Legenden und Mythen um Ludwig II.
Sein Vorbild Ludwig
XIV. führte sein Leben lang Krieg und verwüstete
weite Teile Deutschlands. Schon das spricht gegen die Legende von Ludwigs
Pazifismus. Und der Absolutismus ist auf seine Weise ein Krieg, nämlich
die Ausbeutung der Untertanen und Fremder (Kriege, Besetzungen, Landraub,
Steuern, Reparationen) für eigene narzißtische Zwecke.
Der Krieg 1866. Ludwig weilte auf Schloß
Berg, statt in München das Seinige gegen den Krieg zu tun. Er mochte
ihn zwar nicht, den Krieg, er tat aber auch nichts dagegen; interessierte
sich nicht besonders für seine Abwendung und kümmerte sich auch
nicht um seine Truppen und ergriff im Grunde die politische Flucht auf
Schloß Berg. Zum Zustand der bay. Armee Fürst Hohenlohe: "Die
bayerische Armee ist in keinem genügenden Zustand. Der Prinz Karl
als Oberfeldherr ist zu alt. Die Offiziere haben kein rechtes Vertrauen
in die eigene Kraft. Ich glaube nicht, daß wir große Lorbeeren
ernten werden bei der noch so guten Gesinnung der Mannschaft und trotz
der angeborenen Rauflustigkeit der Bayern." [Liebhart
150].
Opfer 1866: 47 Offiziere, 282 Unteroffiziere und Mannschaften
gefallen, 1858 Verwundete
[Die Chronik Bayerns S. 353 im Artikel "Triumphale Reise durch Franken"] |
Der Krieg 1870. Ludwig II. befiehlt am 16.7.1870
die Mobilmachung: 55 000 Bayern marschieren unter dem preußischen
Kronprinzen. Ludwig II:
"Mit Begeisterung werden Meine Truppen an der Seite
Ihres ruhmreichen Bundesgenossen für deutsches Recht und deutsche
Ehre den Kampf aufnehmen."
[Chronik Bayerns S. 358]. Die Bayern stellten mit 55 000 Mann ein großes Kontingent und waren an den Kämpfen und Erfolgen maßgeblich beteiligt. Schlachten: Weißenburg, Wörth, Barzeilles, Balan, Sedan, Orleans. |
Opfer 1870:
Noch nicht ermittelt: Die Geschichtsschreibung und der Geschichtsunterricht in Deutschland ist offenbar extrem einseitig und an Führungsschichten und Oberflächlichkeiten orientiert. Kein Wunder, daß eine solche geradezu antipädagogische und menschenrechtsunfreundliche Geschichtsschreibung und Unterweisung diese Welt bislang offenbar nicht verbessert. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Fakten und Daten und hier besonders die Kosten der Kriege sind schwierig zu ermitteln: Gefallene, Versehrte (Krüppel und Kriegsbehinderte), Verwundete; Kriegsopferrenten (sofern überhaupt bezahlt), Landraub/ Landverlust, Reparationskosten, Verwüstungen (Landstriche, Landwirtschaft, Städe und Gemeinden, Gebäude), Versklavungen, Raub von Wertgegenständen, Verlust der Ehre [Vergewaltigungen, Schändungen], Verlust an Lebensqualität u.a. |
Zusammenfassung zur Kriegsgegner Legende
Ludwig II. mag den Krieg nicht gemocht haben. Ein Kriegsgegner war er aber allenfalls im Bereich seiner Phantasie. Doch ist ein Mensch weniger durch seine Phantasie in seinem Charakter und in seiner Persönlichkeit bestimmt als vielmehr in erster Linie durch seine Handlungen. Und diese setzten dem Krieg nichts entgegen. Noch nicht einmal um seine Truppen kümmerte er sich. |
War Ludwig II. im Umgang wirklich sehr liebenswürdig?
Jein.
Auf der formalen Ebene und wenn es sein Interesse war schon, aber meist
nur so lange, wie es ihm entsprach und paßte, sonst setzten sich
mehr oder minder seine aggressiven Taktlosigkeiten durch. Insbesondere
seiner Dienerschaft gegenüber war er vor allem in den letzten Jahren
unerträglich despotisch. 32 seiner Bediensteten sollen nach seiner
In-Gewahrnahme Verletzungen aufgewiesen haben. Doch auch schon weit vorher,
zeigt sich sein völlig unliebenswürdiges und extrem egozentrisches
Verhalten, wenn er etwa seine Verlobte auf dem Ball, den Fürst Hohenlohe
als Minister des kgl. Hauses zu Ehren der Verlobung gab, einfach sitzen
läßt und sich ins Theater stiehlt [Böhm
395]. Ludwig II. war launisch, sehr unstetig und abrupt wechselhaft
und meist völlig desinteressiert an der Befindlichkeit seiner Gegenüber.
Mochte und liebte Ludwig II. wirklich den einfachen
Menschen und sein Volk? Nein, überhaupt nicht.
"Oft mußte Ministerialrath von Ziegler hören (v. Ziegler Bogen 5), wie schön es wäre, wenn man das verfluchte Nest (die eigene Haupt- und Residenzstadt!) an allen Ecken anzünden könnte und Stallmeister Hornig führt als einen öfter von Seiner Majestät ausgesprochenen Wunsch an (Hornig Blatt 7), daß das ganze bayerische Volk nur einen Kopf habe, um es auf einen Streich hinrichten lassen zu können." [Quelle Ziegler/Gutachten] |
Ludwig II. mochte überhaupt keine wirklichen Menschen, es sei denn, sie unterwarfen sich vollständig seinem Willen oder waren zu seiner Vollstreckung nützlich und hilfreich. Er verachtete das "frivole" Volk, was nicht ausschloß, daß er bei spontanen Begegnungen spendabel, freundlich und zugewandt sein konnte, wenn er mochte. Aber das tat er dann nicht für den anderen, sondern für sich: es gefiel ihm, zu gefallen. Jede Art von Erwartung, die an ihn gerichtet wurde, störte ihn. Er haßte zunehmend mehr direkte menschliche Begegnungen und er haßte es schon immer, "begafft" zu werden, er war nicht nur zunehmend mehr soziophobisch (menschenscheu) sondern ganz besonders auch blickscheu, als fürchtete er, die Menschen könnten ihm "etwas" ansehen.
Fehlte Ludwig II. wirklich nur ein Mensch, der ihn
richtig verstand? Nein.
Das hätte überhaupt nichts gebracht; und dieser Mensch wäre
auch gar nicht zu finden gewesen und wenn man einen solchen gefunden hätte,
wäre es nicht von Dauer gewesen.
War Ludwig II. war ein unverstandenes
Genie?
Jein.
Ludwig II. war einerseits in der Tat ein Genie, aber ein psychologisches.
Sein Genie bestand in seiner radikalen, kompromiß- und hemmungslosen
Selbstverwirklichung. Wie es möglich war, daß ein König
so lange seinem Volk, seiner Regierung und der Verwaltung auf der Nase
herumtanzen konnte, mag heute verwundern. Nun, das Volk hatte weitgehend
nichts zu sagen und identifizierte sich lieber mit einem Wunschbild-König,
der anders als die da oben sonst waren. Und der Regierung
und den Diplomaten mag es lange Zeit wohl ganz recht gewesen sein, schalten
und walten zu können, ohne den König ständig im Nacken zu
haben. Alles mußte sich seinem künstlerischen Willen unterordnen
und alles mußte genau so geschehen, wie er es haben wollte, sonst
war man unten durch und abgemeldet. Das ging bis in kleinste Details. Insofern
war Ludwig II. auch ein Genie in der uneingeschränkten und absolutistischen
Durchsetzung seiner Vorstellungen. Unverstanden war er in vielerlei Hinsicht.
Die beiden wichtigsten Quellen sind aber: 1) er war extrem soziophobisch
(menschenscheu), so daß niemand über ihn wirklich etwas wußte
und er ein idealer Projektionsschirm für Wünsche, Phantasien,
Vermutungen und damit für Legenden und Mythen war. 2) Ludwig II. war
anders, schwierig, eigen, ja wohl lange Zeit schon psychisch krank, was
aber bei Monarchen bei ihrer Stellung in der Geschichte nicht so sehr ungewöhnlich
war - nicht wenige Herrscher waren
psychisch krank, manche Verbrecher, manche beides - und wogegen man
auch kaum etwas machen konnte: Zu den Menschenrechten und ihrer echten
und dauerhaften Verwirklichung auf dieser Welt war und ist es noch ein
langer Weg. Die Entmündigung war daher geradezu ein revolutionärer
Akt, der auch nicht etwa von den Sozis, Demokraten oder Anarchisten ausging,
sondern von im Grunde königstreuen Monarchisten.
Baute Ludwig II. seine Schlösser
für sein Volk? Nein.
Die Schlösser war ausschließlich für ihn bestimmt.
Seine Werke zu "begaffen" war ihm ein ähnliches Greuel wie das "begafft"
werden durch die Menge. Das Erblicken und Schauen seiner geweihten Stätten,
kam in seinem Denken und Fühlen einer Entweihung gleich, war also
für Ludwig II. fast so etwas wie eine Mischung aus "Majestätsbeleidgung"
und "Gotteslästerung". Teilen, Anteilnahme, Mitgefühl waren für
Ludwig II. Fremdworte, wenn es davon auch einige spontane Ausnahmen gibt.
War Ludwig II. ein Opfer seiner um die Macht besorgten Minister?
Jein.
Ja: Die Regierung mag Ludwig II. schon immer
für etwas verrückt gehalten haben, unerträglich wurde die
Situation aber erst, als die Spatzen von Dächern zu pfeifen begannen,
der König sei pleite und ihm drohe die Pfändung. Damit war das
Königreich Bayern, die Regierung und das Bayerische Volk in seiner
Gesamtheit betroffen. Die radikale Selbstverwirklichung des Königs
hatte die ertragbaren Realitätsgrenzen für die Regierung überschritten.
Ludwig II. war dabei, Bayern zum öffentlichen Gespött der Welt
zu machen. Damit war das Maß - ab 1884 wohl schon und endgültig
1885 als man die Regentschaft vorbereitete - voll. Daß der König
das nicht mehr mitbekam ist sicher ein ausdrucksvolles Symptom für
- zu dieser Zeit - seine Geisteskrankheit, denn hier war
der Geist erkrankt, der die Beurteilung des Weltgeschehens nicht mehr realitätsangemessen
vollziehen konnte. Versteht man also Macht derart, daß die Regierung
nicht mehr willens war, diese Zustände hinzunehmen: Ja. So gesehen
war Ludwig II. ein Opfer.
Nein: Wenn gemeint sein sollte, die Regierung
habe nur deshalb, um ihre Posten nicht zu verlieren, den König zu
entmündigen versucht.
War Ludwig II. ein Opfer preußischer
Intrigen? Nein.
Bismarck förderte ihn noch 1884 mit einer Extramillion und war
erst alarmiert, als die verrückten Nachrichten nach Preußen
drangen, daß Ludwig II., um an Geld zu gelangen, Frankreich im Gegenzug
für einen Kriegsfall die Neutralität angeboten haben soll. Die
einzige historisch bislang gesicherte indirekte Beeinflussung, die man
Bismarck zuweisen kann, war - anläßlich seiner Extramillion-Zuwendung
- seine Erkundigung nach den Reichsverwesungsgesetzen in Bayern. Bismarck,
der Meisterprovokateur im 19. Jhd., könnte hier einen Wink mit dem
Zaunpfahl , wie er die Sache sehen könnte, gegeben haben. Im Klartext:
liebe Bayern, schaut Euch mal um, wie eine Regentschaft bei Reichsverwesung
bei Euch funktioniert. Dahinter steckt aber wohl weder böser Wille
noch preußischer Dolchstoß, sondern ein legitimes politisches
Interesse nach der Wiederherstellung der Zuverlässigkeit des bayerischen
Bundesgenossen, nachdem dem König der Kontakt zur Realität entglitten
war.
Schuf Ludwig II. mit seinen Schlössern
einmalige Kunstwerke? Jein.
Herrenchiemsee ist weitgehend eine Kopie von Versailles. Neuschwanstein
soll auf die Wartburg zurückgehen. Dennoch: Die Planungen gehen bis
in die letzten Details auf Ludwig II. zurück: alles mußte genau
so gemacht und wieder geändert werden, wie es ihm ein- und gefiel.
Die Pracht- und Prunkbauten, die ausschließlich für ihn bestimmt
gewesen waren, sind für sich betrachtet nichts Ungewöhnliches
und Neues. Aber es sind auch unzweifelhaft kunstvoll kombinierte
Schönheiten (Anlage, künstlerische Gestaltung, Innenausstattung,
Gärten und Parks, Pavillons, Extrastätten, Grotte, Wasser- und
Lichtspiele mit damals modernster Technik) und diese Kombination noch dazu
in Verbindung mit den Schönheiten der bayerischen Landschaft sind
in gewisser Weise einmalig. Keinen Zweifel kann es geben, daß es
auf jeden Fall Kunstwerke seiner einmaligen Selbstverwirklichung sind.
Der Publikumserfolg der Schlösser - wie auch die Wagnerfestspiele
in Bayreuth - gibt ihm jedenfalls im Nachhinein unzweideutig recht.
Vielleicht verehrt oder bewundert das Volk gerade diese radikale Selbstverwirklichung: sich einen Teufel um andere oder die Realität scheren ist wohl ein früher Traum, der in allen Menschen ein bißchen steckt. Man könnte Ludwig II. ebensogut zum Schutzpatron der Kunst wie der Psychisch Kranken oder der Selbstverwirklichung ernennen. |
Bringen die Ludwig-Schlösser heute ein Vermögen ein? Ja.
Das bay. Staatsministerium der Finanzen hat mir am 31.8.01 dankenswerterweise
folgende Kostenrechnung für die Ludwig II. Schlösser im Jahre
2000 mitgeteilt:
Rechnung 2000 | Neuschwanstein |
|
Herrenchiemsee | Gesamtrechnung |
Einnahmen insges. | 14.822.353,- DM | 7.016.210,- DM | 9.973.789,- DM | 31.812.352,-DM |
Ausgaben gesamt | 4.652.243,- DM | 7.263.364,- DM | 8.772.034,- DM | 20.687.641,-DM |
Gewinn/ Verlust | 10.170.110,-DM | - 247.154,-DM | 1.201.755,-DM | 11.124.711,-DM |
Bemerkung: Bei diesen Einnahmen ist noch nicht berücksichtigt, was die Fremdenverkehrsindustrie (Übernachtungen, Verzehr, Verkehr, Geschenkartikel und Souvenirs), besonders um Füssen herum - was wir den dort lebenden Menschen selbstverständlich gönnen - durch den Ludwig II.- Tourismus noch einnimmt. Hierdurch wird noch ein Vielfaches dessen, was die Schlösser direkt einbringen, erwirtschaftet. Bei 3 Millionen BesucherInnen von Ludwigschlössern, von denen ein jeder z. B. durchschnittlich 100.- DM Ludwig II.- Touristikkosten in Bayern läßt, würden zusätzlich 300 Millionen in die Kassen gespielt, wovon der Freistaat Bayern entsprechend steuerlich profitiert, schätzungsweise wenigstens 30 % (incl. Mehrwertsteuer) davon, das ergäbe dann schätzungsweise einen Jahresgewinn für Bayern von rund 100 Millionen DM. Damit sind die Ludwig II. Schlösser für Bayern tatsächlich ein sehr gutes Geschäft. Das ist insofern erstaunlich, als die Kunst und Kultur gewöhnlich ein enormes Draufzahlgeschäft für den Staat ist. Sollte Bayern hier dank des berühmten Wittelsbacher Kunstsinnes, der in Ludwig II. eine radikale und hemmungslose Selbstverwirklichung fand, ein finanzpolitisches Kunstwerk geglückt sein, indem Ludwig II.- Kunst sich nicht nur rechnet, sondern inzwischen tatsächlich außerordentliche Gewinne abwirft? Es sieht so aus. Allerdings kann hierüber kaum vergessen werden: sein bay. Volk hat den "Kini" nie interessiert, es war ihm lästig und wenn es nach ihm gegangen wäre, würden die Schlösser mit ihm untergegangen sein. Es ist das Verdienst der bayerischen Regierungen, die Schlösser für Volk und Allgemeinheit erschlossen zu haben.
Die Erstellungskosten der Schlösser nach Sekundärquelle
Petzet
1968 S. 226.
Kosten damals | Neuschwanstein | Linderhof | Herrenchiemsee | Gesamtrechnung |
geplante Kosten | 3.256.000 Mark | 3.525.428 Mark | 5.641.000 Mark | 12.422.428 Mark |
wirkliche Kosten | 6.180.047 Mark | 8.460.937 Mark | 16.579.674 Mark | 31.220.658 Mark |
Die folgenden Werte sind Schätzungen (siehe bitte Seite Finanzen und Geld 1871)
Kosten heute | Neuschwanstein | Linderhof | Herrenchiemsee | Gesamtrechnung |
geplante Kosten | 326 Millionen | 353 Millionen | 564 Millionen | 1,243 Milliarden |
wirkliche Kosten | 618 Millionen | 846 Millionen | 1,658 Milliarden | 3,122 Milliarden |
Gewinn (geschätzte Verzinsung des Anlagevermögens):
ca. 10 % pro Jahr. Das ist ein sehr guter Wert. Eine ähnlich gute
Verzinsung erreicht man nur mit Bonds (Zinspapieren) in Hochinflationsphasen.
Beachte: Diese Amortisierung ist nicht das Verdienst Ludwigs II., sondern
der nachfolgenden bayerischen Regierungen. Neuschwanstein wurde schon im
Herbst des Todesjahres von Ludwig II. für Volk und Besucher geöffnet.
Alle diese Schätzungen habe ich nach besten
Wissen und Gewissen vorgenommen, sie sind aber dennoch mit Vorsicht zu
genießen. Eine genauere, fundiertere und bessere Schätzung müßte
von Finanz- und Wirtschaftssachverständigen vorgenommen werden.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Forensische Psychologie site:www.sgipt.org. |