Definitions-Register-Psychologie
Definition und definieren bei
J.F. Herbart (1776-1841)
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Editorial.
Zusammenfassung-Herbart-Def.
Fundstellen 1824.
Fundstellen 1825.
Fundstellen 1839/40.
Checkliste definieren.
Checkliste Beweis
und beweisen.
Literatur, Links, Glossar,
Anmerkungen und Endnoten, Querverweise,
Copyright
und Zitierung, Änderungen
defin 2
28: Wenn nun gleich die gegebene Antwort einleuch-
tend ist, so hat sie doch nur den Werth einer Nominal-
Definition. Denn wir sehen noch
nicht, ob es denn sol-
che Thatsachen des Bewußtseyns wirklich gebe, die zu
Erkenntnißgründen der aufzusuchenden Gesetze dienen
können? Welche es seyen? Wie man sie herauswäh-
len könne aus der Fülle der innern Wahrnehmungen?
Wie aus ihnen etwas folge, und wie Vieles? Ob man
mehrere solche Thatsachen verbinden müsse, oder nicht?
Ob man sich aller deren, welche die Würde von Prin-
cipien behaupten können, nothwendig bedienen müsse;
oder ob sie den mehrern Thoren Einer Stadt zu verglei-
chen seyen, unter denen man wählen darf, weil jedes
den Eingang zu der ganzen Stadt darbietet, obgleich
vielleicht Eines schneller und bequemer als die andern,
uns in den Mittelpunct der Stadt würde gelangen lassen?
77: "Wenn das imposante Ansehen eines, in viele Fä-
cher getheilten, von Definitionen
und Divisionen angefüll-
ten, Lehrgebäudes eben so geschickt wäre, ächtes Den-
ken zu erwecken, als es fähig ist, Schüler anzulocken:
so müßte die Wolffische Periode in der That die Blü-
thezeit der Philosophie gewesen seyn. Aber je größer
die Menge des eingebildeten Wissens, desto geringer ist
die Spannung des Forschungsgeistes; und dieser wird
durch einen kurzen Aufsatz von Leibniz mehr angeregt,
als durch einen ganzen Band von Wolff."
defin 18
74f: "Darum stellte ich längst die Definition
auf: Ver-
stand ist das Vermögen, uns im Denken nach
der Qualität des Gedachten zu richten *).
*) Man vergleiche den Anfang der Logik, in meiner Einleitung
in die Philosophie; desgleichen mehrere hieher gehörige Stellen
meines
Lehrbuchs der Psychologie. [>|0075 : 40|
Hingegen Vernunft ist das Vermögen, dasjenige zu
vernehmen, wofür der Unvernünftige taub ist; und das
sind — Gründe. Also: Vernunft ist das Vermö-
gen, zu überlegen, und nach dem Ergebniß der
Ueberlegung sich zu bestimmen."
79: "Es ist dort gezeigt, daß gerade das Uebermaaß
entgegengesetzter Verbindungen es ist, wodurch eine
Vorstellung dahin gelangt, daß sie für isolirt gelten
kann, und nunmehr für neue Verbindungen bereit liegt,
wobey bloß ihre Qualität die bestimmende Ursache aus-
macht; welches denn bey den logischen Anordnungen
der Begriffe geschieht. Davon wird weiter unten aus-
führlich geredet werden. Aber es ist einer der ärgsten,
wie der gemeinsten Misgriffe, deren sich die empirische
Psychologie schuldig gemacht hat, den Verstand für das
Vermögen der Begriffe (oder auch, Vermögen, durch
Begriffe die Gegenstände zu denken) zu erklären (wo-
bey noch obendrein, um einen zweyten Fehler zu be-
gehn, Begriffe für allgemeine Vorstellungen aus-
gegeben werden, als ob es keine einzelnen Begriffe
gäbe). Diese Definition ist viel zu eng; und sie taugt
deshalb Nichts; auch dann noch, wann wir von dem
Vorurtheil der Seelenvermögen ganz hinwegsehn. Die
empirische Psychologie muß dem Sprachgebrauche genü-
gen; und dieser erlaubt schlechterdings nicht, nach der
Cultur der Begriffe die Größe des Verstandes abzumes-
sen. Frauen, Staatsmänner, Feldherrn, Künstler, Kauf-
leute, suchen den Verstand in keiner logischen Schule;
obgleich sie hier allerdings diejenige, zwar wichtige, aber
ziemlich eng beschränkte species des Verstandes suchen
sollten, welche von der Anordnung und scharfen Bestim-
mung der Begriffe abhängt."
82: "Hieraus sieht man, daß der Syllogismus eins der
leichtesten Beyspiele für das Thun der Vernunft darbie-
tet, aber das Beyspiel ist nicht der Begriff selbst; und [>|0082 :
47|]
es war eine sehr enge Definition, da man
die Vernunft
für das Vermögen zu schließen erklärte."
336: "... Das Substrat ist
hinzugedacht, aber nicht gegeben. Dennoch ist eben
dieselbe Stelle schätzbar darum, weil sie die wahre
Real-Definition der Substanz enthält. ..."
348: "... Wird dieses durch die sämmtli-
chen erwähnten Urtheile durchgeführt, so ist A nur noch
der Besitzer der sämmtlichen Eigenschaften, es ist nicht
mehr durch dieselben zu definiren,
sondern es bietet nur [>|0349 : 314|]
für sie den gemeinschaftlichen Anknüpfungspunct dar, es
ist ihr Träger, ihr Substrat."
385: "... (Erklärt man das Perpendikel durch dieje-
nige Linie, welche mit einer andern vier gleiche Win-
kel macht, so mag eine solche Definition
im gewöhnli-
chen geometrischen Vortrage brauchbar seyn; aber sie
taugt nichts, wenn man psychologische Aufschlüsse über
die Erzeugung der geometrischen Begriffe verlangt.)"
405-
"Wir müssen zurückkehren zu unserer Hauptsache: der
logischen Cultur unserer Begriffe.
Diese wird bekanntlich erst vollendet durch Defini-
tionen und Divisionen. Und
man kann leicht be-
merken, daß in dem Bemühen, eine Definition
zu fin-
den, der Begriff gleichsam angeschaut, betrachtet, meh-
reren Versuchen unterworfen wird; daß er wie ein Object,
welches wir zu fixiren suchen, vor uns schwebt. Also
wird das, was eben zuvor von der fixirenden Anschauung
gesagt wurde, hier zur Grundlage unserer Ueberlegung
dienen könne. Die Aehnlichkeit in beyden Fällen ist
um so größer, da, wie vorhin gezeigt, die Empfindung
beym Anschauen nicht als Vermehrung der Masse unse-
rer Vorstellung, sondern nur als Reiz, und als formen-
des Princip für unseren schon gesammelten Vorrath in
Betracht kommt. Statt der Empfindung muß nun in dem
Falle, wo eine Definition gesucht
wird, der Gesammt-
Eindruck, oder der noch rohe Begriff dienen, welchen
wir definiren wollen; dieser muß
mit hinreichender Ener-
gie im Bewußtseyn hervortreten, oder durch wiederhohlte
Fragen, was er sey? hervorgehoben werden. Ferner
ist hier nicht bloß nach einerley Richtung hin die Apper-
ception nöthig, sondern nach zweyen entgegengesetzten
Richtungen. Nämlich auf der einen Seite müssen die
untergeordneten Vorstellungen, auf der andern die hö-
hern Begriffe hervortreten. Wie wenn die Definition
des Vogels gesucht würde: so müßten erstlich Vögel
mancherley Art, zweytens die Begriffe vom Thier über-
haupt, von der Bewegung im Raume, und hier insbe-
sondere vom Umherfahren in der Luft, ins Bewußtseyn
treten. Denn die Definition, mag
sie, der Kürze wegen,
per genus proximum et differentiam specificam geleistet
werden, — muß erstlich den Begriff aus mehrern höhe-
ren suchen zusammenzusetzen. (Auch die Differenz ist
in der Regel ein höherer Begriff, da sie noch mehrern
Begriffen zukommen kann, und folglich der, welchen wir
mit ihrer Hülfe definiren wollen,
sich zu ihr wie die Art [>|0406 : 371|]
zur Gattung verhält; obgleich hievon Ausnahmen vorkom-
men, wie das Wiehern des Pferdes, und andre, ganz
eigenthümliche Merkmale.) Ob aber die Zusammen-
setzung gelungen sey, wird geprüft an dem Umfange des
Begriffs, und den darin enthaltenen Beyspielen; die es
verrathen, wenn die Definition zu
eng ist; desgleichen
an den Beyspielen, welche zum genus und der Differenz
gehören, aus denen man erkennt, ob die Definition
zu
weit ist. Denn ich rede hier nur von solchen Erklärun-
gen, die zum sogenannten analytischen Denken gehören;
nicht von der Definition durch streng
wissenschaftliche
Erzeugung eines Begriffs, welches über die Sphäre mei-
ner jetzigen psychologischen Untersuchung hinaus liegt.
Der Punct, auf welchen man hier merken muß, ist
das Entstehen einer neuen Dimension für den Lauf
unserer Vorstellungen. Die ursprüngliche Richtung der-
selben ist die zeitliche, woraus die räumliche sich bildet,
nach §. 112. und 113. Ferner haben wir im §. 139. das
Analogon derselben, die Fortschreitung in den qualitati-
ven Continuen, näher betrachtet; auch war von beydem
schon im §. 100. die Rede. Von derjenigen hingegen,
die wir hier finden, kann man sagen, daß sie die vori-
gen senkrecht durchschneide; sie ist nämlich die der lo-
gischen Unterordnung; jene aber gehören zur Nebenord-
nung. Der Begriff, welchen wir definiren,
liegt zwischen
seinen höhern und niedern. Durch doppelte Apperception
und durch die, damit verbundene, Verschmelzung, hat
er sich beyden angeschlossen; und das Denken geht durch
ihn herdurch nach zweyen entgegengesetzten Richtungen;
nur nicht auf einerley Weise. Denn er ist ein Mittel-
begriff im Sinne des logischen Syllogismus; man kann
schließen:
aber nicht mit umgekehrter Fortschreitung, das Thier
sey ein Vogel, der Vogel ein Adler, also das Thier ein [>|0407 : 372|]
Adler. Soll diese falsche Fortschreitung verbessert wer-
den, so führt sie auf Divisionen. Angenommen fürs
Erste, wir gehen vom Vogel zum Adler: so hat der Adler
seinen Platz in einem jener qualitativen Continuen des
§. 139.; ist die Verschmelzung der dazu gehörigen Vor-
stellungen gehörig zu Stande gekommen, so durchläuft
das Vorstellen, gleichsam seitwärts, vom Adler abschwei-
fend, die Menge der übrigen Vögel; während der schon
bereit liegende, appercipirende Begriff des Vogels sie
alle mit sich vereinigt. Dasselbe ereignet sich in dem
Verhältnisse des Thiers zum Vogel, und diese logische
Bewegung unseres Denkens würde nicht eher endigen,
als in vollständiger Ueberschauung des ganzen Systems
unserer Begriffe, wenn alle dazu nöthigen Verschmelzun-
gen vollführt, und die Hemmungen nicht zu stark wä-
ren. — Uebrigens wird wohl Niemand fragen, warum
nicht, wenn vom Adler die Vorstellungsreihe zum Vogel
fortgeht, sie auch dann seitwärts zu den übrigen Thieren
übergehe? Denn es ist klar, daß, wenn sie es thut,
dann die Vorstellung des Adlers gehemmt wird, und die
Reihe als solche abgebrochen ist."
408: "Hier bemerken wir noch eine dritte Art von Frey-
heit; die Freyheit der Reflexion. Bey der Definition
geschieht eine Unterordnung des Begriffs unter seine
Merkmale. Durchläuft man successiv die Reihe dieser
Merkmale: so hebt sich eine Seite des Begriffs nach der
andern hervor, und das Gleichgewicht ist gestört, worin
vorher die sämmtlichen Bestandtheile des Begriffs mit
einander schwebten. ..."
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