Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=22.06.2002 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 28.01.20
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Herzlich willkommen in unserer Abteilung Biographien (Kurzbiographien, Berufsbiographien, Biographieforschung), hier zu:

    Marcel Reich-Ranicki
    Im Grenzland zwischen Kulturgiftzwergriesen und Bildungskotzbrocken
     Psychographische Notizen zum Sodom und Gomorrha des doitschen Kulturbetriebes

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zur Ablehnung des Ehrenpreises des Deutschen Fernsehens.

    Herkunft und Lebensweg * Das Spiel mit der Identität * Marcel, der Ornithologe * Geheimagent und Politiker * Marcel, der Eroberer * Das Klischee vom Einzigüberlebenden * Was fehlt Reich-Ranicki? * Querverweise und Links

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    Herkunft und Lebensweg. Marcel Reich-Ranicki (* 1920, Wloclawek an der Weichsel) entstammt einer jüdischen Familie, sein Vater war polnischer Jude, seine Mutter preußisch- jüdischer Herkunft. Er selbst schildert keine innere Beziehung zur jüdischen Religion. Er kommt als 9jähriger - 1928 - nach Berlin und geht dort zur Schule. Früh schon, bereits als Schüler, wurde seine nie endende Leidenschaft und Liebe hauptsächlich zur Literatur und hier besonders zur deutschen (was ihm im Warschauer Ghetto wahrscheinlich neben der Gunst des Schicksals sogar das Leben retten half), wie auch zum Theater, zur Musik und Kunst entfacht. Als früher und anhaltender Lebenstraum entwickelte er den Wunsch, später eine Arbeit zu finden, die mit Literatur zu tun hat.
        Seinen Vater schildert er als schwach und wenig erfolgreich, seine Mutter als starke und bestimmende Persönlichkeit, stolz auf das Kulturland, aus dem sie stammt. Seine Schwester Gerda wurde 13 Jahre, sein Bruder Alexander 9 Jahre früher geboren als er. Aus Sicht der Psychologie der Familien- und Geschwisterkonstellationen ist er daher praktisch als Einzelkind anzusehen.
        Er war von 1960 bis 1973 ständiger Literaturkritiker der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" und leitete von 1973 bis 1988 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Redaktion für Literatur und literarisches Leben. In den Jahren 1968/69 lehrte er an amerikanischen Universitäten, von 1971 bis 1975 war er ständiger Gastprofessor für Neue Deutsche Literatur an den Universitäten von Stockholm und Uppsala, seit 1974 ist er Honorarprofessor an der Universität Tübingen, in den Jahren 1991/1992 bekleidete er die Heinrich-Heine-Gastprofessur an der Universität Düsseldorf. Seit 1988 leitete er das Literarische Quartett im Zweiten Deutschen Fernsehen. Reich-Ranicki erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. die Ehrendoktorwürde der Universitäten Uppsala, Augsburg, Bamberg und Düsseldorf, den Ricarda-Huch-Preis (1981), den Thomas-Mann-Preis (1987), den Bayerischen Fernsehpreis (1991), den Ludwig-Börne-Preis (1995) und den Goethepreis (2002). Viele Ehrungen gab es zu seinem 80. Geburtstag. Als vorläufig letzter und zweifelhafter Höhepunkt um seine Person, Persönlichkeit und Wirken kann die von Martin Walser im Tod eines Kritikers verfaßte beißende und geißelnde Persiflage um Reich-Ranicki und den doitschen Kulturbetrieb gelten, die die Feuilletongemüter seit dem Paukenschlag der FAZ erhitzte und Reich-Ranicki sogar bewegte, die Veröffentlichung im renommierten und antisemitismus völlig unverdächtigen Suhrkamp-Verlag verhindern zu wollen.

    Das Spiel mit der Identität. "... Er, Günter Grass aus Danzig, wollte nämlich von mir wissen: 'Was sind Sie nun denn eigentlich - ein Pole, ein Deutscher oder wie?' Die Worte 'oder wie' deuteten wohl noch auf eine dritte Möglichkeit hin. Ich antwortete rasch: 'Ich bin ein halber Pole, ein halber Deutscher und ein ganzer Jude.' Grass schien überrascht, doch war er offensichtlich zufrieden, ja beinahe entzückt: 'Kein Wort mehr, Sie könnten dieses schöne Bonmot nur verderben.' Auch ich fand meine spontane Äußerung ganz hübsch, aber eben nur hübsch. Denn diese arithmetische Formel war so effektvoll wie unaufrichtig: Hier stimmte kein einziges Wort. Nie war ich ein halber Pole, nie ein halber Deutscher - und ich hatte keinen Zweifel, daß ich es nie werden würde. Ich war auch nie in meinem Leben ein ganzer Jude, ich bin es auch heute nicht." [0]

    Marcel, der Ornithologe. Wenn einer keine Berufsausbildung für sich finden konnte und nicht weiß, wovon er leben soll, dann gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, auch ohne Berufsausbildung sein Geld zu verdienen, nämlich z.B. als Gastwirt, Privatdetektiv, Taxifahrer, Söldner, Politiker, Geheimagent, Guru, Kleinunternehmer oder Gelegenheitsarbeiter.
     

     

    Schwer haben es meist KünstlerInnen und SchriftstellerInnen. Sehr viel leichter hat es da ein Berufs- Literatur- Kritiker, wenn es auch nur selten gelingt und ungewöhnlich ist, noch dazu als Freischaffender, der, wie merkwürdig, eigentlich gar nichts schaffen muß, denn er beurteilt Schaffende; also eigentlich einer, der über den Schaffenden steht. Und wenn die Selbsterwählung genügend stark ausgebildet ist, resultieren dann solche wahnhaft anmutenden Sätze wie: "Daß die meisten Schriftsteller von der Literatur nicht mehr verstehen als die Vögel von der Ornithologie." [1] Und damit die Trottel Schriftsteller und Literaten das auch begreifen, bedarf es sozusagen eines Über- Literaten, eines Hypervogels und wahren Ornithologen des Wortes, der es ihnen immer wieder einhämmert. Der ihnen sagt, was sie in Wahrheit sind: bloße eingebildete Vögel ohne das höhere und kritische ornithologische Bewußtsein, das über allem steht und Schaffen erst zur Schöpfung macht: ein Gott also. Nun ja, irgendwie scheint der Übersteher und Übervogel Reich-Ranicki das alles sehr wörtlich genommen zu haben: ich bin der Gott, der die Welt der Literatur erschafft. Doch wie kam er nun dazu, Kritiker zu werden, wiewohl er doch eigentlich Schriftsteller werden wollte [2]?

    Geheimagent und Politiker. Marcel Reich-Ranickis Berufsbiographie kann aus der Beispielsammlung oben (Berufe ohne Ausbildung) mit zwei bedeutungsvollen Titeln aufwarten: Geheimagent und Politiker. Damit ist das Potential für einen ekelhaften Menschen und doitschen Kulturartisten mit Zuckerbrot und Peitsche gut vorbereitet. Zunächst erlernte er nach dem Krieg die Berufs- Grundlagen der geheimdienstlichen Niedertracht, Verrat und Täuschung, das Bespitzeln als Geheimagent für den polnischen Geheimdienst: er "berichtete" über Exilpolen in Berlin und London [3]. Dort brachte er es - auch dank einer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Polens, wenn auch ohne tiefere Überzeugung - sogar bis zum Konsul mit großem amerikanischen Wagen als bemerkenswertem Attribut der frühen Größe schon. [4]. Es erhebt sich die psychologisch interessante Frage: wie konnte jemand geheimdienstlich tätig werden, der zugleich von sich meint, Loyalität und Ehrlichkeit gehörten zu seinen prägenden Idealen: "Vielleicht hatte das mit meiner Berliner Jugend zu tun, mit dem preußischen Gymnasium: Dort hatte man mir beigebracht, daß man unter allen Umständen loyal zu sein habe und daß niemand verächtlicher sei als der Verräter." [5]  Wie konnte er dann professioneller Verräter, Agent der Niedertracht und ein Spitzel werden? Und warum zum Teufel fällt ihm dieser Widerspruch und Bruch in seinem proklamierten Wertessystem noch nicht einmal auf?

    Marcel, der Eroberer. Mit viel Geschick, ein Meister der Assimilation und Adaptation, sozusagen ein lebendiges Wunderwerk Piagets, mit einem ebenso feinen Gespür für Opportunität wie Begabung an narzißtischer Selbstinszenierung, eroberte sich Geheimagent Reich, der sich - verständlich - mit Zusatz Ranicki den zwar vieldeutigen, aber auch grausam schwarzsymbolischen Namen Reich zu erleichtern suchte [6], den Heiligen Stuhl für doitsche Literaturkritik. Das war nicht schwer für einen, der sich auch als Opfer des Holocaust im Warschauer Ghetto entsprechend darzustellen wußte. Damit war er schon einmal fast unangreifbar. Alle in seiner Familie seien umgekommen, heißt es in verschiedenen Texten zu seiner Biographie [7]. Woher das nur alle Welt weiß und immer wieder erfährt? Und wie kommt es nur, mag sich manch eine fragen, daß der Bezug zum Holocaust von einigen nicht nur als Waffe, sondern wie eine Trophäe funktionalisiert wird? Ist Holocaustopfer im doitschen Kulturbetrieb auch ein Marketingfaktor?

    Das Klischee vom Einzigüberlebenden. Hat er wirklich als einziger seiner Familie das Warschauer Ghetto überlebt, wie uns auch Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ, in seinem Diffamierungsartikel vom 29.5.2 zu Walsers geißelnder Persiflage auf Reich-Ranicki und das Sodom und Gomorrha des doitschen Kulturbetriebes, dramatisch verkündet?: "Auf dem Hintergrund der Tatsache, daß Marcel Reich-Ranicki der einzige Überlebende seiner Familie ist, halte ich den Satz, der das Getötetwerden oder Überleben zu einer Charaktereigenschaft macht, für ungeheuerlich." Er ist aber nicht der einzig Überlebende, wie klar aus seiner Biographie hervorgeht [8]. Er ist der einzig Überlebende der vier Menschen seiner Kernfamilie, die in das Warschauer Ghetto kamen. Man mag einwenden, ist denn das so wichtig, wie viele ermordet wurden? Nun als Psychologe, Psychotherapeut, aber noch mehr als forensischer Aussagepsychologe, liest man manchmal ebenso genau und höchst aufmerksam wie man zuhört oder beobachtet. Warum muß das Klischee: der einzige seiner Familie, der das Warschauer Ghetto überlebt hat von Frank Schirrmacher bedient werden? Ist das nicht eine Generalisierung, eine Entdifferenzierung und eine  Merkmalskonstanz und damit eine holocaust-industrielle Praktik? Was bedeutet es für die anderen Überlebenden der Familie? Werden die damit nicht für tot erklärt? Ist deren Überleben gar nicht mehr erwähnenswert? Besonders das der Schwester Gerda Böhm?

    Was fehlt Reich-Ranicki? Seine gesamte Biographie ist von einer einzigartigen und faszinierenden Oberflächlichkeit, was angesichts der tragischen und dramatischen Ereignisse in seinem Leben vor allem im Warschauer Ghetto verblüfft. Selbst die extremsten Szenen seines Lebens, von denen es ja unbestritten einige gab, werden mit Distanz und Kürze abgehandelt (Abschied von den Eltern, Fast-Verlust Tosias auf dem 'Umschlagplatz', Freitod Czerniakóws), so daß sich der Psychologe fragt: was geht in diesem Menschen vor? Was bedeutet das? Hier fehlt die Seele, die Tiefe, das Gefühl. Das kann man doch nicht so schreiben und schon gar nicht, wenn einer was vom Schreiben verstehen sollte, wovon er ja mehr als überzeugt ist, wenn er auch das bon mot liebt, er habe nie richtig doitsch gelernt und könne gar nicht schreiben [9]. Hier ist er nur eitel, narzißtisch verspielt und verlogen. Sieht man ihn in seinen Fernsehauftritten, wirkt er öfter sehr emotional und temperamentvoll. Psychologisch ist dieser Sachverhalt sehr interessant, denn wir fragen uns: wie kann man einerseits so emotional und temperamentvoll wirken, wenn andererseits stimmen sollte, da fehle Seele, Tiefe und Gefühl? Die Schlußfolgerung ist ebenso zwingend wie einfach: die impulsive und histrionsische [10] Seite der Emotionalität ist sehr gut, ja im Übermaß entwickelt, während Tiefe und Dauer demgegenüber vergleichsweise unterentwickelt sind.
        Im wissenschaftlichen fehlt ihm jede Systematik, Logik und letztlich auch Berufsethik. Kritik ist ja nichts anderes als angewandte Wertlehre. Statt sich auf eine solche - eigene oder fremde - zu berufen, urteilt und vor allem verurteilt er intuitiv aus dem Bauch heraus und bedient sich hierbei völlig willkürlich der Literaturkritikgeschichte [11]. Doch dafür braucht es keine Professoren- und keine Doktortitel h.c. mult., dafür sollte man sie gerade nicht bekommen. Schon ein oberflächlicher Blick in seine Literaturliste verrät, daß der Mann weder literarisch noch wissenschaftlich (Wertlehre der Kritik; Ästhetik) etwas geleistet hat - er ist halt nur ein Kritiker. Aber er hat sehr, sehr viel gelesen, und er hat ein extrem ausgebildetes literarisches Selbstwertgefühl und nicht die geringsten Hemmungen mit intuitiven Werturteilen, die sich ihm assoziativ aufdrängen, die er wahllos und willkürlich montiert, wie es ihm seine augenblickliche und launische Befindlichkeit oder Interessenlage gerade gebietet. Darin ist er sicher Meister wie auch in primitiven, rhetorisch- sophistischen Figuren [12]. Die ungehemmte Lust und Freude am Verriß und die Aufblähung der eigenen Funktion zeigt womöglich auch einen teilweise erheblichen Charaktermangel.
        Erst Übersetzer im Judenrat des Warschauer Ghettos, Geheimagent, dann Politiker, rein in die KPD, rausgeworfen, später, als es opportun schien, wieder beworben, bis er zu seinem Traumberuf freischaffender Literaturkritiker fand, zeigen einen Anpassungs- und Überlebenskünstler, dem das Schicksal günstig gestimmt war, was ihn in seiner Biographie zu der Frage veranlaßt: Warum ich ? [13]

    ***

    Zur Ablehnung des Ehrenpreises des Deutschen Fernsehens (Nachtrag 16.10.8) [ ,1, 2, 3,]
    Ich mag sein Gebaren nicht und schätze seine Leistungen nicht besonders, aber ich habe Respekt vor seiner Ablehnung und Kritik des Deutschen Fernsehens. Doch er hat nur ein bißchen recht, wenn er sogar die Kultursender wie z.B. 3sat oder arte in seine Bausch- und Bogen- Kritik einbezieht. Zwar überstieg arte mit seiner Show bei der "Wahl" des europäischen Superstars der Dramatiker die sprichwörtliche Kuhhaut bei weitem. Trotzdem: bei den Privatsendern sind solche gelegentlichen, eher seltenen Ausrutscher die Alltagsnorm und Tages-Regel. Und das primitive und abstoßende Dauerniveau des Privatfernsehens hat seine vorwiegend schlechten Auswirkungen auch auf das öffentlich- rechtliche Fernsehen. Die zwei Gebote - Geld und Quote - der deutschen Medien-Leidtkultur, passen denn auch hervorragend zum völlig entgleisten Turbokapitalismus einer nicht nur verantwortungslosen, sondern auch noch inkompetenten globalen etilE.
        Gottschalk kommt an in seiner Rolle als Unterhaltungs- und Oberflächentertainer und Liebling der Zuschauer - deren mediale Versorgung Reich-Ranicki zu Recht attackiert - sehr gut an. So gesehen ist es vielleicht gar nicht so abwegig, mit einem Repräsentanten dieses Oberflächenfernsehens dessen Niveau in einer "Sondersendung" zu diskutieren - zumal man Reich-Ranicki durchaus als einen "Gottschalk" der Literatur interpretieren könnte.
    Anmerkung: Sagt Schiller im Vorwort der Braut von Messina wirklich, dass Theater und Literatur keine andere Aufgabe hätten als Unterhaltung und Spaß zu liefern?  Er behauptet [Quelle: Marcel Reich-Ranicki im Gespräch mit Thomas Gottschalk im ZDF (deu) am 17.10.2008, 22:30..23:00 (um 12.35 min)]:

      "Es gibt einen deutschen Autor, der hat mal ein Essay geschrieben, den niemand gelesen hat, weil der Kerl ihn nicht an der richtigen Stelle untergebracht hat, und er sagt: Keine andere Aufgabe hat das Theater und hat die Literatur als Unterhaltung zu liefern. Wir brauchen nur Unterhaltung, es muss Spaß geben, das sind seine Ausdrücke, Spaß und Unterhaltung. Das war nicht Rosamunde Pilcher oder Courths-Mahler, der Autor, der dies geschrieben hat, hieß Friedrich Schiller ... kein schlechter Autor (lacht) ... er hat's geschrieben im Vorwort zur Braut von Messina. Das ist schlecht, es ist nicht untergebracht in seinen Essays, sondern bei der Braut von Messina als Vorwort. Deshalb haben es wenige Leute im Laufe der 200 Jahre gefunden, eine hervorragende Arbeit."
        Sieht man sich im Vorwort von Schillers Braut von Messina um, so steht dort [Quelle Zeno.org] im Vorwort Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (fett-kursive Hervorhebung RS):
      "Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, daß das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als Empfänglichkeit, und diese besitzt es. Es tritt vor den Vorhang mit einem unbestimmten Verlangen, mit einem vielseitigen Vermögen. Zu dem Höchsten bringt es eine Fähigkeit mit, es erfreut sich an dem Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören, das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm erst gegeben hat.
          Der Dichter, hört man einwenden, hat gut nach einem Ideal arbeiten, der Kunstrichter hat gut nach Ideen urteilen, die bedingte, beschränkte, ausübende Kunst ruht auf dem Bedürfnis. Der Unternehmer will bestehen, der Schauspieler will sich zeigen, der Zuschauer [816] will unterhalten und in Bewegung gesetzt sein. Das Vergnügen sucht er und ist unzufrieden, wenn man ihm da eine Anstrengung zumutet, wo er ein Spiel und eine Erholung erwartet."
    Man überzeugt sich anhand des Zitates leicht, dass Schiller nicht sagt, was Reich-Ranicki ihm völlig falsch unterstellt. Schiller deutet die Wünsche und Bedürfnisse der Zuschauer, nichts weiter. Er sagt keineswegs, dass Theater und Literatur keine andere Aufgabe hätten, als Unterhaltung und Spaß zu liefern.

            Querverweise Zur Verfälschungskunst Reich-Ranickis siehe auch [11, 12].
            Medienkritik: 2008, 2007, 2006, Literatur,



    Querverweise und Links
    FAQ Israel, Juden, Holocaust, Antisemitismus und Deutschland - Benennung und Darstellung tabuisierender Dogmen, Fragen und Probleme im deutsch-jüdischen Verhältnis.

    Reich-Ranicki im Internet:

    • Homepage Reich-Ranicki.
    • Linkliste: https://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_pqrs/reirani.html
    • Das Literarische Quartett der Gesellschaft von Gustav Mechlenburg: https://www.textem.de/texte/rezensionen/quartett.htm
    • Obszönes aus der Quasselbude Literarisches Quartett: https://www.gusskuchen.de/Irrenanstalt/guzz/ficken.html
    Zahlreiche seiner Veröffentlichungen findet man in den Buchkatalogen und im Internet etwa bei Amazon.


    Wird gelegentlich fortgeführt und ergänzt


    Anmerkungen und Endnoten
    [0] Ein Mann ohne Identität. Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 11/12
    [1] Ornithologe: Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 342/43
    [2] Erstberuf Verlagslektor und Schriftsteller: Reich-Ranicki (1977). Über Ruhestörer, S. 100 ('Über den Autor'): "Nach dem Krieg war er zunächst Verlagslektor und dann freier Schriftsteller in Warschau."
    [3] Berlin und London: Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 315-333
    [4] Statussymbol großer amerikanischer Wagen: Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 325
    [5] Loyalität und Verrat: Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 330
    [6] Namensänderung: Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 315
    [7] Mythospflege einzig Überlebender. Von den Nazis wurden von seiner Familie umgebracht: Helene Reich (Mutter, preußische Jüdin), David Reich (Vater, polnischer Jude), Alexander Herbert Reich (Bruder). Quelle: Biographische Notiz in "Lauter Verrisse" (1989). So erschütternd die Ermordung und der Verlust von Mutter, Vater und Bruder sind, so versteht man unter Familie gewöhnlich nicht nur die Kernfamilie, obschon, wenn man sich unüblich darauf beschränken möchte, dann da doch wenigstens die Schwester (Gerda Böhm) dazu gerechnet werden sollte. Reich-Ranicki läßt diesen Mythos nicht nur andere pflegen und verkünden, er tut es auch selbst, wenn er in Geliehene Jahre in dem von ihm 1982 herausgegebenen Buch Meine Schulzeit im Dritten Reich am Ende schreibt: "Die Zeiten, da dem deutschen Volk daran gelegen war, nicht mit jenen verwechselt zu werden, die zwölf Jahre lang in dessen Namen sprachen und handelten, haben meine Freunde und Verwandten nicht mehr erlebt. Sie wurden alle vergast." Alle? Seltsam: Die Ermordeten sind schlimm genug, wozu bedarf es hier bei einigen Opfern dann noch der falschen Übertreibung? Inzwischen wissen wir ja sogar, daß es einen gewissen falschen Holocaust- Opfer- Literarismus gibt, mit dem sich inzwischen schon die Psychopathologie befaßt, wie der Fall Wilkomirski beweist [Stoffels & Ernst, 2002]. Ich selbst kannte jemanden, der bei passenden, aber auch bei unpassenden Gelegenheiten oft erwähnte, seine gesamte Familie, insgesamt 200 Menschen, seien von den Nazis ermordet worden. Woher rührt die Übertreibung bei Holocaustopfern und die Fälschungssucht bei Holocaust- Hochstaplern und Betrügern [siehe auch Finkelsteins Holocaust Industrie]? Aufgrund der Tabusituation in Deutschland, kann diesen Fragen erst allmählich nachgegangen werden, und auch das ist für Betroffene nicht ungefährlich, weil jede kritische Frage in Deutschland zum Thema Holocaust meist sofort und gnadenlos mit der Antisemitismuskeule geahndet wird.
    [8] Reich-Ranicki (1999): Mein Leben. Im Register finden sich: Böhm, Gerda (Schwester +13); Ranicki, Andrew Alexander; Ranicki, Carla Helen Emily; Reich, Alexander Herbert (Bruder +9); Reich, Helene geb. Auerbach (Mutter; 6 Geschwister [S.137]); Reich, David (Vater); Reich-Ranicki, Theofila ('Tosia': Ehegattin); .
    [9] Bon mot: Nicht richtig deutsch gelernt: Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 21
    [10] Histrionsisch: Unter histrionisch versteht man nach Peters (1984) die Neigung zu dramatischen und aufsehenerregenden Handlungen bei Hysterie. Unter hysterischer Charakter schreibt Peters:  "Persönlichkeitsstruktur mit dem besonderen Kennzeichen einer je nach Umgebung wechselnden Erscheinungsweise. In neutraler Beschreibung sind die Kennzeichen: erhöhte Tendenz zur Dramatisierung, Suggestibilität, Ichbezogenheit, Pseudosexualisierung und intensive Phantasietätigkeit. Sowohl der Betroffene als auch der Beobachter können nicht immer Phantasie und Realität voneinander unterscheiden. Von einem emotional beteiligten Betrachter aus gesehen, will der Hysteriker nach K. JASPERS mehr scheinen als er ist, mehr erleben, als er erlebnisfähig ist. Dem hysterischen Charakter wird etwas Theaterhaftes zugeschrieben, wobei die Rollen so sehr gewechselt werden, daß ein eigener Persönlichkeitskern gleichsam nicht zu bestehen scheint. ..."
    [11] Reich-Ranicki: Nicht nur in eigener Sache - Bemerkungen über Literaturkritik in Deutschland. In: Lauter Verrisse (1989, 12-45). Hier bedient er in übler Weise antideutsche Klischees, die er aus Germaine de Staël Über Deutschland  falsch montiert. Ein anderes Beispiel seiner subtilen Verfälschungskunst liefert er im Gespräch mit Gottschalk nach seiner Verweigerung des Ehrenpreises des Deutschen Fernsehens (> Anmerkung).
    [12] Primitiv- rhetorisch- sophistische Figuren: Sie verlaufen fast alle nach den gleichen Schemata: (1) Ich möchte zwar nichts sagen, ...  [aber ich sage] ...;  (2) zwar ist das gut und schön,  ... [aber dieses gerade nicht]; (3) direkt dialektisch- paradox und widersprüchlich: es ist zwar so ... [aber auch nicht]. Beispiel aus Lauter Verrisse (1989), mit dem die rhetorische und wissenschaftlich substanzlose Montage der Bemerkungen über Literaturkritik in Deutschland schließen (S. 45): "So möchte dieses Buch verstanden werden als ein Beitrag zum Gespräch über deutsche Literatur und Kritik in diesen Jahren und als Plädoyer für jene Verneinung, hinter der sich nichts anderes verbirgt als eine entschiedene, vielleicht sogar leidenschaftliche Bejahung." Solch ein dialektisch- sophistischer Unsinn begleitet Reich-Ranickis kritisches Werk durchgängig. Andererseits: der Mephisto kleidet ihn in der Tat viel besser als der Faust. Und dazu paßt auch seine dialektische Sophistik glänzend.
    [13] Warum ich ? Reich-Ranicki (1999): Mein Leben, S. 314

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Marcel Reich-Ranicki. Im Grenzland zwischen Kulturgiftzwergriesen und Bildungskotzbrocken
     Psychographische Notizen zum Sodom und Gomorrha des doitschen Kulturbetriebes. Abteilung Biographien. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/biogr/sonst/ranicki.htm
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    05.12.08    Anmerkung: Sagt Schiller im Vorwort der Braut von Messina wirklich, dass Theater und Literatur keine andere Aufgabe hätten als Unterhaltung und Spaß zu liefern?
    16.10.08    Zur Ablehnung des Ehrenpreises des Deutschen Fernsehens.