Erleben und Erlebnis bei Ludwig
Klages
mit einer Zusatzanalyse zum Begriffsverständnis
von Klages,
einem berufsbiographischen Exkurs
zur Fachwahl Chemie
und seiner Rolle als geistiger Wegbereiter des
Nationalsozialismus.
Originalrecherche von Rudolf Sponsel,
Erlangen
Methode der Fundstellen-Textanalyse
* Hauptbedeutungen
Erleben und Erlebnis * Signierungssystem
*
Zusammenfassung
Hauptseite * Begriffscontainer
(Containerbegriff) *
welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...) möglich sein? Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein und etwas, und zwar eins und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muß man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..." Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik.
11. Buch, 5 Kap., S. 244
|
Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit und Evidenz). Begriffsbasis Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffnen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem praktisch-pragmatisch und andererseits das Begriffsverschiebebahnhofsproblem lösen. |
Zusammenfassung-Geist-Widersacher-Seele:
Summa sumarum: Klages definiert, erklärt oder beschreibt erleben
und Erlebnis bei den eingesehenen und dokumentierten Stichproben nicht,
auch nicht durch Fußnote, Anmerkung, Quer- oder Literaturverweis.
Er stand nicht nur mit der Wissenschaft seiner Zeit auf Kriegsfuss
und hat sein eigenes, egozentrisches Verständnis von Wissenschaft,
das methodisch im Dunkeln bleibt. Obwohl Klages als promovierter
Chemiker mit der Wissenschaft vertraut ist, belegt er viele seiner
kritischen Behauptungen nicht, auch nicht durch Fußnote, Anmerkung,
Quer- oder Literaturverweis; z.B. S.160 "die ganze Welt besteht aus Empfindungen",
wobei seine grundsätzliche Kritik an der rationalistischen Einseitigkeit
und den Begriffsunklarheiten nachvollziehbar und auch nicht ganz unberechtigt
ist.
Biographisch: Klages war eine sehr begabte faustische
Natur mit zwei Seelen in seiner Brust und umfassenden Interessen und Wissen
auf vielen Gebieten der Wissenschaft, Kultur und Kunst, besonders der Psychologie
(Wundt war er davongelaufen, aber Theodor Lipps hatte es ihm angetan).
Der Titel seines Hauptwerks Der Geist als Widersacher der Seele
spiegelt seinen persönlichen Konflikt gut wieder und kann auch als
ein Konfliktlösungsversuch zwischen Leidenschaft und Vernunft, Gefühl
und Verstand, Wissenschaft und Kunst, interpretiert werden, den er zu Gunsten
\g von Leidenschaft, Gefühl und Leben \g entscheidet. Feinsinnig erkennt
sein Biograph auch noch tiefere
Gründe: "Zeitweilig aber mußten Künste
und Wissenschaften ihm als Surrogat dienen für die versagte Liebeserfüllung."
(S. 149) Ein Fressen für die Psychoanalyse.
Nach der Arbeit von Schneider (2001) gibt es keinen
Zweifel, dass Klages als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus
anzusehen ist.
1 Erleben und Erleben bei den eingesehenen Fundstellen:
2. Das mit dem Bewußtsein hat Klages so wenig wie die innere
Wahrnehmung verstanden.
3. Innere Wahrnehmung: sie wird in dem 1500 Seiten Werk nur zwei mal erwähnt. Klages lehnt den Begriff innere Wahrnehmung ab und bewertet sie S. 216 als psychologische Irrung oder, S. 1426 als falschen Glauben.
4. Die Polarität zwischen Geist und Seele ist eine willkürliche Konstruktion von Klages. In der Psychologie gehört der Geist mit den kognitiven Funktionen zur Seele oder Psyche.
5. Erleben/Erlebnis im Inhaltsverzeichnis
6. Erleben und Erlebnis im Sachregister
Im Sachregister gibt es folgenden Eintrag:
Erleben vgl. vor allem Anschauen, Eindruck, Ekstase, Empfindung,
Entfremdung, Erfahrung, Eros, Gefühl, Polarität, Sinnlichkeit,
Tiefe, Unbewußtsein.
Ende Zusammenfassung Der
Geist als Widersacher der Seele
Name-Werkkennung-Seite-ed/Ed- "." -AnzahlErwäh/Seite
K
G
z Typ Trenner
z
Lesebeispiel: KG69e2.1erlebbar,
K=KLages, G=Der Geist als Widersacher der Seele. Auf S. 69 wird erlebbar
in zweiter Bedeutung e2 das erste mal erwähnt.
Signierungssystem (Quelle)
e | < Erleben Differenzierung > Erlebnis | E |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
E? |
Anmerkung Carnap: hier ist EE für Elementarerlebnis vorgesehen, obwohl unklar ist, was ein Elementarerlebnis von einem Erlebnis unterscheidet.
3: Pseudo "überleben"
27: "... so haben wir es noch in allerneuester Zeit KG27e1.1erleben
müssen, ... "
68.1-6, 69.1-3: "Die Antwort lautet: wir werden des Stetigen inne,
indem wir es KG68e2.1erleben.
Wie es außer uns „in Wirklichkeit" nichts als Geschehnisse gibt,
die nur wir aus Anlaß der Tätigkeit des uns selber innewohnenden
Geistes so zu betrachten gezwungen sind, als wären sie Scheine und
Schattenspiele, verdeckend ein punkthaft einziges und jederzeit mit sich
identisches Sein, so aber ist es nun unsre Teilhaberschaft auch am Geschehen,
welche, indem wir zufolge ihrer beständig KG68e2.2erleben,
den Geist zu unbegrenzter Vervielfachung der Seinspunkte nötigt und
schon seine Urtat, den Wahrnehmungsakt, nicht sowohl auf das Sein schlechthin
bezogen sein läßt als vielmehr immerdar auf verbesondertes Sein,
das — unabhängig von ihm — am raumzeitlichen Außereinander der
Wirklichkeit eine Stelle hat. Das persönliche Ich ist Träger
sowohl des Geistes als auch des Lebens, zweier Mächte, deren Verhältnis
zueinander wir aus dem Verhältnis des Seins zur Wirklichkeit vorweg
jetzt folgendermaßen bestimmen:
Geist und Gegenstand sind die Hälften des Seins; Leben und Bild
die Pole der Wirklichkeit —
Der Geist „ist"; das Leben vergeht —
Der Geist urteilt; das Leben KG68e2.3erlebt
—
Das Urteil ist eine Tat, das KG68e2.4Erleben
ein Pathos —
Der Geist erfaßt das Seiende; das Leben KG68e2.5erlebt
das Geschehen —
Das (reine) Sein ist außerraumzeitlich, und so ist es auch der
Geist;
das Geschehen ist raumzeitlich, und so ist es auch das Leben
—
Das Sein ist grundsätzlich denkbar, aber nie
unmittelbar zu KG68e2.6erleben;
das [>69]
Geschehen ist grundsätzlich KG69e2.1erlebbar,
aber nie unmittelbar zu begreifen —
Die Urteilstat bedarf des KG69e2.2erlebenden
Lebens, worauf sie sich stütze; das Leben bedarf nicht
des Geistes, damit es KG69e2.3erlebe
—
Der Geist als dem Leben innewohnend bedeutet eine gegen dieses gerichtete
Kraft; das Leben, sofern es Träger des Geistes wurde,
widersetzt sich ihm mit einem Instinkt der Abwehr —
Das Wesen des „geschichtlichen" Prozesses der Menschheit (auch „Fortschritt"
genannt) ist der siegreich fortschreitende Kampf des Geistes gegen das
Leben mit dem (allerdings nur) logisch absehbaren Ende der Vernichtung
des letzteren. —
Diese weitgehender Auslegung bedürftigen Formeln
sollen uns nur dazu dienen, den Begriffen Relief und späteren Darlegungen
eine Richtschnur zu geben.
71.1-4: "Wenn man gesagt hat, echte Dichtung sei stets bis zu einem gewissen Grade „romantisch", so meinte man jedenfalls, sie müsse, 'damit sie ihren Namen verdiene, irgendwie Ausdruck der Seele sein. Sie wird aber unter anderem dadurch zum Seelenausdruck, daß sie ebenso wie der Mythos ein Geschehen verlautbart, solcherart den Geschehenscharakter der KG71e2.1erlebenden Seele selber bezeugend. Insofern wir KG71e2.2Erlebende sind und somit immer auch Seelenträger, was KG71e2.3erleben wir doch? Abschied und Wiedersehen, Gehen und Kommen, Entstehung und Sterben, den Tag und die Nacht, Erwachen und Wiederentschlummern, Wechsel der Jahreszeiten, Jugend und Alter, ungerechnet die Tausende von Ereignissen, die, vergleichbar unerwarteten Stößen des Windes, den Rhythmus des niemals ruhenden Wogenschlages beglückend oder zermalmend verändern. Bloß dank ihrer Fähigkeit zum KG71e2.4Erleben ist diese Seele, was immer sie sonst noch sei, beharrungsfremdes Sichwandeln, oder, so zugespitzt, wie möglich gesagt: die Seele ist des Leibes Vergänglichkeit."
71f.1-5: "Daß [72] nun aber den persönlichen Lebensträger
deshalb ein mit nichts zu verklebender Riß durchsetze, zeigt uns
sofort ein etwas schärferer Blick auf die Wesensverschiedenheit der
beiden „Vermögen", von denen das eine uns zum KG72e2.1Erleben,
das andre zum Erfassen befähigt, insofern sie unumgänglich als
aneinandergeschlossen in uns gedacht werden müssen.
Ist nämlich die Fähigkeit
zum KG72e2.2Erleben eine
Seite der Wirklichkeit selbst» so können wir
zwar KG72e2.3erleben, ohne
das mindeste zu erfassen, keineswegs aber etwas erfassen ohne Beihilfe
des KG72e2.4Erlebens;
und besteht nun die Anlage zum KG72e2.5Erleben,
die wir in Rücksicht auf bedeutungstiefe KG72E2.1Erlebniswellen
die Seele nannten, unweigerlich darin, daß ihr, der Seele, etwas
geschehen, widerfahren, begegnen könne, so trägt im Verhältnis
zum seelischen Widerfahrnis der Akt des Erfassens den Charakter einer Behauptung,
und die Seinsmacht, die das Erfassen ermöglicht, den eines Zwanges
zur Selbstbehauptung."
Bis zur Seite 72 gibt es 19 Fundstellen "erleben", aber keine Erklärung, was Klages unter erleben versteht. |
Sprung zur Seite 100
100: "Befinde ich mich unterhalb des Geistes, also im Zustande bloß
des KG100e2.1Erlebens, so
stehe ich in polarer Verbindung mit etwas KG100e2.2Erlebtem,
das im Verhältnis zum Lebensvorgang den Charakter der Fremdheit trägt
und in vielen Fällen der Außenwelt; keineswegs aber in polarer
Verbindung mit meinem KG100e2.3Erleben
selber. Wir sehen Farben, Linien, Gestalten, hören Geräusche,
Klänge, Töne, riechen Düfte, schmecken Salziges, Süßes,
Bitteres, Saures, tasten Hartes, Weiches, Rauhes, Glattes, Trockenes, Nasses,
Warmes, Kaltes und so fort; aber wir sehen nicht unser Sehen, hören
nicht unser Hören, riechen nicht unser Riechen, schmecken nicht unser
Schmecken, tasten nicht unser Tasten. Wir KG100e2.4erleben
also jedesmal nicht das KG100e2.5Erleben,
sondern ein dem Erleben fremdes Gegenüber, und wir KG100e2.6erleben
kraft
seiner Fremdheit und kraft ihrer allein die Wirklichkeit des KG100e2.7Erlebten,
die Wirklichkeit der Farbe, des Klanges, der Wärme. — Man muß
sich aber sogleich darüber Rechenschaft geben, daß Wirklichkeit
nicht dasselbe sein könne mit Gegenständlichkeit und daß
die Ermittlung der Gegenständlichkeit eines Wirklichen oder kürzer
der „Existenz" nicht aus dem Wirklichkeitserlebnis allein zu verstehen
sei."
Seite 100 nennt wichtige Sinnes-Dimensionen des Erlebens, die nicht auf sich selbst angewendet werden können, aber die innere Wahrnehmung, sie wird in dem 1500 Seiten Werk nur zwei mal erwähnt, führt sie dem Erleben zu. Klages lehnt den Begriff innere Wahrnehmung ab und bewertet sie S. 216 als psychologische Irrung oder, S. 1426 als falschen Glauben. |
Sprung zur Seite 215 zum Dritten Buch Bewußtsein und Erlebnis,
weil der Titel nahelegte, dass der Begriff Erlebnis näher bestimmt
wird.
Auf den ersten 5 Seiten dieses Kapitels gibt es 12 Erwähnungen, aber auch hier werden die Begriff nicht geklärt. Das mit dem Bewußtsein hat Klages so wenig wie die innere Wahrnehmung verstanden. Bewußtsein heißt der Ort, wo das Erleben durch innere Wahrnehmung der Dimensionen des Erlebens stattfindet. |
219.1-2: "Die Abhängigkeit des Begriffs vom allgemeinen Sprachgebrauch wäre bei gleichläufiger Einsicht in dessen Bedeutung natürlich nur zu begrüßen. Hat sich aber des Wortes der Hang zur Vergeistigung bemächtigt, so dient es wie kein zweites zur Verschleierung folgender Fälschung: um mit Bewußtsein bezogen zu sein auf Empfundenes, Wahrgenommenes, Vorgestelltes, Geträumtes, Phantasiertes, muß ich empfunden, wahrgenommen, vorgestellt, geträumt, phantasiert haben; folglich — besteht das Bewußtsein aus solchen Vorgängen wie des Empfindens, Wahrnehmens, Vorstellens, Träumens, Phantasierens. Wenn der Eleat die Wirklichkeit mit dem Sein vertauschte, so fällt der Bewußtseinstheoretiker der noch weit schlimmeren Verwechslung des KG219e2.1Erlebens mit dem Wissen um das KG219e2.2Erleben anheim, dergestalt daß er unablässig von KG219E2.1Erlebnissen redet, während er nie etwas andres im Auge hat als das — Bewußtsein davon! Grundsätzlich genommen, ist alle im Schulsinne so genannte „Psychologie" eine sich selbst verleugnende Erkenntnislehre, wie umgekehrt die sogenannte Erkenntnislehre ebensogut „Psychologie" hätte heißen dürfen. Es entbehrt nicht ganz des Beigeschmacks der Komik, wenn der Streit nicht zur Ruhe kommt, wo eigentlich die Grenze zwischen beiden liege. Selbst der Verstand eines Gottes wäre nämlich umsonst bemüht, den Zuständigkeitsunterschied zweier Disziplinen zu ermitteln, die bei höchstens ein wenig verschiedener Neigungsrichtung ihrer Vertreter genau denselben Gegenstand pflegen."
222.1-9: "Allein das ratlose Verwundern über die scheinbare Leerheit
des Beginnens verwandelt sich in ein wissendes Verwundern über die
Klugheit eines lebensarm gewordenen — Unbewußten, sobald wir am Leitfaden
des Gedankens forschen, welchen Zweck es erfüllen hilft Setzen wir
an die Stelle des Unbewußten den Lebensgrund, so hat uns die Lehre
zwar nicht das geringste von dessen Beschaffenheit kundgetan, dafür
aber zu ihm den Weg recht geflissentlich abgesperrt durch völlige
Logisierung des KG222e2.1Erlebens.
Wer sich an sie gefangengibt, findet nie mehr den Weg zum — Unbewußten,
weil ihm statt seiner aufbetrogen ist ein unbewußtes — Bewußtsein!
Am Unbewußten enthüllt sich erst die Nihilistik des Bewußtseinsbegriffes.
Wenn dieser KG222E2.1Erlebnisse
den Verstand haben läßt, so läßt sein Gegenbegriff
einen haarspalterischen Verstand besitzen das — KG222e2.2Erleben!
Zur Entmächtigung des KG222e2.3Erlebens
durch Hineinnahme seiner in den denkenden Geist die erst vollendende Ergänzung
bildet die Hinausverlegung des Geistes in die Lebendigkeit! Wer noch hätte
zaudern wollen, wenn man ihm statt des KG222e2.4Erlebens
das Wissen um das KG222e2.5Erleben
anbot, muß sich für überwunden geben, nachdem man ihm weitläufig
dargetan, daß der gesamte Lebensgrund durchsetzt und durchsäuert
werde von einem, ob auch „unbewußten", Rechenverstand! — Nach dieser
Schärfung unsres Blickes an der Lehre vom Unbewußten lenken
wir zur Lehre vom Bewußtsein zurück.
Obschon die Bewußtseinstat, durch die wir
vom KG222e2.6Erlebten wie vom KG222e2.7Erleben
Kenntnis nehmen, das KG222e2.8Erleben selber
in sich zu schließen ermächtigt wurde, so läßt es
sich am Ende doch nicht vermeiden, sie und dieses irgendwie auseinanderzuhalten
und dergestalt das Bewußtsein abermals aufzuteilen in den Hellraum
des wissenden und den Dunkelraum des nur erst KG222e2.9erlebenden
Bewußtseins. "
224.1: "Des Pudels Kern hat sich herausgeschält: die so bereitwillig
zugestandene Außenwelt ist zum Inhalt einer losgelösten Vernunft,
das fort und fort herbeigerufene KG224e2.1Erleben
zu einer Art von Wiederhall ihrer Befehle, die Wirklichkeit insgesamt zum
Begriffsgespinst des reinen Subjekts geworden! Es hätte aber keineswegs
des schwierig gewundenen Weges bedurft, an dem wir nur die Knickpunkte
und Haltestellen sichtbar machten, um ein Ziel zu erreichen, das in Wahrheit
an dessen — Anfang liegt. Wer überhaupt nur ernstlich von KG222E2.1Erlebnissen
des Bewußtseins spricht, der hat schon ein für allemal die KG222E2.2Erlebnisse
in Gedanken, die Erscheinungen in Gegenstände, die gesamte Wirklichkeit
in ein Machwerk der „Apperzeption" verwandelt!28 ) Und er hob damit, freilich
sehr wider sein Vermuten, das Bewußtsein selber auf, weil er ihm
die Vorbedingung alles Findens und Erfassens, das Außereinander,
nahm!"
...
...
Die Untertitelung "Vom Kern des Erlebbaren" lässt hoffen, dass Klages hier nun klärt, was er unter Erleben und Erlebnis versteht. Aber auch hier im ganzen Abschnitt keine Klärung der Begriffe |
1252: "Vom Kern des KG1252e2.1Erlebbaren.
— Nachdem wir am Anfang des Werkes ausgesprochen, es sei das KG1252E2.1Erlebnis
und ein Entschluß vonnöten, um zu den Grundbegriffen durchzudringen,
welche allererst Seelenforschung ermöglichen, sind wir jetzt in der
Lage, bestimmter anzugeben, was dieses Rätsel-[>1253] wort besagen
wollte. Beim Namen „<<<<< \g KG1252E2.2Erlebnis"
hatten wir nicht ein besonderes KG1252E3.1Erlebnis,
sondern das KG1252e2.2Erleben selber
im Auge, sofern sein Stattfinden auf dem Vorgang des Schauens beruht. Wenn
dieses, wie dargetan wurde, in jedem KG1252E2.3Erlebnis
und selbst noch in der kahlsten „Erfahrung" mitschwingt, so ist der Kerngehalt
der zu erlebenden Wirklichkeit das im Zeitstrom fließend sich wandelnde
Bild. Der „Eindruck" freilich enthält überdies noch empfundene
Körperlichkeit, aber als abhängig, wie wir gesehen haben, von
den schaubaren Bildern, die er verkörpert Allein das noch so gründlich
Bewiesene wird dennoch nur den überzeugen, der wenigstens ein Mal
im Leben wesenhaft tiefer KG1252E2.4Erlebnisse
teilhaft wurde, kraft deren die Schauung sich alles bloß Zuempfindende
einschmolz; und es wird ihn nur dann überzeugen, wenn er, dem Wegweiser
folgend, den wir aufgestellt haben, entschlossen ist, im tief ihn Ergreifenden
das wirkende Bild zu suchen. Denn zwischen der Besinnung und dem KG1252E2.5Erlebnis
eines jeden von uns steht die Schranke des Tatsachenglaubens, den Leistung
um Leistung härter hämmert, dergestalt daß auch der Kundigste
eines fühlbaren Kraftaufwandes bedarf, um mit dem Blick, der das Empfangene
sucht, nicht vorzeitig abzugleiten auf das geistig Getane. Dank einem Vorurteil,
mit dem bis in die Höhenschichten des „reinen Verstandes" die Selbstbehauptung
hinaufreicht, vertauschen wir sensorische Lebensvorgänge mit Wahrnehmungstaten
und das Verhängnis des Schauens mit den Zufällen des Erblickens.
Wäre dem anders, so würde allein schon durch den Hinweis auf
das Erleiden in jedem KG1252e2.3Erleben
die Wirklichkeit der Bilder zwingender wachgerufen, als es jetzt durch
Erwägungen über den Sachverhalt des Träumens geschieht,
dessen Teilhabe am Zustande begreifender Wachheit für eine völlig
„entzauberte" Bildungsmenschheit bestenfalls ein theoretisch zu bejahender,
aber herzblutarmer Gedanke bleibt So indes, als begabt mit einem Denkvermögen,
das gleichsam sich selber umschlossen und abgetrennt hat, sollen wir vom
Wahrnehmungsakte erst den packenden Griff ablösen und insbesondere
das KG1252E2.6Augenerlebnis
nur in soweit zu Rate ziehen, als es wie kein andres KG1252E2.7Sinneserlebnis
die Wirklichkeit des Anschauungsraumes bezeugt, um endlich als schattenhaften
Rest zu behalten, was niemals unmittelbar begriffen wird, weil es der Inbegriff
eines schlechthin nur Ergreifenden ist — Darum wird mit Erfolg nur der
diese willenswidrige Tat vollbringen, dem die Vergegenwärtigung des
tief Ergreifenden offensteht Hat er mit ihrer Hilfe aber erkannt, daß
es Bilder und nichts als Bilder waren, wovon er je im Leben „erschüttert",
„gepackt", „überwältigt" wurde, so bringt ihn der folgende [>1254]
Schritt der größeren Einsicht nahe, daß alles die Seele
Ergreifende (eingerechnet, was davon im unbeachteten Anstoß zum herzunabhängigsten
Gegenstoß des nüchternsten Urteils läge) Bilder und nichts
als Bilder sind.
...
1254: "Nicht grade gleichgültig, doch aber nebensächlich
ist es, welche Art des KG1254e2.1Erlebens
dabei seiner Besinnung zum Führer dient Ob man als „Naturschwärmer"
an die rätselhafte „Stimmung" einsamster Landschaften denkt oder als
Mensch des Tages an eine Lebensgefahr, eine Feuersbrunst, einen Schiffsuntergang
oder als Kunstfreund an den entscheidenden Schauer, wo-mit das Lieblingswerk
aus den Fugen brachte, oder als Lebensbetrachter an erloschene Leidenschaften,
Stunden hoffnungsloser Verlassenheit, früheste Spielgefühle des
Kindesalters oder als „Mystiker" an dm verwirrendsten Traum, sei es voll
peitschender Ängste, sei es voll schmelzender Seligkeiten oder als
Forscher an das brennendste Suchen und das befreiendste Finden oder als
Mann der Tat an das verwegenste Planen und die Verzweiflung im Augenblick
des jähesten Scheiterns: was jede dieser „Erfahrungen" allein zum
„Erlebnis", weil zum Erleidnis der Seele, machte, war die Gewalt eines
Bildes, und es entsprach nicht zwar die Heftigkeit, wohl aber die Tiefe
des Gefühls aufs genaueste dem Grade, in welchem das Bild entweder
aufzulösen oder zu brechen vermochte die Seelenschranke mit Namen
persönliches Ich, Ging solche Ichentschränkung bis zu völliger
Ichvernichtung, so hat ihr Träger erlebt, was die Alten Ekstasis nannten
und worin sie mit Recht die unmittelbare Vorbedingung der Vollendung (Teletae)
erblickten, genauer das jenseits nicht nur von „Lust" und „Unlust", sondern
sogar von Grauen und Seligkeit gelegene Ende, im Verhältnis zu dem
die Gefühle immer bloß „auf dem Wege" sind. Und so gewiß
nun, was jedermann zugeben wird, die noch so sachliche Beschreibung das
unterscheidend Besondere des Tiefengehalts der Gefühle dem Vernehmenden
nicht nach dem Maße seiner Auffassungskraft, sondern allein seiner
Seelenverwandtschaft vermittelt, so gewiß geht nicht in die Form
des bloßen Aussagens ein das Was des Gefühlten, das ergreifende
Bild.
Die Wirklichkeit der Dichtung. — Nichtsdestoweniger
gab es seit je eine Gruppe von Menschen und gibt es deren wenigstens Reste
selbst heute noch, die lebenslänglich nach nichts anderm trachten,
als mit Hilfe eines Sprachgebrauchs, der dem Sprachgebrauch der Urzeit
mindestens ähnelt, den seelischen Gehalt des KG1254e2.2Erlebten
nicht sowohl mitzuteilen als vielmehr darzu-[>1255] stellen: man nennt
sie die Dichter."
1257: "<<<<<<< \g Dichtertum und Vorzeit. — Die gegenständliche See befindet sich stets am selbigen Ort eines selbigen Alls. Die See der Lenauschen „Sturmesmythe" erzeugt sich jedesmal neu in der Seele des den Mythos KG1257e2.1Erlebenden und mit ihr nun aber zugleich ein ganzes irdisches und himmlisches All, das ihr zugehört Sie ist beseelt, sonst „spräche" sie ja zur Seele nicht; und ihre Seele muß eine „dämonische" sein, wofern wir mit Recht diesen Namen wäh-len für eine Seele des Alls."
1258f: "Wir sind weit davon entfernt, die genannten drei Gruppen im ganzen einander gleichzusetzen. Der „gebildete" Dichter auch während der dichterischen Empfängnis erlebt nicht dasselbe mehr und nicht auf dieselbe Weise, was ein Opfer darbringender Patagonier erlebt, und jeder von beiden [>1259] andres und anders als der Indrapriester der ältesten Veden oder ein Inka der Peruaner. Das Pelasgertum der beiden zuletzt genannten, obwohl ebenfalls nicht ohne den Geist bestehend, läßt die Charaktere des pathischen Bewußtseins am reinsten erkennen; das des gebildeten Dichters als schon vergeistigt unterliegt am häufigsten der Gefahr des Zerfallens (worüber alsbald) ; das des Primitiven endlich bietet auf der ganzen Linie, wenn auch verschiedenen Grades, Verzerrungen dar, die unschwer zu kennzeichnen, schwer zu erklären sind. Da wir über die Ursachen nur Vermutungen vorzubringen hätten, beschränken wir uns auf kurze Angabe der wichtigsten Züge, in denen Abartungserscheinungen zu erblicken sind aus irreleitendem Zwang des Geistes, und müssen uns freilich zu dem Behuf jedesmal des Wortes „Übermaß" bedienen, indem die Erscheinungen schlechthin uns samt und sonders wiederbegegnen unter den Bewährungszeichen des Pelasgertums! Was dessen Antlitz im Bereich der Primitiven verzerrt, ist ein Übermaß der Gebundenheit jedes einzelnen an die Gruppe, der Gruppe und mittelst ihrer abermals jedes einzelnen an die als wirkend KG1258e2.1erlebten Mächte."
KA21: "Die Bewußtseinsfrage. — Hinsichtlich der Bewußtseinsfrage zeichnen sich unter den Lebensforschem drei Gruppen ab, die man im leider immer noch üblichen Wissenschaftsjargon mechanistische (1), vitalistische (2) und psychologische (3) Biologen zu nennen pflegt. Inzwischen geht es auch ohne das. ...Wir werden nicht zögern, dankbar hinzunehmen, was ihrer jede an brauchbaren Aufschlüssen bietet; aber wir sind nicht in der Lage, uns einer von ihnen anzuschließen. Denn sie verwechseln alle drei das Erleben mit dem Bewußtsein des Erlebten, bekunden aber damit ihre Unkenntnis sowohl der Natur des Erlebens als auch der Natur des Bewußtseins, weil eines nur im Verhältnis zum andern zutreffend aufgefaßt wird. Wer das Erleben mißversteht, der hat damit schon das Bewußtsein verkannt, und wer das Bewußtsein verkennt, der mißversteht auch das Erleben.
KA22: "Erlebnisse an und für
sich sind völlig bewußtlose Vorgänge von übrigens
zweierlei Art: die einen — animale genannt — können mit dem Bewußtsein
in Verbindung treten, die andern — vegetative genannt — können es
nicht, außer durch die Vermittlung jener; die animalen herrschen
vor während des Wachens, die vegetativen herrschen durchaus während
des Schlafens; soll die bloße Wachheit des Erlebens
schon Bewußtsein bedeuten, so eignet Bewußtsein Tieren und
Menschen gemeinsam, versteht man dagegen, wie wir es tun, unter Bewußtsein
die Fähigkeit zum begrifflichen Denken, so eignet es nur dem Menschen;
der Ermöglichungsgrund des Zusammenhängens aller Erlebnisse
einunddesselben Wesens, mögen sie im Wachen oder im Schlafen stattfinden,
gleichzeitig oder nacheinander, heißt die Seele, der Ermöglichungsgrund
ihres Bewußtwerdens heißt der Geist."
\ga
Zusatzliteratur:
Mensch und Erde:
https://wwg1wga-tv.de/view/ludwig-klages-mensch-und-erde-1913/vpILS?lang=ge
S. 147 (50): "Mit Leidenschaft
bemächtigte er sich der wissenschaftlichen Probleme; mit kritischer
Schärfe deckte er ihre Schwächen auf: Wir leben in einer Zeit
der Überschätzung des Empirismus und des Gedächtnisses.
Das bloße Wissen eines Tatbestandes gilt schon für etwas. Eine
solide Wissenschaft dagegen hat durchaus nur mit soviel Tatsachen zu operieren,
als eben unumgänglich zum Beleg ihrer Theorien notwendig sind. Alles
weitere ist nur unnützer Ballast und vom Übel! Anfangs' war diese
Richtung als Reaktion gegen die Ausschweifungen der Naturphilosophie am
Anfang dieses Jahrhunderts berechtigt und gut. Aber jetzt ist sie es längst
nicht mehr. Denn über der Mode gewordenen Verunglimpfung der spekulativen
Ideen hat man lange vergessen, was selbst die Schelling, Oken etc für
die Entwicklung der Wissenschaft gewesen sind. Es ist Zeit sich, daran
wieder zu erinnern uncf auf der Bahn einer stumpfsinnig verrannten Induktion
haltzumachen. — heißt es am 12.II.1896 in einem anderen Brief
an den gleichen Freund.
Er legte ihm dar, welche Ansprüche
er an die Wissenschaft stellte, und unterwarf sein eigenes Fach einer kritischen
Prüfung. Jede Wissenschaft hat sich klarzulegen, was sie wollen
muß, um an der Hand dieses höchsten Gesichtspunktes
zu erwägen, was sie wollen kann. Daß
wir heute chemische Vorgänge noch nicht durch Bewegungsgleichungen
ausdrücken können, ist selbstverständlich; aber ebenso gewiß
auch, daß — nun mindestens — 75% aller heute gemachten ,Entdeckungen'
für die dereinst zu gewinnenden Aufschlüsse völlig belanglos
sind. Ob wir da oder dort eine Chlor- oder Vitro- Gruppe einführen
können, ist ganz egal. Die alljährliche Darstellung von so und
soviel neuen Verbindungen hat nur in den allerwenigsten Fällen ein
wissenschaftliches Interesse. Es ist auch nicht wahr, daß diese unwichtigen
Findungen immer Zwischenstufen sind auf dem Weg zu den wirklich bedeutenden
Synthesen. Ich will doch den sehen, der das zu beweisen vermöchte!
Wir produzieren nach Maßgabe der überlieferten und bequem zu
handhabenden Methode eine Unmasse von Körpern, deren Existenz oder
Nicht-Existenz für die Wissenschaft auch nicht den geringsten Wert
hat. (Die ins Spiel kommenden technischen Interessen scheide ich selbstverständlich
als nicht zur Wissenschaft gehörig aus.) Dies beweist für alle
in der Richtung tätigen Forscher (und das sind
unsere ,großen' organischen Chemiker von heute!) daß ihnen
die Ziele ihrer Wissenschaft verloren sind. — Glaube doch ja nicht, daß
wenn Professor X nach Analogie bewährter Methoden eine neue Diaso-Verbindung
etc darzustellen unternimmt, sich dabei Kopfzerbrechen macht über
die Ergründung des Wesens der chemischen Reaktion! Beileibe nicht!
Es ist nichts weiter, als ein höchst bequemes Spielen mit Formeln
und ein sich Ergehen im Anwenden vielleicht schon tausendmal als richtig
erprobter Reak[>148]tionsregeln! — Wenn ich die Mittel
dazu besäße, so würde ich es als eine durchaus würdige
und verdienstliche Lebensaufgabe erachten, mir den Gesamtstoff des gegenwärtigen
chemischen Wissens bis zu dem Grade anzueignen, daß ich eine Darstellung
der Chemie am Leitfaden ihrer Erkenntniszwecke
unternehmen könnte. Da würde es sich zeigen, daß diese
Bibliotheken füllende Tatsachensumme
zu einem mäßig dicken Bändchen ,Wissenschaft' zusammenschrumpfen
würde. 3/4 mindestens unserer ganzen
gegenwärtigen organischen Chemie dürfte in diesem Büchlein
überhaupt nicht vorkommen. — Nur die
physikalisch-theoretische Chemie ist sich — soweit mein Blick hier zu reichen
vermag — heute noch der wirklich vorliegenden chemischen
Probleme bewußt. —
In der Wissenschaft kommt
es nicht auf Tatsachen, sondern auf die richtige Fragestellung
an. Die Geschichte der Wissenschaften beweist es. Sie zeigt auch, daß
die wahrhaft großen Entdecker ihre
grundlegenden Aufschlüsse mehr spekulativ (oft aus der Vergleichung
von nur zwei Tatsachen) gewonnen und daß
es immer die Art des Epigonentums war, sammeleifrig in den angewiesenen
Geleisen weiterzukarren. — Nimm einen Dalton,
einen Robert Mayer, einen Avogadro.
Das sind für unsere Gebiete die drei
größten Namen dieses Jahrhunderts, und sie belegen alle drei
auf das schlagendste meine Behauptung. NB. Alle drei
hatten mit ihren Zeitgenossen bis aufs Blut zu kämpfen.
Seit 1895 stand es
bei ihm fest, daß er niemals als Chemiker sein Brot verdienen
könne und deshalb nach einem anderen Erwerbszweig sich umtun müsse.
Seither betrieb er die Chemie nur noch mit Rücksicht auf das unumgängliche
Examen. Statt dessen wandte er sich dem psychologischen Fach zu, genauer
der Beschäftigung mit seelenkundlichen Fragen, und hörte philosophische
Vorlesungen. Obwohl er, um sein Studium zu einem planmäßigen
Abschluß zu bringen, weiterhin mehrere Jahre auf eine schwierige
chemische Experimentaluntersuchung verwendet und mit einer Dissertation
aus dem Gebiet der Chemie doktoriert hat, sagte er später von sich
selbst:
Richtiggehend studiert
hat er nur eines, nämlich Psychologie und zwar bei Theodor Lipps,
nachdem er dem damals hochberühmten Wundt in Leipzig nach wenigen
Kollegstunden davongelaufen war. Methodische Fingerzeige und eine strenge
Schulung im analytischen Denken war der Hauptgewinn, den er diesem Lehrer
verdankte.
Natürlich konnte das
nicht ohne Rückwirkung auf sein Fachstudium bleiben. Da ich heimlich
längst Psychologie und Philosophie studierte, .. glich mein chemisches
Tun einem Treten auf der Stelle. So reihte sich Semester an Semester, weit
über die vorgesehene Zahl hinaus, und es bedurfte bei meinen [>149]
Aufenthalten in Hannover teilweise tagelanger Erklärungen, um den
bedauernswerten Vater zur Bewilligung weiterer Mittel zu veranlassen.
Verlorene Semester waren es
nicht. Neben die Auseinandersetzung mit der Wissenschaft trat diejenige
mit der Kunst. Zeitweilig aber mußten Künste und Wissenschaften
ihm als Surrogat dienen für die versagte Liebeserfüllung."
Interpretation. Klages war eine sehr begabte faustische Natur mit zwei Seelen in seiner Brust und umfassenden Interessen und Wissen auf vielen Gebieten der Wissenschaft, Kultur und Kunst, besonders der Psychologie (Wundt ist er davongelaufen, aber Theodor Lipps hatte es ihm angetan). Der Titel seines Hauptwerks Der Geist als Widersacher der Seele spiegelt seinen persönlichen Konflikt gut wieder und kann auch als ein Konfliktlösungsversuch zwischen Leidenschaft und Vernunft, Gefühl und Verstand, Wissenschaft und Kunst, interpretiert werden, den er zu Gunsten von \g Leidenschaft, Gefühl und Leben \g entscheidet. Feinsinnig erkennt sein Biograph auch noch tiefere Gründe: "Zeitweilig aber mußten Künste und Wissenschaften ihm als Surrogat dienen für die versagte Liebeserfüllung." (S. 149) Ein Fressen für die Psychoanalyse. |
Definition Bewusstsein nach Klages: Bewußtsein heißt die Fähigkeit zum begrifflichen Denken. |
KA22: "Erlebnisse an und für sich sind völlig bewußtlose
Vorgänge von übrigens zweierlei Art: die einen — animale genannt
— können mit dem Bewußtsein in Verbindung treten, die andern
— vegetative genannt — können es nicht, außer durch die Vermittlung
jener; die animalen herrschen vor während des Wachens, die vegetativen
herrschen durchaus während des Schlafens; soll die bloße Wachheit
des Erlebens schon Bewußtsein bedeuten, so eignet Bewußtsein
Tieren und Menschen gemeinsam, versteht man dagegen,
wie wir es tun, unter Bewußtsein die Fähigkeit zum begrifflichen
Denken, so eignet es nur dem Menschen; der Ermöglichungsgrund
des Zusammenhängens aller Erlebnisse einunddesselben Wesens, mögen
sie im Wachen oder im Schlafen stattfinden, gleichzeitig oder nacheinander,
heißt die Seele, der Ermöglichungsgrund ihres Bewußtwerdens
heißt der Geist.
__
Klages geistiger Wegbereiter des
Nationalsozialismus
Nach Schneider (2001) kann es keinen Zweifel geben, dass Klages als
geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus anzusehen ist.
https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2001_2_3_schneider.pdf
Begriff-im-Sachregister
Begreifen s. Begriff.
Begriff (begreifendes Denken) und Bedeutungseinheit
Allein im Inhaltsverzeichnis 5 Fundstellen:
Begriff der Dauer 24-34
Das 3. Kapitel Der Begriff der Dauer beginnt mit einer Reihe falscher
Bestimmungen oder Behauptungen:
17. Kapitel. Überleitung zum Begriff des Schauens 156-159
156: "Wir verlassen den Kantischen KG156B1Raumbegriff
mit einem Hinweis auf den äußerst verwirrenden Sprachgebrauch,
der dadurch entsteht, daß unser Denker gemäß seiner Vertauschung
von Sein und Wirklichkeit grade Gegenstände „Erscheinungen" nennt16).
"
158: "Es gibt keine erlebten Farben, Klänge, Gerüche,
Temperaturen ohne raumzeitliche Charakteristik, keinen erlebten Raum, der
nicht verwirklicht wäre in Daten der Sinnlichkeit und mit ihnen dem
Fließen der Zeit unterstände, keine erlebte Zeit, außer
sofern sie erscheint im Wandel der Bilder. Steht es aber darnach fest,
daß wir hinwegsehen müssen: vom Raum, um die Zeit zu finden,
von der Zeit, um den Raum zu finden, von beiden, um die Daten der Sinnlichkeit
zu finden, kurz, von der sich durchdringenden Wirklichkeit ihrer aller,
um jedes für sich objektivieren zu können, so werden wir uns
nicht mehr ein-bilden, die Urerscheinung des zeitlichen Bilderstromes sei
vielmehr zu-sammengestückt aus der „Materie" sogenannter Empfindungsinhalte
und aus den „Anschauungsformen" des Raumes und der Zeit; womit denn [>159]
zugleich als vollends widersinnig die Meinung verworfen ist, es könne
irgendeine Art KG159B1begrifflicher Zusammensetzung
den zu findenden Gegenstand mit dem Charakter des Außeruns beschenken,
wofern ihn aufgrund eines entfremdenden Erlebens die nötigende Wirklichkeit
nicht schon besäße.
Wenn wir das Erleben, sofern es uns den Strom der
Bilder gibt, von jetzt ab ein „schauendes Erleben" nennen, so darf uns
die leider unvermeidliche Namensähnlichkeit mit dem „Anschauen", nicht
dazu verleiten, die grundsätzlichen .Unterschiede beider Vorgänge
aus den Augen zu lassen. Die von Kant so genannte Anschauung ist einfach
die Wahrnehmung, d. h. der auf ein entfremdendes Erleben gestützte
Akt, mit dessen Hilfe wir Dinge finden; wie aber wir selber das Wort „Anschauung"
zu verwenden gedenken, soll erst im nächsten Abschnitt erläutert
werden. Unter dem schauenden Erleben jedoch oder kürzer der Schauung
verstehen wir das innerliche Gegenstück der in unablässiger Wandlung
KG159B2begriffenen
Wirklichkeit der Bilder und somit einen selber zeitlichen und völlig
tatlosen Vorgang, der nicht bloß Leine Dinge zu finden vermag, sondern
überhaupt nicht die Fähigkeit des Findens besitzt."
Sprung zum 36 Kapitel "SYMBOLISCHES UND BEGRIFFLICHES DENKEN" 379-395
387: "Oben des Raumes nicht anschaulich gegenwärtig
ist in der Tonqualität, die im Purpur erschaute Wärme nicht anschaulich
gegenwärtig in der Farbenqualität usw., so vorbereitet die Akzentuierung
des Vergegenwärtigens im Hinblick auf jedes der beiden Paare sein
Auseinanderfallen, mit dessen tatsächlichem Stattfinden durch den
geistigen Akt zum wenigsten einhergehen könnte die Zuordnung von Tönen
zu Tönen, von Raumeigenschaften zu Raumeigenschaften, von Farben zu
Farben, von Wärmen zu Wärmen und solcherweise die Findung der
KG387B1Allgemeinbegriffe
des Tones, der steilrechten Ausdehnung, der Farbe, der Temperatur.
Die Unzeitlichkeit der dingeigenschaftlichen
KG387B2Allgemeinbegriffe
fordert aber das Bezogensein auf das seinerseits raumzeitbezogene Ding;
daher im Verhältnis zur ursprünglichen Schauung die Überbetonung
des Vergegenwärtigens nur die ergänzende Kehrseite zur Überbetonung
des Verleiblichens bildet, nicht jedoch mehr wie der Tiere im Dienste der
Körperfindung, sondern der Setzung örtlicher Befestigungspunkte
für die sonst im Erscheinungsall nicht länger heimatsfähigen
Universalien !"
388: "Wer aufzufassen vermag, was wir „warme Röte"
nennen, der hat ohne Zweifel beides, die Wärme wie auch die Röte.
Gingen nun die sinnbildlichen Bedeutungseinheiten tatsächlich den
sachlichen voraus, so wäre die Findung der Sachbegriffe
auf der ganzen Linie Folge einer Zerlegung und in garkeinem Fall einer
sog. Synthese. Ebendas ist die Anschauung, die wir vertreten - Diejenige
Röte, von der mit vorstehender Wortverbindung das Warmsein ausgesagt
wird, ist nicht die sachliche Röte, sondern eine Wesenserscheinung,
und diese Wesenserscheinung wird auseinandergeschlagen zwecks Auffindung
so der sachlichen Röte wie der sachlichen Wärme. Der solcherart
entspringende KG388B1Farbenbegriff
(wie KG388B2Temperaturbegriff)
wäre demgemäß zwar nichts Neues im Hinblick auf die Erscheinungsweise
der Gegenstände, wohl aber allerdings etwas durchaus Neues in Ansehung
der zwischen den Inhalten nunmehr unüberschreitbar verlaufenden Grenzen.
Als Bildseite verwirklicht sich die bestimmte Röte aus der Wirksamkeit
eines Wesens, das außerdem sich verwirklicht einmal in andrer Röte,
dann aber auch in der Wärme; als Dingseite ist sie vereinzelt und
könnte weder mit andern Farben desselben Dinges noch auch mit den
Röten andrer Dinge verglichen werden, wofern sie nicht als Zerfallserzeugnis
der sinnbildlich schon gesetzten Röte bereits im Entstehungszustande
den Charakter des KG388B3Allgemeinbegriffs
hätte. "
38. Kapitel. Die Ein-Bildung des Auffassungsaktes (Zum Problem der
Begriffsentstehung) 413-445
414: "Nach einem hübschen Versuche Wundts wird
von fünf farbig abgestuften Scheiben (weiß, hellgrau, grau,
dunkelgrau, schwarz) jede Abschattung nach einmaliger Vorweisung ohne weiteres
nicht nur wiedererkannt, sondern auch zutreffend identifiziert; von mehreren
— bis zu neun — dagegen erst nach Einführung unterscheidender Namen
für die neu hinzugekommenen Farbentöne. Wundt vermutet, es finde
die Identifizierungsleistung schon der ersten fünf eine verborgene
Hilfe an den gemeingebräuchlich dafür verfügbaren Schattierungsnamen.
Was liegt hier vor? Bedenken wir, daß den Namen unter anderem KG414B1Begriffe
entsprechen, so dürfen wir folgern, noch unbenannt werde die verlängerte
Reihe zwar Glied für Glied erfaßt, erst aber, wenn mit Eigenschaftsbezeichnungen
versehen, im Erfassen sofort auch KG414B2begrifflich
gegliedert. Identifizieren wir nun das KG414B3begrifflich
Bestimmte, nicht das KG414B4begrifflich
Unbestimmte, so geht daraus zwingend hervor, daß der
Eindruck vom Akte des Begreifens verwandelt wird."
415: "Um dem Mißverständnis vorzubeugen,
die Leistung des Aktes gleiche der Wirkung einer mechanischen Kraft, sagen
wir besser, es wandle den Eindruck die Einverseelung seines KG415B1Begriffenseins.
Nicht allerdings werden wir deshalb nach einer Veränderung in jenem
Erlebnisfragmente suchen, das der Sensualismus „Empfindung" nannte, wohl
aber werden wir sie im Bedeutungserlebnis zu finden hoffen, mit dem, wie
bewiesen wurde, jeder Sinnesvorgang zum Abschluß kommt Da wir jetzt
aber erfahren wollen, wodurch das KG415B2begriffliche
Bedeutungsgefühl sowohl von den Bedeutungsgefühlen
abweicht, die das tierische Wiedererkennen ermöglichen, als auch von
den symbolischen Bedeutungsgefühlen des ursprünglichen Menschen,
so haben wir in der Bedeutung der Namen die wesenmeinende Unterschicht
vorderhand gänzlich beiseite zu lassen, wenn auch ohne sie das KG415B3begriffliche
Denken freilich nicht hätte stattfinden können.
Wenn jemand aus Mangel an Farbenbezeichnungen beim
zweiten Vorweisen von sieben Abschattungen deren einige verwechselt, so
tut er das nicht etwa, weil er die Farbe nicht wiedererkannt hat, da er
denn recht wohl sich zu besinnen vermag, er habe sie soeben gesehen, sondern
sofern er ungeachtet seines Wiedererkennens die Einzelfarbe nicht verselbigen
konnte. Daraus geht zwingend hervor, daß die Verselbigungsleistung
Unterscheidung ist und nichts als dieses! Was mich zu dem Urteil befähigt,
die eine Scheibe sei hellgrau, die andre grau, ist das Festhalten einer
Linie, die grau von hellgrau trennt, und soweit mir dazu der Name verholfen
hat, muß es geschehen sein um seiner Fähigkeit willen zur Bezeichnung
der fraglichen Trennungslinie. Legen wir im Denken den Ton auf die Trennungslinie
zwischen Gegenstand und Gegenstand, so haben wir diejenige Seite des Denkvorganges
herausgelöst, die ausschließlich dem Geiste, ohne Einmischung
also von Lebensantrieben, entstammt und deren noch näher zu umschreibende
Vorherrschaft das KG415B4begriffliche
vom symbolischen Denken sondert Wir kamen zum gleichen Ergebnis durch Trennung
der hinweisenden von der KG415B3begreifenden
Funktion des KG415B5Begriffs
im 11. Kapitel, und wir fanden es bestätigt durch die Vorerwägungen
über die Entstehung von KG415B6Begriffen
aus Symbolen. Hier begegnen wir einem naheliegenden Einwand."
61 Der Einheitsbegriff 1001-1008
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site: www.sgipt.org. |
Copyright & Nutzungsrechte
Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen
Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht inhaltlich
verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle
benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten
oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen.
Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden.
Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um
Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht,
sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
korrigiert:18.02.2023 irs Rechtschreibprüfung und gelesen
18.02.23 irs Rechtschreibprüfung
und gelesen
00.00.00
»« ¶