Franz Lieder (1910) Die psychische
Energie und ihr Umsatz
Allgemeines Definitionsregister
Psychologie
besonders zu Erleben und Erlebnis
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Originalrecherche von Rudolf Sponsel,
Erlangen
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Inhalt
Z1 Die 411 Seiten Arbeit Die psychische Energie und ihr Umsatz des Psychologen Franz Lieder ist bis auf eine Rezension von Gutberlet im Jahrbuch für Philosophie mit Entgegnung Lieders nirgendwo erfasst und anscheinend vollständig untergegangen bis sie 2016 ins "archive.org" eingestellt wurde, wo ich sie zufällig fand. Ich habe bislang keine Information über Franz Lieder als Psychologe finden können. Aber sein Werk kann nun, dank Internet, für sich selber sprechen. Dafür will auch diese Seite sorgen.
Z2 Zum Energiebegriff führt
Lieder widersprüchlich Anmutendes aus.
a) S.4f: "Der Begriff der psychischen Energie umfaßt demnach
folgende Momente:
Z2 Fundstellen Energiethema:
spüren 0, erleben 10, Erlebnis 109, erlebt 16, empfind 62, wahrnehm
83, innere wahrn 0, Energie 1102, energetisch 100, Energiefluß/ss
0, fließen 16, strömen (Energieströmen) 1, psychische Energie
23, psychischer Energie 4, psychischen Energie 58. Trotz vieler Fundstellen
zum Erlebensaspekt psychischer Energie habe ich keine näheren Erläuterungen
oder Erklärungen gefunden.
Z3 Psychische Energie als psychophysische Funktion: Der Ausdruck hat drei Fundstellen: S. 82, 257 und 262, aber nirgendwo definiert oder erklärt Lieder, was er unter psychophysischer Funktion versteht, auch nicht durch Querverweis, in Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.Lieder führt hierzu S.82 grundlegend aus: "... ich fasse die psychische Energie nur als eine psychophysische Funktion auf. Das Nähere hierüber wird im Schlußkapitel gesagt werden." Dem Vorwort kann entnommen werden, dass das Schlusskapitels des ersten Teils gemeint ist, also das "Achtunddreißigstes Kapitel: Physische und psychische Energie 369-379". Dort habe ich aber das "Nähere hierüber" nicht gefunden. Ich habe dann noch einmal gezielt nach dem Begriff "psychophysisch" gesucht und 72 Fundstellen "psychophysisch" gefunden. Nach der allgemeinen Begriffsregel sollten wichtigere Begriffe dort, wo sie die ersten Male gebraucht auch definiert oder zumindest näher erklärt und erläutert werden. Ich habe daher die ersten Fundstellen-Erwähnungen von S.20 bis S. 83 durchgesehen, aber keine Definition, Erklärung oder Erläuterungen zum Begriff psychopyhysisch gefunden, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.
Z4 Lieder geht von der traditionellen Einteilung der Psyche und der Bewusstseinsvorgänge aus, S.3: "... alle seelischen Lebensgebiete: Denken, Fühlen, Wollen." Er geht damit nur von drei elementaren Dimensionen des Erlebens aus, die allerdings für grundlegende demonstrative Zwecke reichen sollten.
Z-Fazit: Psychische Energie ist das, was psychisches Geschehen ermöglicht und erfordert. Jedes psychische Geschehen erfordert Energie. Die Energieprinzipien der Naturwissenschaft gelten auch für die psychische Energie - was nicht so recht zum S. 410f verkündeten Wahrheitsrelativismus passt. Die umfassende und interessante 411 Seiten-Arbeit leidet an der PsychologInnen-Krankheit der Begriffs- und Definitionsschwäche (Zum Geleit), obwohl es zum Begriffs-, Definitions- und Beweisthema einige Fundstellen gibt: begriff 317, defin 11, beweis 28, bewies 4, zeig 252, hypoth 4, wahr 156. Der etwas schnoddrig formulierte und auch ein wenig widersprüchlich anmutende Wahrheitsrelativismus (Schluss Erkenntnis und Wahrheit, S. 410-411) hat ihm wahrscheinlich einige Ablehnung und Missachtung eingebracht. Ich denke aber, er erweist sich damit eher als autonomer, eigenwilliger und kritischer Kopf: der erste, der solch eine umfassende Monographie zur psychischen Energie vorgelegt hat, die solch eine vollständige Nichtbeachtung nicht verdient hat. Beachtlich auch seine Beurteilung des Irrtums, S. 410f: "... Auch der Irrtum ist ja Erkenntnis. Als Irrtum stellt sich eine erlangte Erkenntnis nur dar, wenn sie von anderen Ausgangspunkten aus nicht in ein neues [>411] Erkenntnissystem eingefügt werden kann. Deshalb ist eben der Irrtum für den Menschen von größtem Wert. Er enthält in sich die Möglichkeit zu erneutem Umbau und damit die Möglichkeit zu einem unendlichen Erkenntnisgeschehen. Was gestern für wahr gehalten wurde, kann heute als Irrtum erscheinen, und die heutige neue Erkenntnis erfährt morgen dasselbe Schicksal, welches ihre Vorgängerin getroffen hat. ..."
Ende der Zusammenfassung Lieder (1910)
ErsterTeil.
Erste Abteilung.
Das Gefühlsleben als energetischer Prozeß.
Erster Abschnitt: Die Gefühlsarbeit.
A. Das höhere Gefühlsleben.
Erstes Kapitel: Formale Eigentümlichkeiten der Gefühlsarbeit
. 9
Zweites Kapitel: Der Umsatz der psychischen Energie 19
Drittes Kapitel: Bedingungendes Umbaues der Gefühlsenergie
38
Viertes Kapitel: Situationsbewußtsein und Situationsgefühl
43
Fünftes Kapitel: Die Suggestion 49
Sechstes Kapitel: Die Dauerwirkungen der psychischen Arbeit 55
Siebentes Kapitel: Die Verschiebung der psychischen Energie und das
Webersche Gesetz 64
Achtes Kapitel: Die Gewöhnung 70
B. Die niederen Gefühle.
Neuntes Kapitel: Die Arbeit im Gebiet der niederen Gefühle 82
Zweiter Abschnitt: Der aktuelle Umsatz der Gefühlsenergie.
Zehntes Kapitel: Die Wirkungen des Umsatzaktes 94
Elftes Kapitel: Das hierarchische Prinzip der Gefühlswirkung und
die Intensitätsgrade des Umsatzes 107
Zwölftes Kapitel: Das Temperament 117
Dreizehntes Kapitel: Theorie der Gefühle 121
Zweite Abteilung.
Das Willensleben als energetischer Prozeß.
Dritte Abteilung.
Das Denken als energetischer Prozeß.
Zweiter Abschnitt: Der Denkakt.
Vierunddreißigstes Kapitel: Allgemeine Eigenschaften der Denkakte.
320
Vierte Abteilung.
Gesamtseelische Erscheinungen.
Sechsunddreißigstes Kapitel: Das Bewußtsein 351
Siebenunddreißigstes Kapitel: Die Entwertung der psychischen
Energie 364
Achtunddreißigstes Kapitel: Physische und psychische Energie
369
ZweiterTeil.
Der Erkenntnisvorgang als energetischer Prozeß.
Neununddreißigstes Kapitel: Logische Arbeit und logischer Umsatz
383
Vierzigstes Kapitel: Das Erkenntnissystem 391
[Kein Register, Literaturverzeichnis]
Vorwort: "... Die
psychische Energie wird vorderhand
als das behandelt werden, was
sie ist: ein Gebiet sui generis. Erst im Schlußkapitel des ersten
Teiles soll eine Beziehung mit dem physischen Energiebegriff herzu-
stellen versucht werden."
S.1 Einleitung:
"Um den Begriff der psychischen Energie
deutlicher heraus mo-
dellieren zu können, scheint es vorteilhaft, von demjenigen der
physischen Energie auszugehen. Jede physische Energiequalität
ist
imstande, Arbeit zu leisten. Nehmen wir die Wärmeenergie. Die-
selbe kann in Form eines erhitzten Gases eine Maschine treiben. Um
eine solche Arbeitsleistung möglich zu machen, müssen gewisse
Be-
dingungen erfüllt sein. Soll eine Wärmemaschine getrieben
werden,
so ist nicht nur Wärme überhaupt notwendig, sondern eine
Temperaturdifferenz zwischen dem Wärmeraum und dem Kühlraum;
denn haben beide Räume dieselbe Temperatur, so kann auch
bei größtem Vorrat von Wärmeenergie keine Arbeitsleistung
erfolgen.
Erst dann, wenn eine genügende Temperatur- oder Intensitätsdifferenz
zwischen Wärme- und Kühlraum geschaffen ist, kann die Maschinen-
vorrichtung, welche zwischen Kessel und Kühler eingeschaltet wird,
in Bewegung gesetzt werden. Die auf diesem Wege erzielte Arbeits-
größe wird umso bedeutender sein, je größer die
Temperaturdifferenz
gewesen ist.
Wie bei der Wärmeenergie, so verhält es
sich bei jeder anderen
Form der Energie. Damit etwas geschehe, genügt es nicht, daß
Energie vorhanden sei, sondern stets müssen Intensitätsunterschiede
derselben gegeben sein. Sind dieselben gegeben und sind sie in
ihrem Streben nach Ausgleich der Unterschiede nicht durch ander-
weitige Energieformen kompensiert, dann geschieht nicht nur etwas,
sondern dann muß stets etwas geschehen. Also kurz: Bedingung
für
jedes physische Geschehen sind unkompensierte Intensitätsdifferenzen
der verschiedenen Energiequalitäten."
S.2
"Der ganze Strom des bewußten psychischen Geschehens mit
seinen mannigfachen Modifikationen in bezug auf Umfang, Klarheit,
Tiefe und Schnelligkeit ordnet sich dem Begriff der psychischen
Energie unter."
S.4f: "Der Begriff der psychischen Energie umfaßt demnach folgende
Momente:
1. Die Möglichkeit zu einem psychischen Geschehen überhaupt;
das ist die allgemeinste Bestimmung desselben.
2. Die individuell erworbenen Faktoren, welche bestimmend auf
das Geschehen einwirken.
3. Die ererbten Faktoren, welche bestimmend auf das Geschehen
einwirken.
4. Das aktuelle Geschehen selbst.
5. Die für das gesamte Seelenleben resultierenden Folgen des
Geschehens.
Bei der physischen Energie unterscheidet man zwei
Modalitäten
derselben, nämlich das Geschehen selbst und die Möglichkeit
zu einem
solchen. So stellt beispielsweise der chemische Umsetzungsakt ein
energetisches Geschehen selbst dar, während aufgespeicherte ungebundene
Affinitäten die Möglichkeit zu einem Geschehen enthalten.
Ebenso umfaßt der Begriff der psychischen Energie nicht nur das
gesamte seelische Geschehen, sondern auch die allgemeine Möglichkeit
zu demselben und ferner die Summe aller Möglichkeiten zu der
ganzen Mannigfaltigkeit eines bei den Einzelindividuen verschieden
qualifizierten Geschehens. Es lassen sich demnach an dem Begriff
der »psychischen Energie« zwei Hauptseiten unterscheiden.
Erstens
das bewußte aktuelle Geschehen und zweitens die nicht bewußte
mehr oder weniger bestimmte Möglichkeit des Geschehens. Das
Geschehen selbst kann als aktuelle, die Möglichkeit zu demselben
als
potentielle psychische Energie aufgefaßt werden und so soll es
im
weiteren Verlauf dieser Schrift auch geschehen. [>5]
Potentielle und aktuelle Energie bilden die Gesamtenergie
der
Seele. Quantitativ stehen beide Energieformen in einem solchen Ver-
hältnis, daß die Hauptmenge stets potentiell und nur ein
verhältnis-
mäßig dünner Strahl aus diesem Zustande in die aktuelle
bewußte
Form übergeführt wird, um nach einigen Augenblicken gegenwärtigen
Wirkens wieder in potentielle Form zurück zu sinken. Der Energiebegriff
umfaßt also Bewußtes und Unbewußtes; das Bewußtsein
selbst ist nur
ein Moment in demselben.
Damit eine Umwandlung aus der gebundenen in die
freie Form
stattfinden kann, ist ähnlich wie bei der physischen Energie die
Er-
füllung bestimmter Voraussetzungen nötig. Nur wenn diese
realisiert
sind, kann ein psychisches Geschehen zustande kommen. Diese not-
wendigen Bedingungen werden in der Folge eingehend erörtert werden.
Der Übergang aus der potentiellen in die aktuelle
Energieform
soll als psychischer Energieumsatz bezeichnet werden. Mit dem Umsatz
und dem Wiedereintritt der Energie in die potentielle Form erfolgen
be-
stimmte seelische Veränderungen, welche nichts anderes als Wirkungen
des
stattgefundenen Umsatzes sind; sie sollen künftig als psychische
Arbeit
bezeichnet werden. Der Begriff der psychischen Arbeit umfaßt
demnach
die wechselnden besonderen Gestaltungsformen
der Gesamtenergie.
Damit wäre in kurzer dogmatischer Form ein
Überblick über die
psychische Energie und die Umsatzformen
derselben gegeben. In der
Folge soll diese Auffassung näher ausgeführt und begründet
werden.
Die bereits genannten Termini: potentielle und aktuelle
Energie,
Energieumsatz und psychische Arbeit und noch einige andere, welche
in der Folge auftreten werden, sind dem terminologischen Inventar
der physischen Energetik entnommen, teils weil die den Bezeichnungen
zugrunde liegenden Begriffe im Gebiet des Psychischen eine ähnliche
Bedeutung haben, teils auch, um das Gedächtnis des Lesers nicht
unnötig mit Neuausdrücken zu belasten."
S.6:
"In der folgenden Ausführung wird die Dreiteilung
der Seele oder
der psychischen Energie beibehalten
werden. Zuerst sollen die ge-
fühlsmäßigen Energieumsetzungen in ihrer besonderen
Natur und
ihren besonderen Bedingungen erörtert werden, weil sie nach dem
hier eingenommenen Standpunkte die Grundlage der Gesamtseele und
der Äußerungen derselben sind. Daran werden sich die Willensvorgänge
anschließen und zum Schluß folgen die intellektuellen Prozesse.
Sie kommen an letzter Stelle, weil sie von dem in dieser Schrift eingenommenen
Standpunkte nur verständlich werden, wenn Gefühls und Willensvorgänge
vorher erörtert worden sind."
S.14:
"Der beim Aufmerksamkeitsakt erzeugte Niveauunterschied bezieht
sich auf Bewußtseinsgrade oder Bewußtseinsmöglichkeit
seelischer In-
halte. Bei der psychischen Arbeit jedoch, welche durch das Gefühl
geleistet wird, handelt es sich um Zustände, welche zu ihrem Zustande
kommen zwar Bewußtsein und Aufmerksamkeit voraussetzen, dann
aber ohne Bewußtsein, also unbewußt, fortdauern. Dergleichen
ist
möglich, weil Bewußtsein nur ein Moment in der psychischen
Energie
darstellt, dieselbe demnach sowohl Bewußtes als auch Unbewußtes
zu
umfassen vermag. Die besondere Natur der mit der geleisteten Ge-
fühlsarbeit eintretenden Veränderung soll an bestimmten Beispielen
nachgewiesen werden."
S.17: "In den erörterten Beispielen der Erwartung, des Glaubens
und
der Hoffnung sollte es sich nicht darum handeln, die Faktoren nach-
zuweisen, durch welche die Besonderheiten der qualitativen Seite der
genannten Zustände bedingt sind, sondern es sollte nur der Nachweis
erbracht werden, daß in den erwähnten Zuständen die
Seele in doppelt-
gegensätzlicher Weise differenziert sei, daß also in derselben
eine
Niveaudifferenz geschaffen worden ist, welche eine bestimmte psychische
Energiegröße darstellt.
Um die jeweilig bestimmt qualifizierte Arbeits-
größe zu bewirken, kann angenommen werden, daß hierzu
eine be-
stimmte Quantität psychischer Energie notwendig
sei. Es konnte
jedoch noch nichts darüber ausgesagt werden, woher diese Energie-
größe komme, welches das Reservoir derselben sei. Nur so
viel ließ sich nach-
weisen, daß durch den Energiestrom eine psychische Niveaudifferenz
erzeugt wird und daß diese unter besonderen Bedingungen auch
wieder beseitigt oder abgebaut werden kann, wodurch die in Form
von Differenzierungsarbeit gebundene Energie wieder frei wird und als
Gefühl oder Affekt durch das Bewußtsein zieht.
Beim Zustande der Aufmerksamkeit folgte der ersten
Phase der
psychischen Arbeit, der Schaffung der Niveaudifferenz, sogleich die
zweite, in welcher ein Ausgleich stattfand und die Seele zu ihrem
Ursprungsniveau zurückkehrte. Bei der jetzt besprochenen Art der
psychischen Arbeit kann das ebenfalls geschehen, jedoch ist dasselbe
keineswegs notwendig. Das Leben erregt viele Erwartungen, erweckt
mancherlei Hoffnungen und Wünsche, ohne dieselben zu erfüllen,
und
vollends im Gebiet des Glaubens zeigt sich wohl mancherlei Form
und mancherlei Umwandlung der Form des Glaubens, aber ein Abbau desselben
pflegt nicht einzutreten. Wenn die in solcher Weise
erzeugten Niveaudifferenzen nicht ausgeglichen werden, sondern in
der Seele verharren, so wird dadurch erstens psychische
Energie ge-
bunden. Mag die Menge der so latent gewordenen Energie auch in
vielen Fällen nicht sehr groß sein, so ist doch auf jeden
Fall in
diesen Zuständen Energie gebunden und damit einem möglichen
Kreisläufe derselben entzogen. Zweitens folgt aber daraus, daß
jede
geleistete psychische Arbeit, welche aufgebaut, aber nicht abgebaut
worden ist, in der Seele Veränderungen hervorrufen muß.
Mögen [>18]
solche auch nur gering sein, so sind sie doch immerhin vorhanden
und hätten zum wenigsten theoretische Bedeutung. Wenn solche
Änderungen sich fortlaufend wiederholen, so können sie sich
summieren und dadurch bedeutende Wirkungen hervorbringen."
S.18:
"... Hier wird schon offenbar, daß das Be-
wußtsein nur ein Moment in der psychischen
Energie ist, nämlich
dasjenige der Veränderung oder des Umsatzes der Energie."
S.82: "... Der Begriff der psychischen Energie
ist von mir
nur als die Möglichkeit zu einem seelischen Geschehen definiert
worden; ich habe es auf jede Weise zu vermeiden gesucht, die Natur
der psychischen Energie näher zu bestimmen, vor allem wünschte
ich eine Ansicht, die sich nur zu leicht einschleichen könnte,
fernzu-
halten, nämlich diejenige, der Energie Substanzcharakter beizulegen.
Auf seelischem Gebiet ist der Trieb hierzu besonders stark und die
damit verbundene Gefahr besonders groß. Um nach dieser Richtung
jeder sich etwaig einstellenden Illusion von vornherein die Flügel
zu
beschneiden, sei hier schon gesagt: ich fasse die psychische
Energie
nur als eine psychophysische Funktion auf. Das Nähere hierüber
wird im Schlußkapitel gesagt werden.
Sämtliche
Fundstellen "psychische Energie"
26 (von insgesamt 39, aber 13 Titel in Fußzeile)
S.370
"Da das psychische Geschehen psychische Veränderungen
bewirkt,
so ist dazu Energieaufwand erforderlich. Energie aber muß als
etwas
Objektives angesehen werden und das einzige sichere Kriterium der
Objektivität ist die Quantität. ..."
S.372
"In einem ähnlichen Verhältnisse, in welchem der Mensch durch
die Maschine zum objektiven Energievorrat steht, befindet er sich
psychisch zum physiologischen Energiestrom seines Körpers. Wie
für
die moderne Technik die objektive Energie das Reservoir ist,
aus welchem sie ihren Bedarf deckt, so schöpft die Seele
ihre Energie aus
physiologischen Quellen. Nur diese allein stehen ihr zu Gebote. Wie
im Bereich der physischen Arbeit der Mensch diese Arbeit immer mehr
von sich abwälzt und der objektiven Natur aufzwingt, so entlastet
sich
die Seele bei jeder gleichmäßig verlaufenden Arbeit fortlaufend
mehr
und mehr. Sie beschränkt ihren psychischen
Energieumsatz auf
Kosten der physiologischen Energie. Der Ausdruck für diese
Tatsache ist das Phänomen der Übung. "
S.374:
"Wie bei der rein physischen Maschine, so können
auch bei der
psychophysischen inbetreff des Quantitätsgesetzes der Energie
mehrere
Fragen gestellt werden. Wird durch die beim Vorgang der Übung
aufgewendete Arbeit das physische oder richtiger psychophysische
Energiegesetz durchbrochen? Auch hier lautet die Antwort: Nein!
Die Durchbrechung ist nur eine scheinbare. Es handelt sich nur um
eine Ablösung der psychischen Energie
durch physiologische. Der
durch Handarbeit hergestellte Strumpf erfordert eine bestimmte Energie-
größe und diese muß stets geleistet werden. Bei der
geübten Strickerin
stammt fast die gesamte Quantität aus physiologischen Quellen;
die
psychische Energie vollbringt nur
geringe Direktionsarbeit."
S.375:
"... Vom Standpunkte der Energetik überhaupt, nach
welchem der Begriff Energie sowohl physische als psychische
Energie
umfaßt, ordnet sich demnach jedes psychophysische Geschehen dem
Quantitätsgesetz der Energetik unter, nicht aber vom rein psychischen
Standpunkte. ... "
S.378:
"Zu Beginn dieser Schrift ist die psychische
Energie in potentielle
und aktuelle eingeteilt worden. Die potentielle wurde auch als
Geschehensmöglichkeit bezeichnet. Nach dem soeben Gesagten dürfte
verständlich sein, worin diese Geschehensmöglichkeit besteht.
Sie
besteht in einem System von bestimmt qualifizierten Widerständen
gegen den physiologischen Energiestrom, und diese Widerstände
sind
ebenso viele Möglichkeiten zu psychischen Energieumwandlungen.
Da
mit der zeitweiligen Beseitigung des Widerstandes in einem System
eine Vergrößerung desselben in anderen verbunden ist, so
bleibt im
allgemeinen die Umsatzmöglichkeit konstant. Da diese Umsatz-
möglichkeit als psychische Energie im eigentlichen Sinne bezeichnet
worden ist, so bleibt auch diese eine konstante Größe. Durch
mancherlei
andere Folgen des Umsatzes jedoch nimmt die allgemeine Umsatz-[>379]
möglichkeit schließlich eine Gestalt an, welche den Fluß
des psychischen
Geschehens mehr und mehr verringert. Es sind dieses diejenigen
Momente, welche bei Besprechung der Entwertung der psychischen
Energie angeführt worden sind.
Die psychische Arbeit verläßt keinen
Augenblick die sie er-
zeugenden physiologischen Substrate. Sie besteht als potentielle
Energie oder als psychische Geschehensmöglichkeit in einer bestimmten
Konstitution der nervösen Substanz. Als aktuelle Energie wird
sie
durch Umwandlung dieser Konstitution in eine andere einen Augen-
blick frei, um im nächsten wieder in einem anderen System als
Konstitutionsarbeit in gebundene Form überzugehen. Während
beim
Menschen und den höheren Tieren diese oszillatorischen Konstitutions-
änderungen in das Zentralnervensystem zu verlegen sind, werden
sie
bei den niedrigsten Lebensformen in der lebendigen Substanz überhaupt
zu suchen sein. Das Zentralnervensystem ist erst als Wirtschafts-
produkt des psychophysischen Energieumsatzes anzusehen. Die
Funktion hat sich ihre besonderen Organe erst gebildet.
Läßt sich das Zentralnervensystem als
die Maschine auffassen,
welche physische Energie in psychische
umwandelt, so leuchtet ein,
daß von einem psychophysischen Parallelismus nicht gesprochen
werden kann. In diesem Falle müßte wohl jeder psychische
Akt
auch einen physischen als vorhanden voraussetzen; aber nicht jeder
zentrale physiologische Prozeß braucht eine psychische Komponente
haben. Der physiologische Parallelismus wäre ein Scheinphänomen.
Wenn eine Wärmemaschine thermische Energie in mechanische umsetzt,
so findet auch ein scheinbarer Parallelismus der beiden genannten
Energiequalitäten statt; denn jedes Glied der mechanischen Arbeits-
kette setzt ein entsprechendes auf thermischem Gebiet voraus. Der
Parallelismus ist jedoch ein Schein; denn erstens fallen die ent-
sprechenden Glieder beider Reihen nicht zeitlich zusammen, vielmehr
findet eine Sukzession statt, und zweitens kann eine der beiden
zusammengekoppelten Maschinen abgekoppelt werden. In dem ge-
wählten Beispiel würde dann die Wärmemaschine für
sich allein tätig
sein, ohne pseudoparallele mechanische Glieder zu haben."
S.82: "... ich fasse die psychische Energie
nur als eine psychophysische Funktion auf. Das Nähere
hierüber
wird im Schlußkapitel gesagt werden."
S.257: "... Danach dürfte es
nicht verwunderlich erscheinen, wenn dieselbe psychophysische
Funktion
auf die Sinneszentren in ebensolcher Weise einzuwirken imstande ist."
S.262: "... Findet aber in dem Zeitraum, welcher dem Schlaf
vorangeht, eine allmähliche Entspannung der höheren cerebralen
Funktion statt, so muß damit vorübergehend auch eine Steigerung
der motorischen Erregbarkeit eintreten. Dieselbe ist auch tatsächlich
vorhanden. Bekannt ist ja das Zusammenschrecken und Zusammenfahren
im Moment des Einschlafens. In diesen Erscheinungen zeigt
sich eben, daß minimale Reize, welche in normalem Zustande, infolge
der bestehenden Hemmung, nicht zur Wirkung gelangen, beim Fehlen
der Hemmung allgemeine, plötzliche Muskelkontraktionen auslösen
können. Hierhin gehört auch die Tatsache, daß epileptische
Anfälle
eine starke Tendenz besitzen, zur Zeit des Einschlafens einzutreten,
ja, viele Epileptische nur während dieses Stadiums überhaupt
Anfälle
bekommen. Außerdem möchte ich noch auf eine andere Tatsache
hinweisen, welche zeigt, daß im Zustande partiellen Schlafes
viele
psychophysische Funktionen nicht
nur gesteigert, sondern ebenso
bedeutend beschleunigt sind. Wer die Sprache schlaftrunkener
Personen beobachtet, wird bemerken, daß neben dem Mangel scharfer
Artikulation eine erhebliche Steigerung des Tempos vorhanden ist."
Fundstellen psychophysisch
72
Zusammenfassung psychophysisch: Ich habe 72 Fundstellen "psychophysisch"
gefunden. Nach der allgemeinen
Begriffsregel sollten wichtigere Begriffe dort, wo sie die ersten
Male gebraucht auch definiert oder zumindest näher erklärt und
erläutert werden. Ich habe daher die ersten Fundstellen-Erwähnungen
von S.20 bis S. 83 durchgesehen, aber keine Definition, Erklärung
oder Erläuterungen zum Begriff psychopyhysisch gefunden,
auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.
Hier die Belege:
S.410f: "
Schluß.
Erkenntnis und Wahrheit.
Von jeher hat man das menschliche Denken als die wichtigste
psychische Funktion angesehen, weil in ihm das Instrument zur
Erkenntnis der Wahrheit gegeben sein sollte. Auch heute faßt
man
es als besondere Aufgabe der Wissenschaft auf, die Wahrheit aufzu-
-suchen. Was aber ist Wahrheit? An Definitionen derselben hat es
niemals gefehlt. Aber diese Definitionen der Wahrheit waren ebenso
luftig als die Wahrheit selbst, welche man schon seit Jahrtausenden
sucht, sie immer von neuem gefunden zu haben vorgab und doch
niemals besaß und auch niemals besitzen wird. Besäße
man sie
wirklich, so wäre das für den Menschengeist nicht ein Glück,
sondern
ein recht großes Unglück. Es mag daher zum Trost gereichen,
daß
es etwas wie Wahrheit im absoluten Sinne gar nicht gibt und auch
nicht geben kann. Für den Menschen gibt es nur Erkenntnis
aber niemals Wahrheit, wenn Wahrheit die Erfassung eines
absoluten Seins bedeuten soll. Der Begriff der Erkenntnis ist völlig
subjektiver Natur. Das Erkennen ist ein subjektives Spiel mit
subjektiven Kräften, welches an ein absolutes und transsubjektives
Sein gar nicht heranreicht. Der Begriff der Wahrheit ist in Wirklich-
keit nichts Anderes als eine Hypostasierung des Fürwahrhaltens,
welches aber wieder um ein gänzlich subjektives Phänomen
ist. Aus
seiner Subjektivität kommt der Mensch niemals heraus. Wenn er
sich auch anmaßt, mit seiner Erkenntnis bis zu des Himmels Höhen
gelangt zu sein, so plätschert er doch immer noch in seinen kleinen
subjektiven Energiewellen herum.
Erkennen kann der Mensch und
auch das Menschengeschlecht ohne Ende, da Erkenntnis nur eine
Umlagerung von Energiegebilden ist
und wohl eine verschiedene
Gestalt annehmen, jedoch nie unmöglich gemacht werden kann. Und
erkannt hat man auch, solange es Menschen gibt. Auch der Irrtum
ist ja Erkenntnis. Als Irrtum stellt sich eine erlangte Erkenntnis
nur
dar, wenn sie von anderen Ausgangspunkten aus nicht in ein neues [>411]
Erkenntnissystem eingefügt werden kann. Deshalb ist eben der
Möglichkeit zu erneutem Umbau und damit die Möglichkeit zu
einem
unendlichen Erkenntnis geschehen. Was gestern für wahr gehalten
wurde, kann heute als Irrtum erscheinen, und die heutige neue Er-
kenntnis erfährt morgen dasselbe Schicksal, welches ihre Vorgängerin
getroffen hat. Wie es auf der Erde und im Weltall kein dauerndes
Beharren gibt, wie hier die bestehenden Gestalten nur das Resultat
gewisser, vorübergehender Relationen von Kräften sind, so
auch im
psychischen Leben. Alles hat Eintagsfliegendasein. Eine frühere
Naturphilosophie dichtete der Erd- und Weltentwicklung einen
bestimmten Zweck an. Man glaubte es damals, heute glaubt
man es nicht mehr. An einem Zweck des menschlichen
Geistes pflegt man jedoch noch allgemein festzuhalten. Der Geist
soll die Wahrheit suchen und erkennen. Aber es wird auch für
diesen Glauben die letzte Stunde kommen. Wenn dem Wahrheits-
begriff überhaupt eine Bedeutung zukommen soll, so ist es eine
rein
subjektive, nämlich die widerspruchslose Verknüpfung der
durch Er-
fahrung aufgebauten Urteilsarbeit, verbunden mit dem rein persönlichen
Moment des Überzeugtseins. In diesem relativen und mehr praktischen
Sinne ist der Wahrheitsbegriff auch im Vorangegangenen gebraucht
worden. Diese Schrift tritt daher nicht mit der Prätension auf,
Wahrheit
geben zu wollen, vielmehr begnügt sie sich mit dem viel be-
scheideneren Zweck, allbekannte Tatsachen unter einem neuen Gesichtswinkel
zu betrachten, um auf diesem Wege ein umfassenderes Er-
fahrungsmaterial zu einem umfassenderen Erkenntnissystem zusammenzu
-schließen. Ist Wahrheit ein subjektives Phänomen, so verschwindet
damit auch der Anspruch, daß es nur eine Wahrheit geben könne.
Im Gegenteil, es gibt dann so viele Wahrheiten, als es Individuen
gibt. Die Kardinalfrage lautet dann nicht: Welches ist die wahre
Wahrheit? sondern: Welches ist die zweckmäßigste und brauchbarste
Wahrheit? Die Antwort auf diese Frage kann nicht zweifelhaft sein.
Das ist die beste Wahrheit, welche das jeweilig bekannte Erfahrungs-
material eines Wissensgebietes in einfachster und zugleich umfassendster
Weise in ein Erkenntnissystem zu bringen vermag und hierbei den
engsten Anschluß mit der unmittelbaren Erfahrung festhält.
Wer absolute Wahrheit fordert, muß dieselbe anderwärts suchen.
Was ist
überhaupt absolute Wahrheit? Gibt es solche und kann es
eine
solche auch nur geben?
_
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site:www.sgipt.org. |
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Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht,
sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
korrigiert: 31.12.2023: irs Rechtschreibprüfung