Ein medienkritischer Buchhinweis von Rudolf Sponsel, Erlangen
Umschlagtext: "Der Journalismus ist für die Gesellschaft viel zu wichtig, als dass man ihn den Journalisten allein überlassen dürfte. Deshalb plädiert der Münchener Kommunikationswissenschaftler in diesem Band für eine 'rücksichtslose Journalismuskritik'. Diese Kritik nimmt keine Rücksicht auf Sonderinteressen, erst recht nicht auf solche, die Journalisten selbst geltend machen, sie ist vielmehr den berechtigten Erwartungen des Bürgers und der ganzen Gesellschaft an die journalistischen Produkte verpflichtet. Auf die grundsätzliche Frage, was der Bürger vom Journalisten erwarten darf, gehen die Beiträge dieses Bandes ebenso ein, wie sie 'rücksichtslose Journalismuskritik' an brisanten Exempeln demonstrieren: an Fällen der 'Angstpublizistik'; an der Darstellung von Gewalt in den Medien, an den kaum legitimierten 'Heilsbotschaften' des 'Medien-Evangeliums' für und über die Familie oder auch an den Folgen der Globalisierung von Massenkommunikation. Erst eine derart harte, an sachlich begründeten Kriterien orientierte Kritik respektiert die gesellschaftliche Bedeutung und Wichtigkeit des Journalisten ohne Abstriche. Daher ist 'rücksichtslose Journalismuskritik' in Wirklichkeit die einzig angemessene Form einer 'rücksichtslosen Liebeserklärung' an den Journalismus." |
Aus:
"Zur Einführung
Plädoyer für eine 'rücksichtslose' Journalismuskritik
'Ein ganzes Fach lebt an seiner Bedeutung vorbei.' Vor mehr als einem halben Jahrzehnt konstatiert dies ein Praktiker, der damalige Intendant des Deutschland- Radios, Ernst Elitz. Er hatte sich zum Abschluß einer Debatte über den 'Stand der deutschen Medien- und Kommunikationswissenschaft' in der ZEIT zu Wort gemeldet. Die Bedeutung des Faches mit den vielen, keineswegs gleichbedeutenden Namen Kommunikationswissenschaft, Publizistikwissenschaft, Medienwissenschaft, Journalistik, Zeitungswissenschaft ... liegt nach Elitz nicht in den Hochschulroutinen, zu denen er auch die Vermittlung von Kommunikationstheorie oder von Mediengeschichte zählt; seine Bedeutung gewinnt es auch nicht in der Orientierung am klassischen Journalismus oder in der Ausbildung von Journalisten. Nein. Seine Bedeutung bekommt das Fach erst, wenn es statt 'Ausbildung für wenige' eine 'Aufklärung für alle' betreibt, wenn es die brisanten, auch die degoutanten, aber gleichwohl spannenden Medien- und Journalismuserscheinungen der Gegenwart zu seinem Forschungsgegenstand macht und dazu 'das alltägliche Medienangebot öffentlich auf den Seziertisch legt, kontinuierlich Glaubwürdigkeitstests anstellt [sowie] dem Medieneinfluß auf Politik, Wirtschaft und Alltagsleben nachspürt.' Und wenn es der Disziplin gar noch gelänge, 'die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Medientrends aufzuzeigen und Maßstäbe für Qualität und Verläßlichkeit von Medienprodukten herauszuarbeiten', könnte sie 'rasant an Bedeutung gewinnen'.
(I.) Das sachliche Ziel trifft dieses Praktiker-Votum
sehr präzise, selbst noch und gerade da, wo es sich zuspitzt auf die
Alternative: 'Nicht nur Ausbildung für wenige, sondern Aufklärung
für alle.' Versteht man unter 'Aufklärung für alle' eine
wissenschaftlich begründete Medien- und Journalismuskritik, die sich
- gleichermaßen positiv fördernd wie Mängel und Fehlentwicklungen
rügend - mit allen Gegenwartserscheinungen und Angeboten des Journalismus
auseinandersetzt, so ist damit eine genuine Aufgabe der Fachwissenschaft
umrissen: In voller Unabhängigkeit von allen Sonderinteressen und
in unangetasteter Freiheit nämlich könnte Wissenschaft nach wahren
Erkenntnissen über soziale Kommunikation, über ihre Medien und
über den
Journalismus suchen."
Ernst Elitz:
Unseliger Hang zur Routine. Ein ganzes Fach lebt an seiner Bedeutung vorbei.
In: Die Zeit, Nr. 7 v. 7. Februar 1997.
Bewertung: Ein
ausgezeichnetes, schonungslos- offenes und kritisches Buch, was und wie
Journalismus sein sollte und allermeist nicht ist. Daher hat dieses Buch
in dieser aus den Fugen geratenen Amigo-Republik auch so gut wie keine
Chance. Der Journalismus - insbesonders die Wirtschaftsredaktionen - ist
wesentlich mitschuld am Niedergang Deutschlands. Doch wie es scheint, trägt
er nun selbst zu seinem durch das Internet geförderten Untergang bei.
Bald werden wohl die Redaktionen von Puppen und Robotern übernommen, natürlich im Namen der globalen Freiheit, selbstverständlich rein aus Gründen der Objektivität und um des Datenschutzes willen [1]. |
End-Korrektur: