Hermann von Helmholtz (1821-1894) über Aufmerksamkeit in seiner physiologischen Optik (1867)
Definitionregister Psychologie: Aufmerksamkeit
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Inhalt
Editorial.
Zusammenfassung.
Fundstellen
der Reihe nach.
Fundstellen
nach den Sachregisterhinweisen.
Checkliste definieren.
Literatur, Links, Glossar,
Anmerkungen und Endnoten, Querverweise,
Copyright
und Zitierung, Änderungen
Helmholtz (1867) Handbuch der physiologischen Optik. Leipzig: Voss. [Internetarchiv]
Zusammenfassung-Aufmerksamkeit-Helmholtz-1867:
Der Suchtext "aufmerksam" wird 197x, "Aufmerksamkeit" 143x gefunden.
Auf den ersten 10 Fundstellen "Aufmerksamkeit" S. 66-385 erklärt Helmholtz
nicht, was er unter Aufmerksamkeit versteht, auch nicht durch Querverweis,
Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis, so dass man davon ausgehen
kann, dass Helmholtz den Begriff der Aufmerksamkeit für allgemein
verständlich und nicht für weiter erklärungsbedürftig
hält. Im Sachregister gibt es zwei Einträge: Aufmerksamkeit,
Einfluss auf die Wahrnehmungen 431.
Mittel sie zu fesseln 772— 774.
Helmholtz Fundstellen
"Aufmerksamkeit" der Reihe nach
Fundstellen nach den Sachregisterhinweisen
431 nach Sachregistereintrag (auch ohne nähere Erklärung):
"Eine zweite allgemeine Eigenthümlichkeit unserer Sinneswahrnehmungen
ist die, dass wir auf unsere Sinnesempfindungen nur so weit leicht
und
genau aufmerksam werden, als wir
sie für die Erkenntniss äusserer
Objecte verwerthen können, dass wir dagegen von allen denjenigen
Theilen der Sinnesempfindungen zu abstrahiren gewöhnt sind,
welche keine Bedeutung für die äusseren Objecte haben, so
dass
meistentheils eine besondere Unterstützung und Einübung für
die Beobachtung
dieser letzteren, subjectiven Empfindungen nothwendig ist. Während
nichts
leichter erscheint, als sich seiner eigenen Sinnesempfindungen bewnsst
zu
werden, lehrt die Erfahrung, dass zur Entdeckung der subjectiven Empfindungen
oft genug entweder besonderes Talent nöthig ist, wie es Purkinje
im höchsten
Grade bewährt hat, oder Zufall, oder theoretische Speculation.
So sind zum
Beispiel die Erscheinungen des blinden Flecks von Mariotte auf theoretischen
Wege gefunden, ebenso von mir im Gebiete des Gehörs die Existenz
derjenigen
Combinationstöne, welche ich Summationstöne genannt habe.
In der überwiegenden
Zahl der Fälle ist es wohl der Zufall gewesen, welcher Beobachtern,
deren
Aufmerksamkeit auf subjective Erscheinungen
besonders gerichtet war, bald
diese bald jene zugeführt hat; nur da wo die subjectiven Erscheinungen
so [>432]
intensiv werden, dass sie die Wahrnehmung der Objecte stören,
fallen sie allen
Menschen auf. Sind die Erscheinungen erst einmal gefunden, so ist es
meist
leichter auch für andere Beobachter, die sich in die richtigen
Bedingungen der
Beobachtung setzen, und ihre Aufmerksamkeit
darauf richten, sie wahrzunehmen.
Aber in vielen Fällen, z. B. bei den Erscheinungen des blinden
Flecks, bei der
Scheidung der Obertöne und Combinationstöne von den Grundtönen
musikalischer
Klänge u. s. w. wird eine so angestrengte Anspannung der Aufmerksamkeit
verlangt,
selbst bei zweckmässig angewendeten äusseren Hülfsmitteln,
dass die Versuche
vielen Personen nicht gelingen wollen. Selbst die Nachbilder heller
Objecte werden
von den meisten Personen anfangs nur bei besonders günstigen
äusseren Umstän-
den wahrgenommen, erst nach öfterer Hebung lernt man auch die
schwächeren
Bilder dieser Art sehen. Eine gewöhnlich vorkommende hierher gehörige
Er-
fahrung ist die, dass Leute, welche an irgend welcher Augenkrankheit
leiden,
die ihnen das Sehen erschwert, plötzlich die fliegenden Mücken
bemerken,
welche sie schon während ihres ganzen Lebens im Glaskörper
gehabt haben,
und sich nun fest einbilden, diese Körperchen seien erst seit
der Erkrankung
ihres Auges aufgetreten, während in der That der Patient durch
die Erkrankung
auf seine Gesichtserscheinungen nur aufmerksamer geworden ist. Auch
kommen
wohl Fälle vor von allmäliger Erblindung eines Auges, womit
die Patienten eine
unbestimmte Zeit herumgegangen sind, ohne es zu bemerken, bis sie zufällig
einmal das gesunde Auge allein schliessen, und die Blindheit des anderen
be-
merken."
470.4: "... Der natürliche ungezwängte
Zustand unserer Aufmerksamkeit ist
herumzuschweifen zu immer neuen Dingen, und so wie das Interesse eines
Ob-
jectes erschöpft ist, so wie wir nichts Neues mehr daran wahrzunehmen
wissen,
so geht sie wider unseren Willen auf anderes über. ..."
771: "Aus den beschriebenen Erfahrungen geht hervor,
dass der Mensch die
Fähigkeit hat die Bilder jedes einzelnen Sehfeldes einzeln und
für sich wahrzunehmen,
ungestört von dem anderen Sehfelde, wenn es nur mittels eines
der
angegebenen Hilfsmittel gelingt, die Aufmerksamkeit
ganz auf die Objecte die-
ses einen Feldes zufesseln. Diese Thatsache ist wichtig, weil aus ihr
hervorgeht,
dass der Inhalt jedes einzelnen Sehfeldes, ohne durch organische
Einrichtungen mit dem des anderen verschmolzen zu sein,
zum Bewusstsein gelangt, und dass die Verschmelzung beider
Sehfelder in ein gemeinsames Bild, wo sie vorkommt, also ein
psychischer Act ist."
772-774 Sachregistereintrag (auch ohne nähere
Erklärung):
"... Bei monocularer Betrachtung des coinbinirten Liniensytems der
Fig. W haben wir nur einen sinnlichen Eindruck, den wir durch keine
Anstrengung
Aus dem Anhang Tafelwerk entnommen
und hier eingefügt
der Aufmerksamkeit verändern
können, wenn wir auch diese oder
jene Züge desselben vorzugsweise beachten. Verschmölzen die
beiden entsprechenden
Bilder der Fig. X wirklich zu einem einzigen und einfachen sinn-
lichen Eindrucke, so würde dieser durch Anstrengung der Aufmerksamkeit
allein
Aus dem Anhang Tafelwerk entnommen
und hier eingefügt
in keiner Weise in seine Bestandtheile zu zerlegen sein. Charakteristisch
ist es
auch, dass wenn man mittels einer unbelegten Glasplatte im monocularen
Gesichtsfelde
das Bild des hellen Himmels mit einem bedruckten Blatte zum Decken
bringt, man bei gewissen Beleuchtungsgraden die Buchstaben nicht lesen
kann,
während man sie sehr wohl lesen kann, wenn man binocular den sehr
viel
stärkeren Reflex einer belegten Spiegelplatte mit ihnen zur Deckung
bringt.
Der Wettstreit der Sehfelder, wie er sich bei binocularer Verschmelzung,
der obigen Bilder entwickelt, entspricht dem hin und herschwankenden
Zustande
der nicht angestrengten und nicht interessirten Aufmerksamkeit,
die von einem
Eindruck zum anderen zu wandern pflegt und so allmählich eine
Uebersicht
der vorliegenden Objecte gewinnt. Dass dieser Wechsel nicht auf einer
organischen
Einrichtung des Nervensystems beruht, wie Panum und E. Hering es
auffassen, wenigstens auf keiner anderen, als die unseren Seelenthätigkeiten
zu
Grunde liegt, scheint mir evident aus der Thatsache der Selbstbeobachtung
hervorzugehen,
dass wir durch die bekannten und oben genannten rein psychischen
Mittel, die Aufmerksamkeit zufesseln,
das Schwanken sogleich anhalten können,
ohne dass dabei irgend eine bemerkbare Aenderung der äusseren
Umstände,
der Richtung oder Bewegung der Augen und so weiter, stattfindet. Panum
hat
darin Recht, dass es nicht genügt die Aufmerksamkeit
auf das verschwindende
oder verschwundene Bild richten zu wollen, wobei er die Aufmerksamkeit
für
eine dem bewussten Willen des Beobachters absolut unterthänige
Thätigkeit er-
klärt. Das letztere ist nun doch nur in gewisser Beschränkung
richtig. Wir
bewegen unsere Augen auch willkührlich, aber ein Ungeübter
kann die Absicht,
sie convergiren zu lassen, nicht so unmittelbar ausführen. Wohl
aber kann er
in jedem Moment die Absicht ausführen ein nahes Object anzublicken,
wobei
die Augen convergiren. Ebenso wenig können wir die Absicht unsere
Aufmerksamkeit
an einem bestimmten Objecte festzuhalten, wenn wir uns diese
Absicht in dieser Form innerlich aussprechen, erreichen, sobald das
Interesse
an dem Objecte erschöpft ist; aber wir können uns neue Fragen
in Bezug auf
das Object stellen, so dass ein neues Interesse daran entsteht, und
dann wird
die Aufmerksamkeit gefesselt bleiben.
Das Verhältniss ist also, wie bei dem
obengenannten Beispiele; es ist keine unmittelbare, sondern eine mittelbare
Willkühr.
Wir können durch unsern Willen Acte ausführen, bei denen
das Auge oder die
Aufmerksamkeit die Richtung erhält,
die wir wünschen, obgleich wir nicht
durch einen direct darauf gerichteten Willensact ohne Zwischenglieder
die
Richtung des Auges oder der Aufmerksamkeit
bestimmen können" Dagegen
trifft allerdings, wie ich wiederum gegen Panum behaupten muss, die
andere
charakteristische Eigenschaft der Aufmerksamkeit
auch für den Wettstreit der [>773]
Sehfelder zu, dass sie durch geeignete Methoden an die allerschwächsten
Sin-
neseindrücke gefesselt werden kann, während die allerstärksten
im anderen
Sehfelde sie abzulenken streben. Natürlich ist dabei desto grössere
Anstrengung
nöthig, je ungünstiger das Verhältniss der Stärke
für die beachteten Eindrücke ist.
Da wir nun übrigens, wie die oben beschriebenen Versuche mit momentaner
Beleuchtung deutlich zeigen, im Stande sind gleichzeitig eine gewisse
Anzahl von Gegenständen zu beachten und dadurch einen gewissen
Theil des
Sehfeldes auszufüllen, so wird auch hierbei im Allgemeinen zu
erwarten sein,
dass sich zunächst das Gesichtsfeld füllt mit denjenigen
Objecten, die den stär-
keren Eindruck machen, oder dass bei gleich starken Reizen in beiden
Sehfel-
dern ein Schwanken eintritt, oder ein Suchen nach einem zusammenhängenden
und verständlichen Eindrucke, wobei denn nicht notwendig immer
im ganzen
Gesichtsfelde nur der Eindruck des einen Auges vorzuherrschen braucht.
Cha-
rakteristisch für dieses Suchen nach einem verständlichen
Eindrucke ist auch
das fortdauernde Schwanken der Blicklinien. Es ist kaum möglich,
die beiden
Bilder in gleicher Lage dauernd in Deckung zu halten.
Etwas Anderes ist es, wenn sich die beiden verschiedenen Bilder
als sinn-
liches Zeichen eines äusseren Objects betrachten lassen, dann
wendet sich die
Aufmerksamkeit sogleich der Wahrnehmung von diesem zu, ohne der Verschiedenheit
der beiden Netzhautbilder zugelenkt zu werden.
Was nun den merkwürdigen Einfluss der Contoure in dem Wettstreit
der
Sehfelder betrifft, so bin ich ebenfalls der Meinung, dass derselbe
im Wesentlichen
auf psychischer Gewöhnung beruht. Erwägen wir nämlich,
in welcher
Weise unser Auge das Gesichtsfeld zu durchmustern hat, um eine vollständige
Kenntniss desselben zu erhalten, so ist klar, dass es ganz unnütze
Mühe sein
würde, dasselbe nach einander auf alle einzelnen Punkte einer
ausgedehnten
gleichmässig beleuchteten Fläche richten zu wollen; wir würden
dadurch nichts
weiter erkennen. Es genügt vielmehr den Blick über die Grenze
der Fläche
hinzuführen und auf alle diejenigen einzelnen Punkte zu richten,
die sich von
der Fläche abheben. Sobald dies geschehen ist, haben wir eine
so genaue
Kenntniss von der Fläche, als das Auge uns geben kann. Es sind
deshalb nament-
lich die im indirecten Sehen sichtbaren Contoure, denen wir bei der
Durchmusterung
des Gesichtsfeldes erst unsere Aufmerksamkeit und
dann unsern
Blick zuzuwenden haben. Es ist bekannt, wie schwer es ist, einen kleinen
Gegenstand der im indirecten Sehen nicht bemerkt wird, auf einer ausgedehnten
hellen Fläche aufzufinden; bezeichnend nennt zum Beispiele Goethe
die
Lerche „im blauen Raumverloren". Andererseits zieht ein etwas grösserer
und auch für das indirecte Sehen hinreichend scharf gezeichneter
Gegenstand
unmittelbar unseren Blick auf sich, und wenn man sich selbst bei der
Betrachtung
eines noch unbekannten Objects beachtet, wird man leicht bemerken,
wie
man mit dem Blicke den Contouren folgt. Gewöhnung und Uebung müssen
also
nothwendig dahin wirken, unsere Aufmerksamkeit
den Contouren zuzuwenden.
Auch bei den Contrasterscheinungen habe ich darauf aufmerksam gemacht,
wie
die Contoure namentlich in das Gewicht fallen. [>774]"
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