Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=23.11.2003 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 03.04.15
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Stubenlohstr. 20    D-91052 Erlangen * Mail:_sekretariat@sgipt.org_

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    Willkommen in unserer integrativen und interdisziplinären Abteilung Kunst, Ästhetik, Psychologie der Kunst, Bereich Theater, hier Materialien aus:

    Die Wölfe - Inszenierung im Theater "Garage"

    Eine Würdigung (Kritik) von Rudolf Sponsel, Erlangen
    Nachlese 23.4.2005.


    Überblick
    • Das Bühnenstück: Handlung und Geschichte
    • Technische Realisation: ausdrucksstarkes Bühnenbild mit einfachsten Mitteln; eindrucksvolle Lichtgestaltung; hervorragende Toneffekte; intelligente Kostüme; brillante Regie und sehr beeindruckende schauspielerische Leistungen im Spiel der Darstellung
    • Ausgezeichnete Dokumentation
    • Viele und vielfältige Diskussionsveranstaltungen
    • Ein fader Bei- und Restgeschmack bezüglich der Methoden der GegnerInnen
    • Fehlleistungen der Kulturkritik
    • Wie kann und sollte die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erfolgen?
    • Was kann das Theater für die notwendige Auseinandersetzung leisten?
    • Exkurs I: Die zeitgeschichtliche und historische Situation um 1943/ 1944
    • Exkurs II: Können nationalsozialistisch gesinnte Menschen Kunstwerke vollbringen?
    • Exkurs III: Sind alle nationalsozialistischen Werte rundum abzulehnen ? Z.B. Volksgemeinschaft, Vaterland, Ehre, Treue, Tapferkeit, Gehorsam, Heldentum.
    • Querverweise



    Vorbemerkung: Das hat es in der kleinen Großstadt Erlangen noch nicht gegeben: Das Theaterstück - Die Wölfe - eines erklärten nationalsozialistischen Künstlers, Hans Rehberg, bewegt die ganze Stadt, (Kommentare hierzu), ja kulturell sogar das ganze Land und spaltet streckenweise die Kultur- Interessierten der Hugenotten- Stadt mit dem Slogan "Offen aus Tradition" - die erste Stadt Deutschlands, die einem Juden ein Denkmal errichtete, aber auch die Stadt, deren Universität im 3. Reich als eine der ersten überlief. Als Kuriosum sei angemerkt, daß Erlangen in der Nachkriegszeit angeblich einen eigenen Menschentyp hervorgebracht haben soll: den sog. "Siemensianer" ;-).

    Das Bühnenstück: Handlung und Geschichte

    Das Leitmotiv und Hauptthema der Wölfe ist: wie bewältigen Menschen den Krieg und seine Folgen, besonders: wie werden die Frauen mit dem Verlust ihrer Männer fertig und was ist der Sinn und Unsinn all dieser Opfer? Obwohl das Stück von einem erklärten und überzeugten nationalsozialistischen Künstler - Hans Rehberg (1901-1963) - verfaßt wurde, hat es mit nationalsozialistischer Propaganda gar nichts zu tun, und schon gar nicht in der Inszenierung von Marc Pommerening und dem Theater in der Garage. Es ist kein sog. Durchhaltestück und auch kein vaterländisches Werk. In der Wirkung dieser brillanten Inszenierung ist es ganz klar ein Antikriegsstück, das die Not der Frauen und die Verlorenheit der meist zum Tode bestimmten fragwürdigen Helden - o.B.d.A. hier U-Boot- Offiziere - überzeugend thematisiert und damit auch den Sinn des Krieges und seiner Opfer problematisiert und in Frage stellt. Dies macht auch verständlich, weshalb das Stück selbst in der ersten angepaßteren Uraufführung (16.4.1944 in Breslau) sehr schnell von der Bühne verschwand: weil es zur nationalsozialistischen Propaganda und als Durchhaltestück völlig ungeeignet war. In der Tat kann der zentrale Konflikt dieses Stückes als Ambivalenzkonflikt zwischen - im Stück durchaus in Frage gestellt - vaterländischer Pflicht, Gehorsam und Opferbereitschaft auf der einen Seite und den ganz normalen und natürlichen Bedürfnissen nach Freude, Ausgelassensein, Lachen, Tanz, Liebe, Freundschaft und Familie auf der anderen Seite verstanden werden.
        Mich hat die Handlung, womöglich besonders gefördert durch die exzellent verfremdende und kontrastierende Inszenierung - ein Meisterwerk des Garagenteams mit einfachsten Mitteln - mehrfach sehr berührt und betroffen gemacht. Damit hat das Theater für mich geleistet, was es eigentlich soll: berühren, betreffen, gefangen nehmen, ergreifen, anregen, bewegen. Umso mehr, je mehr Zuschauer diese Wirkungen bei sich erleben konnten. Wie die Diskussionen nach den Aufführungen zeigten, waren dies nicht wenige.

    Die handelnden Personen und ihre Beziehungen: Maria von Oppen hat ihren Mann Robert (U-Boot-Kommandant) in den Kriegstiefen der karibischen See verloren. Sie wird damit seelisch nicht fertig und flüchtet, genährt durch intensiv abgewehrte Trauer und starke Sehnsucht nach dem Gatten in sein Versprechen ("Er hat es mir doch versprochen. Er hat mir geschworen, zu kommen."), zurückzukehren. Dies läßt sie immer wieder regelrecht Ausschau halten nach ihm. In dieser Haltung wird sie vom Schäferkarl (Rolle eines Knechts, aber auch Freundes des gefallenen Robert), der das Metaphysisch-Religiöse und Alternative in diesem Stück verkörpert, unterstützt. Kurt, Bruder Roberts, der Maria zur Frau begehrt, erweist sich aus nachvollziehbaren Gründen als durchgängiger Gegner des Schäferkarl, weil dieser die irrationale Sehnsuchtshoffnung Marias auf eine Wiederkehr des toten Robert nährt und unterstützt. Schließlich finden Maria und Kurt nach metaphysischen Auseinandersetzungen doch noch zu einander. Auch Bobby, der in Lore verliebt ist, kann sich erklären und gewinnt die Liebe Lores. Heiko Griff ist der dritte Mann fürs U-Boot und seine Frau Ursula, mit der er frisch verheiratet ist, eine Freundin von Maria und Lore. Bevor die drei Männer zum U-Booteinsatz vom " großen Löwen" - Admiral Dönitz -  abkommandiert werden, schwängert Bobby Lore, wovon er aber erst kurz vor seinem Tod auf dem U-Boot durch Heiko erfährt. Nach 80 Tagen vergeblicher Bemühungen um Feindberührung kommt es schließlich zu einer Konfrontation und zum Kampfeinsatz des U-Bootes, bei dem Bobby und Kurt getötet werden. Maria verliert zum zweiten Mal ihren Mann und liegt nun im existenziellen Widerstreit zwischen Verzweiflung, Verfluchung und Treue gegenüber dem Vaterland.

    Im einzelnen benötigt das Stück nur 8 Personen:
    Bobby Neumann (gespielt von Andreas Petri)
    Kurt von Oppen (gespielt von Bernhard Majcen)
    Robert von Oppen (gespielt von Bernhard Majcen)
    Heiko Griff (gespielt von Denis Larisch)
    Ursula Griff (gespielt von Lisa Braun)
    Lore von Oppen (gespielt von Tanya Häringer)
    Maria von Oppen (gespielt von Michaela Kaspar)
    Schäferkarl (gespielt von Winfried Wittkopp)

    Die großen Themen der Handlung: Das Stück handelt in der Mitte des 2. Weltkrieges im U-Boot-Milieu. Seine zentralen Themen sind Liebe, Rolle der Männer und Frauen, Krieg, Schmerz, Leid, Opfer, Trauer, Tod, Gott, Jenseits, Wiederkehr, Helden, Vaterland, Sinn und Unsinn des Krieges, des Lebens und des Schicksals und damit verbunden Chaos, Verwirrung, seelische Not und und das immerwährende Lebensthema - besonders im Krieg - Bewältigung all dessen wie auch existenziell Metaphysisches, was natürlich dazu gehört.

    Die Kernfragen der Wölfe sind überzeitlich allgegenwärtig aktuell
    "Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben" (Horaz, Oden)
     
    Wofür lohnt es sich zu sterben? Fürs Vaterland? Für eine gute und gerechte Sache? Im Buch Die Soldaten sagt  Schneider im 1. Kapitel: "Wofür sterben Soldaten: Raum und Ruhm" und er fragt eingangs: "Wofür haben sie gekämpft, die Hunderte von Millionen Krieger und Soldaten der Weltgeschichte, die Griechen in Indien, die Römer in Schottland, die Normannen auf der Krim, die Portugiesen in China, in der Ukraine und in Schweden, auf Java die Württemberger? Wofür sind sie einen grausamen Tod gestorben, die Engländer in der Wüste, die Neger in Frankreich, die Deutschen im Kaukasus, die Türken in Korea?" Die Menschen wurden von den Herrschern immer mißbraucht für ihre Zwecke und werden hierfür seit Menschen Gedenken in einen meist sinnlosen, ungerechten und falschen Tod geschickt. Und die Frage des Sinnes für Krieg, Opfer und Tod stellt sich auch ganz aktuell für viele SoldatInnen auf der Welt, denken wir nur an die "Koalition der Willigen" im Irak. Täglich wandern Särge in ihre Heimat. Es gibt im Grunde keine wichtigere und existenziellere Frage als die: wofür lohnt sich zu leben und zu sterben? Genau diese Frage ist der zentrale und grundlegende Konflikt, um den die Wölfe spielen. Damit trägt das Stück, gerade weil es von einem erklärten Nationalsozialisten stammt - auch wenn er allen Klischees, die man von einem erklärten Nazidichter hat, widerspricht - nicht unwesentlich zum Verständnis der "Heldenfamilien", ihrer Denkweise, ihren Gefühlen und ihren Konflikten bei. 
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    Nein, das ist und war gewiß kein Nazipropagandastück. Ein Kultur- und Literaturtrottel, wer das behauptet. Auf mich hat es einerseits eher wie ein (allgemeines) Anti-Kriegsstück gewirkt, wobei die existenziellen und metaphysischen Grundfragen und Konflikte überzeugend herausgearbeitet und präsentiert wurden. Es überwiegt bei weitem die Anklage, die Botschaft der Fragwürdigkeit, die Frage nach dem Sinn und damit der Sinnlosigkeit. So wundert es mich gar nicht, daß das Stück unter den Nazis schnell abgesetzt wurde. Und so sind auch die vielfach gehörten Deutungen eines angeblichen Durchhaltestückes unhaltbar. Und es ist auch kein vaterländisches Junkerstück. Bei Lichte betrachtet und auf den Punkt gebracht, ist es ein existenzialistisches Stück, das den Konflikt zwischen fragwürdigen Helden, Sinn und Unsinn des Krieges und seiner Opfer für ein dubioses und instrumentalisiertes Schein- Vaterland zum Gegenstand hat. 
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    Technische Realisation
    Ausdrucksstarkes Bühnenbild mit einfachsten Mitteln (z.B. blutroter Sand). Hier war wenig tatsächlich mehr. Daß man mit Licht viel machen kann, führte die Inszenierung eindrucksvoll vor.
        Die Dramaturgie des hintergründig- leisen bis zum schrillen und übersteuernden Flötenspiel hat eine eigene tiefgreifende metaphysisch- existenzielle Eindringlichkeit einfach analog umgesetzt und so die Inhalte entsprechend fundiert, gerahmt und vorbereitet und in ihrer Botschaft unterstützt. Besonders raffinierte Toneffekte wurden mit dem metallisch-sirenenhaften U-Boot-Mannschaft-Sprech-Chor (wozu der Regisseur die 3 Frauen einsetzt) erzielt, eine sehr gut gelungene metaphorische Simulation der U-Boot Akustik mit der zusätzlichen Anmutung roboterhafter Technik, die den Schematismus, die Automatik und den eingespielten Mannschaftsgeist eindringlich symbolisierte. Dramatisch eindrucksvoll auch die Umsetzung der drohenden Niederlage durch das Pathos eines russischen Revolutionsliedes.
        Die Kostümfrage wurde sehr gut und intelligent gelöst, indem auf schneidige NS-Requisiten wie z.B. Uniformen oder Orden verzichtet wurde, was der Inszenierung einen modernen, verfremdenden und zeitlich übergreifenden Charakter verlieh. Hierdurch wurde das Los des Kriegers und seiner Angehörigen verallgemeinert. Vaterlandsparolen und Heldenpathos sind ja nun auch allgemeine Phänomene, deren sich zwar die Nazis auf ihre besondere Weise annahmen, aber alle kriegerischen Volksgruppen haben dies zu allen Zeiten und Kulturen getan und werden dies auch weiterhin tun, was man auch bei allen Kriegen der Gegenwart ohne Probleme studieren kann.
        Insgesamt eine brillante Regie, die die Aufführung zu einem ein- und ausdrucksvoll Ganzen gestaltete: konstrastierende und verfremdende Distanz, surreal- existenzielle Zuspitzung mit der Demonstration elementarer Ratlosigkeit, Verwirrung und Verzweiflung ob des unauflöslichen Konflikts - sagen wir es vereinfacht schillerisch - zwischen Pflicht und Neigung eines durch seine Opfer zunehmend schwerer verständlichen Krieges. Die Antworten der Vaterlandsprotagonisten bleiben hier gewollt hohl, aufgesetzt und letztlich unverständlich. Im Stück ist ein Konsens darüber nicht herstellbar, ob es wirklich süß und ehrenvoll ist, für das Vaterland zu sterben (Horaz, Oden), was ja das tiefere und problematisierte Thema dieses Stückes und damit auch Rehbergs ist. Schon deshalb kann dieses Stück kein Nazistück sein, auch wenn diese brillante Inszenierung sehr stark mitgeholfen hat, die tiefgreifende Dramatik der Konsenslosigkeit, der Spaltung der Helden und ihrer Hauptopfer, Frauen und Kinder (die im schlimmsten Fall schon vaterlos geboren werden), zum Ausdruck zu bringen. Und dies alles ist natürlich nur möglich durch die sehr beeindruckenden schauspielerischen Leistungen in ihrem Zusammenspiel mit dem Ganzen, was auf dieser kleinen Bühne mit nur 90 Zuschauerplätzen überzeugend und nachhaltig demonstriert wurde. - Aus dem Schluß:

    Welch Untier, Robert ist dein Vaterland.

    Maria: ... was sollen wir tun?

    Robert: Lieben und glauben. Adieu!

    Maria: Geliebter! Noch eine Frage! Was sollen wir lieben?

    Robert: Das Vaterland.

    Maria: Ach, du mein Geliebter, bleibe noch, nur eine Frage lang: Was sollen wir glauben?

    Robert: Daß Freiheit köstlicher ist als Knechtschaft oder sogar der Tod eines Volkes.

    Maria: Geliebter, was ist das Vaterland?

    Robert: das weißt du.

    Maria: Nein - seid du tot bist, seitdem du nichts mehr zu mir redest und mich nicht mehr umarmst, ist alles blaß geworden, alles blaß. - Umarme mich, ach, gib mir nur die Hand. Wie grausam ist doch das, was du vom Vaterlande weißt. Du opferst, ohne dich umzusehen, dich und die anderen. Welch Untier, Robert ist dein Vaterland. Geh nicht im Zorn! Ich bitte dich! Zeig mir den Sonnenstrahl, der diese Wüste, großartig deinem Auge, dem meinen voller Schrecken, freundlich macht.

    Ausgezeichnete Dokumentation
    Eindrucksvoll fundiert, informativ, offen, authentisch und zugleich schlicht und ausdrucksstark in der Präsentation. Die Dokumentation umfaßt folgende Themen:

    • Rehbergs künstlerisches Werk
    • Übersicht der kulturpolitischen Lenkung im 3. Reich (Goebbels)
    • Zeitgenössische Äußerungen
    • Zeithistorischer Kontext
    • U-Boot-Dokumentation
    • Die zwei U-Bootfahrten Rehbergs
    • Die Wölfe 1943/ 1944
    • Ein Zeitzeuge und Freund Rehbergs beim Empfang nach der Uraufführung in Breslau am 16.4.1994 (Rehberg zu ihm: "Sieh zu, daß du gut durch den Krieg kommst, es lohnt sich nicht für die zu sterben").
    • Über Rehberg und seine Werke im künstlerischen Kontext des 3. Reiches
    • Kontrastierend: Das Theater im totalen Krieg gegenüber zwei Szenen aus den Wölfen
    • Die Wölfe 2003: Umfassende und offene Dokumentation der Auseinandersetzung um diese Aufführung


    Viele und vielfältige Diskussionsveranstaltungen
    Man kann letztlich Entwicklung und Umfeld des "Dramas" um das Drama der Wölfe und die vielen und vielfältigen Diskussionen, die diese Inszenierung begleitete als das eigentliche, wenn auch so gar nicht beabsichtigte Meisterstück bezeichnen. Hier wurde eine Auseinandersetzung bewirkt, die ihresgleichen wirklich sucht.

    Ein fader Bei- und Restgeschmack bezüglich der Methoden der GegnerInnen
    Weniger erfreulich war die teilweise erschütternd inkompetente Berichterstattung, einige Kommentare der deutschen Theater- und KulturkritikerInnen und ein paar häßliche Begleiterscheinungen aus dem Umfeld der Welk-Rost-Rot-Grünen und der abstoßende Opportunismus der politischen Führung der Stadt. Die teilweise zweifelhafte und unschöne Rolle der selbsternannten - aber keineswegs repräsentativen - Erlanger Linken und des sog. Friedensbündnisses mit sogar denunziatorischer und rufmörderischer Agitation, erinnerte teilweise fatal an die Methoden, die man zu bekämpfen vorgab. Am verständlichsten ist noch die Reaktion der jüdischen Organisationen und Holocaustopfer. Aber es wäre politisch sehr gefährlich, der Holocaust-Konditionierung der deutschen Intelligenz weiter nachzugeben und damit eine fundierte, wahrhaftige und wirkungsvoller Auseinandersetzung und Aufarbeitung weiterhin so zu behindern.

    Fehlleistungen der Kulturkritik
    Daß der bundesdeutsche Journalismus nicht besonders viel taugt, läßt sich auch an der Berichterstattung und Kritik der "Wölfe" sehr schön demonstrieren. Da wird ein Mist von angeblich professionellen KulturkritikerInnen verzapft, daß einem schlecht werden könnte. So schreibt z.B. ein gewisser F.J. Bröder im Fränkischen Tag, daß das Stück angeblich im ersten Weltkrieg spielt - wiewohl man sich dann natürlich fragt, wie der "Löwe", Admiral (seit 1942) Dönitz, der am 30.1.1943 zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannt, zu seiner Rolle in dem Stück gelangt oder wie das Schicksal von U-106 (1942) den inhaltlichen Aufhänger bietet (bei einem Tieffliegerangriff wurde ein Offizier getötet). Mit der ausgezeichneten Dokumentation hat sich dieser "Kulturkritiker" sicher auch nicht auseinandergesetzt, sonst müßte man ihn ja der böswilligen Lüge oder Desinformation bezichtigen. Das scheinen wohl auch andere KulturkritikerInnen nicht gemacht zu haben, wie sonst könnte man solche hanebüchenen Wertungen wie eilig zusammengeschustert, Stück- und Flickwerk u.ä. in der Presse wiederfinden. Rehberg, obwohl Nationalsozialist, paßt mit seinem ganzen Stück und all den fehlenden Naziklischees so wenig in die Vorstellung dieser wenig kompetent wirkenden "KulturkritikerInnen", daß sie die Handlung aus dem Jahre 1943/44 in den ersten Weltkrieg legen müssen und auch sonst sehr rat- und hilflos erscheinen, wie nun mit diesem Stück und dieser Inszenierung umzugehen ist.

    Wie kann und sollte die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erfolgen ?
    Die Sachverhalte ganz, offen, wahrhaftig und realistisch anschauen. Einseitige Klischees, falsche Vereinfachungen, Ausblenden und oberflächliche Lippenbekenntnisse wie Sonn- und Feiertagsdemos sind wenig hilfreich und schon gar nicht ausreichend. Die Konditionierung der deutschen Intelligenz durch die VertreterInnen der jüdischen Interessen ist hierbei nicht nur nicht hilfreich, sondern objektiv sogar Antisemitismus fördernd. Wir müssen die deutsche Schuld und Verantwortung, die sich daraus ergibt, selbst aufarbeiten und brauchen hierzu keine ständige jüdische Bevormundung und Anleitung, wie das zu geschehen hat. Sie ist kontraproduktiv. Zur Bedeutung einfühlender Haltung wird unten einiges gesagt:

    Was kann das Theater für die notwendige Auseinandersetzung leisten ?
    Sehr viel, wie auch die Inszenierung der Wölfe zeigt. Theater, Film, Literatur und Kunst allgemein sind wichtige Ausdrucksformen, Menschen, Ereignisse und Geschichte zu verstehen. So vermag u.U. die Lektüre von Dostojewskijs Raskolnikov ("Schuld und Sühne / Verbrechen und Strafe") mehr über die Psychologie der Menschen zu vermitteln als manches akademische  Psychologiestudium. Die Kunst liefert aber auch Ersatz für fehlende eigene Erfahrung, für neue Sicht- und Erlebnisweisen. So kann die Kunst sehr dazu beitragen, den eigenen Erlebnis- und Bewertungshorizont zu erweitern oder zu ergänzen, anzuregen, aber auch in Frage zu stellen, zu erschüttern und zu verunsichern. Eine wirkliche Auseinandersetzung muß den ganzen Menschen bewegen. Ihn hierzu bereit zu machen, zu überrumpeln, einzunehmen oder gar zu verführen, ist auch eine Aufgabe, die im Grunde - außer der Realerfahrung - nur die Kunst leisten kann. Zum Verstehen gehört einfühlen, d.h. weggehen von sich selbst, aufmachen, offen sein, zulassen, die Dinge mit den Augen des andern zu betrachten suchen, in seinen Mokassins zu gehen, wie die Indianer zu sagen pflegen. Will man neuen nationalsozialistischen Entwicklungen und Bedrohungen vorbeugen, so ist es wichtig, den Nationalsozialismus, seine Zeit und die Menschen, die sich von ihm gefangen nehmen ließen, zu verstehen. Wie waren diese erschütternden Ungeheuerlichkeiten nur möglich? Kann ein solches Projekt mißraten? Ja, es kann mißraten, wenn es ein falsches Stück ist oder falsch inszeniert wird. Das war hier aber ganz und gar nicht der Fall. Die Inszenierung der Wölfe ist ein Meisterwerk subtiler Verfremdung: der Zuschauer weiß immer, daß er im Theater ist und alle Authentizität erreicht ihn durch die Filter distanzierten Theaters. Weniger finanzielle und technische Mittel sind - so gesehen - manchmal sogar ein Vorteil.

    Exkurs I: Die zeitgeschichtliche und historische Situation um 1943/ 1944
    Der Krieg war um diese Zeit für Kenner schon verloren - die Opfer groß. Paulus kapitulierte in Stalingrad am 31.1.1943. Spätestens der Fall von Stalingrad durch die Inkompetenz des angeblich größten deutschen Feldherrn aller Zeiten war der endgültige Anfang vom endgültigen Ende. Und die - zwar erst am 6.6.1944 in der Normandie erfolgte - Landung der Allierten zeichnete sich bereits ab.

    Exkurs II: Können nationalsozialistisch gesinnte Menschen Kunstwerke vollbringen ?
    Ja, natürlich. KünstlerInnen können Kommunisten sein (Eisenstein, Brecht), linke oder rechte Faschisten (Ezra Pound), fundamentalistisch verwirrt oder auch verbrecherisch-kriminell (Genet) oder auch nur MitläuferInnen, SympathisantInnen, NutznießerInnen oder pragmatische HelferInnen (Kulturschaffende im 3. Reich, z.B. Gründgens, Riefenstahl). Es ist falsch, aus der begründeten, notwendigen und wünschenswerten Ablehnung des Nationalsozialismus alles und jedes künstlerisch oder sonstwie zu entwerten. Differenzierung wäre richtiger, wahrhaftiger und nützlicher.

    Exkurs III: Sind alle nationalsozialistischen Werte rundum abzulehnen ?
    z.B. Volksgemeinschaft, Vaterland, Ehre, Treue, Tapferkeit, Gehorsam, Heldentum.
    Die Metaphysik Hitlers war schlicht und einfach (wie die der meisten diktatorischen Führer). Das Volk ist ein metaphysischer "Körper", ein "Ganzes". Kopf und Hirn dieses Volksganzen finden sich im Führer wieder. Er hat die absolute Definitionsgewalt, was das Volk will, zu wollen hat, was gut und was schlecht ist. Der einzelne ist nichts, das Volk ist alles, doch interpretiert wird es vom Führer. Damit wird er zu Allem und alle anderen zu nichts oder bestensfalls zu "besseren Ameisen". Diese Machtperversion, der Wahn, selbst alles zu sein und alle andern zu nichts zu definieren, ist das extrem psychopathologische und zutiefst persönlichkeitsgestörte Merkmal Hitlers (neben zahlreichen anderen Diktatoren, gegen die es nur ein wirkliches Mittel gibt: so schnell wie möglich  umbringen).
        Ungeachtet dessen sind Werte wie Heimat, Vaterland, Gemeinschaft, Ehre, Treue, Tapferkeit, Gehorsam oder Heldentum unabhängig vom Nationalsozialismus. Aus der nationalsozialistischen Ausgestaltung - und war sie auch noch so extrem und verbrecherisch - darf nicht geschlossen werden, diese Werte seien an sich fragwürdig oder schlecht. Ein gesundes Erbgut bleibt z.B. ein Wert, auch wenn das von den Nazis noch so mißbraucht wurde. Treue bleibt ein Wert, auch wenn sie von den Nazis für ihre verderblichen Zwecke mißbraucht wurde. Tapferkeit bleibt ein Wert, auch wenn sie für falsche Ziele eingesetzt wurde. Und jede Zeit will und braucht ihre Helden. Man darf nicht den Fehler machen, Werte abzulehnen, nur weil sie von Nazis oder anderen DemagogInnen beansprucht und für ihre Zwecke einseitig ausgestaltet und mißbraucht werden. So kommt es bei der Wertediskussion sehr darauf an, das Kind nicht mit dem Badewasser auszuschütten.



    Allgemeine Theater-Links:
        Veränderte URLs ohne Weiterleitung wurden entlinkt.
    • Die Deutsche Bühne * Perlentaucher. * Theater Heute * Theater-Index. * Theaterkritik (Kultur Online). * Theaterlexikon: [PDF] * Theater Online , DU, (Links). * Theater-Paradies-Deutschland. * ZDF-Theaterkanal. * SR-Online. * Berliner Schauspielschule Theaterkritiken: Online.* 3sat Theater. * Dramaturgie: [W] * Theaterstück [W.Drama]




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT = General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Die (grauen) Wölfe ist eine Metapher für die U-Boote, woraus auch die sog. Rudeltaktik abgeleitet wurde.
    __
    Juden ein Denkmal: Heinrich Herz, Arzt und Medizinprofessor, Denkmal [Entwurf Carl v. Zumbusch, Berlin, Bronzeguß: Christoph Lenz, Nürnberg] auf dem Hugenottenplatz (früher Holzmarkt) 1875. Am 15.9.1933 Abbruch durch Stadtratsbeschluß. Seit 15.9.2000 erinnert eine Gedenktafel an den hervorragenden jüdischen Arzt, Universitätsprofessor und Menschen Jakob Herz.
        Die Nazivergangenheit Erlangens wird vorbildlich aufgearbeitet durch Ilse Sponsel, Gattin des früheren beliebten SPD-Bürgermeisters Friedrich Sponsel (nicht verwandt und nicht verschwägert mit mir), z.B. in: Sponsel, Ilse (1982). Das Schicksal der Erlanger Juden in der NS-Zeit. Erlanger Materialien Heft 4. Herausgegeben von der Stadt Erlangen und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Franken e.V.
    23.11.3: Sehr verdienstvoll und informativ ist auch ist auch der Band "Erlangen im Nationalsozialismus", herausgegeben vom Stadt Museum der Stadt Erlangen zur Ausstellung im Stadt-Museum vom 16.10.83-19.2.1984. Auch derzeit läuft eine Ausstellung im Stadtmuseum "Nazi Terror 1933-1945 - Nürnberger Prozess 1945-1946 - 70 Jahre Bücherverbrennung - Vor aller Augen: Fotodokumente des nationalsozialistischen Terrors in der Provinz - Dolmetscher und Übersetzer beim Nürnberger Prozess. Ich habe heute, 23.11.3, die letzte Gelegenheit zur Führung genutzt. Die Studentin der Germanistik und Geschichte erklärte die verschiedenen Eskalations- Phasen der Judenvernichtung im zeitlichen Verlauf sehr gut: 1933 Boykotte und erstes KZ; 1935 Rassengesetze; 1938 Reichspogromnacht; 1940 Deportiertungen; 1941 Massendeportationen; 20.1.1942 Vernichtungsbeschluß Wannseekonferenz. Es wurde deutlich, daß ernsthaft niemand, der es mit erlebt hat, sagen konnte, man habe nicht gewußt, was da geschah.
        In dem Band Erlangen im Nationalsozialismus wird im Kapitel V. Die Universität im Nationalsozialismus ausgeführt (S.35f): "Lange vor Hitlers Machtergreifung hatte sich an der Universität Erlangen der Nationalsozialismus durchgesetzt. ... Eine entscheidende Rolle spielten dabei die Korporationen ... Nicht minder von Bedeutung war, daß die Mehrzahl der Professoren entschieden deutsch- national dachte ..." Der nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) wurde 1927 neu gegründet und erhielt bei den AStA Wahlen am 20.11.1929 die absolute Mehrheit. "Im Mai 1932 faßte die medizinische Fachschaft den Beschluß, 'Juden, Judenstämmige und nichtdeutschstämmige Ausländer' aus ihrer Organisation auszuschließen. ... Nach Hitlers Machtergreifung, die von der Universität und Studentenschaft enthusiastisch gefeiert wurde, verpflichteten im Laufe des Jahres 1933 die meisten Korporationen ihre Mitglieder zum Dienst in der SA, SS oder im 'Stahlhelm'. Von 17 Verbindungen nahmen 14 bis 1934/35 das 'Bekenntnis zum Nationalsozialismus' als Erziehungsprinzip auf."
    Sponsel, Ilse (2001). Gedenkbuch für die Erlanger Opfer der Schoa. Erlangen: Bürgermeister- und Presseamt.
        Jüdische Erfahrungen mit Erlangen: "Ich möchte in dieser Stadt nicht begraben sein"
    ___
    Siemensianer. kritische Bezeichnung für einen (zugereisten) Angehörigen der Firma Siemens mit der Bedeutung, daß sich "Siemensianer" einen Status zusprechen, der von den ErfinderInnen der Wortschöpfung "Siemensianer" nicht geteilt und als überhöht betrachtet wird.
     

    Querverweise
    Kommentare in der IP-GIPT zum Theater um das Theater Erlangen:
     * Nachlese 23.4.2005 * PWK3-46 *  PWK3-45 * PWK3-44 *  PWK3-43 *  PWK3-42 *  PWK3-41  *  PWK3-40
    Psychologie des Tötens * Die psychologischen Wurzeln des Krieges * Überblick das dritte Reich in der IP-GIPT * FAQ Israel, Juden, Holocaust, Antisemitismus und Deutschland - Benennung und Darstellung tabuisierender Dogmen, Fragen und Probleme im deutsch-jüdischen Verhältnis * Überblick Kunst in der IP-GIPT * Überblick Politische Psychologie in der IP-GIPT
    Überblick und Kritik der Metaphysik, Religion, Sekten, Ideologie und Weltanschauung in der IP-GIPT
    Menschenbild, Anthropologie, Wertproblem und Metaphysik der GIPT


    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Die Wölfe - Inszenierung im Theater "Garage". Aus unserer Abteilung Kunst, Ästhetik, Psychologie der Kunst. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/kunst/theater/woelfe.html
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    korrigiert 23.11.03 irs


    Änderungen
    03.04.15    Linkfehler geprüft und korrigiert.
    05.08.05   Nachtrag Gedenkbuch von Ilse Sponsel und Link zur Artikel in Raum-Zeit.
    23.04.05   Nachlese 23.4.2005.
    26.11.03   tiefere Botschaft ersetzt durch tiefere und problematisierte Thema im Abschnitt
    25.11.03   Zwei Link-Querverweise zum Thema Metaphysik.
    23.11.03   Ergänzende Hinweise zu Erlangen im Nationalsozialismus. Nachtrag  Die Personen und ihre Besetzung. Korrekturen und kleine Ergänzungen.