Aufmerksamkeit bei Eisler
Definitionregister Psychologie:
Aufmerksamkeit
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Inhalt
Editorial.
Erster Teil
Augustinus, Descartes bis Kant.
Zweiter Teil Hobbes,
Condillac bis Ribot.
Apperzeption.
Checkliste definieren.
Literatur, Links, Glossar,
Anmerkungen und Endnoten, Querverweise,
Copyright
und Zitierung, Änderungen
Aufmerksamkeit
- Augustinus, Descartes, Kant
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Die Aufmerksamkeit gilt zunächst als eine besondere
Bewußtseinstätigkeit, deren die Klarwerdung, Erfassung eines
Inhalts bedarf, oft geradezu als Willenstätigkeit. So schon bei AUGUSTINUS
(s. Apperzeption), nachdem schon im Altertum besonders STRATO die bemerkende
Funktion der Aufmerksamkeit hervorgehoben hatte (Plut., De soll. an. 3,
6). THOMAS unterscheidet »attentio actualis« und »attentio
secundum virtutem« (4. sent. 15, 4, 2, 4c) und betont: »ad
actum cuiuslibet cognoscitivae potentiae requiritur intentio« (Verit.
13, 3c); die intentio ist »actus voluntatis« (Verit. 22, 19
c). DESCARTES erklärt die Aufmerksamkeit durch den Einfluß des
Willens auf das Seelenorgan. »Cum quis suam attentionem sistere vult
in consideratione unius obiecti per aliquod tempus, haec voluntas per illud
tempus retinet glandem inclinatam in eandem partem« (Pass. an. I,
43, p. 20). MALEBRANCHE: »Je sens que la lumière se repand
dans mon esprit à proportion que je le désire et que je fais
un certain effort que j'appelle attention« (Méd. chrét.
I, 2). LOCKE betont, daß die Vorstellungen der inneren Erfahrung
erst klar und deutlich werden, wenn der Verstand sich nach innen auf sie
wendet, auf sie achtet (Ess. II, ch. 1, § 8). LEIBNIZ schreibt der
Aufmerksamkeit eine bewußtmachende Wirksamkeit zu, durch sie werden
die Perzeptionen zu Apperzeptionen (s. d.) (Nouv. Ess. Préf. u.
II, ch. 9); ein Streben der Seele, von einer Perzeption zur andern überzugehen,
liegt ihr zugrunde (»Percepturitio«, s. d. bei CHR. WOLF).
Nach CHR. WOLF ist die Aufmerksamkeit »facultas efficiendi, ut in
perceptione composita partialis una maiorem claritatem ceteris habeat«
(Psych. emp. § 237). »Wir finden in der Seele ein Vermögen
sowohl bei ihren Empfindungen als Einbildungen und allen übrigen Gedanken...,
sich auf eines unter ihnen dergestalt zu richten, daß wir uns dessen
mehr als des übrigen bewußt werden, das ist, zu machen, daß
ein Gedanke mehr Klarheit bekommet, als die übrigen haben: welches
wir die Aufmerksamkeit zu nennen pflegen« (Vern. Ged. I, § 268).
BONNET faßt die Aufmerksamkeit als Reaktion der Seele auf die Wahrnehmungseindrücke
in ihr auf. »L'âme peut par elle-même rendre très
vire une impression très faible. En réagissant sur les fibres
représentatives d'un certain objet, elle peut rendre plus fort ou
plus durable le mouvement imprimé à ces fibres par l'objet,
et cette faculté se nomme l'attention« (Ess. de Psych. C.
7). Im 18. Jahrhundert überhaupt wird unterschieden: äußerliche
- innerliche, natürliche, unvorsätzliche - willkürliche,
vorsätzliche Aufmerksamkeit. So unterscheidet PLATNER active und passive
Aufmerksamkeit und definiert die Aufmerksamkeit als »diejenige Tätigkeit
der Seele, durch welche sie den innern Eindruck wahrnimmt« (Phil.
Aph. I, 157). REID erblickt in der Aufmerksamkeit eine Willenshandlung
(Inqu. 2, sct. 10). TH. BROWN erklärt: »Attention to objekts
of sense appears to be nothing more than the coexistence of desire with
the perception of the objekt« (Phil. of the Hum. Mind, Lect. 31).
Nach KANT ist das Aufmerken ein »Bestreben, sich seiner Vorstellungen
bewußt zu werden« (Anthr. I, § 3). Nach CHR. E. SCHMID
ist die Aufmerksamkeit »der Zustand, wo die Vorstellungskraft in
Bezug auf den Stoff vorhandener Vorstellungen tätig ist« (Emp.
Psych. S. 227). - M. DE BIRAN bestimmt die Aufmerksamkeit als Willenshandlung.
»J'appelle attention ce degré de l'effort supérieur
à celui qui constitue l'état de veille des divers sens externes
et les rend simplement aptes à percevoir ou à représenter
confusément les objekts qui viennent les frapper. Le degré
supérieur dont il s'agit est déterminé par une volonté
positive et expresse qui s'applique à rendre plus distincte une
perception d'abord confuse, en l'isolant, pour ainsi dire, de toutes les
impressions collatérales qui tendent à l'obscurir«
(Oeuvr. inéd. II, p. 86, 88). RENOUVIER: » L'attention est
une volonté de s'arrêter à la considération
d'un objet et de ses rapports au lieu de suivre le cours naturel des associations«
(Nouv. Monadol. p. 97).
Nach FRIES bedeutet Aufmerken »willkürliche
innere Wahrnehmung unserer Tätigkeiten«. Aufmerksamkeit ist
die »Assoziation unserer Willensbestimmung mit gewissen Vorstellungen,
wodurch eben die Vorstellungen, für die ich mich interessiere, die
ich haben will, lebhafter werden und leichter wahrgenommen werden«
(Syst. d. Log. S. 66). SCHOPENHAUER sieht im Willen das, was »die
Aufmerksamkeit zusammenhält« (W. a. W. u. V. Bd. II, C. 30).
K. ROSENKRANZ: »Das Aufmerken ist derjenige Akt der Intelligenz,
wodurch sie sich die Richtung auf sich selbst in ihrem Gefühl gibt«
(Psychol.3, S. 332). JACOB: »Wir bemerken ein Bestreben in uns, sobald
Wahrnehmungen da sind, uns diese klar vorzustellen. Dieses Bestreben nennt
man Aufmerksamkeit« (Gr. d. Erfahrungsseel. S. 206). Als Tätigkeit
bestimmen die Aufmerksamkeit BENEKE (Lehrb. d. Psychol.) und LOTZE (Med.
Psychol.), auch BOLZANO (Wiss. III, 86). Nach FECHNER ist die Aufmerksamkeit
eine psychische Tätigkeit, die sich auf psychische Phänomene
jeder Art beziehen kann, und die durch ein Gefühl der Selbsttätigkeit
charakterisiert werden kann (Phil. Stud. IV, S. 207). Fechner gibt eine
genaue Schilderung der im Gefolge der Aufmerksamkeit auftretenden Bewußtseinsvorgänge
(Psychophys. II, 475 ff.). Die Aufmerksamkeit ist dieselbe Tätigkeit,
welche im Willen wirksam ist (l.c. II2, 450). Als Willenstatsache faßt
die Aufmerksamkeit HÖFFDING auf (Psychol. S. 160, 431). Nach TÖNNIES
ist die Aufmerksamkeit »wesentlich bedingt durch die vorhandenen
Antriebe und deren Erregungszustand« (Gem. u. Gesell. S. 140). KREIBIG:
»Die Aufmerksamkeit ist ein Wollen, das darauf gerichtet ist, einen
äußeren Eindruck oder eine reproduzierte Vorstellung, beziehungsweise
bestimmte Einzelheiten darin klar und deutlich bewußt zu machen«
(Die Aufm. als Willensersch. S. 2, vgl. S. 68, 76 ff. 83 ff.). Hier ist
auch UEBERHORST (Wes. d. Aufm.: Arch. f. syst. Philos. IV) zu erwähnen.
R. WAHLE bestimmt die Aufmerksamkeit als » Erreichenwollen eines
Wissens« (D. Ganze d. Philos. S. 372 ff.) PREYER: »Jeder Willensakt
erfordert Aufmerksamkeit, und jede Konzentration der Aufmerksamkeit ist
ein Willensakt« (Seele d. Kind. S. 223). HODGSON bemerkt: »Attention,
when guided by a propose, is an exercise of volition« (Phil. of Reflect.
I, 291; so auch MANSEL, Letters... p. 48). Als aktives Bewußtsein
faßt die Aufmerksamkeit auf STOUT (Anal. Psychol. II, C. 283), auch
J. WARD. JAMES erklärt, Aufmerksamkeit sei »the taking possession
by the mind, in clear and vivid form, of one out of what seem several simultaneously
possible objekts or trains of thought. Focalization, concentration of consciousness
are of its essence« (Princ. of Psychol. I, 404; 434, 441, 446). Eine
spezifische Aktivität ist die Aufmerksamkeit nicht (vgl. l.c. C. 11,
14). So auch BRADLEY (Mind XI, 1886, p. 322). Als aktive, auswählende,
bewußtseinssteigernde Tätigkeit faßt die Aufmerksamkeit
SULLY auf (Hum. Mind C. 6, Handb. d. Psychol. S. 101 ff.; vgl. BALDWIN,
Handb. of Psych. I). Nach E. v. HARTMANN ist sie mit dem Wollen verwandt,
physiologisch »ein zentrifugaler Innervationsstrom, der die Erregbarkeit
der getroffenen Endorgane erhöht oder herabsetzt« (Mod. Psych.
S. 201). Sie deckt sich mit der Apperzeption (s. d.). - WUNDT bestimmt
die Aufmerksamkeit als »die Gesamtheit der mit der Apperzeption von
Vorstellungen verbundenen subjektiven Vorgänge« (Vorles.2, S.
267), als »den durch eigentümliche Gefühle charakterisierten
Zustand, der die klarere Auffassung eines psychischen Inhalts begleitet«
(Gr. d. Psych.5, S. 249). Es eignen sich besonders zusammengesetzte räumliche
Vorstellungen dazu, um ein Maß für den Umfang der Aufmerksamkeit
zu gewinnen (l.c. S. 251). Diese Versuche ergeben je nach den besonderen
Bedingungen einen Spielraum zwischen 6 und 12 Eindrücken (l.c. S.
252). Die »sukzessive Bewegung der Aufmerksamkeit über eine
Vielheit psychischer Inhalte« scheint ein »periodischer Vorgang
zu sein, der aus einer Mehrzahl aufeinander folgender Apperzeptionsacte
besteht« (l.c. S. 254). Die Aufmerksamkeitsvorgänge sind »innere
Willensprocesse«, Trieb und Willküracte (l.c. S. 261 f.). Der
Tätigkeitscharakter der Aufmerksamkeit liegt nicht in einem besonderen
Vermögen, sondern in dem Bewußtseinszusammenhange, der sie konstituiert
(Grdz. d. phys. Psych. II4, 266 f.; Phil. Stud. II, 33; Log. II2, 2, 265
f.). Die Aufmerksamkeit wird teils durch äußere Reize, teils
durch innere Einflüsse gelenkt. Ihre Adaptation an den Reiz bekundet
sich in Spannungsempfindungen (Grdz. d. phys. Psych. II4, 269 ff., Phil.
Stud. II, 34). Der Gesamtprozess der Aufmerksamkeit und Apperzeption (s.
d.) besteht in: 1) einer Klarheitszunahme, verbunden mit Tätigkeitsgefühl,
2) einer Hemmumg anderer disponibler Eindrücke, 3) in Spannungsempfindungen
mit verstärkenden sinnlichen Gefühlen, 4) einer verstärkenden
Wirkung der Spannungsempfindungen auf die Vorstellungsinhalte durch »assoziative
Miterregung«. Die unter der Mitwirkung der Aufmerksamkeit zustande
kommenden Vorstellungsverbindungen heißen Apperzeptionsverbindungen
(s. d.). Die Leistungen der Aufmerksamkeit sind in einer Beziehung Hemmungsprocesse.
Das nimmt auch KÜLPE an (Gr. d. Psych. S. 460). Die Aufmerksamkeit
ist nichts neben den Bewußtseinsinhalten Gegebenes (l.c. S. 439 f.),
sondern »ein allgemeiner Zustand des Bewußtseins..., dessen
Bedingungen freilich außerhalb der wechselnden Inhalte, die in ihn
geraten, gesucht werden müssen« (l.c. S. 440 f.). Die Wirkungen
der Aufmerksamkeit bestehen in einer Vergrößerung der Empfindlichkeit
und Unterschiedsempfindlichkeit (l.c. S. 444 f.), der Reproduktions-Tendenz
und -Treue (l.c. S. 445), in einer Herabsetzung oder Elimination der Gefühle,
in einer Verfeinerung der Analyse, einer Verschmelzung (l.c. S. 446), in
einer Beeinflussung des zeitlichen Verlaufs der Bewußtseinsinhalte
(l.c. S. 447). Die Begleiterscheinungen der Aufmerksamkeit werden von Külpe
aufgezählt (l.c. S. 448 ff.) und die Bedingungen der Aufmerksamkeit
erörtert (l.c. S. 452 ff.): I. äußere Bedingungen, a. motorische,
b. sensorische; II. innere Bedingungen, a. Gefühlswirkung eines Eindrucks
= Interesses, b. Beziehung zur psychophys. Disposition. Ähnlich wie
WUNDT lehrt G. VILLA (Einl. in d. Psychol. S. 284). Vgl. N. LANGE, Beiträge
zur Theor. d. sinnl. Aufmerksamkeit (Philos. Stud. IV). Einen positiven
psychophysischen Vorgang, der in der Unterstützung, Verstärkung
einer vorhandenen Erregung, in der Steigerung der Disposition für
die erwartete Erregung besteht, erblickt in der Aufmerksamkeit G. E. MÜLLER
(Zur Theor. d. sinnl. Aufm. 1873); PILZECKER (Lehre von d. sinnl. Aufm.
1889) schließt sich der späteren Ansicht Müllers betreffs
der Aufmerksamkeit an. A. HÖFLER definiert: »Aufmerken heißt:
bereit sein zu psychischer Arbeit, nämlich speziell zu intellektueller
Arbeit« (Psych. Arb. S. 100). EHRENFELS bestimmt die Aufmerksamkeit
als »eine innere Willens- oder Strebenshandlung mit dem Zweck, gewisse
Vorstellungen in das Gebiet der Lucidität hereinzuziehen, respektive
ihnen jenes Merkmal in relativ höherem Maße zuzuwenden«
(Syst. d. Werttheor. I, 253 ff.). JODL sieht in der Aufmerksamkeit ein
Willensphänomen, einen Akt der Spontaneïtät, der Auswahl,
der Bevorzugung. Sie ist »Fixierung des Bewußtseins auf einen
bestimmten Inhalt oder Eindruck, welcher eben dadurch vermöge der
Enge des Bewußtseins andere Inhalte verdunkelt und aus dem Bewußtsein
drängt« (Lehrb. d. Psych. S. 437, 438 ff., 501 ff.). Es gibt
sinnliche und repräsentative, aktive und passive Aufmerksamkeit (ib.).
Nach G. OPPENHEIMER besteht der Aufmerksamkeitsvorgang »in der Vorbereitung
von gewissen Sinneszellen oder einem Komplexe von solchen, die eine Vorstellung
bewirken können, zur Aufnahme einer neuen Sinnesempfindung oder Vorstellung«
(Phys. d. Gef. S. 103). Es befinden sich hier »gewisse Rindenzellen
in einem Zustand erhöhter Erregbarkeit«, in welchem ein kleiner
Zuwachs des Reizes große Wirkungen erzeugen kann (l.c. S. 104 ff.).
MÜNSTERBERG nimmt den Standpunkt der » Aktionstheorie«
(s. d.) ein: »Unbemerkt bleibt das, wofür die Handlung nicht
vorbereitet ist, bis die Stärke der Erregung die Handlung erzwingt;
von der Aufmerksamkeit erfaßt dagegen ist das, was die Bedingungen
der motorischen Entladung bereit findet« (Grdz. d. Psych. I, S. 560).
Ähnlich KROELL (Wes. d. Seel. S. 58).
Aufmerksamkeit
- Hobbes, Condillac, Ribot
https://www.textlog.de/8097.html
Eine Reihe von Philosophen betrachtet die Aufmerksamkeit
bloß als Zustand, Verstärkung eines Bewußtseinsinhalts,
Hemmung anderer Inhalte, ohne spezifische innere Tätigkeit. Die Hemmung
der übrigen Vorstellungen infolge vorherrschender Erregung des Seelenorgans
für eine bestimmte Vorstellung betont schon HOBBES (De corp. 25, 6).
Nach CONDILLAC ist die Aufmerksamkeit nur »une sensation plus vive
que toutes les autres« (Tr. des sens. p. 37); er unterscheidet eine
passive und aktive Aufmerksamkeit (l. ch. c. 2, § 11, p. 14). HERBART
bestimmt die Aufmerksamkeit als »die Fähigkeit, einen Zuwachs
des Vorstellens zu erzeugen« (Psych. a. Wiss. II, § 128). Die
Aufmerksamkeit ist unwillkürlich = passiv, oder willkürlich =
aktiv (Lehrb. zur Psych.3, S. 147). Die erstere hat ihren Grund »zum
Teil in der augenblicklichen Lage des Geistes während des Merkens;
andernteils wird sie bestimmt durch die älteren Vorstellungen, welche
das Gemerkte reproduziert« (l.c. S. 148). »Attentus dicitur
is, qui mente sic est dispositus, ut eius notiones incrementi quid capere
possint« (De attent. mensura 1822). Es wird bei den Herbartianern
auch zwischen »sinnlicher« und »intellektueller«
Aufmerksamkeit unterschieden; bei der letzteren werden Eindrücke vor
andern durch »Vorstellungshülfen«, Apperzeptionsmassen
(s. d.) bevorzugt. WAITZ versteht unter Aufmerken »ein scharfes und
genaues Perzipieren von Einzelnem« (Lehrb. d. Psych. S. 624 ff.),
ein gespanntes Erwarten (l.c. S. 637). Nach VOLKMANN heißt aufmerksam
sein, »eine Vorstellung, Vorstellungsreihe oder Vorstellungsmasse
dem Drange zum Sinken entgegen unverrückt festhalten« (Lehrb.
d. Psych. II4, 204). GEORGE versteht unter Aufmerksamkeit die Konzentration
des allgemeinen Wachseins auf ein Einzelnes (Lehrb. d. Psych. S. 84). CZOLBE:
»Aufmerksamkeit ist nur Isolation der intensiveren Empfindungen aus
der Menge gleichzeitig stattfindender, von denen wir deshalb abstrahieren«
(Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 222). Nach LIPPS ist die Aufmerksamkeit keine
besondere Kraft, sondern die sich konzentrierende Reproduktionstätigkeit
selbst mit Hilfe begünstigender Vorstellungen (Gr. d. Seel. S. 620,
123). Im Zustande der Aufmerksamkeit finden wir in uns »den Gegenstand,
daneben die subjektiven Strebungs- und Spannungsempfindungen samt den so
oder so gearteten Lust- und Unlustgefühlen« (l.c. S. 46). Nach
H. E. KOHN ist die Aufmerksamkeit in irgend einem Grade mit jedem Bewußtseinsinhalte
verbunden (Zur Theor. d. Aufm. 1895, S. 19). Nach REHMKE ist zu unterscheiden
zwischen »Deutlichhaben« und »Deutlichhabenwollen«
(Allg. Psych. S. 524 f.). Unwillkürliche Aufmerksamkeit ist »dasjenige
'Bemerken', dessen besondere Bedingung allein der in dem Gegebenen zusammen
sich bietende Gegensatz der Unterschiedenen ist, willkürliche Aufmerksamkeit
dagegen dasjenige Bemerken, dessen besondere Bedingung überdies noch
das bemerkenwollende Bewußtsein ist« (l.c. S. 526). Ähnlich
TH. KERRL (Lehre von der Aufmerks. S. 71). SCHUPPE bestreitet den Tätigkeitscharakter
der Aufmerksamkeit. »Wessen wir uns dabei bewußt werden, das
ist nur das Gefühl des Interesses an den gemeinten Vorstellungen oder
an der auszuführenden Bewegung, und höchstens noch eine nicht
weiter definierbare Regung, die als Wille bezeichnet werden kann... Von
einem Tun - ist nichts zu entdecken« (Log. S. 143). Nach EBBINGHAUS
besteht die Aufmerksamkeit »in dem lebhaften Hervortreten und Wirksamwerden
einzelner seelischer Gebilde auf Kosten anderer« (Gr. d. Psychol.
S. 575). Sie ist »das Resultat eines Selektionsprozesses; sie besteht
in einer Einschränkung oder Konzentration der Seele auf eine gewisse
Anzahl der ihr den obwaltenden Umständen nach überhaupt möglichen
Empfindungen und Vorstellungen« (ib.). Nach H. CORNELIUS besteht
das Beachten eines Wahrnehmungsinhalts »nur in der Unterscheidung
desselben von seiner Umgebung und in seinem Wiedererkennen«, die
»intellektuelle« Aufmerksamkeit nur in einem Festhalten eines
Gedächtnisbildes, woran sich »eine mehr oder minder bestimmte
Erkenntnis der Ähnlichkeit des betreffenden Inhalts mit Gruppen anderweitiger
von früher her bekannter Inhalte« anschließt (Einl. in
d. Phil. S. 218). Die Leistung der sinnlichen Aufmerksamkeit ist die Zerlegung
eines Inhalts (Psych. S. 168 ff.).
Im Gefühle (Interesse) erblickt besonders TH.
ZIEGLER das Agens der Aufmerksamkeit. Das Gefühl ist »der tragende
Hintergrund, aus dem die Vorstellung in das helle Licht des Bewußtseins
tritt« (D. Gef.2, S. 47). Durch den Gefühlston erzwingt sich
die Vorstellung die Aufmerksamkeit (l.c. S. 50). STUMPF identifiziert die
Aufmerksamkeit mit dem Interesse, bestimmt sie als »Lust am Bemerken
selbst« (Tonpsychol. I, S. 68, 279). Der Wille ist die Aufmerksamkeit
(l.c. S. 69, 281).
RIBOT bestimmt als die
ursprüngliche Form der Aufmerksamkeit die »spontane« Aufmerksamkeit
(»attention spontanée, naturelle« im Unterschied von
der »attention volontaire, artificielle«) (Psych. de l'att.
p. 3). Der »Mechanismus« der Aufmerksamkeit ist wesentlich
motorischer Art, besteht in einem »arrêt« auf die Muskeln
(l.c. p. 3). Die Einheit des Bewußtseins ist die Quelle der Aufmerksamkeit
(l.c. p. 4). Diese ist ein auf die motorische Kraft übertragener Affektzustand,
der in Gefühlen und Strebungen wurzelt (l.c. p. 12). Sie ist ein »monoïdéisme
intellectuel avec adaptation spontanée ou artificielle de l'individu«,
d.h. eine Konzentration auf einen Zustand des Bewußtseins (l.c. p.
6). Bei der »attention volontaire« ist das Ziel gewollt, gewählt;
sie ist begleitet von einem »sentiment d'effort« (l.c. p. 47
f.).
Eine biologische Begründung der Aufmerksamkeit
findet sich bei K. GROOS. Sie ist nach ihm ursprünglich »ein
Mittel in dem körperlichen Kampfe ums Dasein«. Der »Instinkt
des Lauerns« ist die Urform der Aufmerksamkeit. Aus dieser »motorischen«
hat sich die »theoretische« Aufmerksamkeit entwickelt. Die
Grundform der Aufmerksamkeit ist die »Erwartung des Zukünftigen«
(Spiele d. Mensch. S. 180 f., Spiele d. Tiere S. 210 f., vgl. damit die
Definition der Aufmerksamkeit als »die sich mit einer Vorstellung
verknüpfende Frage nach dem, was in Zukunft in Beziehung auf dieses
Vorgestellte vorgehen wird«, bei FORTLAGE, Psych. I, § 9, S.
78). Ähnlich JERUSALEM, nach dem die Aufmerksamkeit »in einer
Art Konzentration des ganzen Organismus auf einen erwarteten Eindruck«
besteht (Lehrb. d. Psych.3, S. 83). »Wir müssen wissen, wessen
wir uns von den Dingen unserer Umgebung... zu versehen haben. Zu diesem
Zwecke müssen wir alle unsere psychischen Kräfte anstrengen,
und eben diese Anspannung nennen wir Aufmerksamkeit« (ib.). Die Aufmerksamkeit
hängt sehr eng mit dem Interesse zusammen (l.c. S. 84). Als Wirkungen
der Aufmerksamkeit zählt JERUSALEM auf: die auswählende Tätigkeit,
Verengerung des inneren Gesichtsfeldes, Zerlegung der Vorstellungen, Abstraktion,
Apperzeption (l.c. S. 85 ff.).
Verschiedene Assoziationspsychologen führen
die Aufmerksamkeit auf eine Summe von Spannungsempfindungen zurück,
die mit bestimmten Bewußtseinszuständen sich verknüpfen.
So z.B. ZIEHEN (Leitfad. d. phys. Psych.2, S. 166). Vgl. Apperzeption."
Apperzeption (apperceptio von ad-percipere) heißt jetzt
die Klarwerdung bezw. Klarmachung eines Vorstellungsinhalts durch aufmerksames
Erleben desselben. Die Wirkung des Appercipierens besteht in der größeren
Bestimmtheit, Bewußtheit des Vorstellungsinhalts und in der Einreihung
desselben in den Zusammenhang des Ichbewußtseins. Die passive Apperzeption
ist eine Triebhandlung, geht von einer gefühlsbetonten Vorstellung
als Motiv der Aufmerksamkeitseinstellung aus; die aktive Apperzeption ist
eine Willkür- oder eine Wahlhandlung, in ihr bekundet sich die Einheit,
Totalität und Aktivität des Ich. Die aktive Apperzeption liegt
allem Denken, aller produktiven Phantasietätigkeit und allen äußeren
Willenshandlungen zugrunde; sie selbst ist schon eine (innere) Willenshandlung,
die den Verlauf der Vorstellung hemmt, dirigiert, ordnet.
Bevor noch der Begriff der Apperzeption gebildet
ist, betont man verschiedenerseits die Funktion der Aufmerksamkeit (s.
d.) für das Bemerken, bewußte Erfassen, Bevorzugen eines Inhaltes.
So schon AUGUSTINUS (De trin. XI, 19, De mus. VI, 8, 21), DUNS SCOTUS (OP.
Ox. II, 25, 22, 24 f. Opp. XI, 13, 16, 412 f.). DESCARTES spricht direct
von dem Vermögen der Seele, »d'appercevoir ce qu'elle veut«
(Pass. de l'âme I, 19).
Begründet wird die Lehre von der Apperzeption
von LEIBNIZ. Unter Apperzeption versteht er zunächst die bewußte
im Unterschied von der unbewußten (unterbewußten) Vorstellung
(der »petite perception«), die durch Zuwachs oder Addition
zu einer bewußten werden kann: »La perception devient apperceptible
par une petite addition ou augmentation« (Nouv. Ess. II, ch. 9, §
4). Die Apperzeption ist eine »perceptio melior, cum attentione et
memoria coniuncta«. Apperzeptionen haben nur die höheren, geistigen
Monaden (s. d.). Zugleich ist die Apperzeption Erfassung des inneren, seelischen
Zustandes im Subjekte (»la conscience ou la connaissance réflexive
de cet état intérieur, laquelle n'est point donné
à toutes les âmes ni toujours à la même âme«,
Gerh. VI, 600). Da aber die Reflexion auf das Ichbewußtsein zurückführt
(»les actes réflexifs nous font penser à ce qui s'appelle
moi,« Monad. 30), so bedeutet Apperzeption die Erhebung einer Vorstellung
ins Selbstbewußtsein, ist sie das Bewußtsein eines Inhaltes
zugleich mit dem Bewußtsein, daß dieser Inhalt in meinem Bewußtsein
ist. Die Apperzeption unterscheidet sich von der »verworrenen«
Vorstellung durch ihre Klarheit. Sofern wir apperzipieren, sind wir aktiv
(s. d.). CHR. WOLF bringt gleichfalls die Apperzeption zum Selbstbewußtsein
in Beziehung. »Dum... attentionem nostram in hoc convertimus, quod
rerum perceptarum nobis conscii sumus, nostri enim conscii sumus. Sed tum
apperceptionem, actionem quandam animae, percipimus et nos per eam tanquam
subiectum percipiens ab obiectis, quae percipiuntur, distinguimus agnoscentes
utique percipiens subiectum esse quid diversum a re percepta« (Psych.
rat. § 13; Psych. emp. § 25). TETENS stellt das Apperzipieren
als aktive Bewußtseinstätigkeit als »neue hinzukommende
Aktion der Seele« der Perzeption gegenüber (Phil. Vers. I, 290).
KANT gebraucht den Ausdruck »empirische Apperzeption«
gleichbedeutend mit dem des »inneren Sinnes« (s. d.). Sie ist
»das Bewußtsein seiner selbst, nach den Bestimmungen unseres
Zustandes bei der inneren Wahrnehmung«. Von diesem »wandelbaren«
Ichbewußtsein (Kr. d. r. V. S. 121) unterscheidet er die »transzendentale
Apperzeption« (s. d.) als reine, konstante, synthetische, active
Ichheit. JACOB versteht unter Apperzeption die Auffassung und Zusammenfassung
von Vorstellungsinhalten zu einem Ganzen (Gr. d. Erfahr.3, S. 201 ff.).
M. DE BIRAN versteht ebenfalls unter »Apperzeption interne immédiate«
das Bewußtsein des Ichs von sich selber (Oeuvr. III, 5). »J'appellerai
apperception toute impression où le moi peut se reconnaître
comme cause productrice en se distinguant de l'effet sensible que son action
détermine« (Oeuvr. inéd. I, 9, III, 346).
Einen neuen Begriff der Apperzeption führt
HERBART ein. Apperzeption ist nach ihm die Aufnahme und Bearbeitung von
Vorstellungen durch eine Reihe anderer, neuer durch alte, manchmal auch
alter durch neue Vorstellungen. Die stärkeren Vorstellungen sind die
apperzipierenden, die schwächeren die apperzipierten; diese verschmelzen
mit jenen. Neue Vorstellungen werden apperzipiert, an- oder zugeeignet,
indem Ȋltere gleichartige Vorstellungen erwachen, mit jenen
verschmelzen und sie in ihre Verbindungen einführen« (Psych.
a. Wiss. II, § 126). »Anstatt daß die apperzipierten Vorstellungen
sich nach ihren eigenen Gesetzen zu heben und zu senken im Begriff sind,
werden sie in ihren Bewegungen durch die mächtigeren Massen unterbrochen,
welche das ihnen Entgegengesetzte zurücktreiben, obschon es steigen
mochte, und das ihnen Gleichartige, wenngleich es sinken sollte, anhalten
und mit sich verschmelzen« (Lehrb. z. Psych. S. 32 f.). Durch die
Aufnahme neuer Vorstellungen seitens eines gefestigten Bestandes alter
Vorstellungen, sog. »Vorstellungsmassen«, geschieht die Bereicherung
unseres Seelenlebens, die Deutung und Erkennung des Unbekannten. VOLKMANN
definiert ebenfalls die Apperzeption als »Verschmelzung einer neuen
isolierten Vorstellungsmasse mit einer älteren, ihr an Umfang und
innerer Ausgeglichenheit überlegenen« (Lehrb. d. Psych. II4,
190). STEINTHAL nennt die apperzipierenden Vorstellungen apriorische, die
apperzipierten aposteriorische; er unterscheidet eine identificierende,
subsumierende, harmonisierende, disharmonisierende Apperzeption. (Einl.
in d. Psych.) Nach LAZARUS ist die Apperzeption die Reaktion der »vom
Inhalt bereits erfüllten, durch die früheren Prozesse seiner
Erzeugung ausgebildeten Seele« (Leb. d. Seele II2, 42). Jede wirkliche
Perzeption ist schon Apperzeption (ib.). Nach LIPPS wird ein Inhalt apperzipiert,
»wenn er solche in der Seele vorhandenen Assoziationen wachruft,
die ihn mit einem vorher vorhandenen Inhalte in gesetzmäßige
Beziehung setzen« (Gr. d. Seel. S. 407). Wir apperzipieren, indem
wir »Inhalte uns aneignen, d.h. sie zu unserem Selbstgefühl
in Beziehung bringen oder in das System unseres Selbstbewußtseins
einordnen« (l.c. S. 409). Es gibt eine logische, ästhetische,
praktische Apperzeption (s. d.). STOUT definiert die Apperzeption als den
Prozess, vermittelst dessen ein vorhandener geistiger Vorrat um ein neues
Element vermehrt wird (Anal. Psych. II). Ähnlich JODL (Lehrb. d. Psych.
S. 443). W. JERUSALEM versteht unter Apperzeption »die Formung und
Aneignung einer Vorstellung infolge der durch die Aufmerksamkeit aktuell
gewordenen Vorstellungsdispositionen« (Lehrb. d. Psych.3, S. 87).
Die Apperzeption gibt dem Vorstellungsverlauf »die Richtung und einen
gewissen Abschluß« (ib.). Die am leichtesten erregbaren apperzipierenden
Vorstellungsgruppen sind die »herrschende Apperzeptionsmasse«
(ib.). »Fundamentale« Apperzeption ist die »Apperzeptionsweise...,
durch welche alle Vorgänge der Umgebung als Willensäußerungen
selbständiger Objekte gedeutet werden« (l.c. S. 90). Sie liegt
der Urteilsfunktion (s. d.) und den Kategorien (s. d.) zugrunde. MÜNSTERBERG:
»Wir fassen ein Objekt auf, heißt, daß wir zu einem bestimmten
Handlungstypus übergehen.« In den motorischen Zentren bestehen
moleculare Dispositionen, vermöge deren der Reiz eine komplexere Wirkung
auslösen kann, als seiner isolierten Einwirkung entsprechen würde
(Princ. d. Psych. S. 551). Nach HUSSERL ist Apperzeption »der Überschuß,
der im Erlebnis selbst, in seinem descriptiven Inhalt gegenüber dem
rohen Dasein der Empfindung besteht« (Log. Unt. II, 363).
Als Willensvorgang wird die Apperzeption von WUNDT
bestimmt, zugleich als bewußtseinssteigernder, hemmender, ordnender
Act. Apperzeption nennt Wundt »den einzelnen Vorgang, durch den irgend
ein psychischer Inhalt zu klarer Auffassung gebracht wird«, im Unterschiede
von der bloßen Perzeption (Gr. d. Psych.5, S. 249). »Die Inhalte,
denen die Aufmerksamkeit zugewandt ist, bezeichnen wir, nach Analogie des
äußeren optischen Blickpunktes, als den Blickpunkt des Bewußtseins
oder den inneren Blickpunkt, die Gesamtheit der in einem gegebenen Moment
vorhandenen Inhalte dagegen als das Blickfeld des Bewußtseins oder
das innere Blickfeld« (ib.). Nur ein sehr kleiner Teil unserer Vorstellungen
wird jederzeit, mit verschiedener Klarheit, apperzipiert. In zwei Formen
tritt die Apperzeption auf. »Erstens: Der neue Inhalt drängt
sieh plötzlich und ohne vorbereitende Gefühlswirkung der Aufmerksamkeit
auf; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der unvorbereiteten oder
der passiven Apperzeption.« Sie ist durch ein Gefühl des Erleidens
charakterisiert, das aber rasch in ein Tätigkeitsgefühl übergeht
(l.c. S. 259). »Zweitens: Der neue Inhalt wird durch Gefühlswirkungen...
vorbereitet, und es ist infolgedessen schon vor seinem Eintritt die Aufmerksamkeit
auf ihn gespannt; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der vorbereiteten
oder der aktiven Apperzeption«. Ein Gefühl der Erwartung geht
hier, verbunden mit Spannungsempfindungen, der Auffassung des Inhalts voran,
das durch ein Gefühl der Erfüllung und dann durch ein Tätigkeitsgefühl
abgelöst wird (l.c. S. 260). Alle Apperzeption ist ein Willensvorgang,
bei dem »nicht der Gegenstand selbst, sondern seine Wahrnehmung gewollt
wird« (Völkerpsych. I 2, 241). Die passive Apperzeption ist,
Subjektiv, eine Triebhandlung, denn hier ist »der unvorbereitet sich
aufdrängende psychische Inhalt offenbar das allein vorhandene Motiv
der Apperzeption«. Die aktive Apperzeption ist eine Willkürhandlung,
die aus einer Mehrheit von Motiven, oft nach einem »Kampf«
derselben, hervorgeht (l.c. S. 261). Die Ausdrücke »aktiv«
und »passiv« beziehen sich »nicht unmittelbar auf den
Vorgang der Apperzeption selbst, der im wesentlichen überall der nämliche
ist, sondern auf den gesamten Bewußtseinszustand« (l.c. S.
261). Apperzeption und Aufmerksamkeit (s. d.) sind die objektive und die
subjektive Seite eines Vorgangs. Die Apperzeption ist schon eine Bedingung
der Assoziation (s. d.); die active Apperzeption liegt aller geistigen
Tätigkeit zugrunde. Die Funktionen der Apperzeption sind das Beziehen-Vergleichen,
Analyse-Synthese (l.c. S. 303 ff., Vorles.2, S. 267, 263, 274; Grdz. d.
ph. Psych. II4, S. 266 ff., 278 f., 437; Phil. Stud. II, 33 f., X, 95;
Syst. d. Phil.2, S. 576 f.; Ess. 6, S. 174; Log. I2, 30, II2, 265 f.).
Die Apperzeption ist keine Tätigkeit, die außer dem Zusammenhange
von Gefühlen und Empfindungen bei der Auffassung eines Inhalts existiert,
kein »Seelenvermögen«. Physiologisch ist sie ein Hemmungsprozess,
durch den das Klarwerden anderer Eindrücke als der apperzipierten
verhindert wird; nach WUNDT gibt es ein (vielleicht im Stirnhirn lokalisiertes)
Apperzeptionszentrum, von dem senso-motorische Wirkungen ausgehen. Aber
»nur insoweit jeder Apperzeptionsvorgang mit Veränderungen am
Empfindungsinhalte verbunden ist, sind für ihn physiologische Parallelvorgänge
anzunehmen« (Grdz. d. ph. Psych. II4, 274, 276, 283 f. Phil. Stud.
II, 33 f., X, 95). Apperzeption und Assoziation (s. d.) sind nicht voneinander
unabhängige Vorgänge oder gar Äußerungen von »Seelenvermögen«,
sondern »zusammengehörige Faktoren des psychischen Geschehens«
(Völkerpsych. I 2, 575). Unter Einheit der Apperzeption versteht
WUNDT »die Tatsache, daß jeder in einem gegebenen Augenblick
apperzipierte Inhalt des Bewußtseins ein einheitlicher ist, so daß
er als eine einzige mehr oder minder zusammengesetzte Vorstellung aufgefaßt
wird« (l.c. I, 2, 466). Anhänger der WUNDTschen oder doch einer
ähnlichen Apperzeptionslehre sind O. KÜLPE (Gr. d. Psych. S.
441), E. MEUMANN, HÖFFDING, JAMES, VILLA, KARL LANGE, (Üb. Apperzeption
1899), HELLPACH (Grenzwiss. d. Psych. S. 6) u. a. Eine physiologische Deutung
des Apperzeptionsvorganges gibt OPPENHEIMER (Physiol. d. Gef. S. 103 ff.,
115 f.), auch KROELL, der aber keine Spontaneität des Bewußtseins
anerkennt, sondern eine »Reflextheorie« aufstellt (Die menschliche
Seele S. 58 ff.), ferner OSTWALD (Vorles. üb. Naturphilos.2). Gegner
sind VOLKMANN (Lehrb. d. Psych. II4, 193 ff.), JODL (Lehrb. d. Psych. S.
443), ZIEHEN (Leitf. d. ph. Psych.2, S. 148) und die Assoziationspsychologen
überhaupt. Sie führen, wofern sie die Veränderung des Vorstellungsverlaufs
durch die Aufmerksamkeit berücksichtigen, diese auf Assoziation zurück,
wie z.B. JODL Zweckvorstellungen als »Assoziationszentrum«
die Reproduktion leiten läßt (Lehrb. d. Psych. S. 492, 499,
505, 508, 511 f.). ZIEHEN erklärt die Erscheinungen, die man sonst
der Apperzeption zuschreibt, durch die Deutlichkeit, den Gefühlston,
die Energie der Assoziation, die konstellation der Vorstellungen (Leitf.
d. ph. Psych. S. 174 ff., 198, 200 f.). - ZIEGLER nimmt an, das Gefühl
(Interesse) sei das Agens der Apperzeption, diese sei keine Willenstätigkeit
(D. Gef.2, S. 47 ff., 307). E. VON HARTMANN bestimmt die Apperzeption als
absolut unbewußte psychische Funktion ohne materielle Grundlage (Mod.
Psych. S. 140). Vgl. Apperzeptionspsychologie, Aufmerksamkeit.
Nachtrag: Apperzeption. BONNET erklärt:
»Une perception n'étant que l'âme elle-même modifiée,
elle ne peut éprouver cette perception qu'elle ne sente que c'est
elle qui l'réprouve. Ce sentiment est ce que les métaphysiciens
nomment conscience ou apperception« (ESS. anal. XIV, 200.
vgl. MEINERS, Verm. philos. Schr. II, 34). - Nach B. ERDMANN wirkt die
Apperzeptionsmasse unbewußt als »erregte Disposition«
(Zur Theor. d. Appercept., Viertelj. f. w. Ph. X, 307 ff., 310 ff., 391
ff.. vgl. Wiedererkennen). Nach LIPPS ist die Apperzeption »Heraushebung
des apperzipierten Gegenstandes aus dem allgemeinen psychischen Lebenszusammenhang«
(Leitf. d. Psychol. S. 63 ff. Das Apperzipierte ist das Beachtete (l. c.
S. 53 ff.). Nach FR. MAUTHNER heißt Apperzipieren, »unter den
möglichen Eindrücken der Wirklichkeitswelt nach seinem Interesse,
das heißt nach dem bisherigen Bewußtseinsinhalt einen bestimmten
Eindruck für die Richtung seiner Aufmerksamkeit auswählen«
(Sprachkrit. I, 512). Apperzeption ist »Bereicherung des Bewußtseinsinhalts
um, einen neuen Eindruck« (l. c. S. 519). Nach STOUT ist die Apperzeption
»the process by which a mental system appropriates a new element,
or otherwise receives a fresh determination« (Anal. Psychol. II,
112). Nach BALDWIN ist die Apperzeption »that activity of synthesis
by which mental data of any kind... are constructed into higher forms of
relation and the perception of things which are related becomes the perception
of relation of things« (Handb. of Psychol. I, ch. 4, p. 05). Durch
die Apperzeption wird die Aufmerksamkeit auf ein Bild konzentriert. Nach
FOUILLÉE ist die intellektuelle Apperzeption »la reconnaissance
et la classification instantanée, avec rapport plus ou moins implicite
au moi« (Psychol. d. id.-forc. I, 262 ff.. vgl. II, 215). Vgl. G.
SCHILLING, Lehrb. d. Psychol. S. 95 ff.. Lindner, Psychol. d. Gesellsch..
HUSSERL, Log. Unt. II, 363. LAZARUS. Leb. d. Seele II2, 42 (s. Perzeption).
DEWEY, Psychol. p. 85 ff."
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korrigiert: 07.06.2024 irs erneute Rechtschreibprüfung / 25.05.2024 irs Rechtschreibprüfung und gelesen