Forensisch-Psychopathologischer Kommentar
zum
Gesetz und Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung (Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz – BayMRVG)
BayMRVG.pdf verabschiedet
8.7.2015, verkündet 17.7.2015, in Kraft ab 1.8.2015
Entwurf: Drucksache
17_4944.pdf.
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von Rudolf Sponsel, Erlangen
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Abschnitt 2 Aufnahme und Behandlung der untergebrachten Person
Art. 4 Aufnahme.
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD
* Begründung,
B90,
FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 5 Behandlungs- und Vollzugsplan.
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD
* Begründung,
B90,
FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 6 Behandlung psychischer Erkrankungen.
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD
* Begründung,
B90, FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Art. 7 Behandlung anderer Erkrankungen.
Gesetzestext,
B90,
FW, SPD * Begründung,
B90, FW, SPD * RS-Kommentar * Stellungnahmen.
Gesetzes-Text
Abschnitt 2 Aufnahme und Behandlung der untergebrachten Person
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Abschnitt 2
Art. 4
(1) 1Die untergebrachte Person ist bei der Aufnahme schriftlich über ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung zu unterrichten; sie hat den Erhalt schriftlich zu bestätigen. 2Hat die untergebrachte Person einen Vertreter, so ist ihm Gelegenheit zu geben, an der Unterrichtung teilzunehmen. 3Andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein. (2) Die untergebrachte Person ist alsbald ärztlich zu untersuchen. Aenderungsantrag der SPD zum Art. 4 Aufnahme
|
Begruendung
Zu
Abschnitt 2 Aufnahme und Behandlung [S.
30]u
Zu Abschnitt 2 Aufnahme und Behandlung der untergebrachten Person:
Zu Art. 4 Aufnahme:
Zu Abs. 1
Zu Abs. 2
|
RS-Kommentar
Art. 4
|
Stellungnahmen Art. 4 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 5 Behandlungs- und Vollzugsplan
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Art. 5
(1) Unter Berücksichtigung aller Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung der untergebrachten Person erforderlich ist, wird unverzüglich ein Behandlungs- und Vollzugsplan aufgestellt. (2) 1Der Plan ist längstens im Abstand von sechs Monaten der Entwicklung der untergebrachten Person anzupassen. 2Dabei sind die Möglichkeiten für Lockerungen des Vollzugs, für Beurlaubungen, für eine Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung und für eine Entlassung zu prüfen. 3Spätestens wenn abzusehen ist, dass die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird oder dass die untergebrachte Person entlassen wird, sollen in den Behandlungs- und Vollzugsplan auch Angaben über die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen aufgenommen werden. (3) 1Der Behandlungs- und Vollzugsplan sowie wesentliche Änderungen sollen mit der untergebrachten Person erörtert werden. 2Die Erörterung kann unterbleiben, wenn sich dadurch der Gesundheitszustand oder die therapeutische Entwicklung der untergebrachten Person verschlechtern würde. 3Die Erörterung ist nachzuholen, sobald der Gesundheitszustand dies zulässt. 4Hat die untergebrachte Person einen Vertreter, so findet die Erörterung auch mit ihm statt. Aenderungsantrag der SPD zu Art. 5 Behandlungs- und Vollzugsplan |
Begruendung
Zu
Art. 5 Behandlungs- und Vollzugsplan [S. 30ff]u
Zu Art. 5
Zu Abs. 1
Zu Abs. 2
Zu Abs. 3
|
RS-Kommentar
Art. 5
RS-Kommentar zur Begruendung Art. 5 Abs. 2 Eine Beteiligung der PatientInnen ist bei der Fortschreibung des Behandlungs- und Vollzugsplans nicht vorgesehen. Man hat hier offenbar ein völlig antiquiertes Verständnis von Behandlung, nämlich über den Kopf des Betroffenen hinweg. Der spielt so wenig eine Rolle wie subjektwissenschaftliche Orientierung. Dies sagt doch einiges über den Geist und die Einstellung, die bei diesem Entwurf Pate gestanden hat. |
Stellungnahmen Art. 5 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 6 Behandlung psychischer Erkrankungen
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Art. 6
(1) Die untergebrachte Person erhält die nach
den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Erreichung
(2) 1Behandlungsmaßnahmen, die in die körperliche Unversehrtheit eingreifen, bedürfen der schriftlichen Einwilligung der untergebrachten Person. 2Die Einwilligung muss auf der Grundlage einer ärztlichen Aufklärung der untergebrachten Person erfolgen und auf deren freien Willen beruhen. (3) Ohne Einwilligung sind Behandlungsmaßnahmen
im Sinn des Abs. 1 nur zulässig,
(4) 1Willigt die untergebrachte Person in die Behandlung
nicht ein, hat die Maßregelvollzugseinrichtung den Vorgang der nach
§§ 110 und 138 Abs. 3 StVollzG zuständigen Strafvollstreckungskammer
vorzulegen. 2Für das gerichtliche Verfahren gelten §§ 109
bis 121 StVollzG entsprechend, ohne dass es eines Antrags der unterge-
(5) 1Bei Maßnahmen nach Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b kann bei Gefahr in Verzug von den Vorgaben gemäß Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a bis c und Abs. 4 Satz 1 abgesehen werden. 2Die Aufklärung nach Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ist nachzuholen, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt. 3Die Vorlage nach Abs. 4 Satz 1 ist unverzüglich nachzuholen. (6) 1Ohne Einwilligung sind Behandlungsmaßnahmen bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Nr. 3 Buchst. d, e, g und h zulässig. 2Abs. 4 Satz 5 gilt entsprechend. Aenderungsantrag Art. 6 Buendnis 90/ Die Gruenen |
Begruendung
Zu
Art. 6 Behandlung psychischer Erkrankungen [S.
31ff]u
Zu Art. 6
Zu Abs. 1
Zu Abs. 2
Die medizinische Behandlung einer untergebrachten Person, die ihrer
Art nach das Grundrecht auf körperliche
Die Einwilligung der untergebrachten Person in Behandlungsmaßnahmen,
die in deren körperliche Integrität
Bei minderjährigen untergebrachten Personen ist für die Vornahme
von Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich die Einwilligung des
gesetzlichen Vertreters, in der Regel der Eltern, maßgeblich. Diesen
trifft im Rahmen der Personen- sorge (Art. 6 Abs. 2 GG bzw. einfachgesetzlich
§ 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative BGB) die Pflicht Schaden
Die Einwilligung hat aufgrund der besonderen Bedeutung der Maßnahme schriftlich zu erfolgen. Behandlungsmaßnahmen, die nicht in die körperliche Integrität der untergebrachten Person eingreifen (z.B. die Anordnung der Teilnahme an einer Gruppen- oder Arbeitstherapie, um bei der untergebrachten Person ein Interesse an der Therapie zu wecken), sind von dem Einwilligungserfordernis nicht erfasst, da in diesen Fällen kein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) vorliegt. Zu Abs. 3
Durch die bundesgesetzliche Ausgestaltung der Maßregeln der Besserung
und Sicherung ist dem Vollzug [>33]
Das BVerfG (a.a.O.) hat klargestellt, dass die Regelung von Zwangsbehandlungen mit dem Ziel der Erreichung der Entlassungsfähigkeit dem Gesetzgeber nicht prinzipiell verwehrt ist. Die Praxis des Maßregelvollzugs hat aufgezeigt, dass derartige Behandlungen in vielen Fällen aus therapeutischen Gründen sinnvoll sind. Mit Hilfe der Zwangsbe- handlung nach Nr. 2a kann einsichtsunfähigen untergebrachten Personen die Möglichkeit eröffnet werden, aufgrund der Therapie eine Verbesserung des Krankheitszustands und damit die Entlassungsfähigkeit zu erreichen. Nr. 2b ist Ausdruck des Schutzauftrags des Staates gegenüber untergebrachten
Personen und schafft eine gesetzliche Grundlage für ein Handeln in
Situationen, in denen das Selbstbestimmungsrecht der untergebrachten
Voraussetzung der Anordnung einer Zwangsbehandlung nach Absatz 3 ist,
dass die beabsichtigte Maßnahme
Des Weiteren hat das BVerfG (a. a. O.) weitreichende Verfahrensvorgaben
für Behörden und Gerichte festgelegt,
Nach Nr. 3a muss der ernsthafte, das heißt ohne Ausübung von (unzulässigem) Druck und mit dem nötigen Zeitaufwand erfolgte, Versuch unternommen werden, bei der untergebrachten Person, soweit diese gesprächsfähig ist, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu der Behandlungsmaßnahme zu erreichen (vgl. BVerfG vom 23.03.2011 – Az.: 2 BvR 882/09). Eine geheime Verabreichung von Medikamenten ist unzulässig. Darüber hinaus muss nach Nr. 3b im Vorfeld der Maßnahme eine
ausführliche ärztliche Aufklärung gegenüber der untergebrachten
Person erfolgen. Nach Satz Nr. 3c ist die angeordnete Maßnahme der
untergebrachten Person unter Aufklärung über die Rechtsschutzmöglichkeiten
mindestens 48 Stunden vorher anzukündigen. Die Maßnahme ist
gemäß Abs. 4 Satz 3 durch einen Arzt oder eine Ärztin auszuführen,
zu überwachen und zu kontrollieren.
Zu Abs. 4
Nach Satz 4 sind die Maßnahmen durch einen Arzt oder eine Ärztin auszuführen, zu überwachen und in regel- mäßigen Abständen auf ihre Eignung, Notwendigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. Die Anordnung der Maßnahme darf eine Behandlungsdauer von zwölf Wochen nicht überschreiten. Soll eine Behandlung verlängert werden, so gelten nach Satz 2 die Vorschriften zur erstmaligen Anordnung entsprechend. Satz 5 stellt klar, dass eine Patientenverfügung i.S.d. §
1901a BGB zu beachten ist. Ihre Erwähnung in diesem
Zu Abs. 5
Zu Abs. 6
Nach Satz 2 sind die Maßnahmen durch einen Arzt oder Ärztin
auszuführen, zu überwachen und in regelmäßigen
|
RS-Kommentar Art. 6 |
Stellungnahmen Art. 6 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Gesetzes-Text
Art. 7 Behandlung anderer Erkrankungen
RS: Anmerkung: unverändert zum Entwurf. Art. 7
(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen,
medizinische Vorsorgeleistungen,
(2) Kann die erforderliche Behandlungsmaßnahme
in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht durchgeführt
(3) 1Für Behandlungsmaßnahmen nicht psychischer
Erkrankungen gelten Art. 6 Abs. 2, 3 Nr. 3 und Abs. 4
Aenderungsantrag Art. 7 Buendnis 90/ Die Gruenen(4) 1Auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin sind ohne Einwilligung der untergebrachten Person körperli- che Untersuchungen und Maßnahmen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, Entnahmen von Haarproben, Blutentnahmen, Röntgenuntersuchungen ohne Kontrastmittelabgabe sowie die Gewinnung einer Urin- probe zulässig. 2Voraussetzung dafür ist, dass die Untersuchung oder Maßnahme der Kontrolle und Überwachung von Behandlungsmaßnahmen, dem Gesundheitsschutz oder der Hygiene dienen. Aenderungsantrag der SPD zu Art. 7 Behandlung anderer Erkrankungen |
Begruendung
Zu
Art. 7 Behandlung andere Erkrankungen [S. 34ff]u
Zu Art. 7
Zu Abs. 1
Hinsichtlich des Umfangs des Anspruches, Art und Umfang der Leistungen sowie der Kostenbeteiligung sind untergebrachte Personen nicht anders zu behandeln als Gefangene im Strafvollzug. Es wird daher auf das BayStVollzG sowie auf dessen Gesetzesbegründung (Drs. 15/8101) zu den Art. 59 bis 61 sowie 63 verwiesen. Insoweit erfolgt eine Anlehnung an die einschlägigen Regelungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Zu Abs. 2
Zu Abs. 3
Satz 1 ermöglicht die Behandlung ohne Einwilligung der betroffenen Person nur in den Fällen, in denen eine Gefahr für das Leben oder schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder einer anderen Person besteht. Dies kann erfolgen zur Gefahrenabwehr bei Erkrankungen, die – beispielsweise aufgrund einer Ansteckungs- und Verbreitungsgefahr – auch eine ernst zu nehmende Gesundheitsgefährdung für die Bediensteten und die übrigen Untergebrachten der Vollzugseinrichtung darstellen. Aufgrund der Eingriffsintensität sind diese Behandlungsmaßnahmen durch einen Arzt oder Ärztin anzuordnen. Nach Satz 2 ist die zwangsweise Behandlung einer nicht psychischen Erkrankung
in Notsituationen der unterge- brachten Person zulässig. Derartige
Notsituationen liegen etwa vor bei Lebensgefahr aufgrund einer Vergiftung.
Satz 3 stellt klar, dass eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a BGB zu beachten ist, soweit durch sie die Behandlung einer Gefahr für das Leben der untergebrachten Person ausdrücklich ausgeschlossen ist. [>35] Durch eine Patientenverfügung können aber nicht solche Behandlungsmaßnahmen ausgeschlossen werden, die der Ab- wehr von Gefahren Dritter dienen. Allgemein muss die Behandlungsmaßnahme selbst verhältnismäßig
sein und darf das Leben der untergebrachten
Zu Abs. 4
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RS-Kommentar Art. 7 |
Stellungnahmen Art. 7 (Forensiken, Betroffene, Psychiatrie und Forensische Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Forensische Psychologie, Betroffenen-Organisationen, PflegerInnen, Verbände und Gruppen, RichterInnen & StaatsanwältInnen, Parteien, Persönlichkeiten, Medien u.a.m.). |
Querverweise Gesetze, Verordnungen, Entscheidungen
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten.
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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