Internet
Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=29.08.2020
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 01.09.20
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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Erlanger Poetenfest
2020 - Samstag 29.08.2020, 16.00-17.15 Redoutensaal
Zufriedenheit: "Was wir wollen – Die mild-chronische
Form von Glück?"
Eindrücke von Rudolf Sponsel, Erlangen
Programmtext: "Was wir wollen – Die mild-chronische Form von
Glück?
Martin Schröder im Gespräch mit Florian Felix Weyh; Lesung:
Markus Hoffmann
Der Philosoph Wolfgang Lenzen bezeichnete Zufriedenheit
einmal als „mild-chronische Form von Glück“. Wie zufrieden die Deutschen
sind, hat der Soziologe Martin Schröder durch die Auswertung einer
Langzeit-Studie herausgefunden. Die Datenbasis liefert das sozioökonomische
Panel – eine renommierte alljährliche Umfrage unter 85.000 Deutschen,
die seit 1984 läuft. Martin Schröder hat sie ausgewertet und
dabei überraschende Erkenntnisse gewonnen. Unter dem Titel „Wann sind
wir wirklich zufrieden?“ hat er die Ergebnisse jüngst veröffentlicht.
Seine Leser warnt er: „Denken Sie bitte daran: Ich kann nichts dafür,
was ich in den Daten finde.“ Denn von Geschlechterrollen bis zu materiellen
Umständen wirken viele Ergebnisse überraschend bis schockierend
und bisweilen wenig zeitgemäß.
Martin Schröder: Wann sind wir wirklich zufrieden?
Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld. C. Bertelsmann.
München, Mrz 2020"
Eindruecke: insgesamt eine interessante,
anregende und gelungene Veranstaltung.
Der Redoutensaal war coronageregelt voll besetzt. Die interessante
Veranstaltung, die auf Schröders Buch "Wann sind wir wirklich zufrieden?
Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld." beruht,
mit mehreren Lesungen dazwischen dauerte eine gute Stunde und erlaubte
dann noch Fragen.
Mit zu den wesentlichsten Ergebnissen gehörte
für uns, dass Menschen in allen Lebenssituationen, auch den schwierigsten,
ein ordentliches Potential von Lebenszufriedenheit erleben, so z.B. Querschnittsgelähmte,
die nach einiger Gewöhnung an diesen schweren Einschnitt ihre alte
Lebenszufriedenheit wieder erlangten. Gründe für die Zufriedenheit
ordnet Schröder grob 1/3 der Genetik, 1/3 den längerfristigen
Lebensumständen und 1/3 eher kurzfristigen Entscheidungen zu. Eineiige
Zwillinge, die in getrennten Umgebungen aufwuchsen, zeigten durchwegs fast
die gleiche Zufriedenheit. Die erste Lesung nach knapp 10 Minuten Einführungsgespräch
widmete sich dem Schlaf, der von großer Bedeutung für die Zufriedenheit
ist. Zu wenig Schlaf kann bis zu 17% der maximal möglichen Zufriedenheit
kosten, so viel, wie der Tod eines Kindes. Im Durchschnitt geht es den
Menschen in Deutschland mit ca. 73% Zufriedenheit recht gut. Sehr wichtig
ist auch die Erkenntnis, dass es einen Grenznutzen gibt. D.h. nicht immer
mehr führt auch zu mehr an Zufriedenheit. So liegt der Grenznutzen
des Einkommens für einen Single bei ca. 2000 €, für ein
Paar bei 3400 €, für ein Kind bei 1000 € und für eine
Familie mit zwei Kindern bei 5400 €. Mehr an Geld verbessert die Zufriedenheit
nicht. Zwei Hauptregeln, wie man zufrieden wird, ergaben die Forschung:
1. alles richtig machen, 2. Ansprüche senken, wenn man nicht alles
richtig machen kann. Auch einige Kuriositäten ergab die Forschung,
etwa dass bei gleicher Aufteilung der Hausarbeit zwischen Frauen und Männern,
die Sexualität weniger zufriedenstellend erlebt wurde. Eine dänische
Studie habe ergeben, sobald Frauen mehr zum Haushaltseinkommen als die
Männer beitrugen, stieg der Verbrauch von Potenzmitteln bei den Männern
und der Verbrauch von angstlösenden und schlaffördernden Mitteln
bei den Frauen. Eine weitere Merkwürdigkeit ergab sich, dass Menschen
mit mehr haben nicht zufriedener sind, wenn andere noch mehr haben und
zufriedener sind, wenn sie weniger haben, aber andere noch weniger. Der
Vergleich mit anderen spielt also auch eine wichtige Rolle für die
eigene Zufriedenheit. Ein Leben mit Kindern machte durchschnittlich nicht
zufriedener als ein Leben ohne Kinder. Arbeitslosigkeit kostet - wie zu
erwarten - Zufriedenheitspunkte, im Schnitt 6.4. Für Männer macht
mehr arbeiten zufriedener. Und Frauen sind durch Hausarbeit zufriedener
auch wenn sie erwerbsarbeiten. Auch Patriotismus scheint die Zufriedenheit
zu fördern.
Schröder sieht sich als Wissenschaftler, der
Zufriedenheitsdaten auswertet, verarbeitet und darstellt und nicht als
Sozialaktivist, was seinen Ergebnissen sicher gut tut. Die Panelbefragungen
seit 1984 sind ein gewaltiges Potenzial für die Zufriedenheitsforschung,
allerdings fehlen neben den Mittelwerten für eine angemessene Beurteilung
Streuungsangaben,
Die Frage im Programmtext "Wann sind wir wirklich
zufrieden?" ist spannend, weil hier zum Ausdruck kommt, dass der Autor
zwischen Zufriedenheit und wirklicher Zufriedenheit unterscheidet. Im Vorfeld
fragten wir uns: Wie macht er das? Wie kann man "gemeinte" oder "gefühlte"
Zufriedenheit von "wirklicher" Zufriedenheit unterscheiden? Wie müssen
Befragungen oder Explorationen konzipiert sein, damit sie hierauf eine
Antwort geben können? Wird Schröder in der Veranstaltung darauf
eine Antwort geben? Nein, tat er von selbst nicht. Auf eine entsprechende
Frage am Ende der Veranstaltung, stellte sich heraus, dass Schröder
über die Formulierung im Programmtext nicht sehr glücklich war.
Wirkliche Zufriedenheit bedeutet hier einfach empirisch erhobene. Hier
gibt es also wissenschaftlich noch einige Grundlagenarbeit zu verrichten.
Links (beachte)
mit Literatur (Auswahl) > Querverweise.
-
Homepage Martin Schröder.
-
Schröder, Martin (2020) Wann sind wir wirklich zufrieden? Überraschende
Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld. C. Bertelsmann. München,
Mrz 2020"
-
Schröder, Martin (2019) Warum es uns noch nie so gut ging und wir
trotzdem ständig von Krisen reden. Benevento.
-
Sponsel, R. (1984) Lebens- und Selbstzufriedenheit
als Psychotherapieerfolgskontrolle. Praktische Systematik psychologischer
Behandlungsforschung. Dissertation, Erlangen: IEC-Verlag. Gebundene Sonderausgabe
€ 45.00 (DM 88.00). (Ist im CST-SYSTEM enthalten.)
-
Sponsel, R. (1984) Zuf-13-Versuch.
Können Menschen Zufriedenheitsausprägungen über längere
Zeiträume integrieren und mitteln? Oder: Ist die Zufriedenheitsskala
eine Intervallskala?
-
Sponsel, Rudolf (2004) Zufrieden
und Zufriedenheit. Das J Heilmittel zufrieden
+ und J Heilmittel unzufrieden.
-
Sponsel, R.(2003) Wie
geht es Ihnen?
-
Sponsel, R. (1998) Grundlegende
Voraussetzungen psychologischer Fragen und Tests.
-
Sponsel, R.(1998) Lebens-
und Selbstzufriedenheitsskalen.
-
Steven Pinker: Sorge Dich
nicht, vertrau der Statistik! Sternstunden Philosophie 3sat 02.12.18,
orig. srf 18.11.2018.
Glossar, Anmerkungen
und Endnoten > Eigener wissenschaftlicher
und weltanschaulicher
Standort.
GIPT= General and
Integrative
Psychotherapy,
internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Querverweise
Standort: Erlanger Poetenfest 2020: Martin
Schröder Zufriedenheit
*
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2011,
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Zitierung
Sponsel, Rudolf (DAS). Eindrücke
zu "Was wir wollen – Die mild-chronische Form von Glück? Martin
Schröder im Gespräch mit Florian Felix Weyh; Lesung: Markus Hoffmann."
29.8.2020
Erlanger Poetenfest. Internet Publikation für Allgemeine und Integrative
Psychotherapie IP-GIPT.Erlangen: https://www.sgipt.org/kunst/kritik/EPF20r.htm
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korrigiert: irs 29.08.2020
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Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet
und ergänzt.
01.09.2020 Fehlende Streuungsnagben neben den Mittelwerten.
29.08.2020 Eingestellt.