Kurzgeschichte der Wirtschaftswachstumsidee
Ein Vortrag bei attac-Erlangen am 09.03.2010
3. Vertiefung zu Felbers This
is not Economy
(PDF-Version)
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Wie bin ich vorgegangen? Zunächst war ausgehend von den Klassikern Smith, Ricardo, Mill und Marx und einiger Standardwerke der Ökonomie das relevante Material zu finden und zu sichten. Dazu habe ich als erstes den Katalog der Universitätsbibliothek nach dem Stichwort "Wachstum" durchsucht und besorgte mir die entsprechenden Bücher. Dabei waren in den Literaturverzeichnissen viele Hinweise auf Zeitschriftenartikel, die ich anschließend erfasste. Ich ordnete dann das Material nach zwei Kriterien: nach Grundfragen und chronologisch, weil es mir ja um die Entwicklungsgeschichte der Wirtschaftswachstumsidee ging. Es entwickelte sich dann schnell ein Autoren- und Wissengrundstock, sozusagen die Hauptäste des Wirtschaftswachstumsbaumes, aus dem sich immer weitere und feinere Verzweigungen ergaben. Zu sämtlichen wichtig erscheinenden Quellen legte ich eine Datei mit Zitaten, Fundstellen und Belegen anEN1.
Hauptäste des Wirtschaftswachstumsbaumes (Grundstock meiner Auswertungen) zur Ver-folgung der Wachstumsidee: Vorläufer, die sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung befassten: die englischen MerkantilistenEN2 und die französischen PhysiokratenEN3 (16.-18. Jhd).
1776 Adam Smith An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Die vier digital vorliegenden Bände umfassen ohne Sachregister 1228 Seiten. Darin fanden sich 151 Fundstellen zum Suchwort (wachs, wuchs), aber nur eine Stelle auf S.70 in Bd. I. die man als Wachstumszwang interpretieren kannEN4. 32 Aussagen, die man als Regel- oder gesetzesartige Zusammenhänge ohne Bezug zu Wachstumszwang verstehen kann und 18 Feststellungen oder Beschreibungen zum Wachstum. Ausführlich Analyse mit Belegen hierEN5.
1798 Robert Malthus An Essay on the Principle of Population
1817 David Ricardo On the Principles of Political Economy and Taxation, 3. A. 1821. Wachstumstheorie in Kap. XIX.
1820 Robert Malthus Principles of Economics
1848 J. S. Mill (1848). Grundsätze der Politischen Ökonomie.
1867 Karl Marx Das Kapital I propagiert Wachstumszwang des KapitalismusEN6
1885 Karl Marx (1885). 2. Band des Kapitals.
1925 Gründung des Institutes für Konjunkturforschung.
1928 Ramsay; Allan Young; Feldmann Marxistische Wachstumstheorie.
1936 Keynes
1939 Harrod An Essay in Dynamic Theory
1946 Domar Capital Expansion, Rate of Growth and Employment
1952 Abramowitz Economics of Growth: ""Die Wachstumstheorie ist ein unterentwickeltes Gebiet der Nationalökonomie."
1953 Bombach, G. Zur Theorie des wirtschaftlichen Wachstums.
1955 Lewis The Theory of Economic Growth, dt. 1956
1956 Solow A Contribution to the Theory of Economic Growth; Swan Economic Growth and Capital Accumulation.
1957 E. D. Domar, Essays in the Theory of Economic Growth
1961 Growth Center der Yale University gegründet (bislang ca. 1100 Arbeiten)
1987 Solow Reichsbankpreis für seine Wachstumsarbeiten
1996 Journal of Economy Growth
2001 Maddison DIE WELTWIRTSCHAFT: EINE MILLENNIUMSPERSPEKTIVE,
dt. 2003. Vom Jahre 0 bis ca. 1820 war das Wachstum weitgehend konstant
und knapp über 0.
2006 Hans Christoph Binswanger Die Wachstumsspirale
2010 Robert Solow spricht sich gegen Wachstumszwang des Kapitalismus aus.
2019 Mathias Binswanger Der Wachstumszwang * Felber This Is Not Economy.
Wissenschaftsbegriff. Wissenschaft heißt die Tätigkeit, die offen, klar, nachvollziehbar und damit überprüfbar (wiederhol-, replizierbar) Wissen schafft. Man kann auch sagen: Wissenschaft muss lehr-, lern- und evaluierbar sein, d.h. ihr Nutzen für diese oder jene Ziele belegbar sein. Grundvoraussetzung sind klare Begriffe, Feststellungs- und Messmethoden. Eine große Rolle in den empirischen Wissenschaften spielen Beobachtung und Experiment. Behauptungen müssen belegt und begründet werdenEN7. In der Wissenschaft geht es nicht nur um Gesetz- und Regelhaftigkeiten, sondern auch um individuelle Einzelfälle. Wissenschaft ist auch kein Reservat der Universitäten, sondern jedes Wissen zählt, auch das Berufswissen, das Handwerk, z. B. auch der Gärtner, der Bauer, die Hausfrau.
Grundaufgaben einer wissenschaftlichen Behandlung des Wirtschaftswachstums
1. Als erstes muss definiert werden, was genau Wirtschaftswachstum
bedeuten soll.
2. Zweitens muss geklärt werden, wie Wirtschaftswachstum festgestellt
oder gemessen werden kann.
3. Drittens muss die Entwicklung des Wirtschaftswachstums in einer
Zeitreihe erfasst und dargestellt werden.
4. Wenn die Einflüsse anderer Faktoren, Größen oder
Variablen auf das Wirtschaftswachstum untersucht werden sollen, sind auch
für diese 1-3 zu erfüllen.
5. Wovon hängt das Wirtschaftswachstum ab? Wodurch kann es gefördert
oder gebremst werden? Die Antwort ist einfach und lässt sich verdichten
auf: Wirtschaftswachstum ist nötig, wenn die Bedürfnisse steigen,
sei es, weil es mehr Menschen gibt, sei es, dass die Menschen mehr wollen.
6. Ist Wirtschaftswachstum in bestimmten Wirtschaftsformen wie z.B.
dem Kapitalismus notwendig oder ist das nur Propaganda?EN8
Uneins bis mindestens 2008.
Erstes Ergebnis der Sichtung der ökonomischen Literatur
Bei Smith 1776 findet sich nur eine Stelle, die man in Richtung Wachstumszwang
interpretie-ren kann. Auch Ricardo und Mill geben wenig her. Der erste
ausgeprägte Wachstumszwangtheoretiker in der Ökonomie war Karl
Marx 1867 mit seinem ersten Band des Kapitals. Die akademische Ökonomie
ist sich nachweisbar mindestens bis 2008 uneins, wobei u.a. kein Geringerer
als Robert Solow, der für seine Arbeiten zur Wachstumstheorie 1987
den Nobelpreis erhielt, einen Wachstumszwang für den Kapitalismus
verneintEN9.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
Wachstum site: www.sgipt.org * Globalisierung site: www.sgipt.org. |
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