Neue Werte für die Wirtschaft
Eine Alternativ zu Kommunimus und
Kapitalismus
von Christian Felbers
präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
Bibliographie * Verlagsinfo * Inhaltsverzeichnis * Leseprobe * Ergebnisse * Bewertung * Links * Literatur * Querverweise *
Vorwort 9
1. Freiheit 13
2. Erfolg 55
3. Wettbewerb 103
4. Leistung 133
5. Wettbewerbsfähigkeit 155
6. Chancengleichheit 175
7. Eigenverantwortung 195
8. Soziale Verantwortung 221
9. Ökologische Ethik 239
10. Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus
273
Literatur 329
Danksagung 333
"Vorwort
Es wird keine neue Wirtschaftsordnung geben ohne ein neues Wertesystem.
Der Kapitalismus wurde viel kritisiert, und er hat bisher jede Kritik überlebt. Seine Verteidiger haben stets zugegeben, dass er Ungleichheit schafft, die ökologischen Lebensgrundlagen angreift und nicht allen gleiche Chancen bietet. Doch welche Wirtschaftsform schafft höheren Wohlstand, welche ist effizienter, welche fördert Innovationen stärker und vor allem: Welche Wirtschaftsform bietet dem Individuum größere Freiheit? Auf diese Frage hat es bisher keine überzeugende Antwort gegeben, deshalb sitzt der Kapitalismus trotz aller Kritik fester im Sattel denn je.
Und dennoch: Das Unbehagen im Kapitalismus wächst. Weltweit. Nicht nur, weil die Ungleichheiten wachsen, die ökologische Zerstörung und die Unsicherheiten, sondern auch, weil immer mehr Menschen spüren und erahnen, dass die zentralen Versprechen des Kapitalismus – Freiheit und Glück – gar nicht eingelöst werden. Es handelt sich um tiefsitzende Mythen, die wir im Laufe der Jahrhunderte brav erlernt haben. Heute herrschen diese Mythen, die eine Gesellschaft angeblich frei und glücklich machen, in Gestalt des Wettbewerbs-, Wettbewerbsfähigkeits-, Leistungs- und Wachstumsmythos unumschränkt. Der Kapitalismus befindet sich in einer ethischen Hochkonjunktur. Seine Werte sind die Werte der Gesellschaft.
Und hier liegt der Widerspruch. Denn die kapitalistischen Werte – Leistung, Konkurrenz, Effizienz, Gewinn und Wachstum – passen nicht mit unseren demokratischen und humanistischen Grundwerten zusammen: Freiheit (Selbstbestimmung), [<9] Gleichheit (Gerechtigkeit), Brüderlichkeit (Solidarität), Verantwortung, Vertrauen, Verbundenheit und Mitgefühl. Die Werte der Wirtschaft widersprechen den Werten des Lebens und der Gemeinschaft. Der Vorrang für das Finanzkapital zerstört das ökologische und Sozialkapital – und die Menschenwürde.
Der entscheidende Punkt: Die staatlichen Institutionen und Gesetze prägen den Charakter der Gesellschaft (Erich Fromm). Jedes Gesetz und jede Institution fördert bestimmte Werte und schwächt andere. Daher ist es entscheidend, welcher wirtschaftspolitischen Instrumente wir uns bedienen. Derzeit werden Egoismus, Konkurrenz und Gier gesetzlich gefördert. Mitgefühl, Solidarität und Verantwortung kommen zu kurz. So schwächen wir uns als Gesellschaft selbst. Intelligente Gesellschaften schaffen sich Institutionen und Gesetze, die sie stärken, nicht unterminieren.
Wir begründen diese Entscheidung mit dem Verweis auf eine angebliche »Natur des Menschen«. Konkurrenz und Egoismus seien in unseren Genen zu Hause. Dagegen könnten wir nichts tun, wir sollten uns daher diese »Menschennatur« zunutze machen – auf dem »freien« Markt. Doch diese Sicht von uns ist eine Täuschung, sie ist der ideologische Kern des Kapitalismus. Das sozialdarwinistische Menschenbild ist ebenso überholt wie die Annahme, dass Menschen »von Natur aus« nach Macht und Reichtum strebten. Zwar sind Menschen zweifellos zu Macht- und Gewinnstreben fähig, das haben wir hinlänglich bewiesen; aber genauso fähig sind wir zum Helfen, zum Kooperieren und zum Teilen.
Die Verfolgung kapitalistischer Ziele macht uns nachweislich nicht glücklich. Machtstreben macht krank, höheres Einkommen bringt schon nach der Deckung einfacher Bedürfnisse nicht mehr Zufriedenheit. Wenn Geld zum Lebensinhalt wird und wir unsere Talente nur noch zur Verbesserung des Kontostandes verwenden anstatt zur Verbesserung unserer Beziehungen, werden wir nachweislich unglücklich. Wenn wir materialistische Werte übernehmen – dazu erzieht uns der Kapitalismus –, [<10] fühlen wir uns unfrei, weil wir unsere Lebensziele nicht selbst bestimmen und die meiste Zeit und Energie darauf verwenden, nicht-authentische Werte und Ziele zu verfolgen.
In diesem Buch möchte ich die Kernversprechen und die zentralen Werte des Kapitalismus in Ruhe betrachten, um herauszufinden, worauf ihre Anziehungskraft beruht. Sind es reine Mythen, ist nur manches an ihnen falsch, anderes gut? Dieser »Dekonstruktion« gelten die ersten acht Kapitel: Hält das Freiheitsversprechen des Kapitalismus? Bringt der Wettbewerb wirklich Effizienz und Innovation? Ist unser Verständnis von Erfolg und Leistung gesund? Sollen wir wirklich alle versuchen, global wettbewerbsfähig zu werden? Ist das die Kernbedeutung von »Eigenverantwortung«? Dabei trennt sich die Spreu vom Weizen, die humanistische Essenz dieser Werte soll herausgeschält und der kapitalistische Ballast abgeworfen werden.
Sodann erweitere ich die hoffentlich ans Tageslicht gekommene humanistische Ethik um eine ökologische Dimension. Ziel ist, unseren Horizont zu weiten. Das Endprodukt sollte ein stabiles und attraktives Fundament für die Neuordnung des Werteschaffens (Wirtschaftens) sein.
PS: Die Notwendigkeit, dieses Buch zu schreiben, erwuchs direkt aus den »50 Vorschlägen für eine gerechtere Welt«, die im Herbst 2006 erschienen und sich Anfang 2008 in der 6. Auflage befinden. Denn so positiv die meisten Vorschläge aufgenommen wurden, sie alle stoßen auf ein gemeinsames Hindernis: das Gewinninteresse mächtiger Konzerne. Das hat in mir einen tiefgehenden Nachdenkprozess über die Motiv- und Anreizstrukturen in der Welt des Wirtschaftens ausgelöst, dessen Ergebnisse nun vor Ihnen liegen."
"10. Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus
[Der Kapitalismus] ist kein Erfolg. Er ist weder intelligent noch schön, er ist weder gerecht noch tugendhaft- und außerdem funktioniert er nicht (...) Wenn wir allerdings darüber nachdenken, was wir an seine Stelle setzen, sind wir völlig ratlos. JOHN MAYNARD KEYNES
Das Ziel der Wirtschaft sollte das größtmögliche Wohl
aller : durch die bestmögliche Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
sein. Keine Ziele sind Wachstum, Gewinn, einseitige Kosten- & Effizienz
oder Wettbewerbsfähigkeit. In der Wirtschaft, beim Werteschaffen,
sollten wir unsere teils verfassungsmäßigen Mehrheitswerte Demokratie,
Gleichheit Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung und Partizipation, Solidarität,
soziale Sicherheit, Geschlechtergerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit,
kulturelle Vielfalt, Toleranz und Wahrung der Menschenwürde bestmöglich
beachten und erfüllen.
Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es, Institutionen
und Regeln zu schaffen, die diese gesellschaftlichen Werte und nicht private
Laster (Egoismus, Materialismus, Kontrakurrenz) fördern. Die Instrumente
der Wirtschaftspolitik dürfen zu ihren Zielen und den zentralen gesellschaftlichen
Werten nicht im Widerspruch stehen. Die Anreize sind so zu setzen, dass
die gewünschten Werte belohnt werden und umgekehrt gesellschaftlich
unerwünschte Verhaltensweisen nicht begünstigt werden. Der Kernwiderspruch
des Kapitalismus, das »Mandeville-Paradox«,
dass die Förderung des Egoismus auf individueller Ebene zum Gemeinwohl
auf kollektiver Ebene führen soll, muss aufgelöst werden. Die
Bienenfabel ist umzuschreiben: private Tugen-[>274]den als öffentliche
Vorteile! Vom Wohlwollen des Metzgers, des Brauers und aller Unternehmerinnen
erwarten wir unsere tägliche Mahlzeit!
Der Kapitalismus wird insofern überwunden,
als die Vermehrung von Kapital nicht länger das Ziel des Wirtschaftens
ist und - ganz wesentlich - auch nicht belohnt wird. Kapitaleinsatz muss
zumindest ab einer gewissen Grenze dem Gemeinwohl dienen. Das Gemeinwohl
ist von Natur aus nicht definiert, es ist weder absolut noch objektiv,
es kann nur demokratisch ausgehandelt werden. Es verkörpert die jeweils
zentralen Werte einer Gesellschaft und muss durch breite Partizipationsprozesse
periodisch neu ermittelt werden. Umfragen, Studien und Wahlen kommen zu
recht verlässlichen Anhalts- und Eckpunkten: Zu den oben genannten
Werten kommen noch Zeitwohlstand, Beziehungsqualität und Förderung
des Selbstwertgefühls der Individuen.
Durch die Neuorganisation der Wirtschaft soll größere
Freiheit und weniger Zwang als im Kapitalismus und Kommunismus erreicht
werden. Ausgangspunkt ist der liberale Grundsatz, dass meine Freiheit dort
endet, wo deine beginnt. Du, das ist nicht nur Mensch, sondern das sind
auch die anderen Lebewesen und die ganze Schöpfung. Das Du weitet
sich vom Sozialen zum Ökologischen.
Eine positive Definition von Freiheit kann nie vollständig
sein, weil Freiheit für jeden etwas anderes bedeutet und der Mensch
sich immer weiterentwickelt. Einige Komponenten von Freiheit habe ich im
Lauf der Kapitel gesammelt: Selbstbestimmung von Werten und Lebenszielen,
Voraussetzungsgleichheit bei Markttäuschen, systematische Wahrung
der Menschenwürde, demokratische Teilhabe und Mitgestaltung der Regeln
für das Zusammenleben und in der Welt des Werteschaffens, bedingungslose
Kreativität.
Der Freiheitsbegriff muss zum Teil offen bleiben,
sobald er geschlossen wird, steigt die Gefahr seines Missbrauchs durch
ein totalitäres Regime, das hat die Geschichte in Gestalt von Sta-[274]linismus
und Kapitalismus gezeigt. Es geht hier daher nicht um leine vollständige
Definition von Freiheit, sondern um Eck- oder Ausgangspunkte, die ein liberaleres,
humaneres und ökologischeres Wirtschaften ermöglichen als bisher.
Private Unternehmen ja,
gewinnorientierte Unternehmen nein
Die wichtigste Lehre, die wir aus den fehlgeschlagenen Experimenten
Kommunismus und Kapitalismus ziehen können, ist, dass sie auf Anreizstrukturen
und Systemdynamiken beruhten, die mit unseren Grundwerten in Widerspruch
standen und diese auch deshalb nicht erreicht wurden. Wir haben nicht erreicht:
Freiheit erlangen wir weder durch zentrale Entmündigung noch
durch das Anstacheln zum individuellen Egoismus. Wo der Kapitalismus recht
hat: Individuelle Freiheit darf und soll sich selbstverständlich auch
beim Werteschaffen entfalten. Eigeninitiative ist ein Ausdruck selbstbestimmter
und mündiger Personen und muss daher in der Wirtschaft so wie in allen
anderen Lebensbereichen erlaubt und gern gesehen sein - solange sie die
ökonomische oder politische Freiheit des Nächsten nicht einschränkt.
Dieser Vorbehalt gilt nicht nur für die unmittelbare lnteraktion zwischen
Tauschpartnerinnen, sondern auch für das Gesamtsystem: Die Folgen
des Gewinnstrebens auf die emo-[>276] tionale Beziehungsqualität und
die politischen Machtverhältnisse in der Gesellschaft müssen
berücksichtigt werden.
Es bedarf somit einer Korrektur der Bedeutung ökonomischer
Freiheit. Im Kapitalismus ist wirtschaftliche Freiheit mit Gewinnstreben,
Wettbewerb und grenzenlosem Privateigentum kurzgeschlossen. Mit diesen
Kurzschlüssen sind die Neoliberalen vom Pfad der Freiheit abgewichen.
Ein wirklich liberales Freiheitsversprechen würde Wirtschaftsfreiheiten
im Einklang mit politischen Freiheiten und Menschenrechten definieren.
Es achtet den Freiheitserhaltungsgrundsatz, wonach die Freiheit einer Person
dort enden muss, wo sie die Freiheit einer anderen Person einschränkt.
Wirtschaftliche Freiheit im liberalen und humanen Sinn
Aus der Autonomie/Selbstbestimmung erwächst wirtschaftliche
Eigeninitiative, das ist der Unterschied zum Realsozialismus. Ob sich Eigeninitiative
aber in einem Wettbewerbssystem oder in einer Kooperationsstruktur entfaltet;
ob sie mit schrankenloser oder begrenzter materieller Ungleichheit kombiniert
wird; ob für sie ein überwiegender Anteil von Gemeinschaftsgütern
oder mehrheitlich private Güter zur Verfügung stehen, ist einerlei.
Für Autonomie und Eigeninitiative sind weder grenzenloses Privateigentum
noch freies Konkurrenzieren zentrale Kriterien. Wie wir gesehen haben,
sind beide unverträglich mit dem liberalen Freiheitserhaltungsgrundsatz.
..."
Literatur (Auswahl) > Informationen
über Bücher, Bibliotheken, bibliographische Quellen.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
Buchpräsentation site:www.sgipt.org. |