Forensisch-Psychopathologischer Kommentar
zum
Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung (Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz – BayMRVG). Drucksache 17_4944.pdf.
BayMRVG Abschnitt 5 Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen
Art. 22-28
- Zur Übersichts- und Verteilerseite -
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Abschnitt 5 Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen
Art. 22 Disziplinarmaßnahmen
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90, FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 23 Festnahmerecht
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90,
FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 24 Durchsuchungen und Untersuchungen
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90,
FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 25 Besondere Sicherungsmaßnahmen
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90, FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 26 Fixierungen
Gesetzestext,
B90,
FW,
SPD
*
Begründung,
B90,
FW, SPD
* RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 27 Unmittelbarer Zwang
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90,
FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 28 Erkennungsdienstliche Maßnahmen
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90,
FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Gesetzes-Text
Art 22 Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Abschnitt 5
Disziplinarmaßnahmen
(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind
(3) Art. 109 Abs. 2 und 3, Art. 110 Abs. 3, Art. 111 Abs. 1 und 2 sowie Art. 113 BayStVollzG gelten entsprechend. Aenderungsantrag Art. 22 Buendnis 90/ Die Gruenen |
Begruendung
Art
22 Disziplinar- und Sicherungsmassnahmen [S.
46ff]u
Zu Abschnitt 5 Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen: Abschnitt 5 bestimmt zulässige Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen, auf die zur Gewährleistung der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht verzichtet werden kann. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei Disziplinar-
und Sicherungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung
Zu Abs. 1
Disziplinarmaßnahmen sind aber von Behandlungsmaßnahmen
nach Art. 6 zu unterscheiden. Die Einordnung
Disziplinarmaßnahmen kommen nur in Betracht, wenn eine untergebrachte Person schuldhaft gegen eine Pflicht, die ihr durch dieses Gesetz auferlegt ist oder die ihr infolge einer Anordnung auf Grund dieses Gesetzes auferlegt wurde, verstößt. Damit scheidet die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen bei Schuldlosen von vornherein aus. Maßgebend bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit einer untergebrachten Person ist der Zeitpunkt der Begehung der Pflichtwidrigkeit. Zudem rechtfertigen Pflichtverstöße mit Bagatellcharakter keine Disziplinarmaßnahmen. Zu Abs. 2
Nr. 6 umfasst auch die Beschränkung oder den Ausschluss von der Teilnahme der untergebrachten Person am gemeinsamen Hofgang. Alleiniger Hofgang darf nach Art. 11 Abs. 2 nicht versagt werden. Ist eine Disziplinarmaßnahme abgeschlossen und dauert der Verstoß nach wie vor an oder wird dieser erneut begangen, ist die erneute Anordnung einer Disziplinarmaßnahme zulässig. Zu Abs. 3
|
RS-Kommentar
Art. 22
Rn22.1 Strafen haben nur dann einen Sinn, wenn sie auch im Sinne der mit ihr verbundenen Ziele wirken: Psychologie der Strafe. > Lerntheoretische und verhaltenstherapeutische Begriffe. (aversiver Reize, Belohnung u.a.m.). Rn22.2 So betrachtet wäre eine Mindestanforderung an die Begründung des Strafsystems im Maßregelvollzug, dass (Evaluations-) Studien vorgelegt würden, die die Wirksamkeit der Strafen hinsichtlich der Ziele belegen. Das ist hier nicht der Fall. Stattdessen muss man den Eindruck einer gewohnheitsmäßigen Fortschreibung dessen, was Praxis ist, gewinnen. Rn22.3 Die zentrale und nicht belegte These lautet zu Abs 1: "Allerdings ist die Repression nicht Zweck an sich, sondern sie dient der Unterstützung der Behandlung und ist mit ihr in Zusammenhang zu sehen." Rn22.4 Das lerntheoretische Prinzip der "negativen Verstärkung" ist nicht verstanden und wird anscheinend mit aversiven Reizen verwechselt. |
Stellungnahmen Art. 22 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 23 Festnahmerecht
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Festnahmerecht Hält sich die untergebrachte Person ohne Erlaubnis außerhalb
der Maßregelvollzugseinrichtung auf, so kann sie durch Beschäftigte
der Maßregelvollzugseinrichtung oder auf deren Veranlassung hin festgenommen
und in die Maßregelvollzugseinrichtung zurückgebracht werden.
|
Begruendung
Art. 23 Festnahmerecht [S. 47]u
Zu Art. 23
Art. 23 enthält eine Neuregelung. Er bestimmt das Festnahmerecht und orientiert sich an der bewährten Ausge- staltung im Strafvollzug (Art. 95 BayStVollzG). Das Festnahmerecht der Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung
wird erforderlich, wenn eine untergebrach-
Das Festnahmerecht besteht allerdings nur dann und nur so lange, als
noch ein unmittelbarer Bezug zum [>48]
|
RS-Kommentar
Art. 23
Rn23.1 An der grundsätzlichen Regelung gibt es psychopathologisch nichts anzumerken. Rn23.2 In der Begründung wird die Behauptung, der "bewährten" Ausgestaltung im Strafvollzug (Art. 95 BayStVollzG) nicht näher begründet und ist damit dem Glauben anheimgegeben. |
Stellungnahmen Art. 23 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 24 Durchsuchungen und Untersuchungen
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Art. 24
(1) 1Die untergebrachte Person, ihre Sachen und ihr Wohn- und Schlafbereich dürfen durchsucht werden, um die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung zu gewährleisten. 2Die Durchsuchung der Person darf außer bei Gefahr in Verzug nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden; dies gilt nicht für das Absuchen mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfs- mitteln. 3Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen. 4Durchsuchungen der Person dürfen nicht von einem Beschäftigten allein durchgeführt werden. 5Andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein. (2) 1Nur bei Gefahr in Verzug oder auf Anordnung der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. 2Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. (3) 1Besteht der begründete Verdacht, dass eine untergebrachte Person Gegenstände im Körper versteckt hat, die die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugsein- richtung gefährden, kann die untergebrachte Person durch einen Arzt oder eine Ärztin untersucht werden. 2Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 2 Satz 2 gelten entsprechend. (4) In den Fällen der Abs. 1 bis 3 kann auch
angeordnet werden, dass bestimmte untergebrachte Personen bei jeder Rückkehr
in die Maßregelvollzugseinrichtung oder in die Station und nach jedem
Besuch zu durchsuchen
|
Begruendung
Art.
24 Durchsuchungen und Untersuchungen [S.
48]u
Zu Art. 24
Art. 24 enthält eine Neuregelung und orientiert sich an der bewährten
Ausgestaltung im Strafvollzug (Art.
91
Zu Abs. 1
Auf Durchsuchungen kann im Interesse der Sicherheit und des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvoll- zugseinrichtung, aber auch im Interesse einer wirksamen Behandlung nicht verzichtet werden. Durchsuchungen zielen vorrangig darauf ab, Drogen, Ausbruchswerkzeuge, Waffen oder als Waffen nutzbare Gegenstände zu finden. Nach Satz 1 dürfen die untergebrachte Person, ihre Sachen sowie
ihren Wohn- und Schlafbereich durchsucht
Die Sätze 2 bis 5 bestimmen das Verfahren der Durchsuchung. Danach darf diese keinesfalls allein von einem Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung und nicht im Beisein einer anderen untergebrachten Person durch- geführt werden. Dies kann zur Versachlichung einer angespannten Atmosphäre beitragen, vor Übergriffen der untergebrachten Person gegenüber den Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung schützen oder ungerecht- fertigten Beschuldigungen durch die untergebrachte Person vorbeugen. Die Durchsuchung einer männlichen Person ist nur von Männern und die Durchsuchung einer weiblichen Person nur von Frauen vorzunehmen. Nur wenn eine Durchsuchung unverzüglich durchgeführt werden muss und kein mit der untergebrachten Person gleichgeschlechtli- ches Personal zur Verfügung steht, ist eine Durchsuchung im Ausnahmefall durch eine Person anderen Geschlechtes zulässig. Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen. Das Absuchen der untergebrachten Person nach Metallgegenständen mit einem Detektorrahmen oder einer Handdetektorsonde ist keine Durchsuchung im Sinn dieser Vorschrift, da bei dieser Maßnahme kein direkter Kontakt der absuchenden Person mit dem Körper der untergebrachten Person stattfindet. Diese Maßnahme darf daher auch von Personen anderen Geschlechts durchgeführt werden, muss nicht in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden und findet ihre gesetzliche Grundlage in Art. 3 Abs. 2 Satz 2. Zu Abs. 2
Zu Abs. 3
Die Untersuchung umfasst auch die Kontrolle der intimen Körperhöhlen und -öffnungen, u. a. auch das Abtasten des Darmausganges. Abs. 3 legitimiert aber keine invasiven Eingriffe in das Körperinnere, wie beispielsweise eine Magen- oder Darmspiegelung. Zu Abs. 4
Die Entscheidungskompetenz ist gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 8
der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung zugewiesen.
|
RS-Kommentar
Art. 24
Rn24.1 An der grundsätzlichen Regelung gibt es psychopathologisch nichts anzumerken. Rn24.2 In der Begründung wird die Behauptung der "bewährten" Ausgestaltung im Strafvollzug (Art. 91 BayStVollzG)" nicht begründet und ist dem Glauben anheimgestellt. |
Stellungnahmen Art. 24 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 25 Besondere Sicherungsmaßnahmen
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Art. 25
(1) Gegen eine untergebrachte Person können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres Gesundheitszustands in erhöhtem Maße Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr einer Selbsttötung oder Selbstverletzung besteht. (2) Zulässige besondere Sicherungsmaßnahmen sind
Aenderungsantrag Art. 25 Abs 2 Nr. 2 Buendnis 90/ Die Gruenen(3) Maßnahmen nach Abs. 2 Nrn. 3 bis 8 sind auch zulässig, wenn die Gefahr eines Ausbruchs, einer Befreiung oder einer erheblichen Störung des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht anders abgewendet werden kann. (4) Maßnahmen nach Abs. 2 Nr. 8 sind bei einer
Ausführung, Vorführung oder beim Transport der untergebrachten
Person auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als den in
Abs. 1 genannten Fluchtgefahr besteht.
|
Begruendung
Art.
25 Besondere Sicherungsmassnahmen [S. 49]u
Zu Art. 25
Art. 25 enthält eine Neuregelung und orientiert sich an der bewährten Ausgestaltung im Strafvollzug (Art. 96 ff. BayStVollzG). Im UnterbrG waren besondere Sicherungsmaßnahmen nicht gesondert geregelt. Sie waren – soweit die Voraussetzungen vorlagen – nur nach den Vorschriften über den unmittelbaren Zwang möglich. Da diese Vorschriften aber nur bedingt geeignet sind, Grundrechtseingriffe zu legitimieren und zudem nicht alle Fälle erfassen, in denen besondere Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, ist eine gesetzliche Neuregelung geboten. Zu Abs. 1
Abs. 1 definiert, unter welchen Voraussetzungen besondere Sicherungsmaßnahmen
gegen die untergebrachte
Zu Abs. 2
Abs. 3 entspricht weitgehend der Regelung in Art. 96 Abs. 3 BayStVollzG und bildet einen selbständigen Eingriffstatbestand für die aufgezählten besonderen Sicherungsmaßnahmen. Er unterscheidet sich von der Regelung in Abs. 1 dadurch, dass hier die Gefahr nicht von der untergebrachten Person selbst auszugehen braucht. Die Maßnahmen können beispielsweise auch zum Schutz vor anderen untergebrachten Personen angeordnet werden. Zu Abs. 4
|
RS-Kommentar
Art. 25 Besondere Sicherungsmaßnahmen
Rn25.1 An der grundsätzlichen Regelung gibt es psychopathologisch nichts anzumerken. Rn25.2 1Der Absatz (2) Nr. 4 nächtliche Kontrolle ist zu unbestimmt und wird dem besonderen Schutz des Schlafes und Traumes nicht gerecht. 2Hier werden auch nicht einmal Alternativen erwogen. 3Und es wird auch gar nicht begründet, weshalb Nachschauen das Suizidrisiko mindern soll, was ja sehr zweifelhaft ist. Rn25.3 In der Begründung Abs. (2), Nr. 5 Nr. 5 ist "vorübergehend" zu unbestimmt. Rn25.5 In der Begründung Abs. 2, Nr. 6, ist "der gänzliche Entzug" wie "eingeschränkt" oder "untersagt" zu unbestimmt und gehört genauer mit Beispielen erläutert. Rn25.5 In der Begründung Abs. 2, Nr. 7 ist "vorübergehend" zu unbestimmt. |
Stellungnahmen Art. 25 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 26 Fixierungen
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Fixierungen (1) 1Die untergebrachte Person darf mechanisch fixiert werden, wenn und solange die gegenwärtige Gefahr besteht, dass sie gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst verletzt oder tötet. 2Sie ist auf gefährliche Gegenstände zu durchsuchen und ständig durch einen Beschäftigten zu betreuen und zu überwachen. (2) Eine Fixierung darf nur befristet angeordnet werden, längstens für 24 Stunden. (3)1Eine Fixierung ist der untergebrachten Person durch die Maßregelvollzugseinrichtung anzukündigen. 2Willigt die untergebrachte Person in die Fixierung nicht ein, legt die Maßregelvollzugseinrichtung den Vorgang der nach §§ 110, 138 Abs. 3 StVollzG zuständigen Strafvollstreckungskammer zur gerichtlichen Entscheidung vor. 3Wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist, kann die Fixierung durchgeführt werden, bevor die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ergangen ist. 4Hat sich die Fixierung vor der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erledigt, gilt § 115 Abs. 3 StVollzG. Aendungsantrag Freie Waehler zu Art. 26 Fixierungen
|
Begruendung
Art.
26 Fixierungen [S. 50]u
Zu Art. 26
Art. 26 enthält eine Neuregelung. Im UnterbrG war die Möglichkeit der Vornahme von Fixierungen an unter- gebrachten Personen nicht gesondert geregelt. Sie war – soweit die Voraussetzungen vorlagen – nur nach den Vorschriften über den unmittelbaren Zwang möglich. Da diese Vorschriften aber nur bedingt geeignet sind, Grundrechtseingriffe zu legitimieren, ist eine gesetzliche Neuregelung geboten. Aufgrund der Schwere des mit einer Fixierung verbundenen Grundrechtseingriffes erfolgt eine von den besonderen Sicherungsmaßnahmen (Art. 25) gesonderte Regelung. Zu Abs. 1
Fixierungen haben immer nach den aktuellen Richtlinien und Behandlungsleitlinien zu erfolgen. Fixierungen müssen auf möglichst schonende Art und Weise erfolgen und müssen aufgehoben werden, sobald die Voraussetzungen des Satz 1 nicht mehr vorliegen. Fixierungen durch Verabreichung von Medikamenten sind unzulässig. Voraussetzung für eine Fixierung sind nach Abs. 1 bestimmte gegenwärtige,
schwerwiegende Gefahren, die sich durch weniger einschneidende Maßnahmen
nicht abwenden lassen. Die Fixierung ist nicht zur Abwendung von Gewalttätigkeiten
gegen Sachen oder bei Fluchtgefahr zulässig. Die fixierte Person darf
sich nicht selbst überlassen werden, sondern muss nach Satz 2 ständig
und in geeigneter Weise betreut (insbesondere zur Befriedigung des Durst-
und Hungergefühls sowie des Harn- und Stuhldranges) und überwacht
werden. Sofern körperlicher und psychischer Zustand der fixierten
Person es zulassen, kann dies z.B. auch durch eine Videoüberwachung
erfolgen,
Zu Abs. 2
Aufgrund der Schwere des mit Fixierung verbundenen Grundrechtseingriffs ist die Entscheidungskompetenz gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 10 der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung zugewiesen. Bei der Durchführung von Fixierungen sind deren Anordnung sowie Begründung, der Beginn, das Ende und die Form der Fixierung sowie die erfolgten Überwachungsmaßnahmen in den über die untergebrachte Person geführten Akten (Art. 32) zu vermerken. Die Dokumentationspflicht soll sicherstellen, dass die Notwendigkeit einer Fixierungsmaßnahme sowie Art und Ausmaß der notwendigen Betreuung jeweils sorgfältig geprüft werden und zu späteren Prüfzwecken nachvollziehbar dokumentiert sind. Zu Abs. 3
Begruendung zum Aenderungsantrag der SPD zu Art. 26 Fixierung |
RS-Kommentar
Art. 26 Fixierungen > Informationen
zur 9 und 5 Punktfixierung, Zwangsjacken u.ä.
Rn26.1 Es verwundert zunächst, dass Alternativen zur Fixierung, wie sie z.B. in England als Festhaltepraxis üblich sind, nicht einmal erwähnt werden, obwohl beispielsweise Dr. Michael von Cranach, jahrzehntelang Leiter der forensischen Psychiatrie in Kaufbeuren, damit sehr gute Erfahrungen gemacht hat, wodurch Fixierung zum seltenen und nur wenige Stunden dauerndem Ereignis wurde. Das wurde auch durch eine Studie der DGPPN bestätigt. Rn26.2 Wie sich aus der Begründung Abs. 2 ergibt, sind fortgesetzte Fixierungen nach wie vor möglich, so dass eine echte Unterbindung und Überwindung der Taufkirchenexzesse (60 Tage und Nächte) keineswegs gesichert ist. Im Gegenteil wird eine fortgesetzte Fixierungspraxis, die ohne Zweifel als Folter zu qualifizieren ist, durch den Art. 26 sogar legitimiert. Rn26.3 Art. 26 Abs. 2 steht in direktem Widerspruch zu seiner Begründung. Während Art. 26 Abs. 2 ausführt "Eine Fixierung darf nur befristet angeordnet werden, längstens für 24 Stunden." heißt es in der Begründung zum Art. 26, Abs. 2: "Dies schließt allerdings nicht aus, dass aufgrund neuerlicher ärztlicher Prüfung und bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 eine erneute Fixierung angeordnet werden kann." Anmerkung: 26.3 ist wegen des direkten logischen Widerspruchs eigens angeführt. Rn26.4 In der Begründung Art. 26 Abs. 3 wird zwar begrüßenswert ausgeführt: "Voraussetzung eines wirksamen [>51] Einverständnisses ist, dass das Einverständnis freiwillig zustande gekommen ist und die betroffene Person die Bedeutung und Tragweite ihres Handelns erfassen kann." Aber es bleibt offen, wer das unabhängig von den Ärzten feststellt oder beglaubigt. Damit ist keinerlei Vorsorge und Kontrolle zum Schutz der PatientIn gewährleistet.
Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung, Satz 2 wird Satz 4: |
Stellungnahmen
Art. 26 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische
Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen,
PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen,
Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.).
UN-Behindertenkonvention Artikel 15 [Online] Buerger Alwin Engelhardt aus Nuernberg vom 2.6.15 zu Art. 26 Fixierungen |
Gesetzes-Text
Art. 27 Unmittelbarer Zwang
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Art. 27
(1) Anordnungen nach diesem Gesetz dürfen im Wege des unmittelbaren Zwangs gegenüber der untergebrachten Person durchgesetzt werden, wenn der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann. (2) Gegenüber anderen Personen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, untergebrachte Personen zu befreien, wenn sie unbefugt in den Bereich der Maßregelvollzugseinrichtung eindringen oder sich unbefugt darin aufhalten. (3) 1Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. 2Die
Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände
(4) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer
Vorschriften bleibt unberührt.
|
Begruendung
Art.
27 Unmittelbarer Zwang [S. 51]u
Zu Art. 27
Art. 27 entspricht im Wesentlichen der Regelung in Art. 28 Abs. 1 Satz
1 in Verbindung mit Art. 19 UnterbrG
Maßnahmen unmittelbaren Zwangs stellen einen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person nach Art. 2 GG dar. Art. 27 beinhaltet die erforderliche gesetzliche Grundlage, damit die Beschäftigten der Maßregelvollzugs- einrichtung über die Berechtigung verfügen, die nach diesem Gesetz zulässigen Maßnahmen notfalls auch zwangs- weise durchzusetzen, wenn die Bereitschaft und Mitwirkung der untergebrachten Person oder gegebenenfalls anderer Personen zur Befolgung von Anordnungen nicht anders zu erreichen sind. Eine gesonderte Regelung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
(vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung
|
RS-Kommentar
Art. 27 Unmittelbarer Zwang
Rn27.1 Artikel 1 formuliert völlig unbestimmt einen abstrakten "Zweck", der mit Zwang durchgesetzt werden darf. Mit einer solchen extrem allgemeinen Zweckberufung ist Zwang immer möglich. Rn27.2 In der Begründung sind sehr unscharfe Bezüge zu Art. 28 Abs. 1 "in Verbindung mit Art. 19 UnterbrG" ausgeführt. Es fehlen konkrete, klare Bestimmungen und Beispiele, wann Zwang angewendet und wann Zwang nicht angewendet werden darf. |
Stellungnahmen Art. 27 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Querverweise
Gesetze,
Verordnungen, Entscheidungen
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten.
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Forensische Psychologie site:www.sgipt.org. |