Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=20.07.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Willkommen in unsere Internet-Publikation für Allgemeine und integrative Psychotherapie, Abteilung Geschichte der Psychopathologie,
    und hier speziell zum Thema:

    Analyse Johannes Volkelt (1918) Gewißheit und Wahrheit.
    Materialien zur Studie Begriffsanalyse Gewissheit und Gewissheitserleben.

    Volkelt, Johannes (1918) Gewißheit und Wahrheit. München: C.H. Becksche Verlagsbuchhandlung. [Erkenntnistheoretisch orientiert]

    Zusammenfassung-Volkelt-1918:
    Volkelt erklärt den Begriff Gewissheit/Gewißheit (er benutzt unerklärt zwei Schreibweisen) zu Beginn seines Werkes nicht. Auf den ersten 50 Seiten habe ich keine begriffliche Klärung des Gewissheitsbegriffs gefunden. Wenn auf den ersten 50 Seiten Gewissheit nicht geklärt wird, dann gehe ich davon aus, dass es auch in den weiteren Ausführungen nicht mehr geschieht. Daher habe ich die weitere Analyse als sehr wahrscheinlich unergiebig eingestellt. Der Suchtext "Definition der Wahrheit" hat 3 Fundstellen, Definition der Gewissheit hat keine Fundstelle. Definition hat 54 Fundstellen. Weiter ist mir aufgefallen, dass Volkelt Denken hier falsch (homunkulesk) als eigenständiges Subjekt gebraucht (>Kommentar-Volkelt-1918-S38), eine der schlimmsten wissenschaftstheoretischen Entgleisungen. Allein das zeigt schon, dass Volkelt als Wissenschaftler nicht ernst zu nehmen ist, seine Ausführungen leiden am sch^3-Syndrom.
        Volkelt befindet sich auf dem dem üblichen philosophischen "Niveau" der letzten 2300 Jahre Philosophiegeschichte, obwohl bereits Aristoteles (Quelle) unmißverständlich klar machte:

       
      "... Nun müssen diejenigen, 
      welche ihre Gedanken untereinander  austauschen wollen, 
      etwas voneinander verstehen; 
      denn wie könnte denn,
      wenn dies nicht stattfindet,
      ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
      möglich sein? 
      Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
      und etwas, und zwar eins
      und nicht mehreres, bezeichnen;
      hat es mehrere Bedeutungen, 
      so muß man erklären, 
      in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

       Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5. Kap., S. 244 (Rowohlts Klassiker 1966)

      Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren  können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit  und  Evidenz).


    Fundstellenbelege

    Merkwürdigerweise verwendet Volkelt zwei Schreibweisen ohne dies zu erläutern: Gewißheit (59 Fundstellen), überwiegend in den Randangaben und Gewissheit (1868 Fundstellen).
    Die ersten 12 Fundstellen für "Gewissheit" sind im Inhaltsverzeichnis.

    Im Vorwort finden sich 5 Fundstellen, bloße Erwähnungen ohne Erklärung (VV lies Volkelt Vorwort):
    Zusammenfassung-Volkelt-1918-Vorwort: Der Suchtext "gewiss" findet sich 5x im Vorwort. Das Wort wird nur erwähnt, aber nicht weiter erklärt, auch nicht durch Querverweis, Anmerkung oder Fußnote.
     

      S.6.1-Vorwort: "Aber auch von den „VV1Quellen der menschlichen Gewissheit“, die etwa zwölf Jahre zurückliegen, eine neue Auflage vorzulegen, konnte nicht meine Absicht sein. Schon darum nicht, weil in diesem wenig umfangreichen Buche nur einige Grundfragen der Erkenntnistheorie zur Behandlung gelangt waren."
      S.6.2-3-Vorwort: "Wenn ich dem vorliegenden Bande den Titel VV2Gewissheit und Wahrheit“ gebe, so hat dies den Sinn, dass wir der Wahrheit nur in der Weise der VV3Gewissheit habhaft werden können; mit andern Worten: dass es für unser Erkennen ein Identischwerden mit der Wahrheit nicht gibt. "
      S.6f-Vorwort: "So wenig das Transsubjektive in unser [>7] Bewusstsein einfach eintreten kann: so unmöglich ist es, dass sich uns, unter Absehen von der VV4Gewissheit, die Wahrheit (um einen jetzt üblichen Ausdruck zu gebrauchen) „zur Selbstgegebenheit bringt“. Ich darf meinen Standpunkt sachgemäß als subjektivistischen Transsubjektivismus bezeichnen."
      S.8-Vorwort: "Herr Oskar Beck sei meines lebhaften und herzlichen Dankes VV5gewiss."


    Zusammenfassung-Volkelt-1918-S.11-12 Erstes Kapitel, Abschnitt 3.
    Der Abschnitt des ersten Kapitels enthält 7 Erwähnungen auf S.11 und 3 auf S. 12, also insgesamt 10.  S. 35 bringt 5 Erwähnungen. An keiner Fundstelle wird Gewissheit erklärt, auch nicht durch Querverweis, Anmerkung oder Fußnote.
     

      S.11f: "3. Soll daher der Anspruch der Erkenntnistheorie auf Voraussetzungslosigkeit einen haltbaren Sinn haben, so kann diese nur in logisch-systematischer Bedeutung verstanden werden. Das heißt: die Voraussetzungslosigkeit bezieht sich nur auf die Sätze, die im System der Erkenntnistheorie wesentliche Glieder bilden; und sie besteht nur hinsichtlich der Frage, worauf die Gültigkeit dieser Sätze beruht.
          Wir machen uns klar, was mit der Voraussetzungslosigkeit in logisch-systematischem Sinne gesagt ist. Was den Anfang der Erkenntnistheorie betrifft, so muss er, wenn diese Forderung erfüllt sein soll, mit einem Satze gemacht werden, dem ohne jedwede Einschränkung V11.1unmittelbare Gewissheit zukommt. Mit einer V11.2Gewissheitsaussage von schlechtweg durch sich selbst einleuchtender Art muss begonnen werden. Woher solche bedingungslose Selbstevidenz zu nehmen sein wird, ist eine Frage, die uns hier noch nichts angeht. An dieser Stelle genügt die Einsicht, daß, nur wenn der Erkenntnistheoretiker mit einer Feststellung V11.3von dieser Art Gewissheit zu beginnen in der Lage ist, der Anspruch seiner Wissenschaft auf Voraussetzungslosigkeit festgehalten werden kann.
          Hinsichtlich des weiteren Verlaufes der Erkenntnistheorie bestehen drei Möglichkeiten. Entweder sind alle folgenden Sätze gleichfalls von V11.4uneingeschränkt unmittelbarer Gewissheit, oder einige von den weiteren Sätzen weisen V11.5unmittelbare Gewissheit auf, während andere sich durch notwendiges Folgen aus V11.6unmittelbar gewissen Sätzen ergeben. Diese zweite Möglichkeit könnte indessen — dies sieht man sofort — nur dann eintreten, wenn es der Erkenntnistheorie gelungen wäre, das logisch-notwendige Folgen als eine V11.7Gewissheitsquelle sicherzustellen. Nur in diesem Falle wäre die Anwendung logischen Ableitens und Beweisens kein Vergehen gegen die Voraussetzungslosigkeit. Denn dann würden mit einem von der [>12] Erkenntnistheorie selbst gerechtfertigten Mittel die logisch notwendigen Sätze gewonnen sein. Wie sich freilich eine solche V12.1Gewissheitsart ihrerseits voraussetzungslos rechtfertigen lassen solle, ist eine Frage, die hier noch nicht beantwortet werden kann. Die dritte Möglichkeit würde darin bestehen, dass sämtliche [4] Sätze außer der Anfangsfeststellung aus dieser durch logische Ableitung gewonnen würden. Welche dieser drei Möglichkeiten wirklich eintreten wird, kann sich erst später zeigen.
          Dagegen lässt sich schon hier mit voller Bestimmtheit aussprechen, dass innerhalb einer voraussetzungslosen Erkenntnistheorie unmöglich irgend ein wesentliches Glied vorkommen dürfe, das seine Gültigkeit aus irgend einer anderen Wissenschaft oder aus dem Wissen des alltäglichen Lebens herbeizieht. Alle diese Wissensbereiche sind für die Frage, worauf die Gültigkeit der Erkenntnistheorie beruht, einfach nicht vorhanden. Selbst die Logik darf nicht die Grundlage der Erkenntnistheorie bilden. Wenn die Erkenntnistheorie auf ihrem Wege irgend einen Satz ausspricht, der üblicher maßen zu einer anderen Wissenschaft, etwa zur Logik oder zur Psychologie, gerechnet wird, so muss dieser Satz rein nur mit Mitteln, der Erkenntnistheorie gewonnen sein. Das heißt: er muss entweder V12.2rein in sich selbst gewiss sein oder seine V12.3Gewissheit, wie dies soeben dargelegt wurde, in der Form gerechtfertigt-notwendigen Folgens aus einem anderen in der Erkenntnistheorie schon feststehenden Satze besitzen, der seinerseits entweder selbstevident ist oder schließlich zu einem selbstevidenten Satze hinleitet. Der Erkenntnistheoretiker hat dann eben im Rahmen der voraussetzungslosen Erkenntnistheorie eine sonst in eine andere Wissenschaft gehörige Erkenntnis gewonnen."

      S.35: "Der Anfang der Erkenntnistheorie wird so nach nur in Form einer V35.1Gewissheit geschehen können, die nicht die V35.2Gewissheit des Erkennens in dem bezeichneten Sinne dieses Wortes ist. Wie schon im ersten Kapitel (S. 3) auseinandergesetzt wurde, muss der Anfang der voraussetzungslosen Erkenntnistheorie durch eine V35.3Gewissheit ausgezeichnet sein, die den Charakter des Durchsichselbsteinleuchtens trägt. Jetzt muss hinzugefügt werden: die den Anfang der Erkenntnistheorie kennzeichnende unbedingte Selbstevidenz darf weder Allgemeingültigkeit noch Seinsgültigkeit an sich tragen, also nicht als Erkennen im vollen Sinne des Wortes auftreten.
      Manchem wird dadurch etwas Unmögliches, etwas sich in sich selbst Aufhebendes gefordert zu sein scheinen. Zweifellos liegt hier eine große Schwierigkeit vor. Aber mit jener Kennzeichnung des Anfanges der Erkenntnistheorie ist der einzige Weg angegeben, den die voraussetzungslose Erkenntnistheorie, wenn sie überhaupt möglich sein soll, einzuschlagen hat. Alles drängt uns also auf die Frage hin: V35.4gibt es eine schlechtweg durch sich selbst einleuchtende Gewissheit, die doch nicht die V35.5Gewissheit des „Erkennens“ ist? Die nächsten Abschnitte werden auf diese Frage Antwort zu geben haben."

      S.38: "3.1 Erstes Kapitel - Methode der Selbstbesinnung der V38.1Gewissheit
      1. Die Frage nach der Möglichkeit des Erkennens soll voraussetzungslos untersucht werden. ...
      Da scheint sich nun als nächstliegendes und einfachstes Mittel dies darzubieten, daß das Denken seine Selbstevidenz zum Grund- und Eckstein des Erkenntnisproblems macht. Indem das Denken sich mit Entschlossenheit in Selbstvollzug setzt, weiß es, daß es sich im Elemente objektiver Gültigkeit bewegt. Das Denken weiß sich mit der Wahrheit identisch. Entweder wird dabei so verfahren, daß das Denken auf gewisse Ergebnisse hinweist, die sich durch unbedingte Gültigkeit auszeichnen (also etwa auf Mathematik und mathematische Naturwissenschaft); oder aber das Denken weist auf seine Gesamtwesenheit hin, die eben in objektiver Gültigkeit bestehe.
      In dem ersten Fall nimmt die Erkenntnistheorie die Gestalt der Kantischen transzendentalen Logik oder irgendeiner jener modernen Umbildungen des Transzendentalismus an, die von der Voraussetzung der Gültigkeit gewisser Wissenschaften ausgehen.
      Kommentar-Volkelt-1918-S38: Denken wird hier falsch als eigenständiges Subjekt gebraucht, eine der schlimmsten wissenschaftstheoretischen Entgleisungen. Allein das zeigt schon, dass Volkelt als Wissenschaftler nicht ernst zu nehmen ist.

      Die begriffliche Unbestimmtheit setzt sich auch in den folgenden Seiten bei vielen Erwähnungen fort. Wenn auf den ersten 50 Seiten Gewissheit nicht geklärt wird, dann gehe ich davon aus, dass es auch in den weiteren Ausführungen nicht mehr geschieht. Daher habe ich die weitere Analyse als sehr wahrscheinlich unergiebig eingestellt.
       
       



    Fundstellen "gewiß" in ihren textuellen Umgebung



    Literatur




    Links (Auswahl: beachte) > Querverweise



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  Wissenschaftlicher  und  weltanschaulicher  Standort.
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    assertorische-Evidenz
    assertorisch:=etwas behaupten. Evidenz:=Offenkundigkeit, Offensichtlichkeit, Augenscheinlichkeit (im Angloamerikanischen eine ganz andere Bedeutung, nämlich: belegt, begründet, beweisorientiert).
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    Epimeleia  Aufmerksamkeit und Sorge für ein gutes Leben.
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    performative-utterances (Austin)
    Sprechhandlungen, die nicht nur sachlich etwas mitteilen, sondern auf eine Wirkung und Veränderung abzielen. [W.engl]
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    Querverweise
    Standort: Volkelt Gewißheit und Wahrheit 1918.
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    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
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