Analyse Johannes Volkelt (1906) Die Quellen der menschlichen
Gewissheit
Materialien zur Studie Begriffsanalyse Gewissheit
und Gewissheitserleben.
welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...) möglich sein? Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein und etwas, und zwar eins und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muß man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..." Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik.
11. Buch, 5 Kap., S. 244
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Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit und Evidenz). Begriffsbasis Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffenen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem praktisch-pragmatisch und andererseits das Begriffsverschiebebahnhofsproblem lösen. |
Zusammenfassung-Volkelt-1906: Quellen der menschlichen Gewissheit.
Volkelt, Johannes (1906) Die Quellen der menschlichen Gewissheit.
München: C.H. Becksche Verlagsbuchhandlung. [PDF]
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Ende Zusammenfassung Volkelt
1906
S.2f: "2. Dualistische Grundlage der Erkenntnistlieorie.
Zur Orientierung des Lesers sei sofort bemerkt, daß meine Auffassung
von der Erkenntnistheorie dualistischer Art ist.
Plato, Spinoza, Hegel bekennen sich zu einer monistischen Erkenntnislchre:
das Denken gilt ihnen als alleinige wahrhafte
V2.1Gewißheitsquelle.
Aber ebenso sind Hume, Mill, Avenarius, Mach erkenntnistheoretische Monisten:
alle V2.2Gewißheit fließt
ihnensclüießlich aus der Erfahrung. [>3] Fragt man, woraufdie
V3.1Gewißheit unseres
Erkennens beruht, so stößt man auf zwei Ursprünge, auf
zwei V3.2Gewißheitsquellen.
Mag auch ein noch so inniges Zusammenwirken beider V3.2Gewißheitsweisen
nötig sein, wenn Erkenntnis entstehen soll, so ist es doch unmöglich,
die eine auf die andere zurückzuführen. Die eine V3.3Gewißheitsquelle
ist die V3.4Selbstgewißheit
des Bewußtseins, das Innesein meiner Bewußtseinstatsachen.
So wahr ich Bewußtseinbin, so wahrbezeugt mir mein Bewußtsein
das Vorhandensein gewisser Verläufe und Zustände, gewisser Inhalte
und Formen. Ohne diese V3.5Gewißheitsquelle
gäbe es überhaupt kein Erkennen; sie gibt uns denStoff, aus dessen
Bearbeitung alle Erkenntnisse allererst hervorgehen. Die andere V3.6Gewißheitsquelle
ist die Denknotwendigkeit, die V3.7Gewißheit
des logischen Zwanges, das sachliche Notwendigkeitsbewußtsein. Hiermit
ist etwas schlechtweg Neues gegeben, das sich aus der V3.8Selbstgewißheit
des Bewußtseins unmöglich gewinnen läßt.
Überall, wo eine V3.9Gewißheit
mehr sein will als bloßes Hinzeigen auf eine Tatsache des eigenen
Bewußtseins, ist die Denknotwendigkeit dabei beteiligt. Mit diesem
Dualismus ist aber nicht gesagt, daß jede dieser beiden V3.10Gewißheitsquellen
für sich allein befriedigende und wertvolle Erkenntnis zu erzeugen
vermöge. Vielmehr ergibt sich, daß auf ausschheßlicher
Grundlage der V3.11Selbstgewißheit
des Bewußtseins nur untergeordnetes und ungenügendes Erkennen
entstehen kann. Und weiter ergibt sich, daß die Denknotwendigkeit
für sich überhaupt kein Erkennen zu Stande zu bringen vermag.
Alles befriedigende und wertvolle Erkennen beruht vielmehr auf dem Zusammenwirken
beider V3.12Gewißheitsquellen
und besteht sonach in denkender Bearbeitung der unmittelbar gegebenen Bewußtseinstatsachen.
Jene erste V3.13Gewißheitsquelle
kann auch als die reine Erfahrung bezeichnet werden. Denn nur was mir'
mein Bewußtsein unmittelbar zeigt, wird im strengen Sinne von mir
„erfahren". Daher darf ich auch sagen: alles wahrhafte Erkennen ist denkende
Bearbeitung der reinen Erfahrung."
S.6f: "4. Die V6.1Selbstgewissheit
des Bewusstseins.
Indem ich als Erkenntnistheoretiker in meinem Bewußtsein Umschau
halte, um die typischen V6.2Gewißheitsformen
herauszuheben. so wird mein Blick zuerst durch das mit meinem Bewußtsein
als solchem verbundene V6.3Gewißsein
gefesselt. Ich mache beständig die Erfahrung, daß ich der verschiedenartigsten
Bewußtseinstatsachen in unbedingt sicherer, schlechtweg unbezweifelbarer
Weise V6.4gewiß bin.2)
Auch der äußerste Skeptizismus läßt gelten, daß,
wenn ich V6.5gewiß bin, V6.5.1Ermüdung,
V6.5.2Durst,
V6.5.3Wärme zu spüren,
V6.5.4laute Töne zu
hören, V6.5.5rote Gestalten
zu sehen, diese V6.6Gewißheit
von schlechtweg unbezweifelbarer Art ist. Und es ist zugleich eine V6.7Gewißheit
von vollkommen selbstverständlicher Natur. Das heißt: es wäre
sinnlos, eine Begründung dafür zu verlangen, daß ich ein
V6.8völlig
sicheres Wissen von meinen V6.8.1Ermüdungsgefühlen,
meinem V6.8.2Sehen roter Gestalten
und dergleichen behaupten darf.
Und noch etw’as Weiteres liegt in dem Gesagten.
Indem ich eines bestimmten Bewußtseinsinhaltes V6.9unbedingt
gewiß bin, [>7] so ist mit diesem einzelnen Falle
des V7.1Gewißseins zugleich
die V7.2Selbstgewißheit
des Bewußtseins im allgemeinen gegeben. Indem ich zum
Beispiel der Empfindung des V7.3.1Süßen,
V7.3.2Roten,
V7.3.3Lauten in unbezweifelbarer
Weise V7.3gewiß bin,
bin ich darin zugleich eines bestimmten V7.4Gewißheitstypus
— nämlich der V7.5unbezweifelbaren
Selbstgewißheit meines Bewußtseins — in V7.6unbezweifelbarer
Weise gewiß. Die Erfahrung dieser V7.7Gewißheit
in
einem einzelnen Falle schließt zugleich das V7.8unbedingt
sichere Gewißsein von diesem V7.9Gewißheitsprinzipe
in sich. Eine einzelne Erfahrung und die erkenntnistheoretische Rechtfertigung
des in ihr enthaltenen V7.10Gewißheitstypus
fallen hier zusammen.
Ich sagte vorhin: die Aufmerksamkeit des Erkenntnistheoretikers wird
zuerst durch diese V7.11Gewißheitsart
gefesselt. Ich darf mehr sagen. Es ist zugleich durch das Interesse der
Erkenntnistheorie als Wissenschaft geboten, daß der Erkenntnistbeoretiker
gerade mit dem Aussprechen und Beschreiben dieses V7.12Gewißheitsprinzipes
sein Geschäft anfange. Denn nur so verfährt er völlig voraussetzungslos.
Er spricht, indem er dieses V7.13Gewißheitsprinzip
hinstellt, etwas V7.14unbezweifelbar Gewisses
und völlig Selbstverständliches aus. Mit dem Aussprechen jedes
anderen V7.15Gewißheitsprinzipes
würde er etwas über sein Bewußtsein irgendwie Hinausgreifendes
hinstellen und also mit etwas dem Bezweifeln Ausgesetztem den Anfang machen.l)"
Fußnoten S.6f
Kommentar-Volkelt-1906-S6f:
In diesem Abschnitt wird Gewißheit 24 mal erwähnt, aber an
keiner Stelle erklärt, auch nicht durch Querverweis, Fußnote,
Anmerkung oder Literaturhinweis. Aber Volkelt bringt hier wenigstens Beispiele:
V6.5.1Ermüdung,
V6.5.2Durst,
V6.5.3Wärme zu spüren, V6.5.4laute
Töne zu hören, V6.5.5rote Gestalten
zu sehen. Sodann richtet er den Begrifssverschiebebahnhof
völlig sicheres Wissen ein.
Anmerkung: Es gibt keine voraussetzungslose Bewusstseinsinnenschau.
Die soziokulturelle geistige Entwicklung und Umgebung hat meine Begriffe,
mein Denken und meine Sprache geprägt. Das ist die erste grundlegende
Voraussetzung um sein eigenes Bewusstseinserleben zu erfassen, der niemand
entkommen kann.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Wahn site:www.sgipt.org. * Psychopathologie Psychiatrie site:www.sgipt.org |
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