht und was uns von anderen unterscheidet.

    Ich finde den Begriff "Leitkultur" gut und möchte an ihm festhalten. Denn er hat zwei Wortbestandteile. Zunächst das Wort Kultur. Das zeigt, worum es geht, nämlich nicht um Rechtsregeln, sondern ungeschriebene Regeln unseres Zusammenlebens. Und das Wort "leiten" ist etwas anderes als vorschreiben oder verpflichten. Vielmehr geht es um das, was uns leitet, was uns wichtig ist, was Richtschnur ist. Eine solche Richtschnur des Zusammenlebens in Deutschland, das ist das, was ich unter Leitkultur fasse.

    Wer ist "wir"? Wer gehört dazu? Auch diese Frage wird oft gestellt und viel diskutiert. Für mich ist die Antwort klar: Wir - das sind zunächst einmal die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Nicht jeder, der sich für eine gewisse Zeit in unserem Land aufhält, wird Teil unseres Landes. In unserem Land gibt es darüber hinaus viele Menschen, die seit langer Zeit hier leben, ohne Staatsbürger zu sein - auch sie gehören zu unserem Land. Wenn ich aber von "wir" spreche, dann meine ich zuerst und zunächst die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger unseres Landes.

    Wenn wir eine Leitkultur für Deutschland beschreiben, sind wir den Bedenken einer undifferenzierten Verallgemeinerung ausgesetzt. Wer Grundsätze benennt, muss sich die Ausnahmen vorhalten lassen. Das ist so. Und es stimmt: Es gibt viele Unterschiede in unserem Land. Aber wer will bestreiten, dass es hier erprobte und weiterzugebende Lebensgewohnheiten gibt, die es wert sind, zu erhalten? Wohl kaum jemand.

    Überzeugungen und Lebensgewohnheiten hat auch kein Land nur für sich allein. Was in Deutschland gilt, kann genauso in Frankreich gelten. Umgekehrt ist auch richtig: Andere Länder, andere Sitten. Wenn eine Lebensgewohnheit im Ausland anders ist, ist sie eben anders als in Deutschland, nicht besser oder schlechter. Es ist die Mischung, die ein Land einzigartig macht und die letztlich als Kultur bezeichnet werden kann. Und ist es nicht auch genau das, was wir suchen, wenn wir reisen - die Kultur des dann anderen Landes; das Erfahren eines anderen Kulturkreises, der uns den eigenen dann auch immer wieder bewusst macht?

    Ich will mit einigen Thesen zu einer Diskussion einladen über eine Leitkultur für Deutschland.
     

    1. Wir legen Wert auf einige soziale Gewohnheiten, nicht weil sie Inhalt, sondern weil sie Ausdruck einer bestimmten Haltung sind: Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand. Bei Demonstrationen haben wir ein Vermummungsverbot. "Gesicht zeigen" - das ist Ausdruck unseres demokratischen Miteinanders. Im Alltag ist es für uns von Bedeutung, ob wir bei unseren Gesprächspartnern in ein freundliches oder ein trauriges Gesicht blicken. Wir sind eine offene Gesellschaft. Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka.
    2. Wir sehen Bildung und Erziehung als Wert und nicht allein als Instrument. Schüler lernen - manchmal zu ihrem Unverständnis - auch das, was sie im späteren Berufsleben wenig brauchen. Einige fordern daher, Schule solle stärker auf spätere Berufe vorbereiten. Das entspricht aber nicht unserem Verständnis von Bildung. Allgemeinbildung hat einen Wert für sich. Dieses Bewusstsein prägt unser Land.
    3. Wir sehen Leistung als etwas an, auf das jeder Einzelne stolz sein kann. Überall: Im Sport, in der Gesellschaft, in der Wissenschaft, in der Politik oder in der Wirtschaft. Wir fordern Leistung. Leistung und Qualität bringen Wohlstand. Der Leistungsgedanke hat unser Land stark gemacht. Wir leisten auch Hilfe, haben soziale Sicherungssysteme und bieten Menschen, die Hilfe brauchen, die Hilfe der Gesellschaft an. Als Land wollen wir uns das leisten und als Land können wir uns das leisten. Auch auf diese Leistung sind wir stolz.
    4. Wir sind Erben unserer Geschichte, mit all ihren Höhen und Tiefen. Unsere Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und unsere Kultur. Wir sind Erben unserer deutschen Geschichte. Für uns ist sie ein Ringen um die Deutsche Einheit in Freiheit und Frieden mit unseren Nachbarn, das Zusammenwachsen der Länder zu einem föderalen Staat, das Ringen um Freiheit und das Bekenntnis zu den tiefsten Tiefen unserer Geschichte. Dazu gehört auch ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels.
    5. Wir sind Kulturnation. Kaum ein Land ist so geprägt von Kultur und Philosophie wie Deutschland. Deutschland hat großen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung der ganzen Welt genommen. Bach und Goethe "gehören" der ganzen Welt und waren Deutsche. Wir haben unser eigenes Verständnis vom Stellenwert der Kultur in unserer Gesellschaft. Es ist selbstverständlich, dass bei einem politischen Festakt oder bei einem Schuljubiläum Musik gespielt wird. Bei der Eröffnung eines großen Konzerthauses sind - wie selbstverständlich - Bundespräsident, Vertreter aus Regierung, Parlament, Rechtsprechung und Gesellschaft vor Ort. Kaum ein Land hat zudem so viele Theater pro Einwohner wie Deutschland. Jeder Landkreis ist stolz auf seine Musikschule. Kultur in einem weiten Sinne, unser Blick darauf und das, was wir dafür tun, auch das gehört zu uns.
    6. In unserem Land ist Religion Kitt und nicht Keil der Gesellschaft. Dafür stehen in unserem Land die Kirchen mit ihrem unermüdlichen Einsatz für die Gesellschaft. Sie stehen für diesen Kitt - sie verbinden Menschen, nicht nur im Glauben, sondern auch im täglichen Leben, in Kitas und Schulen, in Altenheimen und aktiver Gemeindearbeit. Ein solcher Kitt für unsere Gesellschaft entsteht in der christlichen Kirche, in der Synagoge und in der Moschee. Wir erinnern in diesem Jahr an 500 Jahre Reformation. Für die Trennung der christlichen Kirchen hat Europa, hat Deutschland einen hohen Preis gezahlt. Mit Kriegen und jahrhundertelangen Auseinandersetzungen. Deutschland ist von einem besonderen Staat-Kirchen-Verhältnis geprägt. Unser Staat ist weltanschaulich neutral, aber den Kirchen und Religionsgemeinschaften freundlich zugewandt. Kirchliche Feiertage prägen den Rhythmus unserer Jahre. Kirchtürme prägen unsere Landschaft. Unser Land ist christlich geprägt. Wir leben im religiösen Frieden. Und die Grundlage dafür ist der unbedingte Vorrang des Rechts über alle religiösen Regeln im staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenleben.
    7. Wir haben in unserem Land eine Zivilkultur bei der Regelung von Konflikten. Der Kompromiss ist konstitutiv für die Demokratie und unser Land. Vielleicht sind wir stärker eine Konsens orientierte Gesellschaft als andere Gesellschaften des Westens. Zum Mehrheitsprinzip gehört der Minderheitenschutz. Wir stören uns daran, dass da einiges ins Rutschen geraten ist. Für uns sind Respekt und Toleranz wichtig. Wir akzeptieren unterschiedliche Lebensformen und wer dies ablehnt, stellt sich außerhalb eines großen Konsenses. Gewalt wird weder bei Demonstrationen noch an anderer Stelle gesellschaftlich akzeptiert. Wir verknüpfen Vorstellungen von Ehre nicht mit Gewalt.
    8. Wir sind aufgeklärte Patrioten. Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land und hasst nicht andere. Auch wir Deutschen können es sein. "Und weil wir dies Land verbessern, lieben und beschirmen wir's. Und das Liebste mag's uns scheinen, so wie andern Völkern ihr‘s", so heißt es in der Kinderhymne von Bert Brecht. Ja, wir hatten Probleme mit unserem Patriotismus. Mal wurde er zum Nationalismus, mal trauten sich viele nicht, sich zu Deutschland zu bekennen. All das ist vorbei, vor allem in der jüngeren Generation. Unsere Nationalfahne und unsere Nationalhymne sind selbstverständlicher Teil unseres Patriotismus: Einigkeit und Recht und Freiheit.
    9. Unser Land hatte viele Zäsuren zu bewältigen. Einige davon waren mit Grundentscheidungen verbunden. Eine der wichtigsten lautet: Wir sind Teil des Westens. Kulturell, geistig und politisch. Die NATO schützt unsere Freiheit. Sie verbindet uns mit den USA, unserem wichtigsten außereuropäischen Freund und Partner. Als Deutsche sind wir immer auch Europäer. Deutsche Interessen sind oft am besten durch Europa zu vertreten und zu verwirklichen. Umgekehrt wird Europa ohne ein starkes Deutschland nicht gedeihen. Wir sind vielleicht das europäischste Land in Europa - kein Land hat mehr Nachbarn als Deutschland. Die geographische Mittellage hat uns über Jahrhunderte mit unseren Nachbarn geformt, früher im Schwierigen, jetzt im Guten. Das prägt unser Denken und unsere Politik.
    10. Wir haben ein gemeinsames kollektives Gedächtnis für Orte und Erinnerungen. Das Brandenburger Tor und der 9. November sind zum Beispiel ein Teil solcher kollektiven Erinnerungen. Oder auch der Gewinn der Fußballweltmeisterschaften. Regionales kommt hinzu: Karneval, Volksfeste. Die heimatliche Verwurzelung, die Marktplätze unserer Städte. Die Verbundenheit mit Orten, Gerüchen und Traditionen. Landsmannschaftliche Mentalitäten, die am Klang der Sprache jeder erkennt, gehören zu uns und prägen unser Land.


    Was folgt nun aus dieser Aufzählung? Manches mag fehlen, anderes kann hinzukommen. Ist das ein Bildungskanon, den alle wissen und lernen müssen, z.B. in den 100 Stunden der Orientierung in unserem Integrationskurs? Schön wär‘s. Kann eine Leitkultur vorgeschrieben werden? Ist sie verbindlich? Nein. Wie der Name Kultur schon sagt, geht es hier nicht um vorgeschriebene Regeln. Die Leitkultur prägt und soll prägen. Sie kann und soll vermittelt werden.

    Leitkultur kann und soll vor allem vorgelebt werden. Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark. Stärke und innere Sicherheit der eigenen Kultur führt zu Toleranz gegenüber anderen. Leitkultur ist also zunächst und vor allem das, was uns ausmacht. Wenn sie uns im besten Sinne des Wortes leitet, dann wird sie ihre prägende Wirkung auf andere entfalten. Auch auf die, die zu uns kommen und bleiben dürfen. Ihnen reichen wir unsere ausgestreckte Hand.

    Was aber geschieht nun mit denjenigen, die zu uns gekommen sind, die hier eine Bleibeperspektive haben, die dennoch aber eine solche Leitkultur weder kennen, vielleicht nicht kennen wollen oder gar ablehnen? Bei denen wird die Integration wohl kaum gelingen. Denn zugehörig werden sie sich nicht fühlen ohne Kenntnis und jedenfalls Achtung unserer Leitkultur.

    In unserem Umgang mit diesen Menschen sollte uns eine Unterscheidung leiten: Die Unterscheidung zwischen dem Unverhandelbaren und dem Aushaltbaren. Das Unverhandelbare werden wir nicht aufgeben, wir müssen auf deren Einhalten bestehen. Dazu gehören neben den Forderungen nach Straflosigkeit und Achtung unserer Grundwerte auch die Einhaltung von Respekt im Miteinander und die Herrschaft des Rechts vor der Religion. Wir bleiben - unverhandelbar - Teil des Westens, stolze Europäer und aufgeklärte Patrioten. Vor allem die Menschenwürde ist für uns unverhandelbar, auch im Umgang der Menschen untereinander.

    Aushalten müssen wir dagegen sicher einiges. Das lässt unsere Toleranz auch zu. Wenn wir aber darauf achten, dass wir uns unserer Leitkultur bewusst sind und sie vorleben, dann wissen wir um die Stärke dieser Leitkultur, können einiges aushalten und müssen weniger aushalten, je überzeugender unsere Leitkultur wirkt. Wenn wir uns klar darüber sind, was uns ausmacht, was unsere Leitkultur ist, wer wir sind und wer wir sein wollen, wird der Zusammenhalt stabil bleiben, dann wird auch Integration gelingen - heute und in Zukunft." [Quelle: bmi-bund]

    Reaktionen

    • "De Maizières Leitkultur-Thesen Die Kirche soll im Dorf bleiben. Der Innenminister formuliert Thesen zur Leitkultur, und die Aufregung ist groß. Genau so war es geplant. Schließlich geht es vor allem um Wahlkampf - und womöglich auch um Thomas de Maizières Job. ..." [SPON 01.05.17]




    Feiern
    Was bedeutet feiern? Wie feiern die Deutschen? Zu einem beträchtlichen Teil besteht feiern für viele aus Alkoholkonsum (typisch für Volks-, z.B. Oktoberfest), essen, Singen und Musik (Sylvesterkonzerte. Hochzeitsmärsche), mit oder ohne Tanz; manchmal werden Reden (Jubiläen, Beerdigungen, Sonntagspredigten) gehalten, Unterhaltung, Spiel und Vergnügungen (Kirchweihen) angeboten. Auf dem Land waren zumindest früher zu späterer Prügeleien nicht unüblich - meist eine Folge des Alkoholkonsums. Das Arrangieren von Feiern, die wirklich die meisten Gäste zufriedenstellen, ist nicht ganz einfach, so dass sich hier professionelle Hilfen entwickelt haben.



    Lebensformen, Kultur und Zeitgeist der Deutschen in der DDR
    • Beispiel: "Im Blick der Massen" Plakate in der DDR bis 21. April 2003: http://www.alltagskultur-ddr.de/pages/aus/inhalt.html




    Literatur (Auswahl)
    Im Text noch nicht erfasste:
    Lieblingsjahreszeiten der Deutschen. NN 30.12.2021, Weltspiegel, S.24 [eingescannt, Ebooks/Demoskopie]
     



    Links (Auswahl: beachte)
    Studie: Welche Jahreszeit mögen die Deutschen am Liebsten? https://www.splendid-research.com/de/studie-jahreszeiten



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  > Eigener wissenschaftlicher Standort.

    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Wilhelm von Humboldt.
    Wagner, Hans-Josef von (2002) Wilhelm von Humboldt, Wilhelm Anthropologie und Theorie der Menschenkenntnis. Darmstadt: WBG.

      Inhalt
      Wilhelm von Humboldt: Anthropologie und Theorie der Menschenkenntnis
      Plan einer vergleichenden Anthropologie (1795) 1-9
      2. Wichtigkeit dieser Untersuchungen 9
      3. Unmittelbarer Einfluss einer individuellen Menschenkenntniss auf die Charaktereigenthümlichkeit  14
      4. Zweck und Verfahren der vergleichenden Anthropologie im Allgemeinen. - Gefahr eines möglichen Misbrauchs 18
      5. Methode. Ausdehnung und Grenzen. Eintheilung 21
      6. Quellen und Hülfsmittel. Nothwendige Geistesstimmung  24
      7. Von der Charakterverschiedenheit im Allgemeinen 27
      [8.] Hauptsächlichste Thatsache, auf welche der Gedanke einer vergleichenden Anthropologie sich vorzüglich stützt  28

      Theorie der Menschenkenntnis. Aus der Schrift:
      Das 18. Jahrhundert 38
      I. Allgemeines Bedürfniss der Menschheit sich von Zeit zu Zeit von den Umwandlungen ihres Charakters Rechenschaft zu
      geben 41
      II. Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit einer Charakteristik des achtzehnten Jahrhunderts insbesondre. 41
      III. Wesen und Begriff der nothwendigen Charakteristik unsrer Zeit  42
      IV. Bemerkungen über einige schwer zu erfüllende Erfordernisse jeder Charakteristik überhaupt. - Erörterung der Frage, worin der Charakter eigentlich besteht?. 42
      V. Erörterung der Frage, wie das Zufällige im Charakter von dem Wesentlichen desselben unterschieden werden kann?  71

      Interpretation
      Humboldts Anthropologie und Theorie der Menschenkenntnis
      Grundlegung einer vergleichenden Anthropologie  97
      6 Inhalt
      Einleitung  97
      „Plan einer vergleichenden Anthropologie“97
      „Theorie der Menschenkenntnis“.122
      Gesamtbetrachtung beider Studien.148
      Konstitutionstheorie S. 148 - Gegenstandsbereich S. 149 - Methodologie
      und Methode S. 150 - Strukturale Hermeneutik S. 152 - Universalität und Historizität S. 156
      Kritische Bemerkungen zum Schluss  157

      Literaturverzeichnis 159
      Primärliteratur  159
      Briefe  159
      Sekundärliteratur  159

    __


    Wird im Laufe der Zeit unregelmäßig ergänzt und vertieft

    Querverweise
    Mitglied und Gruppe. * Zeitgeist *
    Axiome und Konstruktionsprinzipien Differentieller Psychologie der Persönlichkeit in der Allgemeinen und Integrativen Psychodiagnostik, Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie.
    Übersicht Differentielle Psychologie der Persönlichkeit in der Allgemeinen und Integrativen Psychodiagnostik, Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie.
    Historische und psychiatrie-historische Probleme und Grundsätze ihrer Handhabung (Zeitgeistproblematik)
    Überblicks- und Verteilerseite Wert, Werten, Werterleben


    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Der Deutsche "Nationalcharakter" -  Materialien zu Geschichte und Zeitgeist des deutschen Nationalcharakters. IP-GIPT Erlangen. https://www.sgipt.org/politpsy/kultur/dduim0.htm
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    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    26.04.19   W.v.Humboldt: Charakter von Gemeinschaften und Zeiten.
    23.12.18   Wickert: Warum ist es so schwer Deutscher zu sein?
    01.09.18   Wilhelm von Humboldt  (Volks- und Nationalcharakter, Zeitgeist)
    21.10.17   Verfassungsrechtliches Identitätsgebot.
    16.10.17   Erfassung Pross: Was ist heute deutsch? Titeländerung: Der deutsche Nationalcharakter. Verweis Mitglied und Gruppe.
    02.05.17   De Maizières Leitkultur-Thesen. * Rubrik Kultur/ Deutsche Leidtkultur in den Wochenpolitischen Kommentaren.
    15.09.16   Rubrik feiern angelegt. Linkfehler geprüft und korrigiert.