Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=13.10.2018 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: 14.09.21
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie IP-GIPT1, Abteilung Wissenschaft, Bereich Sprache und Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema:

    Begriff, Begriffsanalyse und Gebrauchsbeispiele in der Philosophie

    Originalarbeit von  Rudolf Sponsel, Erlangen

    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen (Überblick).
    Zur Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalyse Begriff.
    Definition Begriff.
    Signierung Begriffe und Begriffsmerkmale (BM).


    Begriff(e) und Gebrauchsbeispiele in der Philosophie

    • Vorbemerkung.
    • Stoa. [s]
    • Aristoteles. [e]
    • Lorenzo Valla (1406-1457). [e]
    • Die Logik von Port Royal (1662). [e]
    • Begriff nach dem philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr (1969). [s]
    • Marxistische Wissenschaftstheorie: Der Begriffsaufbau in der Wissenschaft.
    • Begriff nach Eislers Wörterbuch der Philosophie zitiert nach Zeno.org. [s]
    • Begriff - Kant, Schelling, Fichte, Hegel (nach Eisler)  [m]
    • Begriff nach Kant nach Eislers Kant-Lexikon. [m]
    • Begriff nach Hegel. [ts]
    • Philosophische Begriffsbildung nach Heidegger (2007). [s]
    • Begriff im Woerterbuch der phaenomenologischen Begriffe. [s]
    • Nicolai Hartmann Wissenschaftliche und philosophische Begriffsbildung. [s]
    • Jaspers, Karl (1947) Der Begriff in (276-282) Von der Wahrheit. [s]
    • Abstrakte und allgemeine Begriffe nach Vaihinger. [s]
    • Allgemeine Begriffe nach Vaihinger. [s]
    • Querverweis: Kamlah & Loren: Das Problem des Anfangs.



    Vorbemerkung   > Begriff in Wissenschaftstheorie, Methodologie und Logik
    Die PhilosophInnen fallen seit Jahrtausenden auf, dass sie weitgehend unfähig sind, eine elementare begriffliche Ordnung herzustellen, auf die die DenkerInnen aufbauen könnten. Stattdessen herrscht hier ein einzigartiges Chaos (> Sprachkritik; Beispiel Vorstellungsbegriff) und fast jeder Lehrstuhl, der hinzu kommt, trägt zur Vermehrung bei. Mit Wissenschaft hat dies nicht das geringste zu tun. Hier stimmt etwas Grundlegendes mit der Verfassung der Universitäten nicht. Man sollte all die philosophischen Institute auflösen, die nicht in der Lage oder willens sind, gesichertes Wissen aufeinander aufzubauen und die Geisteslyrik und mystischen Geisterwelten, die eigentlich zur Literaturwissenschaft gehören, zu überwinden. Viele leisten seit Jahrtausenden nicht nur nichts, sie verwirren nur.
        In der Begriffslehre fehlt meist das so wichtige Referenzieren und damit das ganze semiotische Dreieck, um durch einen operationalen Realitätsbezug dem geisteswissenschaftlichen S^3 Syndrom  zu entgehen.

    Status/Stand der Signierungen: e=bislang nur erfasst, m=markiert (), s= signiert (BM...), k=korrigiert, t=teilweise signiert]



    Stoa
    Das Historische Wörterbuch der Philosophie führt aus: "Die Stoa unterschied nun zwischen dem Wort als Zeichen, dem Begriff TBStoa als dem bezeichneten Gedankengehalt und dem damit gemeinten Gegenstand, der als einzelnes eine ‘zufällige’ Existenz hat [2]. Damit wandte sich die Stoa sowohl gegen die platonische Ideenlehre wie gegen die aristotelische Lehre von der den Dingen einer Art gemeinsamen Natur. Die Altgemeinvorstellungen sind weder etwas wirklich Seiendes noch haben sie in den seienden Einzeldingen ein reales Fundament, sondern sie sind künstlich herbeigeführte Verallgemeinerungen. Mit der Lehre, daß nur der Einzelvorstellung ein reales Objekt entspricht, steht jedenfalls der Stoiker wie der Kyniker dem Sensualismus Berkeleys näher als der aristotelischen Universalienlehre. Von der Stoa her wurde das erkenntnistheoretische Grundproblem, die Frage nach dem Verhältnis von Sein und Bewußtsein, zu einem Hauptlhema der Philosophiegeschichte [3]."
        Kommentar: Diese Auffassung entspricht der in diesen Arbeiten herausgearbeiteten BegriffsdefinitionB_NIR (Name, Begriffsinhalt, Referenz).
     


    Aristoteles  [e]
     
    "... Nun müssen diejenigen, 
    welche ihre Gedanken untereinander  austauschen wollen, 
    etwas voneinander verstehen; 
    denn wie könnte denn,
    wenn dies nicht stattfindet,
    ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
    möglich sein? 
    Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
    und etwas, und zwar eins
    und nicht mehreres, bezeichnen;
    hat es mehrere Bedeutungen, 
    so muß man erklären, 
    in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

     Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 (Rowohlts Klassiker 1966)

    Was Aristoteles sagt, ist unzweifelhaft richtig. Er sagt aber nicht, wie das geht oder gemacht werden kann und soll. Es fehlt auch bei Aristoteles das so wichtige Referenzieren und damit das ganze semiotische Dreieck, um durch einen operationalen Realitätsbezug dem geisteswissenschaftlichen S^3 Syndrom  zu entgehen. Aber das Problem der Vieldeutigkeit der Worte beschreibt er sehr eindrucksvoll.
        Die Worte sind die "Kleider" der Begriffe. Verschiedene Menschen werden meist mit den gleichen Worten unterschiedliche Bedeutungen verknüpfen, je nach ihren Erfahrungen, Wissen und Kenntnissen, Interessen und Kommunikationssituationen. D.h., aus der bloßen Tatsache, dass Menschen das gleiche Wort verwenden, kann leider nicht geschlossen werden, dass sie auch den gleichen Begriff meinen. Die Problematik betrifft auch keineswegs nur die Alltagskommunikation, die Geistes- und Sozialwissenschaften, sondern auch die Naturwissenschaften und die Mathematik, wenngleich es gerade bei Begriffen, die psychisches Erleben beschreiben besonders schwierig ist, einen auch nur annähernd gleichen Begriff zu normieren (> nur_empfinden, fühlen, spüren, > Terminologie). [Quelle]


    Lorenzo Valla (1406-1457)  [e]
    Valla, italienischer Humanist und Textkritiker, erkennt den wesentlichen Unterschied zwischen der Sache und ihrem Namen:
     
      "Jede Sache hat den Namen Sache, und auf diese Weise gibt >Sache< die Bedeutung einer Sache an. Das eine wird bezeichnet, das andere ist sein Zeichen - jenes ist nicht-sprachlich, dieses sprachlich. Deshalb kann man definieren: >Sache< ist ein stimmhaftes Wort oder das Wort aller Wörter, in seiner Bedeutung umfassend [...].« S. 111. Quelle Dialecticae disputationes, in:  Otto, Stephan (1994, Hrsg.)  Lorenzo Valla (S. 111-126) in: Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung. Band 3: Renaissance und frühe Neuzeit. Stuttgart: Reclam.


        In dieser Begriffslehre fehlt das so wichtige Referenzieren und damit das ganze semiotische Dreieck, um durch einen operationalen Realitätsbezug dem geisteswissenschaftlichen S^3 Syndrom  zu entgehen.


    Die Logik von Port Royal (1662). [e]

    Begriff heißt in der Logik von Port Royal meist Idee, wie aus der Sachregisterzuordnung der Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (1994) hervorgeht. Man muss also das Wort "Idee" durch "Begriff" ersetzen. In den zwei Definitionsregeln wird aber auch das Wort "Begriff" verwendet.
     
    Idee/Begriff (idée) 15. 27-35
    - allgemeine, universelle, gemeinsame 47. 115
    - individuelle, einzelne 47. 115
    - Klarheit und Deutlichkeit der I.n 60
    - Dunkelheit und Verworrenheit der I.n 60
    - die I.n betreffende Regeln 327
    - I. als Gedankending, ens rationis (z. B. „Goldberg“) 38
    - Inhalt (comprehension) der I. 48. 162
    - Umfang (extension, étendue) der I. 48. 155. 162
    - I. eines Dinges/I. eines Zeichens 41
    - I. „Mensch“/I. „Lebewesen“ 164
    - Nebenideen 90

     

    Im "Kapitel I  Über die Ideen hinsichtlich ihrer Natur oder ihres Ursprungs" heißt es S. 27:
     

      "Das Wort „Idee“ () zählt zu den so klaren Worten, die man nicht durch andere erklären kann, weil es überhaupt keine klareren und einfacheren gibt. Daher ist alles, was getan werden kann, damit man sich hier nicht täuscht, die Herausstellung des falschen Sinns, den man diesem Wort zuschreiben könnte, indem man es einzig und allein auf die auf der Einbildungskraft beruhende Weise des Vorstellens der Dinge beschränkt, die in der Zuwendung unseres Geistes zu den in unserem Gehirn gemalten Bildern besteht. ..."


        Diese Auffassung ist sicher falsch und passt eigentlich gar nicht zu dem überwiegend sehr scharfsinnigen Werk.
    S. 327 führt 8 Regeln für wissenschaftliches Arbeiten aus, wobei die ersten beiden Regeln für die Definition sind:

    "Die auf acht Hauptregeln zurückgeführte Methode der Wissenschaften

    Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß man den im Kapitel II angeführten fünf Regeln noch zwei oder drei hinzufügen muß, damit man über eine Methode verfügt, die noch vollkommener als die von den Mathematikern gebrauchte ist, so daß alle Regeln sich auf acht zurückführen lassen.

        Die zwei ersten Regeln dieser Methode betreffen die Ideen und können auf den ersten Teil dieser Logik bezogen werden.
        Die dritte und die vierte betreffen die Axiome und können auf den zweiten Teil bezogen werden.
        Die fünfte und die sechste betreffen die Schlüsse und können auf den dritten Teil bezogen werden.
        Die zwei letzten betreffen die Ordnung und können auf den vierten Teil bezogen werden.

    Zwei Regeln für die Definitionen:
    1. Keinen der ein wenig dunklen oder mehrdeutigen Begriffe () undefiniert lassen;
    2. In den Definitionen nur vollkommen bekannte oder bereits erläuterte Begriffe ()  verwenden.

    Zwei Regeln für die Axiome:
    3. Nur vollkommen evidente Dinge als Axiome ansetzen;
    4. Das als evident ansehen, was nur geringer Aufmerksamkeit bedarf, um als Wahres erkannt zu werden.

    Zwei Regeln für die Beweise:
    5. Alle ein wenig dunklen Sätze beweisen, indem man zu ihrem Beweis entweder die Definitionen verwendet, die vorausgegangen sind, oder die Axiome, die man uns zugestanden hat, oder die Sätze, die schon bewiesen wurden.
    6. Sich niemals durch die Mehrdeutigkeit der Begriffswörter () irreführen lassen, indem man versäumt, die Definitionen, die sie abgrenzen und sie erläutern, im Geiste einzusetzen.

    Zwei Regeln für die Methode:
    7. Die Dinge soweit als möglich gemäß ihrer natürlichen Ordnung behandeln, indem man bei den allgemeineren und einfacheren be-[>328]ginnt und alles, was zu der Natur der Gattung gehört, erklärt, bevor man zu den besonderen Arten übergeht.
    8. Soweit als möglich jede Gattung in alle ihre Arten, jedes Ganze in alle seine Teile und jede Schwierigkeit in alle ihre Teilaspekte unterteilen.
    In diese beiden Regeln habe ich die Wörter „soweit als möglich“ eingefügt, weil es wahr ist, daß es viele Fälle gibt, in welchen man sie nicht ganz genau befolgen kann, sei es wegen der Schranken des menschlichen Geistes, sei es wegen der Grenzen, die man notgedrungen um jede einzelne Wissenschaft gezogen hat.
        Daher spricht man oft von einer Art, ohne daß man hier alles behandeln könnte, was zur Gattung gehört. In der gewöhnlichen Geometrie behandelt man zum Beispiel den Kreis, ohne besonders auf die Kurve einzugehen, die seine Gattung ist und mit deren bloßer Definition man sich zufriedengibt.
        Man kann ebenfalls nicht eine Gattung erklären, indem man alles, was man über sie sagen könnte, entfaltet, denn ein solches Verfahren würde oft zu langatmig sein. Es genügt jedoch, alles das zu sagen, was man über sie sagen will, bevor man zu den Arten übergeht.
        Ich glaube aber, daß man eine Wissenschaft nie in vollkommener Weise behandeln kann, wenn man diese beiden letzten Regeln nicht ebensosehr wie die anderen beachtet und wenn man sich entschließt, sich über sie nur dann hinwegzusetzen, wenn dies unumgänglich ist oder durch einen großen anderen Vorteil gerechtfertigt erscheint."

        Auch in dem scharfsinnigen Werk der Logik von Port Royal fehlt das so wichtige Referenzieren und damit das ganze semiotische Dreieck, um durch einen operationalen Realitätsbezug dem geisteswissenschaftlichen S^3 Syndrom  zu entgehen.
     



    Begriff nach dem philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr (1969), S. 178ff

    "Begriff (BMDefiniendum)  - gedankliche Widerspiegelung einer Klasse von Individuen oder von Klassen auf der Grundlage ihrer invarianten Merkmale, d.h. Eigenschaften oder Beziehungen (BMDefiniens). Der Begriff (BMGERD)  stellt neben der >Aussage das Grundelement jeglichen rationalen Denkens dar. Während die Aussage Widerspiegelung eines Sachverhalts ist, bilden die Begriffe (BMmerkm)  die einzelnen Strukturelemente der Sachverhalte (Individuen, Eigenschaften, Beziehungen usw.) ab. So wie die Aussage ihre sprachliche Existenzform im Aussagesatz findet, hat der Begriff (BMName) die seine im Wort. Es kann sich dabei um ein einzelnes Wort - z. B. «Widerspruch» - oder um eine Folge von Wörtern handeln, die keinen selbständigen Satz bildet - z. B. «dialektischer Widerspruch», «Widerspruch, der den Charakter und die Entwicklung einer gegebenen Erscheinung bestimmt».
    Aus semiotischer Sicht (>Semiotik) kann der Begriff (BMAKgbW)  als Abstraktionsklasse gleichbedeutender Wörter definiert werden. Die Beziehung zwischenBegriff (BMBBW)  und Wort ist nicht eindeutig. Verschiedene Wörter können Existenzform des gleichen Begriffs (BMBBW)  sein (Synonymie). Ein und dasselbe Wort kann aber auch verschiedene Begriffe (BMBBW)  bedeuten (Homonymie). In einer exakten wissenschaftlichen Terminologie muß die umkehrbar eindeutige Zuordnung von Begriff (BMBBW)  und Wort gefordert werden.
    Begriffe (BMinhalt) haben einen Inhalt (Intension intensional) und einen Umfang (Extension extensional). Der Begriffsumfang (BMumfang) widerspiegelt die Klasse von Individuen usw., auf die der Begriff (BMumfang)  zutrifft. Der Begriffsinhalt (BMinhalt)  hingegen widerspiegelt den Komplex der Merkmale, der allen im entsprechenden Begriffsumfang (BMumfang)  widergespiegelten Dingen gemeinsam ist.
    Die moderne formale Logik, die sich auf die Untersuchung der extensionalen Beziehungen beschränkt, betrachtet den Begriff (BMumfang)  in erster Linie von der Seite seines Umfangs her. Die Beziehung des Begriffs (BMBBW) zur Aussage ergibt sich in dieser Sicht als Aussagefunktion (Satzfunktion usw.). Der Gedanke, die Begriffe (BMfunktion)  als eine spezielle Klasse von Funktionen zu behandeln, stammt von FREGE. Dieser Auffassung entsprechen die nachstehenden Schreibweisen:

    xeB
     B(x).
    Sie drücken in abstrakter Weise die Dialektik des Allgemeinen und Einzelnen aus. Die Klasse B bzw. das Prädikat B existieren nicht an und für sich, sondern nur vermöge der Individuen x, die Elemente der Klasse bzw. der Individuen x, die die Eigenschaft B haben, sind. Das Allgemeine existiert also nur im Einzelnen. Das Auftreten von Variablen repräsentiert die Allgemeinheit des Begriffs (BMallgB) .
    Unter diesem Aspekt läßt sich sowohl die Auffassung des objektiven Idealismus als auch die nominalistische These über das Wesen des Begriffs (BMWesB)  zurückweisen. Der objektive Idealismus sieht im Begriff (BMplato)  abstrakte geistige Wesenheiten (Ideen), die an und für sich existieren und deren Verhältnis zu den konkreten einzelnen Dingen darin besteht, daß diese Dinge an den durch den Begriff (BMplato)  repräsentierten geistigen Wesenheiten teilhaben. Der Nominalismus hingegen betrachtet den Begriff (BMnom)  im wesentlichen als Wort. Er streitet ihm die Allgemeinheit und Eigenständigkeit ab. Für ihn sind Wörter, die er mit Begriffen ()  gleichsetzt, im wesentlichen nur Zusammenfassungen von individuellen Dingen (denn nur solche existieren nach der These des Nominalismus wirklich). In obiger Sicht ist die Auffassung des objektiven Idealismus eine zusätzliche überflüssige Hypothese, die des Nominalismus hingegen läßt sich widerspruchsfrei nicht durchführen. Auch jedes Wort ist ja letztlich zunächst ein individuelles Wort. Man kann nicht ein und dasselbe Wort zur Bezeichnung verschiedener Dinge benützen, da es jedes Wort eben nur einmal gibt. Der Nominalismus muß zur Durchführung seiner These - entgegen seinen Grundvoraussetzungen - ein Allgemeines auf der Ebene der Sprache annehmen. Häufig wird die These vertreten, daß der Begriff (BMWesen) das Wesen der Dinge erfasse. Man kann nun aber auch Klassen von Dingen mit Hilfe eines Begriffs (BMmerkm)  konstituieren, bei denen sich die Elemente der betreffenden Klasse nur in unwesentlichen Merkmalen gleichen. Allgemeiner und exakter ist deshalb die Definition des Begriffs (BMIFinv)  als ideeller Fixierung von Invarianzen. Der Begriff (BMIFinv)  erfaßt in einer Klasse von Individuen oder Klassen das, was beim Übergang von einem Element der Klasse zu einem anderen Element invariant bleibt und in diesem Sinne wesentlich (BMWesen) ist. Diese Auffassung entspricht auch der in der Mathematik üblichen, die das exakteste Begriffssystem (BMBBnNameMathe)  aufzuweisen hat. Begriffe (BMIFinv)  bilden heißt dergestalt Invarianzen aufsuchen.
    Zwischen den Begriffen (BMBzB) können mannigfache Beziehungen bestehen. Die formallogische Seite dieser Beziehungen wird im Rahmen der modernen Logik von der Prädikatenlogik untersucht. Die Entstehung, Entwicklung, Veränderung der Begriffe (BMEWGB) , die in den Begriffen verankerten dialektischen Widersprüche bilden ein Gebiet der dialektischen Logik. ... ..."
     



    Marxistische Wissenschaftstheorie: Der Begriffsaufbau in der Wissenschaft.



    Begriff nach Eislers Wörterbuch der Philosophie zitiert nach Zeno.org (Abruf 12.09.18)

    "Begriff (BMDefiniendum)  (logos, horos, ennoia, conceptus, notio, terminus, idea) ist das, was wir unter einem Namen begreifen, zusammenfassen, die isolierte Fixierung, Verwendung eines bestimmten Bewußtseinsinhaltes, der Inbegriff aller Merkmale, die wir als das Wesen einer Sache bestimmend, konstituierend in einer Reihe von Urteilen aussagen können, so daß der Begriff (BMDefiniens) die Potenz zu einer Reihe von Urteilen bedeutet, in denen er allein lebendig ist. Der logische Begriff (BMLogB)  unterscheidet sich vom psychologischen (BMPsyB) durch die volle Bestimmtheit (BMpraez), Präzision seines Inhaltes (BMpraez). Dieser besteht in dem Konstanten (BMMetaM), Allgemeinen (BMMetaM), Charakteristischen (BMMetaM), Typischen (BMMetaM), Objektiven einer Reihe von Vorstellungen desselben Gegenstandes (BMMetaM), das durch die aktive Apperzeption (s. d.) erfaßt, festgehalten, herausgehoben, abstrahiert wird und das vom Gesichtspunkt der Betrachtung abhängig ist (BMpersp)   Der Begriff (BMPsyB)  ist als solcher ein Product des Denkens, ein Niederschlag von Urteilen, hat aber seinen Stoff, sein Fundament im konkreten Erleben, in der Erfahrung, bestehe diese auch nur in einem Postulate (s. d.) des Denkens oder Wollens. Vertreten wird der Begriff () durch eine »repräsentative« Vorstellung sinnlichen Inhalts (konkreter Begriff (BMMetaM; BMPsyB) , s. d.) oder symbolischer Art (abstrakter Begriff (BMabstr) , s. d.), wobei ein »Begriffsgefühl« (BMMetaM; BMPsyB)  (Begriffsbewußtsein) (BMMetaM; BMPsyB)  auftritt, d.h. das Bewußtsein, daß die Individualvorstellung eine ganze Klasse vertritt. Es sind Individual- (BMindivB; BMMetaM) und Allgemein-(Gattungs-)Begriffe  (BMallgB; BMMetaM) (s. d.) zu unterscheiden. Inhalt (s. d.) eines Begriffes (BMinhalt)  ist das Ganze des von ihm zu einer Einheit Zusammengefaßten, Umfang (s. d.) des Begriffes (BMumfang)  die Reihe der Objekte (Vorstellungen), auf die er sich bezieht oder Anwendung findet. Die begriffliche Erkenntnisart unterscheidet sich von der anschaulichen, unmittelbaren dadurch, daß sie den Inhalt der Erlebnisse zu abstrakten Symbolen der Dinge verarbeitet. Ursprung und Wert der Begriffe (BMTheNam)  werden anders vom Rationalismus (s. d.), anders vom Empirismus (s. d.) und Sensualismus (s. d.), anders vom Dogmatismus (s. d.) und Kritizismus (s. d.) aufgefaßt. Von »angeborenen« (s. d.) Begriffen (BMangeb) spricht man nicht mehr wissenschaftlich.
        Begriff   - Heraklit  (BMTheNamHeraklit) , Platon (BMTheNamPlaton) , Aristoteles (BMTheNamAristoteles)
    Die Lehre, daß der Begriff im Gegensatze zur Sinneswahrnehmung das Wesen (An-sich) der Dinge erfaßt, bestimmt, daß er die eigentliche Form der Erkenntnis ist, durchzieht die ganze Geschichte der Philosophie, nicht ohne Widerspruch seitens verschiedener Denkrichtungen. Schon HERAKLIT, die Eleaten, DEMOKRIT (s. Erkenntnis) werten das begriffliche Erkennen so. SOKRATES erst betont vollbewußt die fundamentale Bedeutung des Begrifflichen für Wissenschaft und Ethik (BMfBWis),  (BMTheNamSokrates) . Das logische Verfahren besteht darin, das Was der Dinge (ti hekaston eiê), das Konstante, Allgemeingültige, durch »Induktion« (s. d.), auf dem Wege des Zusammendenkens, der Unterredung zu bestimmen. So gelangt man zum Wesen, Sein der Dinge und überwindet den sophistischen Skeptizismus und Subjektivismus (s. d.) (vgl. ARISTOTELES, Met. I, 6, XIII, 4; XENOPHON, Memor. I, 1, 16, IV, 6, 1). PLATO baut auf dieser Lehre weiter. Im Begriffe ()  wird das gemeinsame Was einer Gattung von Dingen, ihr Wesen, ihr wahres, objektives, ihr An-sich-sein, ihr Unwandelbares (aei on), ihre Idee (s. d.) erkannt (Lach. 191 E, Meno 72, Phaedr. 238 D, Phaedo 65 D etc.). Der Begriff (BMMetaM)  setzt Einheit, Bestimmtheit in die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen (Phil. 23 E, 26 D). Die Begriffe (BMPsyB), (BMfragl), (BMTheOnS)  beruhen auf der Gesetzmäßigkeit des Denkens (s. d.). Nur das begrifflich Bestimmbare ist Object des Wissens(BMwissen) (hôn men mê esti logos, ouk epistêta einai,, Theaet. 201 D). Auch ARISTOTELES lehrt, der Begriff (BMWesen)  (logos) gehe auf das Wesen der Dinge (ho logos tên ousian horizei, De part. an. IV, 5). Er hat zum Gegenstande das to ti ên einai (s. d.), die Wesenheit des Dinges (De an. II 1, 412 b 16), die Form (s. d.) desselben (l.c. 414 a 9, I 1, 403 b 2). Der Begriff (BMTheNamAristoteles)  ist zeitlos, unwandelbar (BMfragl), er gilt oder gilt nicht, hat aber kein Werden tou de logou ouk estin houtôs hôste phtheiresthai oude gar genesis...,all' aneu geneseôs kai phthoras eisi kai ouk eisin (Met. VII 15, 1039 b 24 squ.). Es gibt einen allgemeinen (BMallgB) (koinos logos) und Einzelbegriff  (BMindivB) (idios logos) (De an. II 1, 412 a 5, II 3, 414 b 23). »Materieller« Begriff  (BMmatB)  (logos hylinos) ist der im Objekte steckende Begriff (BMmatB) , den das Denken heraushebt (De an. I 1, 403 a 25). Begriff (BMdiff) und Vorstellung (phantasia) sind zu unterscheiden (De an. III 3, 428 a 24). Psychologisch geht der Begriff (BMPsyB)  (noêma) aus der Verarbeitung der Erfahrung durch den Intellect hervor (De memor. 1; Anal. post. II, 9, 1). Die Stoiker glauben wiederum, daß erst das begriffliche Denken (BMwahrE) wahre Erkenntnis verschafft (CICERO, Acad. II, 7). Von besonderer Wichtigkeit sind die prolêpseis (s. d.) und koinai ennoiai (»notitiae communes« bei CICERO), die von allen auf gleiche Weise ursprünglich erworben, wenn auch nicht angeboren sind (vgl. STEIN, Psych. d. Stoa II, 238). Die Begriffe (BMEWGB)  (ennoiai) entstehen aus der Wahrnehmung und Erfahrung (BMTheoEmp) (s. d.), entweder natürlich-psychologisch (physikôs, anepitechnêtôs) oder wissenschaftlich-bewußt, planmäßig (di' hêmeteras didaskalias kai epimeleias, Plac. IV, 11, Dox. 400; »aut usu - aut coniunctione aut similitudine aut collatione« CICERO, De fin. III, 33). Nach EPIKUR entspringt jeder Begriff (BMEWGB)  aus der Wahrnehmung (BMTheoEmp), ist sinnlichen Ursprungs (pas logos apo tôn aisthêseôn êrtetai, Diog. L. X, 32; hai epinoiai pasai apo tôn aisthêseôn gegonasi kata te periptôsin kai analogian kai homoiotêta kai synthesin, ib. ennoêma de esti phantasma dianoias, oute to on oute poion, hôsanei de ti on kai hôsanei poion, l.c. VII, 1, 61). Die prolêpsis (s. d.) ist eine Allgemeinvorstellung. PLOTIN bestimmt die »Begriffe« (BMTheNamPlotin)  (logoi) als geistige Kraftformen der Dinge, als plastische, schöpferische Wesenheiten (BMWesen), die sich in den sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen manifestieren und in unserem Denken zum Bewußtsein kommen (Enn. II, 6). Die »materiellen« Begriffe (BMmatB)  (logoi hylinoi) sind die Begriffe (BMfragl) , wie sie durch das Stoffliche, in dem sie wirken, verunreinigt sind (Enn. I, 8, 8). Auch BOËTHIUS glaubt, daß die Dinge gewisse Begriffe (BMmatB), (BMTheNamBoethius)  verkörpern (Consol. V)."
    _
    Begriff - Kant, Schelling, Fichte, Hegel (nach Eisler)  [m]
    "KANT scheidet scharf zwischen Begriff () und Anschauung (s. d.). Ersterer ist »eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung, sofern sie in verschiedenen enthalten sein kann« (Log. S. 139). An jedem Begriffe ()  sind Materie und Form zu unterscheiden (l.c. S. 140). Es gibt empirische (BMemp) und reine Begriffe (BMrein), letztere entspringen auch dem Inhalte nach aus dem Denken (ib.). Der empirische Begriff, »entspringt aus den Sinnen durch Vergleichung der Gegenstände der Erfahrung und erhält durch den Verstand bloß die Form der Allgemeinheit« (l.c. S. 141). Es gibt »gegebene (conceptus dati) oder gemachte Begriffe () (conceptus factitii). Die ersteren sind entweder a priori oder a posteriori gegeben« (ib.). Die Begriffe () entstehen durch »Komparation«, »Reflexion« und »Abstraktion« (l.c. S. 145). Anschauung und Begriff () sind »der Spezies nach ganz verschiedene Vorstellungsarten« (Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 120). Begriffe () sind Produkte oder »Funktionen« des Verstandes (s. d.), der Spontaneität (s. d.) des Denkens, die sich auf die Gegenstände nur mittelst der Anschauung, nicht unmittelbar richten (Kr. d. r. Vern. S. 88). Sie sind ohne Inhalt »leer«, wie Anschauungen ohne Begriffe () »blind« sind (l.c. S. 77). Die »reinen« Begriffe () (Kategorien, s. d.) können nichts Empirisches enthalten, »müssen aber gleichwohl lauter Bedingungen a priori zu einer möglichen Erfahrung sein« (l.c. S. 113). Begriffe () sind Bestandteile möglicher Urteile. Nach REINHOLD ist der Begriff () eine »Vorstellung, welche aus einer Anschauung durch die Handlungsweise der Spontaneität entsteht« (Th. d. Vorst. II, 425). BECK versteht unter Begriff () ein »Beilegen gewisser Bestimmungen, wodurch wir einen Beziehungspunkt uns fixieren« (Erl. III, 141). Nach KIESEWETTER ist ein Begriff () »die Vorstellung, welche mehrere Vorstellungen unter sich begreift, oder wodurch mehrere Vorstellungen als eine in einer Einheit verbunden gedacht werden« (Gr. d. Log. § 12, vgl. § 17). CHR. SCHMID nennt Begriff () eine Vorstellung »mit Rücksicht auf die bestimmte Art der Tätigkeit, die das Gemüt an dem gegebenen Stoff ausübt, wie das Gemüt den Stoff behandelt, nämlich ihn zu verbinden (begreifen)« (Emp. Psych. S. 199). G. E. SCHULZE versteht unter Begriffen () »allgemeine oder gemeinsame« Vorstellungen, indem sie das vorstellen, was »mehrere Dinge als Bestimmungen miteinander gemein haben« (Gr. d. allg. Log.3, S. 3). Nach FRIES entstehen die Begriffe () »durch Vergleichung und Abstraction, indem wir einzelne Teilvorstellungen aus einer ganzen Erkenntnis heraus trennen« (N. Kritik I, 210). »Jeder Begriff enthält ein abgesondertes Bewußtsein einer allgemeinen Vorstellung. Seine Form besteht in der Allgemeinheit der Vorstellung, das heißt darin, daß mehrere andere Vorstellungen, denen er als Teilvorstellung zukommt, unter ihm stehen, er aber andere, die seine Teilvorstellungen sind, in sich enthält« (Syst. d. Log. S. 105). Nach SCHELLING ist der Begriff () ein Denkakt (Syst. d. tr. Id. S. 45). Er ist nicht das Allgemeine, sondern »die Regel, das Einschränkende, das Bestimmende der Anschauung« (l.c. S. 286). »Die Begriffe () als solche existieren... nirgends als im Bewußtsein« (WW. I, 10, 140). Nach SCHOPENHAUER ist der Begriff () »Vorstellung einer Vorstellung« (W. a. W. u. V. Bd. I, § 9), keine eigentliche Vorstellung, sondern hat sein Wesen in der Beziehung auf Vorstellungen. Es gibt auch Begriffe von Einzeldingen (ib.). Die Begriffe () bilden »eine eigentümliche, von den... anschaulichen Vorstellungen toto genere verschiedene Klasse, die allein im Geiste des Menschen vorhanden ist« (ib.). Nach HILLEBRAND ist der Begriff () »die freie Zusammennahme der einzelnen endlich-bestimmten Vorstellungen und Beziehungen in uns unter der Einheit des allgemeinen Wesens« (Phil. d. Geist. I, 206). GÜNTHER versteht unter Begriff () den Gedanken von dem Allgemeinen der Erscheinungen (Vorsch. I, 236).
        Nach J. G. FICHTE ist der Begriff (), »wenn er nur ein der Vernunft notwendiger ist, selbst das Ding, und das Ding nichts anderes als der notwendige Begriff () von ihm« (Syst. d. Sittenl. S. 83). HEGEL hypostasiert den Begriff (), macht ihn zum Wesen und treibenden Faktor der Dinge; der logische, subjektive Begriff () ist eine Entwicklung des natürlichen Begriffes (), der in einem ewigen »Prozeß« (s. d.) besteht, Aktivität, Schöpferkraft besitzt und in dialektischer Weise (s. d.) jedesmal seinen Gegensatz erzeugt, um sich mit diesem in einer höheren Einheit zu verbinden, »aufzuheben«. Der Begriff () ist »nicht bloß eine subjektive Vorstellung, sondern das 'Wesen' des Dinges selbst, dessen 'An-sich'« (Phän. S. 68), die »an sich seiende Sache« (Log. I, 21). Als Gedanke ist er in der Vernunft als dem »Ort aller Begriffe ()« (Encykl. § 105), dieser ist er als »lebendiger Trieb« angeboren; er ist »zeitlos« (l.c. § 108). Das »Sein« bildet ein Moment des Begriffs () (l.c. § 154). Auf dem Begriffe () beruht alle Wahrheit und Wirklichkeit (l.c. § 157). Er ist die »Freiheit und Wahrheit der Substanz«, die »Wahrheit des Seins und des Wesens«, »das Freie, die Totalität, in dem jedes der Momente das Ganze ist, das er ist, das an und für sich Bestimmte«, das »schlechthin Konkrete« (l.c. §. 158-164). In der Natur (s. d.) ist der Begriff nur ein »blinder« (Log. III, 20). Erst im Leben als Seele kommt er zur innerlichen Existenz (Naturphil. S. 30). Nur als »Gesetztes« ist der Begriff () ein »Subjektives«, ein »formeller« Begriff () (Log. S. 32). Als »adäquater« Begriff () ist er »die Vernunft, die sich selbst enthüllende Wahrheit« (l.c. S. 33). In der Wirklichkeit wie im Denken entwickelt sich der Begriff () »in unaufhaltsamem, von außen nichts hereinnehmendem Gange« (l.c. I, 41). Der Begriff () entwickelt sich aus dem »An-sich« (s. d.) durch die Natur (s. d.) hindurch zum An-und-für-sich, zum selbstbewußten Begriff (), zum absoluten Geist (s. d.)."



    Begriff nach Eislers Kant-Lexikon  [t]
    "Begriff (BMDefiniendum). Begriffe sind Produkte des Verstandes (s. d.), Funktionen der Spontaneität (Selbsttätigkeit) desselben. Sie sind Einheiten, unter die verschiedene, zusammengehörende Vorstellungen untergeordnet werden, sie bestimmen die Regel dieser Zusammenfassung zur Einheit. Sie sind Elemente des Urteils (s. d.), Prädikate möglicher Urteile. Ohne Anschauung (s. d.) sind sie aber "leer", haben sie keinen Gegenstand; die Anschauung ohne Begriffe () wiederum ist "blind", enthält nichts objektiv Bestimmtes, nur die Daten zu einer Bestimmung, die vom Denken ausgehen muß. Anschauung und Begriff () zusammen ergeben erst eine objektive Erkenntnis. Von dem "empirischen" sind die "reinen" (apriorischen) Begriffe () zu unterscheiden; letztere, die "reinen Verstandesbegriffe" (), enthalten nur die Form des Denkens eines Gegenstandes, die Bedingung zur Möglichkeit der Erfahrung (vgl. Kategorien); sie bedürfen zur Anwendung auf die Anschauung der "Schemata" (s. d.). Aus bloßen Begriffen () läßt sich nichts über die Existenz (s. d.) von Dingen ausmachen (gegen den Ontologismus). Auch die reinen Verstandesbegriffe () dienen nur zur Verarbeitung des Anschauungsmaterials zu objektiver Erfahrung und geben Erkenntnis nur von Erscheinungen, nicht von Dingen an sich (wie K. selbst früher glaubte), auch wenn sie noch so "deutlich" sind. Die "reinen Vernunftbegriffe" () oder Ideen () (s. d.) dienen nur zur Vollendung und Systematisierung der Erfahrungserkenntnis, verstatten keinen "transzendenten" Gebrauch, da sie sonst zu Antinomien führen. "Ich sage ...: daß ein deutlicher Begriff () nur durch ein Urteil, ein vollständiger aber nicht anders als durch einen Vernunftschluß möglich sei. Es wird nämlich zu einem deutlichen Begriff ()erfordert, daß ich etwas als ein Merkmal eines Dinges klar erkenne; dieses aber ist ein Urteil." Aber dieses Urteil ist nicht der deutliche Begriff ()selber, sondern "die Handlung, wodurch er wirklich wird". Ein deutlicher Begriff () ist ein solcher, der durch ein Urteil klar ist; ein vollständiger, der durch einen Vernunftschluß deutlich ist, F. Spitzf. § 6 (V 1, 67 f.). ()
        Der Begriff ()  ist die "Einheit des Bewußtseins verschiedener Vorstellungen", Str. d. Fak. 3. Abs. Beschluß (V 4, 162). Er ist das "Bewußtsein der Tätigkeit in Zusammenstellung des Mannigfaltigen der Vorstellung nach einer Regel der Einheit desselben", Anthr. 1. T. § 7 (IV 31). Der Begriff () ist "eine allgemeine (repraesentatio per notas communes) oder reflektierte Vorstellung (repraesentatio discursiva)", Log. § 1 (IV 98). "Der Begriff () ist der Anschauung entgegengesetzt; denn er ist eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung, sofern sie in verschiedenen enthalten sein kann." Nicht der Begriff () selbst kann in allgemeine, besondere, einzelne Begriffe () eingeteilt werden, "nur ihr Gebrauch", ibid. Anmerk. (IV 98). "An jedem Begriff () ist Materie und Form zu unterscheiden. — Die Materie der Begriffe () ist der Gegenstand, die Form derselben die Allgemeinheit", ibid. § 2 (IV 99). "Der Begriff ist entweder ein empirischer oder ein reiner Begriff () (vel empiricus vel intellectualis). — Ein reiner Begriff () ist ein solcher, der nicht von der Erfahrung abgezogen ist, sondern auch dem Inhalte nach aus dem Verstande entspringt." Die Idee (s. d.) ist ein Vernunftb., () deren Gegenstand in der Erfahrung nicht anzutreffen ist, ibid. § 3 (IV 99). "Der empirische Begriff () entspringt aus den Sinnen durch Vergleichung der Gegenstände der Erfahrung und erhält durch den Verstand bloß die Form der Allgemeinheit. — Die Realität dieser Begriffe () beruht auf der wirklichen Erfahrung, woraus sie, ihrem Inhalte nach, geschöpft sind." Ob es "reine Verstandesbegriffe"() (conceptus puri) gibt, die "unabhängig von aller Erfahrung lediglich aus dem Verstande entspringen", muß die Metaphysik untersuchen, ibid. Anmerk. (IV 99). Alle Begriffe () sind "der Materie nach" "entweder gegebene (conceptus dati) oder gemachte Begriffe () (conceptus factitii). — Die ersteren sind entweder a priori oder a posteriori gegeben." Alle empirisch oder a posteriori gegebenen Begriffe () heißen Erfahrungsbegriffe, a priori gegebene Notionen." "Die Form eines Begriffes (), als einer diskursiven Vorstellung, ist jederzeit gemacht", ibid. § 4 (IV 101). "Der Ursprung der Begriffe (), der bloßen Form nach, beruht auf Reflexion und auf Abstraktion von dem Unterschiede der Dinge, die durch eine gewisse Vorstellung bezeichnet sind", ibid. § 5 (IV 101). — Die logischen Verstandesakte, durch welche Begriffe () erzeugt werden, sind "1. die Komparation, d. i. die Vergleichung der Vorstellungen untereinander im Verhältnisse zur Einheit des Bewußtseins", "2. die Reflexion, d. i. die Überlegung, wie verschiedene Vorstellungen in einem Bewußtsein begriffen sein können" und "3. die Abstraktion oder die Absonderung alles übrigen, worin die gegebenen Vorstellungen sich unterscheiden", ibid. § 6 (IV 102). Die Abstraktion ist nur die negative, die Komparation und Reflexion die positive Bedingung der Begriffsbildung (). "Denn durchs Abstrahieren wird kein Begriff (); — die Abstraktion vollendet ihn nur und schließt ihn in seine bestimmten Grenzen ein", ibid. Anmerk. 3 (IV 103). — "Ein jeder Begriff (), als Teilbegriff (), ist in der Vorstellung der Dinge enthalten; als Erkenntnisgrund, d. i. als Merkmal sind diese Dinge unter ihm enthalten. — In der ersteren Rücksicht hat jeder Begriff () einen Inhalt; in der andern einen Umfang", ibid. § 7 (IV 104). Die "Allgemeinheit oder Allgemeingültigkeit" des Begriffes () beruht "nicht darauf, daß der Begriff () ein Teilbegriff (), sondern daß er ein Erkenntnisgrund ist", ibid. Anmerk. (IV 104).
        Ohne Begriff () wird der Gegenstand zwar "gegeben" (s. d.), aber nicht "gedacht", ohne Anschauung (s. d.) wird gedacht, aber ist kein Gegenstand gegeben. Zu einer Erkenntnis (s. d.) ist nötig die "Darstellung (exhibitio) des Objekts" durch Beleg des Begriffs () mit einer Anschauung (vgl. Konstruktion). Die "Möglichkeit" eines Begriffs () (Gedankens) beruht auf dem Satze des Widerspruchs ("logische" Möglichkeit), die des Gegenstandes des Begriffes () ("reale" Möglichkeit) und damit die "objektive Realität" des Begriffs () beruht auf der "Darstellung" des dem Begriffe () korrespondierenden Objekts, Fortschr. d. Metaph. Beilage I, 2. Abs. (V 3. 157).
        "Der Unterschied zwischen der Verbindung der Vorstellungen in einem Begriff () und der in einem Urteil, z. B. der schwarze Mensch und der Mensch ist schwarz (mit anderen Worten: der Mensch, der schwarz ist, und der Mensch ist schwarz), liegt meiner Meinung nach darin, daß im ersteren ein Begriff () als bestimmt, im zweiten die Handlung meines Bestimmens dieses Begriffs () gedacht wird. Daher haben Sie ganz recht, zu sagen, daß in dem zusammengesetzten Begriff () die Einheit des Bewußtseins, als subjektiv gegeben, in der Zusammensetzung der Begriffe () aber die Einheit des Bewußtseins, als objektiv gemacht, d. i. im ersteren der Mensch bloß als schwarz gedacht (problematisch vorgestellt), im zweiten als ein solcher erkannt werden soll", An J. S. Beck, 3. Juli 1792. "Viele Begriffe () entspringen durch geheime und dunkle Schlüsse bei Gelegenheit der Erfahrungen und pflanzen sich nachher auf andere fort, ohne Bewußtsein der Erfahrung selbst oder des Schlusses, welcher den Begriff () über dieselbe errichtet hat. Solche Begriffe () kann man erschlichene nennen. Dergleichen sind viele, die zum Teil nichts als ein Wahn der Einbildung, zum Teil auch wahr sind, indem auch dunkle Schlüsse nicht immer irren", Träume 1. T. 1. H. 1. Anm. (V2, 6).
        Nur in Vereinigung mit (reiner oder empirischer) Anschauung (s. d.) geben Begriffe () Erkenntnis (s. d.). Begriffe () ohne ihnen korrespondierende Anschauung, "Gedanken ohne Inhalt" sind "leer", "Anschauungen ohne Begriffe" sind "blind". "Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe () sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen) als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe () zu bringen)", KrV tr. Log. Einl. I (I 106 f.—Rc 125 f.). Es gibt "empirische" () und "reine Begriffe" (). Der "reine Begriff ()" enthält nur "die Form des Denkens eines Gegenstandes überhaupt", ibid. vgl. Kategorie. — Anschauungen beruhen auf "Affektionen", Begriffe () auf "Funktionen" d. h. auf einer "Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen". "Begriffe () gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens". Von diesen Begriffen () kann nun der Verstand keinen anderen Gebrauch machen, als daß er "dadurch urteilt". Da keine Vorstellung anders als durch Anschauung unmittelbar auf einen Gegenstand geht, "so wird ein Begriff () niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgendeine andere Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff ()) bezogen". In jedem Urteil (s. d.) ist "ein Begriff (), der für viele gilt, und unter diesem Vielen auch eine gegebene Vorstellung begreift, welche letztere dann auf den Gegenstand unmittelbar bezogen wird". Begriffe () beziehen sich, als "Prädikate möglicher Urteile", auf irgend eine Vorstellung von einem , "noch unbestimmten Gegenstande", KrV tr. Anal. 1. B. 1. H. 1. Abs. (I 120 f.—Rc 139 f.).
        Die Begriffe () sind "Vorstellungen, die zu möglichen Urteilen zubereitet sind, indem sie etwas überhaupt, was gegeben worden, als durch ein Prädikat erkennbar vorstellen", N 5923. "Es gibt reine Begriffe () der Anschauung, willkürliche der Erdichtung und allgemeine der Vernunft. Ein Begriff (), der nicht als ein Eindruck der Sinne kann angesehen werden, ist rein", N 3965; vgl. 3974—3988, 3957. Vgl. Denken, Urteil, Verstand, Kategorie, Apriori, Dogmatisch, Philosophie, Metaphysik, Angeboren, Schema, Rekognition, Ich, Idee."
        Quelle: Eisler, Rudolf (1931) Kant-Lexikon: https://www.textlog.de/31963.html



    Begriff nach Hegel  [ts]
    Hegel scheint an einem naiv-unkritischen Sprachverständnis zu leiden und definiert seine Begriffe nicht, so dass seine Texte mehr mit Geisteslyrik zu tun haben als mit Wissenschaft. Ich habe zwei Beispiel-Textstellen zur Begrifflichkeit daher auf die Seite  Sprachkritik  verlagert.



    Heidegger, Martin (2007) Theorie der philosophischen Begriffsbildung   [s]
    Aus S.3-9: Heidegger, Martin (2007) Gesamtausgabe /59: Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks: Theorie der philosophischen Begriffsbildung. Ausgabe: 2., durchges. Aufl..: Frankfurt aM: Klostermann.
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    "EINLEITUNG
    Die Problemlage der Philosophie
    § 1. Die Funktion einer »Theorie der philosophischen Begriffsbildung«  (BMphilosB)  in der Phänomenologie

    Das Thema macht den Eindruck eines Spezialproblems und erscheint als bewußtes Zugeständnis an die heute modemäßig vielbekämpfte Spezialistik. Die nächstgegebene Auffassung läge noch in der Meinung, es handle sich um spezifisch ästhetische Probleme, gar mit besonderer Beziehung auf expressionistische Kunst. Das Herumrätseln wäre auch nur scheinbar beruhigt, wenn ich versuchen wollte, gleich zu Anfang der Reihe nach die Bedeutung der Worte »Phänomenologie«, »Anschauung« und »Ausdruck« zu »erklären«. Das würde zu gewissen Sätzen und Bestimmungen führen, die nur täuschungsweise ein  echtes Verstehen  gewährleisteten. Allenfalls könnte das Haftenbleiben an Worten noch begünstigt werden. Daß es auf diese Weise in der Philosophie überhaupt nicht geht, soll ja gerade in diesen Betrachtungen mitgezeigt werden. Es gibt aber doch Wege, unter Absehen von festen Definitionen auf den Fragepunkt hinzuleiten. Das in einer konkreten, die Prinzipienfragen der Philosophie mitbeachtenden Weise durchzuführen, ist das vorläufige und alleinige Ziel der folgenden Überlegungen.
        Der Untertitel »Theorie der philosophischen Begriffsbildung« (BMphilosB)  zeigt an, daß die Aufgabe doch ins Prinzipielle zielt, wenn man auch den Verdacht nicht los wird, daß es sich auch so noch um eine mehr abgelegene Aufgabe handelt, die dazu gerade heute einer besonders scharfen Opposition begegnen muß. Sofern die Absicht besteht, schrittweise aus der gegenwärtigen philosophischen Gesamtsituation heraus und am Leitfaden ih[>4]rer typischen Problemgestaltungen in den Problemzusammenhang hineinzuführen, wird es notwendig, erst einmal die Widerstände anzuzeigen, die sich der erstmaligen, rohen Annäherung an das gesuchte Problem entgegenstellen.
        Zunächst möchte man eine solche Theorie der philosophischen Begriffsbildung (BMphilosB)  für reichlich verfrüht halten von der plausiblen Beziehung aus, die jede so geartete Theorie offenbar zur Philosophie selbst haben muß. Eine Philosophie muß zuvor eine bestimmte Stufe (BMEntNiv), (BMBKrit-) der begrifflich-thematischen Ausprägung und der systematischen Vollendung (BMEntNiv), (BMBKrit-) erreicht haben, um an ihr gleichsam die Struktur ihrer Begriffe (BMBstruk)  und die Methode der Begriffsbildung (BMBB)  ablesen zu lassen.

       
      Zwischen-Kommentar: Hier werden zwei Kriterien genannt, die einer philosophischen Begriffsbestimmung nach Heidegger vorausgehen müssen: (1) bestimmte Stufe, (2) systematische Vollendung. Im übernächsten Abschnitt wird (3) von einem "eindeutigen Faktum" als weitere Voraussetzung gesprochen.
        Sofern wir aber der Überzeugung sind, wirklich zu philosophieren, und d. h. immer an einer Neugestaltung der Philosophie zu arbeiten, muß auch gleichzeitig zugestanden werden, daß der konkrete Strukturzusammenhang der Philosophie in der vollgenügenden Totalität seiner Grundlinien nicht entfernt gewonnen und sonach die darauf notwendig bezogene Theorie der Begriffsbildung (BMBB)  überhaupt noch nicht in Angriff zu nehmen ist.
        Das eindeutige Faktum (BMBKrit-) der Philosophie in konkreter Ausgestaltung ist Voraussetzung für eine mögliche Erforschung ihrer Struktur. Diese notwendige Abhängigkeit aller sogerichteten Strukturforschung von dem jeweiligen Voraufgang und faktischen Verfügbarsein der Konkretion der Wissenschaft läßt sich an der Kantischen Philosophie und ihren heute wieder und schon seit einem halben Jahrhundert vielberedeten »Lücken« zur Einsicht bringen. Im System der Kantischen Philosophie fehlt, so sagt man, einmal die systematische — der Kritik der Naturerkenntnis analoge — Herausstellung der apriorisch-transzendentalen Möglichkeitsbedingungen der Geisteswissenschaften, im besonderen der Geschichtswissenschaft; zur Zeit Kants gab es keine ausgebildeten historischen Geisteswissenschaften. Desgleichen fehlt eine ursprüngliche, reine Erforschung des selbständigen Apriori der Religion, weil Kant diese [>5] nicht als ein ursprüngliches Phänomen kannte, sie vielmehr in die Moral einbezog.
        Bezüglich der Philosophie selbst und der Aufgabe einer auf sie selbst zurückgerichteten wissenschaftstheoretischen Betrachtung möchte man aber doch einen Ausweg finden. Denn wenn auch eine auf die Tendenzen, Ansätze und ersten grundlegenden Schöpfungen bezogene Theorie notwendig ins Schwankende, Fließende greifen müßte, könnte man sie doch als möglich verständlich zu machen versuchen durch ein Verweisen an die Geschichte der Philosophie. Deren Reichtum an konkreten unsterblichen Leistungen ist auch bei einer Beschränkung auf die Philosophen ersten und unbestrittenen Ranges unbestreitbar, und zwar gerade für eine Philosophie, die von epigonenhafter bloßer Übernahme von Standpunkten und Systemen aus der Geschichte wegdrängt und zu radikaler Fragestellung hindrängt, und die gerade in diesem Freiwerden-wollen von einer unechten, nichtursprünglich zugeeigneten Tradition dem Bestand dessen, was sie »abbaut«, sich immer verpflichtet weiß, und das nicht zufällig, sondern aus ursprünglich philosophischen Gründen.
        Aber die geschichtliche Vergangenheit — die Schöpfungen der Philosophie, mögen die Werke auch heute noch scheinbar ohne weiteres zugänglich sein — ist kein erratischer Block, den man fest und fertig antrifft und sicher von allen Seiten abtasten kann. Geistesgeschichtliche Vergangenheit wird nur gegenständlich in lebendigem Verstehen. Die historischen Philosophien als Fakta sind es nur in lebendiger philosophischer Erfassung. Die Vergangenheit wächst jeder lebendigen Gegenwart in bestimmter Weise und in gewissen Grenzen neu zu. Die Geistesgeschichte — und alle Geschichte — erhält vom lebendigen, das Verstehen führenden Vorgriff aus ihren Grundsinn vorgezeichnet.
        Aber es wäre doch — einmal unter Verzicht auf selbständige Problemstellung — in treuer Anmessung an die Kantische oder Hegelsche Philosophie möglich, von da aus die Geschichte der Philosophie einheitlich zu interpretieren und so ein genügend [>6] reiches konkretes Material faktischer Philosophie beizustellen, das auch frei wäre vom Nachteil der isolierenden Beschränkung auf ein einziges System. Dieses Material könnte als Basis für eine Theorie der philosophischen Begriffsbildung (BMphilosB)  dienen. Die allerdings bedingte Fruchtbarkeit eines solchen Versuchs sei hier nicht schlechthin abgewiesen.
        Aber ist nicht — die Durchführbarkeit einer solchen auf die gesamte einheitlich interpretierte Geschichte der Philosophie als Faktum bezogene Theorie in jeder Hinsicht zugestanden — die Idee einer solchen Theorie überhaupt schon etwas Sekundäres und wesentlich Nachträgliches, ja Überflüssiges und Unschöpferisches? Ist sie nicht das verdächtige Anzeichen einer mechanisierten Übersteigerung der Reflexion, ein Philosophieren über die Philosophie? Dieser Einwand trifft allerdings prinzipiell; er kennzeichnet schon die Idee der Aufgabe — von der faktischen Realisierung ganz abgesehen — als gewichtigen Bedenken ausgesetzt.
        (Den ersten bewußten Versuch zu einer »Logik der Philosophie« auf dem Boden der transzendentalen Wertphilosophie hat Lask angestrebt, ohne über programmatische Andeutungen hinauszukommen. Ein früher Soldatentod hat diese Pläne zunichte gemacht.)
        Er trifft einen solchen Versuch um so entscheidender, sofern dieser innerhalb der Tendenz auf eine Neugestaltung der Philosophie ins Werk gesetzt werden soll, so daß eine solche Theorie einer vorzeitigen hyperreflektierten Abriegelung aller positiven, »an den Sachen selbst« erbauten Problematik gleichkäme. Dem Einwand ist nicht zu entrinnen. Die Fraglichkeit einer solchen Theorie ist eine vollständige, solange man überhaupt das Problem im Rahmen einer spezifisch transzendental-kritischen oder transzendental-dialektischen Reflexionsphilosophie sieht. Hier gibt es die Schwierigkeit des vorauszusetzenden Faktums, und hier auf dem Reflexionsstandpunkt, hier allein, gibt es eine neue mögliche Übersteigerung zur Hyperreflexion und ihren sekundären, unfruchtbaren Resultaten« [>7]
        Es liegt also daran, aus diesem Rahmen völlig herauszutreten und ins Freie zu kommen (BMBKrit-). Es fallen damit wohl die genannten Schwierigkeiten, aber dafür sind die Unsicherheiten einer Tendenz auf Neugestaltung hemmend. Die phänomenologische Grundhaltung, sofern man sie im weitesten Sinne versteht als deskriptive Wesensanalyse der nicht psychologisch apperzipierten Bewußtseinsphänomene, genügt aber nicht, solange sie nicht selbst genuin philosophisch ursprünglich expliziert ist (BMBKrit-), für eine prinzipielle philosophische Problematik. Gewiß können von ihr allein aus schon kritische Vorstöße unternommen werden; der Bau einer ganzen Philosophie kann in seinen einzelnen Verklammerungen auseinandergebrochen und erschüttert werden; es ist auch möglich, in einem begrenzten Bezirk positive, sacherkenntnismäßige Arbeit zu leisten. Fehlen aber die letzten — ich sage nicht: die »systematischen« — Sinnbezüge, die in einem konkreten Begriff der phänomenologischen Philosophie, die organisch aus dem Sinn der phänomenologischen Grundhaltung erwächst, zusammenlaufen, dann kommen die Probleme nicht zum vollen Austrag, und die Perspektiven des positiven Philosophierens selbst bleiben verdeckt. Zugleich erhält sich die ständige Gefahr des Abgleitens in einen gegebenen, nun allerdings purifizierten und radikalisierten philosophischen Standpunkt, d. i. die Gefahr des Rückfalls in den landläufigen Rahmen der philosophischen Problematik.
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      Zwischen-Kommentar: Wir sind nun bereits auf S. 7, also vier Seiten weiter, und es zeichnet sich immer noch keine nähere Bestimmung ab, wie philosophische Begriffsbildung geht oder gehen sollte. Neu hinzugekommen sind die Kriterien "aus dem Rahmen völlig heraustreten und ins Freie kommen", was unklar bleibt und nicht näher erklärt wird. Weiter wird verlangt: "Die phänomenologische Grundhaltung, sofern man sie im weitesten Sinne versteht als deskriptive Wesensanalyse der nicht psychologisch apperzipierten Bewußtseinsphänomene, genügt aber nicht, solange sie nicht selbst genuin philosophisch ursprünglich expliziert ist (BMBKrit-)." Hier wird also zusätzlich "genuin philosophisch ursprünglich expliziert" verlangt.
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    _    Das Ziel unserer konkreten Aufgabe ist es gerade, Idee sowie Begriff  (BMphilosB) und Grundstruktur (BMBstruk) der phänomenologischen Philosophie als mitmotiviert aus der phänomenologischen Grundhaltung zu gewinnen und sie ihrerseits damit selbst »zu Begriff' (BMPhaePhi) zu bringen. Das besagt: Die Theorie der philosophischen Begriffsbildung (BMPhaePhi)  hat in der Phänomenologie selbst eine ganz andere Position als in der Reflexionsphilosophie. Sie ist also nicht das Korrelat einer von außen auf fertige Philosophie gestülpten Reflexion, sondern das vollzugsmäßige und existente Erwirken der Philosophie selbst. Es muß, was gesucht wird, mit eines der radikalen Probleme sein, wenn mit seiner Lösung ein Heran-[>8]kommen an den Sinn der phämomenologischen Philosophie möglich sein soll. Dieses Explizieren und Bestimmen des Wesens der Philosophie darf weiter nicht als eine Erkenntnisaufgabe, als Herausstellung eines Sachgehaltes an sich aufgefaßt, sondern muß vollzugsmäßig verstanden werden.
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      Zwischen-Kommentar: Im obigen Abschnitt deutet Heidegger die Aufgabe um. Ziel ist nicht mehr, wie es im Titel heißt: "Theorie der philosophischen Begriffsbildung" sondern: "Das Ziel unserer konkreten Aufgabe ist es gerade, Idee sowie Begriff und Grundstruktur der phänomeno- logischen Philosophie als mitmotiviert aus der phänomenologischen Grundhaltung zu gewinnen und sie ihrerseits damit selbst »zu Begriff' zu bringen."
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         Daß das Problem der Begriffsbildung (BMBB)  in der formulierten Gestalt einer Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks eine solche zentrale Bedeutung haben kann, ist zunächst doch wenig durchsichtig, auch wenn man ganz von der bisher bekannten und gepflegten Form seiner Behandlung Abstand nimmt. Stellt man das Problem aber in das Absehen auf eine radikale Neufundierung der Philosophie, dann muß man sich doch die Fragen vorlegen: einmal, ob der Begriff (BMMetaM)  eine zentrale Stellung in der Philosophie hat; und dann ganz prinzipiell, ob es überhaupt Sinn hat, in der Philosophie von Begriffen (BMphilosB) zu sprechen; ferner, ob Begriffe (BMphilosB)  im meist verstandenen Sinne etwas aus der Philosophie Abgesetztes bedeuten, ob sie die Grundstruktur der Gegenständlichkeit der Philosophie ausmachen oder sie überhaupt auch nur tangieren können, und wenn ja, in welchem Sinne.
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      Zwischen-Kommentar: Heidegger stellt kurz vor dem Ende des Abschnitts in Frage, "ob der Begriff eine zentrale Stellung in der Philosophie hat; und dann ganz prinzipiell, ob es überhaupt Sinn hat, in der Philosophie von Begriffen zu sprechen; ferner, ob Begriffe im meist verstandenen Sinne etwas aus der Philosophie Abgesetztes bedeuten, ob sie die Grundstruktur der Gegenständlichkeit der Philosophie ausmachen oder sie überhaupt auch nur tangieren können, und wenn ja, in welchem Sinne."
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        Nur in der Richtung dieser Fragen ist der Untertitel aufzufassen. Er soll anzeigen, daß es sich um das Element handelt, das die Wissenschaften als »Begriff« (BMwissB)   kennen, ohne damit zu präjudizieren, daß der Sinn von wissenschaftlicher  Begriff (BMwissB)  etwas dem Sinne nach Ursprüngliches sei. »Theorie der philosophischen Begriffsbildung« ist also eine Formel in der herrschenden Sprache der gegenwärtigen Philosophie, die lediglich etwas anzeigen soll, was es ursprünglich zu verstehen (BMVurspr) gilt. Die Entscheidung über Sinn (BMBSinn), Charakter (BMDefCha) und Funktion (BMfunktion) des »philosophischen Begriffs« wird davon abhängig, wie sich das Philosophieren selbst im Gegenhalt zur wissenschaftlich-theoretischen Sacheinstellung ursprungsmäßig, nicht klassenmäßig, bestimmt.
        Diese Bestimmung und das Verstehen der Weise ihres Vollzugs soll nun methodisch vorbereitet werden, und zwar so, daß von der bestimmt aufgefaßten gegenwärtigen Problemlage aus [>9] mit der Tendenz der Hinleitung auf den Ursprung die herrschende Problematik als nicht ursprünglich dargetan und der Ursprung selbst so negativ für das Verstehen angezeigt wird."_
       
      Kommentar: Heidegger lässt am Ende der Arbeit, die sagen wollte, wie philosophische Begriffsbildung geht, die Katze aus dem Sack, indem er überraschend erklärt, dass er sich nun an mit Verweis auf § 2 die methodische Vorbereitung begeben will, wobei er auch hier bereits vorwegnimmt, dass dies wohl nichts werden wird: "Diese Bestimmung und das Verstehen der Weise ihres Vollzugs soll nun methodisch vorbereitet werden, und zwar so, daß von der bestimmt aufgefaßten gegenwärtigen Problemlage aus [>9] mit der Tendenz der Hinleitung auf den Ursprung die herrschende Problematik als nicht ursprünglich dargetan und der Ursprung selbst so negativ für das Verstehen angezeigt wird."

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    Begriff im Woerterbuch der phaenomenologischen Begriffe

    "Begriff (BMDefiniendum). Der B. (BMTheNamHusserl) ist für Husserl ein „Allgemeingegenständliches“ (BMallgB), d.h. etwas Gegenständliches, das ein rein ideales Sein (BMidealS) hat. Das >Allgemeine ist an keine Einzelheit gebunden, das Sein des Allgemeinen wird durch den B. (BMontoB)  konstituiert. - Zu unterscheiden ist der bloß formale  B. (BMphaeFor),  (BMdiff) vom sachhaltigen  B.  (BMphaeSach), (BMdiff); kategorialeB.e  (BMphaeKat), (BMdiff)  entspringen im Hinblick auf die syntaktischen Formen. Zu unterscheiden sind ferner deskriptive B.e  (BMphaeDes), (BMdiff) der Beschreibung (BMdiff) und Idealbegriffe  (BMphaeIdeal), (BMdiff) exakter »Bestimmung. Deren axiomatische (BMphaeAxi), (BMdiff)  (also oberste) B.e ,  (BMBstruk)  sind in unmittelbarer > Intuition auszuweisen. Ob und inwieweit dies möglich ist, hängt von der Eigenart des Sachgebietes ab. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen thematischen (BMphaeThe) und operativen  B..en  (BMphaeOp), (BMdiff)  (Fink 1976). Thematische B.e  (BMphaeThe), (BMdiff) erwachsen aus den Grundthemen der Philosophen (z. B. idea bei Platon, ousia bei Aristoteles, Monade bei Leibniz usf.). In der Bildung der thematischen  B.e  (BMphaeThe), (BMdiff) gebrauchen die Philosophen intellektuelle >Schemata, sie denken durch bestimmte Denkvorstellungen hindurch auf die wesentlichen thematischeB.e  (BMphaeThe),  (BMdiff) hin. Dieses thematisch-begriffliche Verstehen (BMphaeVerst) bewegt sich in einem Begriffsfeld (BMFeld) , dem Begriffsmedium (BMFeld) der operativen B.e, (BMphaeOp), (BMdiff) welche als „operative Schatten“ die thematischen  B.e (BMphaeThe) , (BMdiff) begleiten. Die > „Naivität“ der Philosophie besteht darin, daß die naiv-natürlichen Leitmodelle (bei Husserl z. B. das der > „Leistung“) in ihrem Abstand zu den spekulativen B.n  (BMspekB), (BMdiff)(z. B. zu dem der >Konstitution) nicht hinlänglich herausgearbeitet werden.
    Qu.: Hua XIX/l, 246-248, 255-258. - Hua ??/1, § 73. - Hua XVII, §§ 38-39. - Husserl 1939, §§49, 82, 91.-Fink 1976, 180 ff. - Merleau-Ponty 1967,45 ff. HV"
        Quelle: Vetter, Helmuth (2004, Hrsg.) Wörterbuch der phänomenologischen Begriffe. Hamburg: Meiner.

      Kommentar: Das "ideale Sein" hat im Wörterbuch der phänomenologischen Begriffe keinen eigenen Eintrag, so dass an dieser Stelle eine Verständnislücke bleiben muss. Im Artikel Sein findet sich die auch nicht sehr erhellende Ausführung (fett-kursiv RS):
        "Seinscharaktere (die Seinsmodalitäten des möglich, wahrscheinlich, fraglich, zweifelhaft). Conrad-Martins erblickt die Grundbedeutung von S. im realen Sein als dem wirklichen Dasein, zu dem in Analogie alle anderen Seinsbedeutungen stehen. Das betrifft kategoriales und idelles S., zu diesem wiederum gehört das wesenhafte und zufällige S. (mit Aristoteles das on kath’ hauto und das on kata symbebekos), Wesen und Idee, das davon unterschiedene S. der idealen Gegenstände, die apriorischen Gesetze und das „Sinn- S,“ der Wesenheiten. Am realen S. unterscheidet die Autorin zwei Grundmodi: die hyletische und die pneumatische Substanz. Zur ersteren (von > hyle „Stoff1) gehört die ganze empirische Naturwirklichkeit, angefangen mit dem bloßen Stoff über Pflanze und Tier bis zum Menschen; dies ist die „hypokeimenale Seinsform“ (von hypokeimenon, dem Zugrundeliegenden). "
      Aber der Ausdruck ideales Sein ist ohnehin sehr problematisch, da Allgemeinbegriffe von Menschen gedacht werden, und zwar ganz real. Und die Allgemeinbegriffe müssen auch eine reale  Referenz  haben, sonst bewegt man sich im reinen Mystizismus (wie Platon), der in der Wissenschaft nichts zu suchen hat.




    Aus Hartmann, Nicolai (1949) Metaphysik der Erkenntnis. Berlin: De Gruyter, S. 287-288

    "IV. Abschnitt
    Methodologische Grundfragen
    36. Kapitel. Projektive Begriffsbildung (BMproijB) der Ontologie

    a) Wissenschaftliche (BMwissB) und philosophische (BMphilosB) Begriffsbildung

    Die Bildung ontologischer Begriffe (BMontoB)  bietet natürlich eine Reihe von Schwierigkeiten dar. Der Gegenstand leistet ihr durch seine Fernstellung und Abgekehrtheit eine ganz spezifische Art von Widerstand. Nicht erst die partiale Irrationalität, sondern schon die einfache Bewußtseinstranszendenz macht ihn zum an sich Unbegrifflichen (BMunbegr), (BMuonS). Ein jeder Immanenzstandpunkt hat in dieser Hinsicht unvergleichlich leichteres Spiel, Sein Stoff liegt in einer Ebene mit den Begriffsformen (BMBForm) , die ihn fassen sollen. Aber er bezahlt das leichte Spiel mit dem Verfehlen des Erkenntnisproblems.
        Indessen fehlt es nicht an methodologischen Orientierungspunkten für die Aufgabe der ontologischenBegriffe (BMontoB) . Die Naturwissenschaft ist von Grund aus ontologisch eingestellt, und alle ihre Begriffe sind Versuche, im Gegensatz zur immanenten Bewußtseinswelt ein ihr transzendentes und heterogenes Natursein mit den logischen Mitteln der ratio zu fassen. Ihre Begriffsbildung (BMNatWis)  befindet sich daher von vornherein in einem gewissen Gegensatz zu den Formungen desjenigen Bewußtseins, welches sie betreibt. Das Absehen von subjektiv mitgebrachten Vorurteilen, die Überwindung unvermeidlicher Fehlerquellen in Beobachtung und Experiment sind die charakteristischen Züge dieser auf das Objekt als ansichseiendes eingestellten Orientierung. [>288]
    Jeden Begriff (BMwissB) , jede Hypothese muß sich das wissenschaftliche Denken erst in solchem bewußten Absehen von sich selbst, irn Ausschalten seiner subjektiven Bedingtheit, abringen.
        Was die Wissenschaft kann, muß die Philosophie auch können. Sie arbeitet tatsächlich unausgesetzt an der Begriffsbildung (BMphilosB) , die den transzendenten Gegenstand fassen soll. Sie tut das ohne Unterschied des Standpunktes; in aller Systematik ist ein gesundes Stück Ontologie. Überall, z. B. wo die Forschung sich auf Kategorien wirft, arbeitet sie in dieser Richtung. Denn unter den Kategorien sucht man in erster Linie Wesenszüge des Gegenstandes. Die erarbeiteten Kategorienbegriffe (BMontoB) sind dann Versuche, diese Wesenszüge in Begriffe (BMWesen)  zu fassen. Die ontologische Arbeit der Philosophie ist nur um vieles schwerer und ungewisser als die der positiven Wissenschaft, weil ihr Gegenstandsproblem viel weiter ausschaut und, statt sich auf Ausschnitte aus dem Sein zu beschränken, aufs Ganze geht, zugleich aber auch, weil ihr Gegenstand in noch ganz anderem Maße irrational ist und sich der Begriffsfassung (BMontoB), die als solche immer rational ist, weit schwerer fügt. Ihre Begriffsbildungen (BMontoB)  tragen daher in viel höherem Maße den Charakter des Versuchsweisen und Hypothetischen (BMExpHyp).

    b) Die Aporie der ontologischen Begriffe (BMontoB)  und ihre Hebung,

    Die idealistische Aporie, die der Erkenntnis des Ansichseienden anhaftet, darf als prinzipiell gehoben gelten (vgl. Kap. 30. c. und d.). Das Sefcjen des Ansichseienden im Denken hebt das Ansichsein nicht in ein Geselltes auf, sondern das Ansichseiende bleibt der Setjung transzendent. Wir denken das Seiende tatsächlich durch einen Seinsbegriff (BMontoB), die Seinsbestimmtheiten durch Bestimmungsbegriffe (BMBestB) . Aber wir denken es durch diese Begriffe (BMuonS)  nur sehr abstrakt und unvollkommen. Denn die Begriffsbildung (BMontoB) hält sich an die Tatsache, daß das Denken des Seins selbst über sich hinausweist auf ein Denkfremdes und im Einzelnen Unerkennbares, welches nichtsdestoweniger an diesem Sein, und daher auch für das Denken des Seins, das eigentlich Wesentliche ist. Wir seßen die ontologischenBegriffe (BMontoB)  im philosophischen System, d. h. in einem Denkzusammenhang, dessen ideale Vollendung das ganze Seinsgebiet' repräsentieren soll. Aber weder sind unsere Begriffe (BMontoB), in welchen wir das Seiende zu umschreiben suchen, das Sein selbst, noch ist unser philosophisches System, auch das ideale, das Seinssystem. Sondern beides sind nur rationale Verkürzungen, nur Repräsentationen des Seienden. Man kann sehr gut in spekulativen Begriffen (BMspekB)  etwas intendieren, was in ihnen selbst bloß angedeutet oder gestreift ist, ohne wirklich darin enthalten zu sein. [>289] Man darf alle objektive Begriffsbildung (BMobjektive)  überhaupt als Verendlichung des Seins ansehen. Die Inadäquatheit, die darin liegt, hebt ihre straffe Bezogenheit auf das Sein nicht auf. Wie wir in mathematischer Spekulation mit den Begriffen (BMspekB)  des Unendlichen und des Kontinuums das wirkliche Unendliche und das wirkliche Kontinuum meinen und repräsentieren, ohne es doch jemals aktuell nachbilden zu können — das Denken kommt hier nie über gewisse Gesetzesbeziehungen zum Endlichen und Diskreten hinaus — so auch in der Ontologie. Wir tasten mit unseren Begriffen ()  gleichsam in ein Gebiet höherer Bestimmtheiten hinein, die ihnen heterogen, und doch für sie determinierend sind, und die wir deswegen in dieser ihrer determinierenden Funktion annähernd aufspüren können. Wir können sie versuchsweise begrifflich umreißen, sie gleichsam mit projektiver Begriffsbildung (BMproijB)  betasten.
        Wäre das denkende Bewußtsein absolut in sich gefangen, wie die subjektivistische Skepsis lehrt, wäre keine Intention eines Denkfremden möglich, so könnte von solch einem begrifflichenSich-Hinaus-tasten (BMExpHyp)  der ratio aus sich selbst nicht die Rede sein. Es gibt für sie kein anderes Sich-Herantasten an das Sein als das Intendieren von Seinsbestimmtheiten durch Denkbestimmungen. Sie kann das an der Hand der in sie hineinragenden Seinsrelationen, sofern gewisse Glieder von ihnen ihr gegeben sind. Die ontologische Begriffs-  (BMontoB) und Systembildung kann daher auch nicht abhängig gedacht werden von dem Grade ihres positiven Erfolges, etwa vom Grade der Adäquatheit ihrer Begriffe (BMontoB). Ihre Berechtigung kann vielmehr nur davon abhängig sein, ob überhaupt ein Weg der Adäquation, eine Methode der Approximation, sich ihr eröffnet.
        Und gegen eine solche läßt sich prinzipiell kein Bedenken finden, es sei denn, daß man die subjektivistische Skepsis als ein solches gelten läßt. Das Faktum der empirischen Wissenschaft setzt sie jedenfalls schon voraus. Also muß sie wohl irgendwie zu Recht bestehen, da doch empirische Wissenschaft als Tatsache besteht. Man müßte denn die gesamte Arbeit der letzteren grundsätzlich für Illusion erklären. Zweifeln läßt sich hieran nur in jenem gewollten Sinn, in dem Descartes an der Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt zweifelte: vielleicht ist alle unsere Seinserkenntnis falsch, weil unser Erkenntnisvermögen grundsätjlich auf Täuschung angelegt ist. Man braucht diesen Gedanken nicht notwendig teleologisch auf die Absicht eines deus malignus zu beziehen.
        Aber dieser Zweifel wäre durchaus bedeutungslos. Es ist gar nicht nötig, was bei aller Skepsis sehr nahe liegt, ihn erst gegen sich selbst zu wenden. Denn erstens, da wir doch nicht wissen, ob unsere Erkenntnis Seinserkenntnis ist oder nicht, so könnte uns der bloße [>290] ... ... "
     

      Kommentar: Nicolai Hartmann erfindet neben einigen anderen die - psychologisch interessante - projektive Begriffsbildung, allerdings ohne sie genau zu erklären - erst auf S. 291, also drei Seiten weiter, findet sich eine Stelle, die etwas weiterführt:
        "An dieser Stelle läßt sich nur in ganz allgemeinen Richtlinien andeuten, wie überhaupt ontologische Inhalte vom Denken erfaßt, wie überhaupt ontologische Begriffe (BMontoB) gebildet werden können. Es handelt sich hierbei offenbar um dieselbe Bindung des Bewußtseins an das Sein wie im Problembewußtsein und Erkenntnisprogreß. Denn das Denken ist der eigentlichen Erkenntnis immer schon einen Schritt voraus: seine Begriffe (BMuonS) fixieren vorläufig und problematisch immer schon das zu-Erkennende, sofern es unerkannt ist. Seine Begriffsbildung ist der schwerfälligeren Erkenntnis gegenüber immer Antizipation, Projektion. Sie muß sich an dieselben Relationen halten, die das Problembewußtsein an das Irrationale binden. Solche Relationen nun lassen sich tatsächlich im Innenaspekt des Denkens aufzeigen."
          Hier begibt sich Hartmann in das Feld der Denkpsychologie, ohne es ausdrücklich zu thematisieren und zu problematisieren. Er spricht die Geschwindigkeit, Flüchtigkeit und die Unschärfe des Denkens an, wobei er anscheinend die Erlenntnis aus dem Denken herausnimmt  ("Denn das Denken ist der eigentlichen Erkenntnis immer schon einen Schritt voraus"), was hier aber auch nicht näher erklärt oder mit einem Verweis unterstützt wird.
          Nicolai Hartmanns Erklärungsniveau ist extrem dünn, er scheint nicht zu wissen und zu bemerken, was er da eigentlich macht. Es fehlen an allen Ecken und Enden Definitionen und Referenzen. Im Grunde drücken solche Texte - im wahrsten Sinne des Wortes  - die "Geistes-Krankheit" aus, wie ich sie in meiner  Sprachkritik  ausgeführt habe.




    Jaspers, Karl (1947) Der Begriff. In (276-282) Von der Wahrheit. München: Piper.

    "b) Der Begriff ()

        Wir beschreiben den Begriff (BMDefCha-) nach seinen Grundcharakteren, Der Begriff  ist ein fixierter Sinn (BMversch); der Begriff hat eine Struktur: eins aus zweien zu sein (BMunklar); der Begriff bezieht sich auf eine Sache (BMRef); Begriffe stehen  miteinander in Ordnungen (BMhierar).
        1. Begriff als fixierter Sinn (BMkonst). Gegenüber dem Fließen [>277] der Vorstellungen, dem Wandel der Bilder, dem ruhelosen Werden und Vergehen der Dinge, gegenüber allem Schwankenden und Entgleitenden wird im Begriff (BMkonst)  eine Bedeutung fixiert und unverwechselbar (BMBeleg) festgehalten (BMBunter-). Der Begriff (BMkonst)  bringt gleichsam zum Stehen, indem er seinen Sinn unterscheidet und anderen ausschließt, dadurch sich eindeutig bestinmt. Im unbewegten Begriff (BMkonst)  wird auch die Bewegung gedacht. Auch der Begriff (BMbegriff)  vom Geschehen ist als Begriff (BMkonst)  kein Geschehen. Begriff von etwas, das erst in der Zeit wirklich geworden ist (BMunklar), ist als Begriff (BMkonst)  ein zeitloser Sinn (> Ewige Wahrheiten?).
        Ein Begriff (BMunklar)  ist also da, wenn ein Sinn mit sich identisch gemeint wird: er bleibt derselbe. Begrifflich (BMkonst)  denken, das heißt, einen sich gleichbleibenden Sinn denken, ein zeitlos Bestehendes, dem Wandel und Wechsel Enthobenes.
        Verlust des mit sich identischen Begriffssinns (BMunklar)  läßt das Denken im Unklaren versinken. Der Fortgang unseres Denkens vollzieht zwar Sinn bewegungen und Sinnverschiebungen; aber den Begriff (BMkonst)  gibt es nur als konstanten Sinn: daher müssen die Sinnbewegungen als Schritte von Sinn zu Sinn bewußt und übersehbar geschehen, sonst gleitet man aus dem Begriff (BMunklar)  zurück in bloße Vorstellungsbewegung als verdunkelte Begrifflichkeit (BMunklar) oder in Sophistik als täuschende Begrifflichkeit (BMunklar) .
        Die Beschreibung des Begriffs (BMkonst) als Fixierung eines identischen Sinns macht das Wesen des Begriff (BMunklar) noch keineswegs klar. Alles liegt daran, was der identische Sinn ist (BMunklar).
        Nehme ich den Begriff (BMunklar) gleichsam als Fach oder Kasten, in den das Vorkommende hineingepackt wird, als ob es damit erkannt sei (man nennt es subsumieren, vollzieht aber damit nichts weiter als Bezeichnung durch ein Allgemeines), — oder nehme ich ihn gleichsam als identischen Bestandteil, der in den vorkommenden Dingen enthalten sei, so habe ich noch keineswegs zureichend vor Augen, was eigentlich Begriff (BMFrage) ist, sondern nur bestimmte, wenig ergiebige Weisen, in denen Begriffe (BMKritik) auch gebraucht werden.
        Im wirklichen Erkennen ist der identische Sinn eines Begriffs (BMunklar) eher noch eine erzeugende Funktion: der Begriff (BMunklar) muß jeweils in einer anschaulichen Gestalt -  durch ein Schema der Einbildungskraft nach Kant im - unendlichen Umkreis seiner Möglichkeiten, die er umgreift, hervorgebracht werden (z. B. der Begriff (BMBspGeg) des Dreiecks in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Dreiecke). Er ist nicht Name und Zeichen, sondern die Identität eines Allgemeinen (BMallgB), dessen bestimmter Sinn immer nur in der Bewegung seiner Verwirklichung erfaßt wird.
        Aber auch mit der Identität einer Funktion der Erzeugung ist der Sinn der Begriffsidentität (BMunklar) nicht erschöpft. Dieser umfaßt alle Festig-[>278]keiten, ob als Fach, als Bestandteil, als erzeugende Funktion. Festigkeit liegt in einem Identischen des Sinnes, ist ein in aller Bewegung Unbewegtes. Sie umfaßt alle Bestimmtheiten, die sich gleich bleiben, das, was in aller Gedankenbewegung den Halt und die Stützpunkte abgibt.
        Die Gedankenbewegung schafft durch die Festigkeit des Begriffs die Klarheit ihres Sinns. Der Begriff (BMDefCha-) ist eigentlich das „ich denke' in jeweils bestimmter Gestalt. Ein Begriff (BMDefCha-) zeigt den Sinn seiner Identität erst in den Operationen, die dadurch möglich werden. Ziel des Denkens im Begriff (BMBziel)ist ja nicht der Begriff (BMBziel) selber, die Festigkeit eines bloß identischen Sinns, sondern mit diesem als Mittel die Erkenntnis im Ganzen. Der Begriff (BMunklar) in seiner jeweils bestimmten Gestalt stellt hin, was in sich abgeschlossen nichtig wäre, seinen Sinn vielmehr im Zusammenhang des Erkennens zeigt.
        Es ist das Mißverständnis abzuwehren, als ob im fixierten Begriffssinn (BMkonst) schon Erkenntnis vorläge. Wie Erkenntnis nicht stattfindet im einzelnen Denkakt, sondern in der Bewegung von Denkakt zu Denkakt, so liegt Erkenntnis nicht abgeschlossen vor in Sätzen, sondern entfaltet sich in Satzfolgen.
        Wie diese Erkenntnisbewegung aber geschieht, das wird später in anderen Zusammenhängen Thema. Es genügt nicht, die Erkenntnisbewegung aufzufassen als Zusammensetzung fester Begriffe (BMkonst) oder Beziehung der Begriffe (BMBzB). Es genügt auch nicht, zu sagen, die begriffliche Erkenntnis (BMKritik) bestehe in der Hinleitung zu neuer, aus der Sache bewegter Anschauung. Man macht die Erkenntnisbewegung im ganzest nur unzureichend faßlich als Beziehung von Elementen, als ein Trennen und Verbinden, als ein Operieren mit festen Begriffsklötzen (sei es der Kausalfaktoren, die sich verflechten, sei es der Bestandteile, die sich gruppieren, sei es der Glieder, die sich in Gestalten ordnen usw.). Im Erkennen ist immer noch mehr als dies alles, die Führung aus dem Ursprung und aus dem Ziel.
        Nur eines bleibt gewiß: In allem Erkennen, auch dem Erkennen von Bewegung und Werden, erwächst Klarheit allein unter Voraussetzung vorhergegangener und überwundener Begriffsfixierungen. Aber eine Verkehrung des Erkennens wird jedesmal vollzogen, wenn die Fixierung das Ziel ist.
        2. Begriffsstruktur. Begriff (BMBstruk) (von begreifen im Sinne von zusammengreifen, concipere, Begriff (BMDefCha-) = conceptus) bedeutet ein Zufassen, in dem Getrenntes zusammengebracht wird. Dieses Zufassen heißt Urteilen. Jeder Begriff (BMDefCha) ist das Ergebnis eines Urteils. Und der Sinn eines Begriffs (BMBSinn) kann jeweils wieder in einem Urteil ausgesprochen [>279] werden. Der Begriff (BMDefCha) ist sowohl Resultat eines Urteils als auch Element neuer Urteile.
        Die Struktur des Begriffs (BMBstruk) ist die einer Verbindung aus zweien (die Mannigfaltigen), Der sich gleichbleibende Sinn des Begriffs (BMBSinn) ist eine Beziehung, in der eins aus zweien gedacht wird (BMunklar). Die zwei heißen Form und Material (BMunklar).
        In jedem Begriff (BMallgB) wird ein Allgemeines gedacht, die Form, in der ein Besonderes, das Material, aufgefangen ist. Dieses besondere Mataerial kann selber wieder ein Allgemeines in bezug auf anderes sein, das Besondere ein Individuum schlechthin. Meine ich ein Individuum, so kann ich es mit Namen nennen. Denke und erkenne ich es aber so nur vermittelst jeweils einer Weise des Allgemeinen. Durch jeden Begriff  (BMallgB), auch den auf ein Individuum gerichteten, meine ich stets ein Allgemeines. Vom schlechthin Individuellen gilt seit Aristoteles, daß es nur ein Gegenstand der Anschauung, nicht des Denkens ist (BMfragl). Für ein Individuum gibt es nur einen Namen, keinen Begriff (BMfragl). In der bloßen Anschauung aber ist das Individuum, weil nicht gedacht, auch nicht für das Bewußtsein wirklich da. Das Individuum ist das Unerreichbare, Unaussagbare, Unerkennbare, ein Unendliches, in das wir erkennend eindringen, das wir aber nie erschöpfen, sei es das Individuum des Weltganzen oder jedes einzelne Individuum (BMfragl), (BMunklar).
        Um denken zu können, muß ich sprechen (BMfragl). Sprache geht durch Worte, den Ausdruck von Begriffen (BMallgB), auf das Allgemeine. Worte zeigen diese Grundstruktur des Begriffs (BMDefCha) an, einen Gegenstand durch ein Allgemeines im Besonderen zu treffen. Die Endlosigkeit des Seienden ist übersichtlich geworden in einer endlichen Welt von Begriffen (BMOrd) oder des Allgemeinen: die Sprache bezeichnet durch Worte eine „Sache“. Würde die Sprache alle Dinge bezeichnen durch je individuelle Worte, so müßte es so viel Worte geben wie Gegenstände. Die Sprache hätte ihren Sinn verfehlt. Sie wäre so unverständlich wie die Gegenstände selbst. Eine Endlosigkeit in Worten wäre so wenig wissend festzuhalten wie eine Endlosigkeit von Gegenständen. Es würde eine bloße Verdoppelung der Endlosigkeit vorliegen. Aber die Sprache ist Sprache der Begriffe (BMsprache), die Begriffe (BMfragl) ergreifen die Sache d. h. das Allgemeine. Durch dieses wird jeweils eine Endlosigkeit des Besonderen als ein im Allgemeinen Gemeinsames faßlich. Die Begriffsstruktur (BMBstruk) ist die durchgehende Form des Ergreifenkönnens der Dinge durch ein Allgemeines (mit Hilfe der Sprache), und zwar in einem vieldimensionalen Aufbau, vom schlechthin Individuellen zum absolut Allgemeinen (beide Grenzfälle sind für uns nicht vollkommen zu verwirklichen) in einer Fülle von Zwischenstufen (in denen allein wir wirklich denken) das Sein als jeweilige Einheit von Allgemeinem und Besonderem erfaßt wird. [>280]
        3. Begriffsordnung (BMOrd). Eine Grundeigenschaft alles Begrifflichen () (im Gegensatz zum Ästhetischen (BMfragl)  ist, daß kein Begriff (BMzush) isoliert besteht. Begriffe (BMBSinn) stehen zueinander in Beziehung durch ihren Sinn. Dieser Sinn ist nur in gegenseitigem Bezug sichtbar. Er besteht zuletzt nur in einem jeweils Ganzen. Kein Begriff (BMOrd) ist ohne wenigstens den Beginn einer Begriffsordnung (BMOrd).
        Will ich einen Begriff (BMBzB) fassen, so setze ich ihn dabei sofort in Beziehung zu anderen Begriffen (BMBzB), von denen er abhängt, von denen er unterschieden wird, und mit denen er zusammengehört in einer Ordnung die ihn selber verständlich macht.
        Diese Ordnungen haben ihre gedachte Form, z. B. in Schlüssen. Diese heben heraus, was in meinen Begriffen (BMunklar) lag. Was ich in einem Begriffe (BMunklar) besitze, das wird mir erst klar in solchen Zusammenhängen, in denen er zutage tritt, was mir überraschend und neu erscheinen kann, obgleich es implicite schon in dem gewonnenen Begriff (BMunklar) in Besitz war.
        4. Begriff und Sache (BMRef). Im Denken trennen wir das Denken vom Sein, den Begriff () von der Sache, auf die er sich bezieht. Begriffe (BMRef) haben ihren Sinn durch Bezug auf die Sache, die in ihnen gemeint wird. Dieser Bezug ist das Rätsel des Begriffs (BMunklar).
        Liegen die Begriffe () im Sein der Dinge (BMontoB) und werden sie vom Gedanken nur herausgeholt? Sind die Begriffe (BMFrage) nur Worte, d. h. Zeichen Namen, die unser Denken hervorbringt, um mit ihnen in bezug auf die Dinge zu operieren? Wo liegt die Herkunft der Begriffe (BMBherk)? Woher gewinnen wir sie, und wie machen wir das?
        Es gibt viele Antworten auf solche Fragen, z. B.: Wir gewinnen Begriffe (BMabsgen) durch Abstraktion, d. h. wir lassen in der Auffassung Dinge das in ihnen Verschiedene fort und behalten das Gemeinsame im Auge. Was nach Weglassen des Verschiedenen einer Gruppe von Dingen als ihnen ausnahmslos gemeinsam übrigbleibt, ist das Allgemeine, das wir im Begriff (BMallgB) meinen. Je umfangreicher die Masse Dinge ist, die wir gemeinsam auffassen, desto weniger wird das Allgemeine, desto leerer wird der Begriff (BMÍnhUmf). — Oder eine andere Antwort: Die Begriffe (BMangeb) sind eingeborene Ideen, vermöge derer wir a priori wissen, was das Sein im Allgemeinen ist, sei es, daß wir, es aus uns selbst zu entfalten vermögen, sei es, daß es aus Anlaß der anschaulichen Erfahrung in uns erst erweckt wird. Es liegt in uns selbst, was im Sein liegt. Wir erfassen im Begriff (BMBSein), was das Sein selbst ist (BMunklar).
        Wie auch immer die Antworten lauten, die vor allem in dem tiefsinnigen Universalienstreit des Mittelalters versucht sind und deren Fragen bis heute andauern, es zeigt sich in jedem Falle, daß schon im Ansatz der Fragen die Weisen der jeweils entgegengesetzten Antworten liegen. Es gibt keine allgemeingültige, für sich isolierbare er-[>281]kenntnistheoretische Frage, sondern im Fragen liegt schon eine Weise des Wissens um das Sein, um den Sinn des Wissens und um das, was Wissen tue und tun kann. Frage wie Antwort sind hier Weisen des Innewerdens des Umgreifenden. Wie sie geschehen, das gibt jeweils den Hintergrund, den Raum und die Tiefe allen unseren Wissens; darin spricht sich aus die Verbindung des Gewußten mit seinem ungegenständlichen Grund, sein Bezug auf ein ständig Überschreitendes und Tragendes. Das Denken der Begriffe (BMZwiWelt) ist die Zwischenwelt (BMunklar), in der ein Bezug von Begriff (BMRef) und Sache besteht. Die Begriffe (BMRef) haben ihren Sinn durch Bezug auf die Sache, die in ihnen gemeint wird. Indem wir in allen jenen Fragen und Antworten, von denen zwei aufgezählt wurden, irgendeinen Wahrheitssinn anerkennen, charakterisieren wir den Bezug von Begriff (BMRef) und Sache in mehreren Richtungen:
        aa) Begriffe (BMunklar) haben einen Sinn größerer Nähe und Ferne zum Sein.  Das zeigt sich in folgender Weise. Man nennt die Mannigfaltigkeit von Einheiten, die in der Einheit des Begriffs () zusammenkommen, die Merkmale des Begriff (BMmerkm). Wie diese Merkmale aus der Sache heraus zusamengehören, das macht die bestimmte Begriffsform (BMBForm) aus; die Begriffsformen (BMBForm), diese Weisen des Zusammengehörens der Merkmale, sind die Kategorien. Die leerste Form, die dem Sein am fernsten ist, ist das bloße Zusammengeratensein von Merkmalen. Dies ist der Grenzfall, in dem das Zusammengehören verschwunden ist; statt dessen bleibt ein willkürliches Zusammennehmen, das für formale Betrachtungen einmal als Begriffsdefinition () fixiert werden kann. Aber in ihm steckt kein oder nur ein verschwindendes Minimum von Sachgehalt (BMBeleg), (BMunklar).
        bb) Sofern aber der Begriff (BMBSein) dem Sein nahe ist (BMunklar), sich auf die Sache bezieht, heißt er die „Natur der Sache“ (BMWesen). Er scheint nicht mehr nur getrennt zu sein, sondern in der Trennung zugleich "das wahre Wesen“ des Seins zu bedeuten (BMunklar).
        Je entschiedener dieses Verhältnis im Erkennen sich verwirklicht, desto freier steht der Begreifende dem Begriffenen (BMunklar) gegenüber: er ist ganz darin; das denkende Erkennen und die Sache fallen zusammen (BMfragl), Dem Unbegriffenen und Unbegreiflichen dagegen stehen wir unfrei gegenüber, wir sind nicht darin, es ist uns fremd und undurchsichtig das bloß Andere.
        Das Sichselbstfinden des Denkens in der Sache bleibt aber die Grenze, der wir uns nur nähern (BMunklar). Die Freiheit des Denkens als Zusammenfallen von Denken und Sein ist wie ein Transzendieren ohne Transzendenz: ein In-der-Sache-finden, was das Denken selber ist.
        cc) Im Denken, das erkennt, meine ich die Sache und nicht den Begriff (BMfragl), meine ich sie durch den Begriff (BMfragl), (BMunklar). [>282]
        Erst im Denken über das Denken meine ich den Begriff (BMunklar), (BMfragl), kann ich mit Begriffen () hantieren, mit Begriffen (BMhand) rechnen.
        Jedoch ist die Begriffswelt (BMBSein) kein für sich bestehendes ideales Sein, nicht eine aus sich bestehende Wirklichkeit, sondern immer bezogen auf ein solches Sein, das im Begriff (BMunklar) getroffen wird.
        Daher wird alle direkte Beschäftigung mit Begriffen (BMunklar) der verführende Weg zu einem verwunderlichen Mißverstehen. Es kann zwar ein logisch klares, für bestimmte Erkenntniszwecke mögliches Rechnen mit Begriffen (BMhand) das ausdrückliche Thema werden. Aber die Haltung, die nach den Begriffen (BMunklar) statt nach den Sachen fragt (BMfragl) [RS: wie kann man nach Sachen ohne Begriffe fragen?], damit das Interesse von der Sache auf die „Begriffsbildung“ (BMKritik) verschiebt, den Begriff an die Stelle der Sache setzt und dort, wo von Sachen gehandelt wird, nur Begriffe (BMKritik) zu sehen vermag, wird der Ursprung für ein Versinken ins Leere mit Hilfe anstrengenden Denkens.
        Die Loslösbarkeit der Begriffe (BMKritik+) von den Sachen ermöglicht mit dem leeren Denken das leere Sprechen. Da im Sprechen die Scheidung von  Denken und Sein vollzogen wird, muß der Bezug beider ständig wiederhergesteilt werden. Gegen die Tendenz zur Isolierung des Sprechens und des Begriffs (BMKritik+) von der Sache, gegen die Tendenz zum Denken von Begriffen (BMKritik+), die nur gedacht sind und keinen Bezug zur Anschauung mehr haben, muß der Denkende die Verantwortung der Seinsverbundenheit erfahren, um nicht in jene Loslösungen zu geraten."
     

      Kommentar: Jaspers beginnt sein Begriffskapitel unklar und verwirrend mit "Der Begriff  ist ein fixierter Sinn (BMversch)" und verschiebt damit die Erlärung vom Begriff auf den postulierten "fixierten Sinn". Er behauptet dann, dass "gegenüber allem Schwankenden und Entgleitenden wird im Begriff (BMkonst)  eine Bedeutung fixiert und unverwechselbar (BMBeleg) festgehalten (BMBunter-)." Das mag für wenige Begriffe tatsächlich gelten, wie z.B. Kreis, Weg, Masse, Geburt, wobei fraglich ist, ob alle, die diese Begriffe gebrauchen, auch wirklich das Gleiche darunter verstehen. Hinzu kommt, dass nichts in der wirklichen Welt von ewiger Dauer sein wird und eines Tages wird sogar das Vergessen vergessen sein (> Ewige Wahrheiten). Manche Thesen wirken geradezu abenteuerlich, wie z.B. "Über die Haltung, die nach den Begriffen (BMunklar) statt nach den Sachen fragt (BMfragl). Denn wie soll man denn nach Sachen ohne Begriffe fragen können." Ich habe bei keinem signierten Text so oft die Prädikation "unklar" gebraucht (34 mal), aber der Text ist auch lang. Korrekt müßte man die Anzahl der Signaturen "unklar" auf die Anzahl der Worte des Textes beziehen.



    Abstrakte und allgemeine Begriffe nach Vaihinger (Quelle)
    "Es ist prinzipiell genau zu unterscheiden zwischen abstrakten Begriffen (BMabstr) und allgemeinen Begriffen (BMallgB): „Güte, Farbe, Glätte, Gleichheit" sind abstrakte Begriffe, denn die betreffenden Eigenschaften sind von konkreten Dingen durch Isolation losgelöste, aber in Wirklichkeit nicht selbständig vorkommende Qualitäten der Dinge; "Stein, Pflanze, Tannenbaum, Schiff" sind allgemeine Begriffe (BMallgB), welche durch Generalisation (BMabsgen) aus vielen ähnlichen Einzelerscheinungen zusammengesetzt sind. Die Scheidung ist eine prinzipielle, aber auch nur eine prinzipielle: in praxi wirken die beiden Operationen der Isolation und der Generalisation fast immer zusammen. Um der Klarheit der Darstellung willen ist es jedoch zweckmässig, diese beiden Arten theoretisch genau zu trennen. In den Verhandlungen über Abstraktion, welche von Steinthal, Wundt, Liebmann, Lotze, Caspari, Schuppe, Göring u. A. geführt worden sind, ist jener prinzipielle Unterschied meist nicht genügend zur Geltung gekommen. Condillac (De l'art de penser, Ch. VIII, S. 96) macht zwar eine scharfe prinzipielle Scheidung zwischen idées abstraites und idées générales, wirft aber faktisch doch beides durcheinander. Vgl. Logique (Oeuvres XXII) S. 131ff." (Vaihinger 1922, S. 399, Fußnote 1., Gesperrtschrift bei Vaihinger hier fett)
        Kommentar: Ob die strenge Unterscheidung zwischen abstrakten und allgemeinen Begriffen, die Vaihinger fordert, geboten ist, kann bezweifelt werden.
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    Allgemeinbegriff nach Vaihinger (Quelle)
    "Was ist nun aber im Verhältnis zur realen Wirklichkeit das Allgemeinbild, was der Begriff ()? Objektiv gibt es nur Einzelnes, gibt es nur Getrenntes. Wir sahen eben, dass der Vorstellung [>401] „Baum" nichts Reales entspricht, was sich mit ihr deckt. Also weicht auch hier das Denken von der Wirklichkeit ab. Alle die geschilderten Operationen und psychischen Prozesse verändern den unmittelbaren Stoff der Wahrnehmung und treiben die Begriffe (BMallgB) heraus, in denen allgemeine Typen, denen also nichts Nachweisbares, nichts Wirkliches entspricht, dargestellt werden. Es gibt nur einzelne „Sterne", keinen „Stern", es gibt nur einzelne „Hunde", keinen „Hund" überhaupt. Es gibt nur einzelne „Menschen", keinen „Menschen" überhaupt. Alle diese Vorstellungen stellen absolut nichts Wirkliches dar: wirklich ist nur das einzelne Geschehen, welches der Seele zugetragen wird, welches sie aufnimmt und verarbeitet.   In diesem allgemeinen Flusse bilden sich Knotenpunkte, indem sich einige prominente Eigenschaften als Kern konstituieren.
        Also „Stern", „Hund", „Mensch" sind Vorstellungen, denen keine Wirklichkeit entspricht. Diese Begriffe (BMallgB) sind demnach psychische Gebilde, welche das Denken aus dem gegebenen Material herausarbeitet vermöge des dargelegten psychischen Mechanismus.   Allein diese rein mechanischen Produkte des psychischen Lebens erfüllen einen ungeheuer wichtigen Zweck. Der Begriff (BMallgB), die Allgemeinvorstellung für sich bedeuten noch keine Erkenntnis; — abgelöst und isoliert vom Satz sind sie fiktive Gebilde, denen nichts Wirkliches korrespondiert.
        Allein an die Allgemeinvorstellung knüpft sich der Satz an, sie drängt von selbst zum Satz. Vermittelst dieses an die Allgemeinvorstellung angehefteten Satzes wird nun der eigentliche Zweck des Denkens erreicht; nur dadurch ist das allgemeine Urteil möglich; und darauf beruht, wie Steinthal S. 21 bemerkt, alles Klassifizieren, Ordnen, alles Begreifen, Beweisen und Schliessen." (Vaihinger 1922, S. 400f, Gesperrtschrift bei Vaihinger hier fett)

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    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Begriff, Begriffsanalyse und Gebrauchsbeispiele in der Philosophie. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/sprache/BegrAna/BABegriff/BA_Philos.htm
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