Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=24.12.2019 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: 15.01.20
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie IP-GIPT1, Abteilung Wissenschaft, Bereich Sprache und Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema:

    Bedürfnis - Begriffsanalyse, Sprachgebrauch, Modelle und Theorien
    bei Franz Cuhel

    Haupt- und Verteilerseite Bedürfnis: Begriff, Modelle, Theorien, Modelle in der Wirtschaftswissenschaft.
    Haupt- und Verteilerseite Bedürfnis: Begriff, Modelle, Theorien, Modelle.
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    Originalarbeit von  Rudolf Sponsel, Erlangen
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    Inhalt
    Zusammenfassung - Abstract - Summary Cuhel, Franz (1907) Zur Lehre von den Bedürfnissen.
    Sachregistereinträge mit Bedürfnis.
    Darstellung Cuhels von Begriff und Lehre der Bedürfnisse anderer Autoren:
       1. v. Hermann (Z 92-95) S.78-80.
       2. Wagner (Z 96-100). S. 81-83.
       3. Schäffle (Z 101-103). S. 83-84.
       4. Schmoller (Z 104-106). S. 84-85.
       5. Schwiedland (Z 107) S. 85-86.
       6. Gossen, Jevons, Menger, v. Böhm-Bawerk (Z 108-111) S. 86-87.
       7. v. Wieser (Z 112-115). S. 87-88.
       8. Sax (Z 116-119) S. 88-91.
       9.  Pantaleoni (Z 120-121). S. 91-92.
       10. Sulzer (Z 122-123) S. 92
       11. Döring (Z 124-127) S. 92-94
       12. Kraus (Z 128-130) S. 94-95
       Anmerkung: Lehr Fußnote 2, S. 82
    Wissenschaftlicher Apparat:
        Literatur; Links; Glossar, Anmerkungen und Endnoten; Zitierung; 
        Copyright; Querverweise; Änderungen. 



    Zusammenfassung - Abstract - Summary

    Cuhel, Franz (1907) Zur Lehre von den Bedürfnissen. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Universitäts-Buchhandlung.

    Das ganze Buch handelt von den Bedürfnissen, wie der Titel schon zum Ausdruck bringt und daher ist es auch als Monographie zu klassifizieren, nach meiner Kenntnis bislang die Einzige dieses Umfangs. Das Inhaltsverzeichnis können Sie hier als  PDF  herunterladen. Auch das ganze Buch ist downloadbar (Lit).

    Cuhel entwickelt eine eigene, schwierige und ungewöhnliche, Terminologie mit erheblichen Definitionsproblemen (> Definitionen), die er nicht realisiert. Es fehlen oft  operationalen  Beispielen und klaren Referenzierungen. Zu seinen Grundbegriffen gehören z.B.: Begehren (S. 20f), Wohlfahrtszustand (S. 5), Streben, Instinkt (S. 20), Gefühle, Lustgefühle. Seine umfangreiche Begrifflichkeit kann seinem Sachregister entnommen werden. Cuhels Kritik (91: "... Obzwar sich unter den anzuführenden einige der hervorragendsten Vertreter unserer Wissenschaft befinden, so werden wir doch konstatieren müssen, daß die von ihnen aufgestellten Begriffsbestimmungen ganz und gar ungenügend sind. ...") bleibt vielfach abgehoben auf der Metaebene und begründet nicht sorgfältig und gründlich am Sachverhalt. Kraus hat Cuhels Arbeit in seiner umfangreichen Rezension kritisch beleuchtet.

        Seine drei Hauptbegriffe sind Wohlfahrtsbegehren, Verwendungsbegehren, Verfügungsbegehren (> Definitionen):

    • Wohlfahrtsbegehren, S. 32: "34. Alle Begehren haben zwar nach § 32 die Herbeiführung eines subjektiven Wohlfahrtszuwachses des Begehrenden zum Ziel, doch besteht zwischen ihnen der wichtige Unterschied, daß bei den einen die Verwirklichung eines auf der subjektiven Wohlfahrtsskala höher stehenden subjektiven Wohlfahrtszustandes das unmittelbare, bei den anderen aber nur ein mittelbares, von dem Endziele also entfernteres Ziel bildet. Wir wollen uns vorerst nur mit den zuerst genannten Begehren beschäftigen, die wir unmittelbare Wohlfahrtszuwachs- oder unmittelbare Wohlfahrtsbegehren, oder kurz Wohlfahrtsbegehren nennen werden." RS: Befriedigungs- oder Zufriedenheitszuwachs.
    • Verwendungsbegehren:  S. 37f: "41. Das unmittelbare Ziel eines jeden Wohlfahrtsbegehrens bildet die Verwirklichung eines subjektiven Wohlfahrtszuwachses, welcher [>38] durch eine Veränderung des Zustandes unseres Organismus oder seines Verhältnisses zu gewissen Teilen der uns umgebenden Körperwelt oder durch eine Veränderung unseres Bewußtseinsinhaltes bedingt ist. Zu jeder Veränderung dieser Art bedarf es aber einer zureichenden Ursache. Haben wir, sei es durch eigene Erfahrung oder Reflexion, sei es durch Belehrung seitens anderer, diese Ursache kennen gelernt, so ruft die Vorstellung des Zieles unseres Begehrens (der begehrten Wirkung) die Vorstellung der Ursache hervor, welche nach unserem Dafürhalten zur Hervorbringung der begehrten Wirkung erforderlich ist, und unser Begehren erhält nun ein näheres Ziel, nämlich die Verwirklichung der vorgestellten Ursache."
    • S. 68: "V. Unter den Verwendungsbedürfnissen sind somit solche Begehren sowie Dispositionen zu solchen Begehren zu verstehen, deren unmittelbares Ziel die Verwendung solcher Kräfte, bzw. der materiellen Träger derselben bildet, welche der Begehrende für ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung jenes Wohlfahrtszustandes hält, welche das unmittelbare Ziel eines Wohlfahrtsbegehrens des Begehrenden bildet." RS: Mittel zur Bedürfnisbefriedigung.
    • Verfügungsbegehren, S. 45: 55. "Um etwas verwenden zu können, muß man es bekanntlich vorerst haben." RS: Im Besitz der Mittel zur Bedürfnisbefriedigung sein.
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    Sachregistereinträge mit Bedürfnis  >  Komplettes Sachregister als PDF herunterladen.

    "Bedürfnis" hat über zwei Seiten Einträge im Sachregister: S. 311-312:
     
    Bedürfnisse, absolute 166, (v. Hermann) 167.
    Bedürfnisse, aktuelle 159.
    • allgemeine 152.
    • alterile 157.
    • ästhetische 158.
    • aufschiebbare 219.
    • äußere 157.
    • außerordentliche 161.
    • befriedigte 64.
    • besondere 152.
    • dauernde 151.
    • der Bequemlichkeit 172.
      • gesellschaftlichen Repräsentation 156.
      • Notwendigkeit 172.
    • des Wohllebens 172.
    • direkte 147.
    • dispositionelle 159.
    • dringende 220.
    • dringliche 218.
    • effektive 160.
    • einfache 139.
    • eingebildete 42, 136.
    • einzige 153.
    • gegenwärtige 148.
    • geistige 158.
    • gemeinsame 154.
    • gesellschaftliche 155, (Gide) 156.
    • gewohnheitsmäßige 95.
    • gute 135.
    Bedürfnisse, hedonistische 94.
    • höhere 158.
      • ideale (Kraus) 94, (Schäffle) 158.
    • im engeren Sinne 143.
    • immaterielle 158.
    • indirekte 147.
    • induzierte 157.
    • innere 157.
    • intellektuelle 158.
    • intermittierende 162.
    • ipsile 157.
    • komplementäre 139.
    • konkrete 71.
    • kontinuierliche 162.
    • künftige 51, 95, 148.
    • künstliche 159, (Leroy-Beaulieu) 136, (Gide) 156.
    • latente 160.
    • leibliche 158.
    • lokale 153.
    • materielle 158.
    • mittelbare 147, (Sulzer) 92.
    • moralische 158.
    • mutuelle 157.
    • natürliche 159, (Leroy-Beaulieu) 136, (Schäffle) 84, (Gide) 156.
    • negative 137.
    • nicht befriedigte 64.
      • gesellschaftliche 155.
      • periodische 161.
      • wiederkehrende 161.
      • wirtschaftliche 134.niedrigere 158.
    • objektive 135, (Sax) 90.
    • öffentliche 156.
    • ordentliche 161.
    • originäre 157.
    • örtliche 153.
    • partikuläre 153.
    • periodische 161.
    • physiologische 156.
    • physische 158, (Schäffle) 84.
    • positive 137.
    • potentielle 159,
    • primäre 145, (Sulzer) 146.
    Bedürfnisse, psychische 157.
    • reale 158.
    • regelmäßige 160.
    • regelmäßig periodische 162.
    • relative 166.
    • richtige 136.
    • schlechte 135.
    • schwache 220.
    • sekundäre 145, (Sulzer) 146.
    • singuläre 153,
    • sinnliche 158,
    • sittliche 84.
    • spezifizierte 92.
    • sporadische 153.
    • stetige 152.
    • subjektive 135, (Sax) 90.
    • teilbare 163.
    • temporäre 151.
    • Tertiere 146
    • unabweisbare 220, (v. Hermann) 167.
    • unaufschiebbare 219.
    • ungedeckte der Vergangenheit 151.
    • universelle 152.
    • unmittelbare 147, (Sulzer) 92.
    • unregelmäßige 160.
    • unregelmäßig periodische 162.
    • unrichtige 136.
    • unteilbare 163.
    • unvernünftige 135.
    • unwichtige 221.
    • vereinzelte 153.
    • vergangene 148.
    • vernünftige 135.
    • wahre 136.
    • wichtige 221.
    • wiederkehrende 161.
    • wirtschaftliche 134, (Dietzel) 66, 134.
    • zukünftige 51, 95, 148.
    • zusammengesetzte 139, (Sulzer) 141._



    _

    Darstellung Cuhels von Begriff und Lehre der Bedürfnisse anderer Autoren
    G e s p e r r t bei Cuhel hier fett. Markierungen 14p, fett, kursiv von RS.

    Z := Ziffern, S := Seite(n)

    1. v. Hermann (Z 92-95) S. 78-80.
    2. Wagner (Z 96-100). S. 81-83.
    3. Schäffle (Z 101-103). S. 83-84.
    4. Schmoller (Z 104-106). S. 84-85.
    5. Schwiedland (Z 107) S. 85-86.
    6. Gossen, Jevons, Menger, v. Böhm-Bawerk (Z 108-111) S. 86-87.
    7. v. Wieser (Z 112-115). S. 87-88.
    8. Sax (Z 116-119) S. 88-91.
    9.  Pantaleoni (Z 120-121). S. 91-92.
    10. Sulzer (Z 122-123) S. 92
    11. Döring (Z 124-127) S. 92-94
    12. Kraus (Z 128-130) S. 94-95

      Nachträge und Berichtigungen.
      S. 122 Z. 19 von unten hinter 171 ist einzuschalten: 21d B.
      S. 130 Z. 5 und 4 von unten statt: gegenwärtigen lies: gegenseitigen
    _
    Drittes Kapitel. Kritik der bemerkenswerteren Ansichten anderer Autoren über das Wesen der Bedürfnisse
    Vorbemerkungen (90-91).
    Nachtrag dazu 319.
    _
    "Drittes Kapitel.

    Kritik der bemerkenswerteren Ansichten anderer Autoren über das Wesen der Bedürfnisse

    Vorbemerkungen (90-91) .

    90. Im vorhergehenden Kapitel glaube ich in überzeugender Weise dargelegt zu haben, daß die Wirtschaftswissenschaft, obzwar sie sich direkt nur mit den Verfügungsbedürfnissen zu befassen hat, dennoch auch die Verwendungsbedürfnisse in den Kreis ihrer Untersuchungen ziehen muß, da sie sonst die Existenz und Intensität der Verfügungsbegehren nicht zu erklären vermöchte. Meine Behauptung, daß das Verwendungsbedürfnis den Ausgangspunkt und den ersten Grundbegriff der Wirtschaftswissenschaft bildet, konnte ich zwar nicht durch Widerlegung der gegenteiligen Ansichten bekräftigen, da dies die Entwicklung aller Grundbegriffe der Wirtschaftswissenschaft erfordert hätte; trotzdem dürfte aber der Leser die Überzeugung gewonnen haben, daß eine große Wahrscheinlichkeit zu Gunsten meiner Ansicht spricht und daß daher die Bedürfniserscheinung und der Bedürfnisbegriff für die Wirtschaftswissenschaft von besonderer Wichtigkeit sind. Deshalb muß es sehr befremden, daß die volkswirtschaftlichen Schriftsteller diesem Thema bisher ein so geringes Interesse entgegengebracht haben. So viel mir [>77] bekannt geworden, existieren bis jetzt nur vier monographische Arbeiten, welche sich mit den Bedürfnissen befassen, nämlich eine kleine Schrift von Kraus1), welcher aber nur die Aufstellung einer Definition des Bedürfnisbegriffes versucht hat, dann drei Artikel von Voigt2), Cohn3) und Kleinwächter4), von welchen aber der erstere nur die Dringlichkeit der Bedürfnisse erörtert, während die beiden letzteren nur auf einigen wenigen Seiten von den Bedürfnissen handeln, im übrigen aber mit anderen Gegenständen sich befassen. Zu diesen drei Artikeln wären noch allenfalls zwei Abhandlungen von v. Schubert- Soldern5) und Schwiedland6) hinzuzurechnen, welche einige beachtenswerte Bemerkungen über die Bedürfnisse enthalten. Von den systematischen Werken enthält immer noch dasjenige von v. Hermann die ausführlichsten Belehrungen über das Wesen und die Einteilungen der Bedürfnisse. Ihm reihen sich an Wagner's Grundlegung, Samter's Soziallehre, Schäffle's Gesellschaftliches System und Gide's  Économie politique. Von den älteren verdienen auch jetzt noch einige Beachtung Mischler's Nationalökonomie und Kautz's Nationalökonomik.
        Man hätte erwartet, daß die Grenzwerttheoretiker, welche die Wertlehre in so hohem Grade psychologisch vertieft haben, auch den Bedürfnissen, welche doch die wichtigste Ursache des wirtschaftlichen Güterwertes bilden, eine gründlichere Untersuchung als es bis dahin der Fall war, werden zuteil werden lassen. Doch ist diese Erwartung bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen. Gossen, Jevons, Menger und v. Böhm-Bawerk haben zwar manche sehr wertvolle Bemerkungen, namentlich über die Intensität der Bedürfnisse, ausgesprochen, aber über das Wesen und den Begriff der Bedürfnisse würde man bei ihnen vergebens Belehrung suchen. v. Wieser und Sax haben sich zwar mit diesen Fragen systematischer befaßt, doch waren sie bei der Lösung derselben nicht so glücklich wie bei ihren anderen Untersuchungen. Von den auf der Grenznutzentheorie be-[>78] ruhenden systematischen Werken sind hauptsächlich zu nennen: Pantaleoni's Economia pura, v. Philippovich's Politische Oekonomie und Sulzer's Grundgesetze der menschl. Wirtschaft.
        Eine sehr anschauliche Illustration für die geringe Wichtigkeit, welche der Lehre von den Bedürfnissen bisher in der Volkswirtschaftslehre beigemessen wurde, liefert insbesondere der Umstand, daß das Handwörterbuch der Staatswissenschaften dieses Thema mit acht kleinen Zeilen, die in dem Artikel "Gut" eingeschaltet sind, abtut.
    91. Die Klarheit, welche unsere Untersuchung in das bisherige Gemengsel der Bedürfnisbegriffe gebracht haben dürfte, und die Bestimmtheit der für diese Begriffe aufgestellten Definitionen dürfte wohl bereits den Beweis geliefert haben, daß die von uns gewählte Methode als zweckmäßig anzusehen ist. Diese Überzeugung wird sich sicherlich noch verstärken, wenn wir im Nachstehenden die bemerkenswerteren Aussprüche anderer Volkswirtschaftslehrer über das Wesen und den Begriff des Bedürfnisses anführen und einer kritischen Prüfung unterziehen. Obzwar sich unter den anzuführenden einige der hervorragendsten Vertreter unserer Wissenschaft befinden, so werden wir doch konstatieren müssen, daß die von ihnen aufgestellten Begriffsbestimmungen ganz und gar ungenügend sind. Da diese Schriftsteller von den sprachüblichen Bedürfnisbegriffen ausgegangen sind, so können wir darin einen zweiten, den indirekten Beweis für die Richtigkeit unserer Methode erblicken.
        An die Spitze der nachfolgenden Übersicht haben wir, um mit v. Hermann beginnen zu können, solche Autoren gestellt, welche nicht zu den Grenzwerttheoretikern zugezählt werden können, dann folgen einige Grenzwerttheoretiker und schließlich zwei Philosophen.

    1. v. Hermann

        92. Unter den gegenwärtig kurshabenden Definitionen des Bedürfnisbegriffes ist wohl die v. Hermann'sche die älteste. Bei vielen Schriftstellern kann man lesen, v. Hermann hätte das Bedürfnis definiert als 'das Gefühl eines Mangels mit dem Streben ihn zu beseitigen.' Wenn man in der zweiten Auflage seiner „Staatswirtschaftlichen Unter-[>79]suchungen" nachschlägt, so wird man dort diesen Wortlaut nirgends finden. Zwar heißt es dort auf Seite 5: „Dieses Gefühl eines Mangels mit dem Streben ihn zu beseitigen, heißt Bedürfnis," aber das Demonstrativpronomen weist auf den vorhergehenden Satz und dieser lautet: „In allen diesen Beispielen . . . macht sich das Gefühl oder Bewußtsein eines Mangel. geltend, welcher den Gang des Lebens beengt, behindert, gefährdet, verbunden mit dem Streben, demselben abzuhelfen." Ferner darf man nicht übersehen, daß v. Hermann an anderen Stellen das Gefühl des Mangels dem „Gefühl der Beschränkung, der Behinderung, des Druckes, der Gefährdung gleichsetzt. so daß also nach ihm ein Bedürfnis nicht bloß dann als vorhanden anzunehmen ist, wenn etwas fehlt, sondern auch dann, wenn von etwas zu viel ist.

        93. Wenn wir diese und die übrigen Stellen, in welchen der Begriff des Bedürfnisses erläutert wird, zusammenfassen, so kommen wir zu der Überzeugung, daß v. Hermann unter dem Bedürfnis bald ein Wohlfahrts-, bald ein Verwendungsbegehren versteht, in welchen er aber nicht den Hauptbestandteil der Bedürfniserscheinung erblickt, sondern er stellt die durch das Gefühl vermittelte Erkenntnis eines negativen Wohlfahrtszustandes (arg.: Mangel, welcher den Gang des Lebens beengt, behindert, gefährdet, Schwäche, Beschränkung, Behinderung, Druck, Gefährdung)1) in den Vordergrund. Ja aus dem auf S. 4 vorkommenden Satze: „Allem Streben nach der Verwendung von Sachen und Dienstleistungen (= Verwendungsbegehren) liegt ein Gefühl des Mangels, der Schwäche zu Grunde, welches die Aufnahme bestimmter Gegenstände in den Lebensbereich . . . fordert," könnte man sogar schließen, daß er diese Gefühle für das wahre Wesen der Bedürfniserscheinung hält. Doch stehen mit dieser Annahme zahlreiche andere Stellen im Widerspruch, in welchen die früher angeführte Ansicht deutlich zum Ausdruck gelangt.
        An ein Wohlfahrtsbegehren dürfte v. Hermann gedacht haben, wenn er als Ziel des Strebens die „Erhaltung und Ergänzung, den Fortschritt und die Veredlung des Lebens" oder die „Ergänzung, Kräftigung, Förderung, Erleichterung, Erheiterung" oder die „Erweiterung oder Beseitigung von Schranken, Aufhebung von Druck, Wegräumung von Hindernissen, Sicherung gegen Gefahren, Minderung von Verlusten, Heilung von Leiden" angibt, vorausgesetzt, daß mit den letzteren Verbalsubstantiven die bezüglichen Effekte und nicht die Vorgänge gemeint sind. Hiebei scheint er einmal das Ziel der Wohlfahrtsbegehren in der Förderung der objektiven Wohlfahrt (Beseitigung des Mangels etc.), das andere Mal aber nur in der Erhöhung der Glückseligkeit, der subjektiven Wohlfahrt, nämlich der Beseitigung des Gefühles des Mangels, der Schwäche zu erblicken.
        Dagegen berechtigt wieder der Satz „denn bald ist es die Aufnahme von materiellen Gegenständen in den Lebenskreis des bezüglichen Subjektes, bald der unmittelbare Genuß von Dienstleistungen anderer, bald die Ver-[>80]stärkung der Tätigkeit des Einzelnen durch Beihilfe anderer zur Erreichung gleichartiger oder gemeinsamer Lebenszwecke, was jenem Mangel abhilft," zu der Annahme, daß v. Hermann bei dem Streben ein Verwendungsbegehren im Sinne gehabt hat, und diese Vermutung erhält eine starke Bekräftigung durch den bereits zitierten Satz auf S. 4. So sehen wir denn, daß v. Hermann über eines der wichtigsten Merkmale des Bedürfnisbegriffes sich keine Klarheit verschafft hat. Wahrscheinlicher dürfte es sein, daß er in dem Streben, welches er für ein wesentliches Merkmal des Bedürfnisbegriffes erklärt, ein Woh1fahrtsbegehren erblickte, wofür auch der Umstand spricht, daß er es mit dem, das Vorhandensein eines negativen Wohlfahrtszustandes anzeigenden Gefühls verbunden sein läßt, während das Verwendungsbegehren, wie wir wissen, mit diesem Gefühle nur mittelbar, nämlich durch das Wohlfahrtsbegehren zusammenhängt.

        94. Ein weiterer Mangel der Begriffsbestimmung v. Hermann's ist, daß darin das Gefüh1, welches den Hauptbestandteil der Bedürfniserscheinung bilden soll, zu eng gefaßt ist; es werden nur unangenehme Gefühle (des Mangels, der Schwäche, der Beschränkung, der Behinderung, des Druckes, der Gefährdung) angeführt, welche nur solche Wohlfahrtsbegehren auslösen können, die auf die Beseitigung eines negativen Wohlfahrtszustandes gerichtet sind. Wir wissen aber, daß unter gewissen Voraussetzungen (vgl. § 26) auch bei Vorhandensein von Lustgefühlen durch die Vorstellung lustvollerer Gefühle Wohlfahrtsbegehren und somit auch Bedürfnisse ausgelöst werden können, was auch v. Hermann nicht entgangen ist, da er ja unter den Bedürfnissen auch solche aufzählt, die auf Kräftigung, Förderung und Erleichterung hinzielen. Aus dem gleichen Grunde kann man diesem Autor nicht beistimmen, wenn er das Bedürfnis für eine Äußerung des Triebes der Selbsterhaltung erklärt, denn der Mensch hat ja auch Triebe zur Entwicklung, welche sich gleichfalls in Bedürfnissen äußern, was übrigens auch v. Hermann schließlich zugeben muß, in dem er Bedürfnisse auch aus dem „Streben nach Lösung aller Lebensaufgaben, welche über die bloße Sicherung der Subsistenz hinausliegen", hervorgehen läßt.

        95. Schließlich ist darauf aufmerksam zu machen , daß das Gefühl keine präsentative Funktion hat und daher niemandem einen Mangel, eine Schwäche oder Beschränkung oder Behinderung, einen Druck oder eine Gefährdung zum Bewußtsein bringen kann ; dies ist nur die Empfindung, oder Wahrnehmung oder das Urteil im Stande. Durch das Gefühl werden wir uns bloß der Bedeutung bewußt, welche dasjenige, was Objekt der Empfindung, Wahrnehmung oder Vorstellung ist, für unsere körperlichen oder geistigen Lebensfunktionen hat. „Ohne ein Etwas (Aliquid), das empfunden oder vorgestellt wird, kann natürlich auch kein Wie (Quomodo) zum Bewußtsein kommen."1) Dieser Fehler dürfte übrigens v. Hermann nicht ganz entgangen sein, denn er führt einmal auf S. 5 das „Gefühl des Mangels" neben dem richtigen Ausdruck „Bewußtsein des Mangels" an.

    2. Wagner

        96. Wagner1) hat die vermeintliche Definition v. Hermanns adoptiert, denn er erblickt in den Bedürfnissen „Gefühle des Mangels mit dem Streben, diesen Mangel zu beseitigen."2)
        Indem wir hinsichtlich der Unzulässigkeit des Ausdruckes „Gefühl des Mangels" auf das im § 95 Gesagte verweisen, müssen wir vor allem darauf aufmerksam machen, daß Wagner es unterlassen hat, genauer anzugeben, was er unter „dem Mangel" versteht. Wir wollen daher selbst versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Das Wort Mangel hat bekanntlich eine zweifache Bedeutung, eine quantitativeund eine qualitative. Im ersteren Sinne bedeutet es, daß etwas nicht in der Quantität vorhanden ist, in welcher es vorhanden sein soll, d. h. deren Vorhandensein begehrt, bedurft wird, deren Vorhandensein also das Ziel eines Bedürfnisses bildet; im letzteren Sinne dagegen (vgl. § 923 a. b. G.-B.), wo es ein Synonymum des Wortes „Fehler" bildet, bedeutet es, daß etwas nicht jene Qualität besitzt, die es besitzen soll, d. h. deren Vorhandensein begehrt, bedurft wird, also das Ziel eines Bedürfnisses bildet.
        Wenn wir nun die für das Wort „Mangel" gefundenen Bedeutungen in die Wagner'sche Definition einsetzen, so würde sie lauten: „Bedürfnisse sind Gefühle des Nichtvorhandenseins derjenigen Qualität oder Quantität, deren Vorhandensein das Ziel eines Bedürfnisses bildet," oder falls wir die bezüglich des Ausdruckes „Gefühle des Mangels" erforderliche Korrektur durchführen: „Bedürfnisse sind Gefühle, welche die Erkenntnis des Nichtvorhandenseins derjenigen Quantität oder Qualität begleiten, deren Vorhandensein das Ziel eines Bedürfnisses bildet." Wir sehen also, daß sich die Definition Wagners, wenn man ihren richtigen Kern herausschält, als ein [TspovTcprepov] entpuppt.3)
        Wagner läßt es unentschieden, ob man sich unter dem Mangel eine quantitative oder eine qualitative Unzulänglichkeit denken und ob dieselbe sich auf den Wohlfahrtszustand der bedürftigen Person oder auf gewisse äußere Dinge beziehen soll. Aus dem bestimmten Artikel („Gefühl des Mangels") könnte man schließen, er habe an die Mangelsgefühle gedacht, während der Zusatz „Streben, diesen Mangel (also nicht das Gefühl) zu beseitigen," dieser Vermutung wieder im Wege steht. [>82]

        97. Jedenfalls ist aber die Definition, indem sie die in den Bedürfnissen sich äußernden Gefühle bloß durch die Erkenntnis eines Mangels entstehen läßt, viel zu eng; denn solche Gefühle entstehen nicht bloß dann, wenn gewisse Reize gänzlich fehlen oder im Verhältnis zu dem aufnehmenden Vermögen zu schwach oder zu flüchtig sind, sondern auch dann, wenn die Reize, sei es durch Steigerung ihrer Intensität, sei es durch übermäßig lange und unveränderte Fortdauer, über die Kraft des aufnehmenden Vermögens allmählich hinauswachsen, oder auf einmal mit einer so überwältigenden Intensität auftreten, daß sie die Funktionsfähigkeit des angegriffenen Organs zu zerstören geeignet sind.1) Nur im ersteren Falle kann man füglich von einem Mangel sprechen, während im letzteren Falle vielmehr ein Überfluß oder Übermaß vorhanden ist.

        98. Aus der oben zitierten Definition ist man zu dem Schlusse berechtigt, daß Wagner das „Gefühl des Mangels" für einen wesentlichen Bestandteil des Bedürfnisses hält. Dieser Vermutung widerspricht aber ein späterer Satz (S. 76), wonach „das unbefriedigte Bedürfnis Gefühle des Unbehagens und der Unlust hervorruft," so daß diese Gefühle erst die Wirkung des Bedürfnisses wären. Dieser Widerspruch läßt sich m. E. nur entweder auf die Art beseitigen, daß im ersteren Falle nur an solche Bedürfnisse gedacht wird, deren Ziel die Beseitigung eines negativen Wohlfahrtszustandes bildet, im zweiten Falle aber bloß an solche, deren Ziel die Erhöhung eines schon vorhandenen positiven Wohlfahrtszustandes auf eine höhere Stufe der Wohlfahrtsskala ist, oder daß man dem Worte ,,Bedürfnis" auf S. 76 eine andere Bedeutung beilegt als auf S. 73, d. h. daß man den Ausdruck „nicht befriedigtes Bedürfnis" als gleichbedeutend erachtet mit dem Ausdruck „Zustand der nicht erfüllten Bedingung des normalen Wohlfahrtszustandes", oder mit dem Ausdruck „Zustand, in welchem sich eine Person befindet, wenn von ihr die Relation R1 ausgesagt werden kann" (vgl. § 76), oder kurz mit dem Ausdruck „negativer Wohlfahrtszustand".2) Ob man sich diesen Widerspruch auf diese oder jene Weise eliminieren soll, dafür hat aber Wagner selbst nicht die geringste Andeutung gemacht.

        99. Den zweiten wesentlichen Bestandteil der Bedürfniserscheinung bildet nach Wagner „das Streben, den Mangel zu beseitigen," welches er Befriedigungstrieb genannt hat. Von diesem sagt er dann : Derselbe „erscheint in seiner schärferen Form als Trieb der Selbsterhaltung hinsichtlich der Befriedigung der Existenzbedürfnisse ersten Grades, als Trieb des persönlichen oder Selbstinteresses hinsichtlich der Befriedigung der übrigen Bedürfnisse." Bei dieser Gelegenheit dürfte aber Wagner über-[83]sehen haben, daß es auch alterile und Kollektivbedürfnisse gibt, deren Befriedigungstrieb doch weder als Trieb der Selbsterhaltung, noch als Trieb des Selbstinteresses bezeichnet werden kann, was umso mehr befremdet, als er um einige Sätze weiter von den anderen Motiven, die sich mit dem Selbstinteresse kreuzen, spricht, worunter doch nichts anderes als die alterilen und Kollektivbedürfnisse gemeint sein kann.
        100. Ob Wagner unter dem Streben, welches er für den zweiten Hauptbestandteil der Bedürfniserscheinung ansieht, ein Wohlfahrts- oder ein Verwendungsbegehren versteht, können wir mit apodiktischer Gewißheit nicht angeben. Der Wortlaut seiner Definition, falls man unter Mangel einen negativen Wohlfahrtszustand des Bedürftigen verstehen darf, weist auf ein Wohlfahrtsbegehren hin, dessen Ziel der Zustand des beseitigten Mangels, also ein Wohlfahrtszuwachs ist. Denselben Sinn dürften auch einige andere Sätze (z. B. S. 74, 885 und 886) haben, während man wieder einige Sätze findet, in welchen die Bedeutung „Verwendungsbegehren" die passendere ist.

    3. Schäffle

        101. Nach Schäffle 1) ist „das Bedürfen der jedem organischen Wesen, also auch  . . .  dem menschlichen Individuum natürlich innewohnende Drang zur bestimmungsgemäßen sinnlich-sittlichen Entfaltung mit Hilfe der Güter der Außenwelt." Zu diesen Bedürfnissen trete eine zweite Kategorie von „ganz frei bestimmten, auf die Bildung innerer Güter gerichteten Bedürfnissen" hinzu und überdies werde auch jenes „Bedürfen in eine sittlich geregelte, auf persönliche Entwicklung gerichtete Bedarfsgewöhnung verwandelt." Darnach versteht also Schäffle unter Bedürfnissen im Allgemeinen sowohl Instinkte als auch zweckbewußte Begehren, die sich in der Verwendung äußerer Güter äußern. Diese Begriffsbestimmung ist aber zu eng. Denn es gibt eine ganze Reihe von Bedürfnissen, welche ohne Verwendung äußerer Güter befriedigt werden können. Sollte aber Schäffle nur diejenigen Bedürfnisse im Auge gehabt haben, mit welchen sich die Wirtschaftswissenschaft befaßt, dann ist sie wieder zu weit, denn für diese kommen nur die zweckbewußten Begehren und nur die wirtschaftlichen, nicht aber auch die freien Güter in Betracht.
        Auf S. 100 sagt Schäffle, daß „Bedürfnis überhaupt ein Nötighaben und Begehren von Gütern zur Stillung von Mangel" ist. Da aber „Nötighaben" nichts anderes als nur ein anderer Ausdruck für die durch das Wort „Bedürfen" bezeichnete Relation ist, so schrumpft diese Definition auf den Satz „Bedürfnis ist ein Begehren von Gütern zur Stillung von Mangel" zusammen, welcher im Zweifel läßt, ob unter dem [>84] Begehren von Gütern ein Verwendungs- oder ein Verfügungsbegehren zu verstehen ist, und gegen dessen Bestandteil „Mangel" sich die gleichen Einwendungen erheben lassen, die in den §§ 96 und 97 angeführt wurden.
        102. Schäffle unterscheidet zwischen natürlichen oder physischen und sittlichen Bedürfnissen, doch ist es nicht klar, was er unter den natürlichen Bedürfnissen verstanden hat. Wenn er vom natürlichen Nahrungs-, Kleidungs-, Erwärmungs- und Wohnungsbedürfnis spricht, so sollte man meinen, daß darunter jene Verwendungsbegehren gemeint sind, deren Ziel die Beseitigung negativer Wohlfahrtszustände bildet. Aber um einige Zeilen weiter bezeichnet Schäffle ausdrücklich als physische oder natürliche Bedürfnisse solche, welche der Mensch, wie das Tier, instinktmäßig befriedigt, z. B. das Luftbedürfnis im gewöhnlichen Atmungsprozeß, in welchem Falle nach unserer Begriffsbestimmung mangels eines Begehrens überhaupt kein Bedürfnis, kein Verwendungsbegehren vorliegt. Bedürfnisse dagegen, die mit Selbstbewußtsein, Selbstgefühl und Selbsttätigkeit, d. h. durch zweckbewußte Handlungen, befriedigt werden, nennt er sittliche Bedürfnisse. So werde das Atmungsbedürfnis durch Aufsuchung von frischer Luft, von Sommerfrischen u. s. w. sittlich gestaltet und geäußert. Danach wären also alle Bedürfnisse, mit welchen sich die Wirtschaftswissenschaft zu befassen hat, als sittliche Bedürfnisse anzusehen.
        103. Außerdem findet man bei Schäffle noch mehrere Sätze, in welchen Bedürfnis soviel bedeutet wie Wohlfahrtszuwachs, z. B. auf S. 7, 164, 283, wo von einem menschlichen Zweck, bezw. persönlichen Lebenszweck die Rede ist, -während auf S. 27 (Bedürfnisse des Familientisches) wohl die bedurften Güter gemeint sind.

    4. Schmoller

        104. Schmoller1) bezeichnet als Bedürfnis „jede mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Dringlichkeit auftretende gewohnheitsmäßige, aus unserem Seelen- und Körperleben entspringende Notwendigkeit, durch irgend eine Berührung mit der Außenwelt unsere Unlust zu bannen, unsere Lust zu mehren." Es ist auf den ersten Blick klar, daß dieser Bedürfnisbegriff für die Zwecke der Wirtschaftswissenschaft zu eng ist. Denn entweder müßten alle Handlungen und alle Gegenstände, welche zur Befriedigung von unregelmäßigen, wenig dringlichen, vereinzelten Begehren dienen, aus dem Forschungsgebiete der Wirtschaftswissenschaft ausgeschieden werden oder man müßte neben dem Bedürfnis noch einen zweiten, ihm koordinierten Begriff aufstellen, auf welchen zu rekurrieren wäre, um die obigen Handlungen und Gegenstände als in das Gebiet der [>85] Wirtschaftswissenschaft fallende bezeichnen zu können. Für welche Alternative sich Schmoller entschieden hat, konnte ich nicht mit Bestimmtheit konstatieren.
        105. Befremdend ist weiter der Ausdruck „eine mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Dringlichkeit auftretende Notwendigkeit." Es gibt bekanntlich verschiedene Notwendigkeiten: eine logische, eine kausalgesetzliche, eine moralische oder juristische, aber jede von ihnen bedeutet eine Beziehung zwischen zwei Begriffen, bezw. Erscheinungen, die entweder ausnahmslos ist oder doch es sein soll; demnach ist eine bloß "mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftretende Notwendigkeit", wenn dieser Ausdruck eine logische oder kausalgesetzliche Beziehung bedeutet, eine contradictio in adjecto; ebenso die bloß „mit einer gewissen Dringlichkeit auftretende Notwendigkeit", wenn damit eine moralische oder juristische Notwendigkeit gemeint ist. Damit die hier besprochene Definition vor dem Richterstuhle der Logik bestehen könnte, muß man entweder annehmen, daß „Notwendigkeit" nur ein nichtpassender Ausdruck für die Relation R1 zwischen einer Person und einem partiellen positiven Wohlfahrtszustand ist, wobei auch zugleich das Mittel zur Verwirklichung dieses Wohlfahrtszustands (Berührung mit der Außenwelt) angegeben wird, woraus zu ersehen ist, daß Schmoller nur an die sogenannten äußeren Bedürfnisse denkt, oder man muß — und das dürfte vielleicht in Anbetracht dessen, daß die Wirtschaftswissenschaft es nur mit menschlichen Handlungen zu tun hat und daß bloße Relationsurteile solche Handlungen nicht hervorzurufen vermögen, der Intention Schmollers besser entsprechen — unter Notwendigkeit einen Drang, Impuls verstehen, dessen Ziel das Bannen von Unlust, das Mehren von Lust ist.
        106. Schmoller macht dem gemeinen Sprachgebrauch die Konzession, daß er „die materiellen oder ideellen Objekte, die wir benützen, ge- oder verbrauchen, die Verhältnisse, die ein bestimmtes Verhalten oder Tun ermöglichen, "gleichfalls Bedürfnis nennt.

    5. Schwiedland

        107. In letzter Zeit hat Schwiedland1) die Anregung gemacht, daß man in der Wirtschaftswissenschaft unter Bedürfnis nur „das Streben, einer Unlust zu entrinnen", oder „das Gefühl eines Mangels und das damit verbundene Streben nach Befreiung davon" verstehen soll, während „das Streben Lust zu erreichen, festzuhalten, zu mehren," bezw. „das Streben nach der Stärkung und Festhaltung eines Zustandes" aus dem bisherigen Bedürfnisbegriffe ausgeschieden und als ein selbständiger Begriff unter dem Namen Begier konstituiert werden solle. Diese Unterscheidung, welche die auf die [>86] Beseitigung negativer Wohlfahrtszustände gerichteten Wohlfahrts- und Verwendungsbegehren und -Bedürfnisse einerseits und die auf die Ersetzung positiver Wohlfahrtszustände durch auf der Wohlfahrtsskala des Begehrenden höher stehende Wohlfahrtszustände hinzielenden Wohlfahrts- und Verwendungsbegehren und -Bedürfnisse andererseits auseinanderhalten will, hat, wie wir im fünften und siebenten Kapitel zu sehen Gelegenheit haben werden, für die Wirtschaftswissenschaft eine nicht geringe Bedeutung. Trotzdem können wir uns aber für die Terminologie Schwiedland's nicht entscheiden, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, daß man, nachdem in allen übrigen außer der im § 200 dargelegten Beziehung zwischen beiden Bedürfniskategorien kein Unterschied besteht, in allen jenen Urteilen, die sich auf beiderlei Bedürfnisse beziehen (und diese bilden die bei weitem überwiegende Mehrzahl), den Doppelausdruck „Bedürfnis und Begier" (analog dem Doppelausdruck „Grund und Boden") gebrauchen müßte. Dem Unterschiede, auf welchen oben angespielt wurde, läßt sich aber, wie wir sehen werden, besser durch Vorsetzung verschiedener Bestimmungswörter vor „Bedürfnis" als Grundwort Rechnung tragen.

    6. Gossen, Jevons, Menger, v. Böhm-Bawerk

    108. Eine merkwürdige Tatsache ist es, daß bei Gossen der Ausdruck „Bedürfnis" in dem von anderen Volkswirtschaftslehrern gebrauchten Sinne nicht vorkommt. An den wenigen Stellen, wo er den Bedürfnisbegriff meint, bedient er sich der Ausdrücke „Verlangen nach dem Genusse," „Interesse am Genusse" u. dgl. Die Erklärung hiefür ist darin zu suchen, daß er die wirtschaftlichen Handlungen unmittelbar mit den Gefühlen, dem Genusse in Beziehung setzt.
    109. Auch bei Jevons 1) findet man den Ausdruck „want" selten, da er die Ökonomik als einen „calculus of pleasure and pain" behandelt. über den Inhalt des Bedürfnisbegriffes scheint Jevons keine klare Ansicht gehabt zu haben, denn einmal stellt er die Bedürfnisse auf die gleiche Stufe wie die Begierden („wants and desires"), woraus man schließen könnte, daß er ähnlich wie Schwiedland darunter eine besondere Kategorie von Wohlfahrtsbegehren versteht, während er später die Definition Courcelle-Seneuils (s. S. 67 Anm.1) ohne Bemerkung zitiert, nach welcher das Bedürfnis eine Verquickung des Verwendungs- mit dem Verfügungsbegehren sein soll.
    110. Menger gebraucht den Ausdruck „Bedürfnis" sehr häufig, setzt aber den Begriff des Bedürfnisses als bekannt voraus. Wenn es gestattet ist, aus dem Zusammenhang der betreffenden Sätze darauf zu schließen, was dieser Autor unter Bedürfnis versteht, so kann man sagen, daß sein Bedürfnisbegriff mit unserem Verwendungsbegehren oder Verwen-[>87]dungsbedürfnis identisch ist, da man in den betreffenden Sätzen diese Ausdrücke ohne Änderung des Sinnes substituieren kann.
    111. v. Böhm-Bawerk hat in den meisten Fällen die v. Hermannsche Definition im Auge, daher spricht er von den Bedürfnissen bald so, als ob sie Gefühle, bald so, als ob sie Verwendungsbegehren wären, je nach dem sich seine Aufmerksamkeit mehr auf den ersten oder auf den zweiten Bestandteil des v. Hermannschen Bedürfnisbegriffes lenkt. Es kommen bei diesem Autor aber auch einzelne Stellen vor, wo Bedürfnis die Relation R3 oder das bedurfte Gut bedeutet.

    7. v. Wieser

        112. Bei v. Wieser findet man zwei Ansichten über das Wesen des Bedürfnisses. Im „Ursprung des Wertes"1) sagt er : „Bedürfen ist das Brauchen einer Befriedigung, so daß das Ausbleiben der Befriedigung unter einer stärkeren oder schwächeren Leidempfindung die Erhaltung des Organismus oder sein Gedeihen stört." Gegen diese Sätze lassen sich viele Einwendungen erheben: erstens ist Brauchen ein Synonymum von Bedürfen und Befriedigung bedeutet in der Regel soviel wie Aufhebung, Beseitigung des Bedürfnisses. Demnach dürfte also der erste Satz nichts anderes besagen als: „Bedürfen ist das Bedürfen der Aufhebung eines Bedürfnisses", und wäre somit ein [krepov Tcpckspov]. Weiter ist zu bemerken, daß das Unlustgefühl (Leidempfindung) in vielen Fällen nicht erst dann eintritt, wenn die Befriedigung des Bedürfnisses ausbleibt, sondern gleich von dem Momente an, in welchem das Bedürfnis ins Bewußtsein tritt, besteht.
        113. Neben dem Bedürfnis unterschied damals v. Wieser das Interesse, welches er zwar als eine mit dem Bedürfnis verbundene, aber von ihm wesentlich verschiedene Tatsache bezeichnete. Das erstere sei ein Leiden, ein passiver Zustand, das letztere ein Streben, eine tätige Regung. Interesse haben, heiße: vom Bedürfnisse wissen und seine Befriedigung wollen.
    Mit Rücksicht auf diese Begriffsbestimmung meinte v. Wieser, daß sich die Wirtschaftswissenschaft nur mit dem Interesse, nicht aber auch mit dem Bedürfnisse zu befassen habe. Es braucht wohl nicht bewiesen zu werden, daß diese Terminologie wenig Aussicht auf allgemeine Anerkennung hätte, da nach dem bisherigen Sprachgebrauche der Wirtschaftswissenschaft allgemein unter Bedürfnis — wenn auch nicht in den Definitionen, so doch bei dem tatsächlichen Gebrauch dieses Ausdrucks — in erster Reihe ein Begehren verstanden wird.
        114. v. Wieser dürfte diese seine Ansicht selbst als unrichtig erkannt haben, denn in seinem späteren Werke „Der natürliche Wert" 2) sagt er, daß [>88] nach dem Sprachgebrauche der volkswirtschaftlichen Schriftsteller Bedürfnis jedes menschliche Begehren bedeute. Wenn wir diesen Satz streng nach seinem Wortlaute interpretieren, so müssen wir annehmen, daß v. Wieser diesmal unter den Bedürfnissen zwar alle Woh1fahrts -, Verwendungs- und Verfügungsbegehren, nicht aber auch die Dispositionen zu solchen Begehren versteht. Auf solche Weise erscheint der Begriff der gegenwärtigen Bedürfnisse über die Gebühr eingeschränkt, der Begriff der künftigen Bedürfnisse, da zu ihnen auch die Dispositionen zu Wohlfahrts-, Verwendungs- und Verfügungsbegehren gerechnet werden müssen, über die Gebühr erweitert.
        Die hier besprochene Definition ist aber auf der andern Seite wieder zu weit, da sie die Wohlfahrtsbegehren, die für die Wirtschaftswissenschaft, wie wir gezeigt haben, von sehr untergeordneter Bedeutung sind, mit den Verwendungs- und Verfügungsbegehren auf die gleiche Stufe stellt. Ja, wenn es gestattet wäre, aus den der Definition nachfolgenden Beispielen auf die richtige Ansicht v. Wiesers zu schließen, so müßte man sagen, daß dieser Autor unter den Bedürfnissen nur die Wohlfahrtsbegehren versteht.
        115. Aus einer Stelle im Artikel „Gut"1) könnte man vermuten, daß v. Wieser noch eine dritte Ansicht über das Bedürfnis hat, wonach dasselbe als ein Gefüh1 oder als eine Gefühlsvorstellung anzusehen wäre.

    8. Sax

        116. Sax hat sich über das Wesen des Bedürfnisses an mehreren Stellen seiner Staatswirtschaft ausgesprochen , er sucht aber nicht den Begriff des Bedürfnisses im Allgemeinen, sondern den des ökonomischen Bedürfnisses festzustellen. Unter letzterem versteht er ein Gefüh1, verbunden mit einem Begehren nach Gütern, welche in beschränkter Menge vorhanden sind. Jenes Gefühl, in welchem Sax den Hauptbestandteil der Bedürfniserscheinung erblickt, soll nach seiner Ansicht bei jenen Personen entstehen, welche sich dessen bewußt werden, daß zwischen ihnen und gewissen Gütern die Relation R1 oder R2 besteht — welche von diesen beiden Relationen Sax im Auge hat, konnte ich nicht feststellen — und daß diese Güter in beschränkter Menge vorhanden sind. Es gehört also wie nach v. Hermann so auch nach Sax zum Begriffe des Bedürfnisses ein Gefühl und ein Mangel, nur daß der Mangel, dessen Erkenntnis dieses Gefühl begleitet, nicht wie bei v. Hermann in einem negativen [>89] körperlichen oder geistigen Wohlfahrtszustand der betreffenden Person, sondern in einer ungenügenden Quantität der zu verwendenden Güter bestehen sol1.1) [>90]
        117. Es wird kaum jemanden geben, der nachdem er sich die Ansicht Sax's so zurecht gelegt hätte, dieselbe für richtig zu erklären vermöchte. Ein Gefühl ist freilich bei jedem Bedürfnis vorhanden, aber nicht als Folge der Erkenntnis der unzulänglichen Quantität der zu verwendenden Güter. Man kann 1000 Zentner Brot in seiner Speisekammer haben und dennoch ein peinigendes Hungergefühl, mithin ein sehr dringendes Bedürfnis empfinden, wenn man sich nicht vom Bett rühren kann.
        Was Sax von (den wirtschaftlichen) Bedürfnissen in dieser Beziehung, im Allgemeinen gesagt hat, hat nur für einen ganz speziellen Teil derselben Gültigkeit, nämlich für die künftigen Bedürfnisse, indem das Bewußtsein, seine künftigen Bedürfnisse nicht gedeckt zu haben, tatsächlich die Ursache für das Entstehen eines unangenehmen Gefühls — der Sorge, des Kummers — bildet. Für die gegenwärtigen Bedürfnisse trifft aber die Darstellung Sax's entschieden nicht zu. Aus dem Satz „Das Übereinstimmende liegt wohl in der Empfindung der Unlust ob der Hemmung, welche dem Menschen in seinen Bestrebungen durch jene Gebundenheit an äußere Mittel auferlegt ist," läßt sich erkennen, daß Sax unter dem Gefühl, welches er für den wesentlichen Bestandteil der Bedürfniserscheinung hält, ein Unlustgefühl versteht.
        118. Sax spricht sich auch nicht darüber aus, ob er das „Begehren nach Befriedigung", welches nach ihm einen  untrennbaren Bestandteil der Bedürfniserscheinung bildet, für ein Wohlfahrts- oder Verwendungs- oder Verfügungsbegehren hält. Aber mit Rücksicht darauf, daß er das Bewußtsein unserer Abhängigkeit von der Aufnahme von Luft und Wärme hauptsächlich aus dem Grunde nicht als ein Bedürfnis anerkennt, weil wir daraus keinen Impuls zum Handeln schöpfen, und daß er behauptet, daß, falls die Unbeschränktheit von Luft aufhören würde, die Erkenntnis dessen einen Impuls zum Erwerb der Verfügungsmacht über Luft hervorrufen könnte, darf man annehmen, daß das in dem Bedürfnisse sich äußernde Begehren, welches Sax im Sinne hat, ein Verfügungsbegehren ist, was umso wahrscheinlicher erscheint, als er ja nur die ökonomischen Bedürfnisse berücksichtigt. Ein Wohlfahrtsbegehren kann es schon deshalb nicht sein, weil er sagt, daß jedes Bedürfnis das Wollen eines Zweckes, was nichts anderes als ein Wohlfahrtsbegehren ist, und das Kausalurteil über die Eignung des Befriedigungsmittels zur Erreichung dieses Zweckes voraussetzt.
        119. Neben dem bisher besprochenen Bedürfnisbegriff, welchen Sax den subjektiven nennt, kennt derselbe noch einen zweiten, welchen er als den objektiven bezeichnet. Diesen Begriff habe man im Sinne, wenn man lediglich die Zwecke betrachtet, bezüglich welcher die Tatsache jener erkannten [>91] Bedingtheit gegenüber der Außenwelt obwaltet, mit Absehen also von der subjektiven Gestaltung der letzteren. Kein Zweifel, daß die letztere Bedeutung intendiert sei, könne dann obwalten, wenn ein Sammelname dem des Begriffes als Bestimmungswort vorgesetzt oder mittels einer Präposition angefügt ist, wie Nahrungs-, Kleidungs-, Wohnungsbedürfnis, oder das Bedürfnis nach Schutz, das Bedürfnis der Bildung etc. Sax meint, daß diese Unterscheidung sich mit der Unterscheidung zwischen den konkreten Bedürfnissen und den Bedürfnisgattungen, die bei v. Böhm-Bawerk zu finden ist, d. h. also mit der Unterscheidung zwischen Bedürfungen oder Bedürfungsphasen und Bedürfnisarten decke, während unseres Erachtens das, was Sax als objektive Bedürfnisse bezeichnet, vielmehr die Relation R1 oder R2 (§ 76) ist, die für die Ökonomik ohne alle Bedeutung ist.

    9. Pantaleoni

    120. Pantaleoni 1) definiert das Bedürfnis als "das Begehren nach der Verfügung über ein Mittel, welches man für geeignet hält, ein Schmerzgefühl zu beseitigen oder zu verhindern oder ein Lustgefühl zu erhalten oder hervorzurufen." Darnach wäre also das Bedürfnis ein Verfügungsbegehren, aber nicht wie bei Sax nach beschränkten Mitteln, sondern nach jedem Mittel ohne Unterschied. Doch ist bei Pantaleoni diese Ansicht noch nicht fest eingewurzelt, denn etwas später betrachtet er das Begehren nach der Verfügung (desiderio di disporne) als gleichbedeutend mit dem Begehren nach der Verwendung (desiderio di servirsene). Die obige Definition erläuternd, sagt Pantaleoni weiter : „Wenn wir ,sagen, daß Titius das Bedürfnis zu essen hat, so bedeutet dies, daß er einen Schmerz fühlt, welchen man Hunger  nennt; daß nach seinem Dafürhalten ein Mittel — nämlich eine Speise — existiert, um es zu beseitigen, und daß er über dieses Befriedigungsmittel zu verfügen begehrt." Mit Unrecht werde das Bedürfnis oft mit dein Schmerzgefühl identifiziert, welches bloß eine seiner Ursachen bilde; denn damit ein Bedürfnis entstehe, müsse vorher ein, sei es wirklich gefühlter, sei es vorausgesehener Schmerz vorhanden sein. Die zweite Ursache bilde die Meinung, daß ein Mittel bestehe, es zu beseitigen. Aus dem bloßen Schmerzgefühle würde in dem Falle, wenn man überzeugt wäre, daß man es mit keinem Mittel beseitigen könne, kein Bedürfnis entstehen. Ebenso dürfe man nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses mit dem Lustgefühle (oder dem Aufhören des Schmerzes) verwechseln, welches deren Wirkung sei.
        121. Aus den zitierten Sätzen dürfte zu ersehen sein, daß Pantaleoni wenigstens den einen der zwei Bedürfnisbegriffe, deren die Wirtschaftswissenschaft bedarf, ziemlich richtig definiert hat. Als Fehler rechnen wir es ihm an, daß er das Verfügungsbegehren nicht an dessen unmittelbare Ur-[>92]sache, das Verwendungsbegehren, sondern an dessen entferntere, für die Wirtschaftswissenschaft nicht in Betracht kommende Ursache — das Gefühl — knüpft.

    10. Sulzer

        122. Sulzer1) versteht unter einem Bedürfnis „den einzelnen auf das Glück gerichteten Trieb." Da nach ihm „Glück formell die Erzeugung von Lustgefühl und die Fernhaltung oder Beseitigung von Unlustgefühl ist," so hat er so ziemlich denselben Begriff im Sinne, den wir Wohlfahrtsbegehren genannt haben. Ein Unterschied besteht nur darin, daß wir nur an Begehren, d. i. an solche Willenserscheinungen denken, welche von dem Bewußtsein des Zweckes begleitet sind, während nach Sulzer das Bedürfnis häufig nur in einem instinktiven Triebe besteht, der (recte dessen Zweck) demjenigen, der ihn fühlt, nicht zum Bewußtsein gelangt.
        123. Sulzer unterscheidet zwischen unmittelbaren und mittelbaren Bedürfnissen; mit dem ersteren Ausdruck bezeichnet er den oben dargelegten Begriff, während er unter den mittelbaren Bedürfnissen die Wünsche der Menschen, die sich auf die Herbeiführung der Voraussetzungen der Bedürfnisbefriedigung, namentlich der äußeren Güter beziehen (Bedürfnis nach Wasser, nach Kleidern) versteht. Es ist nicht klar, ob darunter Verwendungs- oder Verfügungsbegehren gemeint sind, doch möchten wir das letztere für wahrscheinlicher halten. Nach dem Dafürhalten Sulzers kenne die Wissenschaft nur den Begriff des unmittelbaren Bedürfnisses, was entschieden unrichtig ist. Die Ausdrücke Nahrungs-, Kleidungs- , Wohnungsbedürfnis bezeichnen nach ihm die sämtlichen unmittelbaren Bedürfnisse, die durch Nahrung, Kleidung und Wohnung befriedigt werden. Die Bezeichnung des äußeren Gutes diene dann als Mittel zur besseren Bestimmung der unmittelbaren Bedürfnisse. Diese werden dadurch zu spezifizierten Bedürfnissen. Sulzer kennt nur äußere Bedürfnisse, d. i. solche, bei welchen es zur Befriedigung der Einwirkung äußerer Dinge auf den Menschen bedarf.

    11. Döring

        124. Es dürfte nicht ohne Nutzen sein, wenn wir noch zum Schlusse des Vergleiches halber anführen, was zwei philosophische Schriftsteller, nämlich Döring und Kraus, über das Wesen des Bedürfnisses meinen. Bei Döring2) sind folgende Sätze zu lesen: „Objektiv betrachtet gibt es eine Mannigfaltigkeit von Erfordernissen unserer (d. h. der menschlichen) Natur. [>93]bei deren Vorhandensein der Zustand derselben ein normaler, bei deren Nichtvorhandensein derselbe ein abnormer ist . . . Sofern nun die Erfordernisse imstande sind, sich im Bewußtsein, soweit ihnen Genüge geschieht, als Lust, soweit ihnen nicht Genüge geschieht, als Unlust zu reflektieren, sind sie Bedürfnisse. Nicht unmittelbar und als solches tritt das Bedürfnis ins Bewußtsein, sondern nur soweit ihm Befriedigung zuteil wird, als Lust, soweit nicht, als Unlust. Das Bedürfnis ist das potentielle Gefühl, das Gefühl als Möglichkeit. Das Bedürfnis ist der innere Realgrund des Gefühls, das Gefühl der Erkenntnisgrund des Bedürfnisses. Das Vorhandensein der Bedürfnisse als der in Lust und Unlust sich geltend machenden Erfordernisse unserer Natur wird nicht unmittelbar erkannt, sondern nur durch Rückschluß vom Gefühl als Wirkung auf das Bedürfnis als Ursache."
        125. Wenn es mir gelungen ist, mich in der verwirrenden Fülle seiner — keineswegs zu den klarsten gehörenden — Ausdrücke zurecht zu finden, so hat Döring Folgendes gemeint: Damit wir uns in einem bestimmten Zeitpunkte in einem positiven Gesamtwohlfahrtszustand befinden, ist es erforderlich, daß sich die einzelnen Teile unseres körperlichen und geistigen Organismus in gewissen Zuständen und Verhältnissen befinden. Zu diesem Partialwohlfahrtszuständen stehen wir in einer gewissen Relation, welche man, wenn deren von uns erkanntes Vorhandensein mit Lust, deren von uns erkanntes Nichtvorhandensein hingegen mit Unlust verbunden ist, Bedürfnis nennt.
        Die Erkenntnis der Relation zu jenen partiellen Wohlfahrtszuständen, von welchen der positive oder negative Charakter des Gesamtwohlfahrtszustandes abhängt, erscheint tatsächlich in vielen Fällen als „die neutrale Möglichkeit von Lust und Unlust", als „der an sich noch nicht zum Gefühl erhobene Indifferenzzustand der entgegengesetzten Gefühle".1) Erst wenn das Urteil hinzukommt, daß diese partiellen Wohlfahrtszustände vorhanden oder nicht vorhanden sind, daß also den Erfordernissen unserer Natur Genüge geschieht oder nicht, reflektieren sich die Erfordernisse der partiellen Wohlfahrtszustände in unserem Bewußtsein als Lust oder Unlust.
        126. Diese Begrenzung des Bedürfnisbegriffes paßt aber nur für einen Teil der Bedürfnisse und Döring2) gibt selbst zu, daß bei den körperlichen Bedürfnissen „die Lust und Unlust nicht erst durch Vermittlung des Vorstellens auf Grund des Bewußtseins vom Vorhandensein oder Fehlen des Erfordernisses eintritt, sondern unmittelbar körperlich entsteht."
        Weiter mußte Döring zugeben, daß es auch Fälle gibt, in welchen zwar das Bewußtsein, daß gewisse partielle Wohlfahrtszustände nicht vorhanden sind, mit Unlust, dagegen aber das Bewußtsein, daß diese partiellen Wohlfahrtszustände vorhanden sind, mit keinem Gefühl verbunden ist. Mit Rück-[>94] sicht darauf kann man also nicht so allgemein, wie es Döring tut, sagen, daß das „Bedürfnis die neutrale Möglichkeit von Lust und Unlust, das Gefühl im Zustande der Potenzialität" ist.
        127. Döring versteht unter „Befriedigung des Bedürfnisses" das Vorhandensein gewisser partieller Wohlfahrtszustände. Eine wohl kaum zu billigende Ausdrucksweise, da das Wort „Befriedigung" auf einen Trieb hinweist; man wird auch dort, wo er von den Nahrungs- und Geschlechtsbedürfnissen spricht, mit großer Wahrscheinlichkeit behaupten dürfen, daß er den Nahrungs- und Geschlechtstrieb im Sinne gehabt hat.
        Erwähnenswert ist, daß Döring die gleiche Ansicht vertritt, die wir oben (§ 16) angeführt haben , nämlich daß die Lust- und Schmerzgefühle nicht an und für sich als Bedürfnisse anzusehen sind, sondern nur den Erkenntnisgrund dafür bilden, ob objektiv-positive oder objektiv-negative Wohlfahrtszustände vorliegen.

    12. Kraus

        128. Bei Kraus 1) findet man folgende Definition des Bedürfnisses : „Jeder Wille, gerichtet auf Erlangung oder Bewahrung der eigenen Lust oder auf Abwehr oder Vernichtung der eigenen Unlust ist ein effektives Bedürfnis; ein latentes Bedürfnis liegt vor, wo der Wunsch deshalb nicht zum Willen wurde, weil der Bedürfende an seiner Realisierbarkeit verzweifelte." Diese Definition hat den Mangel, daß durch sie nur zwei Unterarten des Bedürfnisbegriffes, nicht aber dieser selbst definiert wird. Die Definition der latenten Bedürfnisse ist überdies zu weit, indem sie auch solche Fälle umfaßt, wo überhaupt kein Bedürfnis, also auch nicht ein latentes vorliegt; denn wenn jemand von der Unmöglichkeit des Eintretens eines vorgestellten Wohlfahrtszustandes überzeugt ist, kann in ihm kein Begehren sondern nur ein Wunsch entstehen. Im übrigen deckt sich aber das, was Kraus Bedürfnis nennt, mit dem, was wir als Wohlfahrtsbegehren bezeichnet haben.
        129. Die oben angeführte Definition bezieht sich nur auf jene Bedürfnisse, die man „egoistische" zu nennen pflegt und die Kraus als „hedonistische" bezeichnet. Daneben unterscheidet er aber noch die Klasse der sympathischen Bedürfnisse, für welche er die folgende Definition aufstellt: „Jeder Wille, gerichtet auf Verwirklichung und Bewahrung fremder Lust oder Vernichtung oder Abwehr fremder Unlust ist ein effektives (sympathisches) Bedürfnis." Aus dieser Definition ist zu ersehen, daß diese Einteilung vollkommen mit unserer Einteilung der Wohlfahrtsbedürfnisse in  ipsile  und  alterile  übereinstimmt.
        Weiter führt Kraus die Kategorie der idealen Bedürfnisse an, welche er (und zwar die effektiven) folgendermaßen definiert : „Jeder Wille, gerichtet [>95] auf Verwirklichung oder Bewahrung der Erkenntnis oder auf Vernichtung oder Abwehr des Irrtums ist ein effektives (ideales) Bedürfnis." Auch diese Klasse, die sich nur als eine besondere Art der  Wohlfahrtsbedürfnisse darstellt, teilt er ein in Eigenbedürfnisse und altruistische Bedürfnisse.
        Schließlich führt noch Kraus die „gewohnheitsmässigen Bedürfnisse" an, die er zu den egoistischen rechnet. Als Beispiel eines solchen Bedürfnisses wird die Geldgier des Geizigen angeführt. Dagegen rechnet er die Instinkte nicht zu den Bedürfnissen.
        130. Während der allen bisher angeführten Definitionen zu Grunde liegende Bedürfnisbegriff sich als ein Wohlfahrtsbegehren darstellt, wirkt es befremdend, wenn Kraus das künftige Bedürfnis für ein Bedürfnis, nach den Mitteln zur Verwirklichung, resp. Abwehr einer zukünftigen Lust, resp. Unlust", „hervorgerufen durch das Urteil: ein auf Lust oder Unlust gerichtetes Bedürfnis sei in Zukunft irgendwie wahrscheinlich" erklärt1), worin ohne Zweifel ein Verfügungsbegehren zu erblicken ist.
        Kraus hat also richtig erkannt, daß zum Entstehen eines Verfügungsbedürfnisses infolge eines künftigen Bedürfnisses das gewisse oder doch wenigstens wahrscheinliche Urteil über das zukünftige Eintreten eines solchen Bedürfnisses erforderlich ist, nur fehlt er insofern, als er dieses letztere Bedürfnis als ein Wohlfahrtsbegehren hinstellt, während es, wie in den §§ 62 und 63 gezeigt wurde, ein Verwendungsbegehren sein muß, und als er vom „Fühlen" des gegenwärtigen Verfügungsbegehrens spricht, während zum Entstehen desselben eine bloße Gefühlsvorstellung hinreicht. Sieht man von diesen minder wesentlichen Ungenauigkeiten ab, so hat Kraus die Lehre von den allgemeinen Bedürfnissen — nicht von den wirtschaftlichen — bedeutend gefördert.

        Fußnoten

      S77 1) Kraus, Bedürfnis.
      S77 2) Voigt, Dringlichkeit.
      S77 3) Cohn, Gemeinbedürfnis.
      S77 4) Kleinwächter, Kollektivbedürfnisse.
      S77 5) v. Schubert-Soldern, Menschl. Glück.
      S77 6) Schwiedland, Psych. Grundlagen.
      S79 1) S. v. Hermann, Untersuchungen, S. 4-6, 80 und 86.
      S80 1) Vgl. Jodl, Psychologie, S. 379.
      S81 1) S. Wagner, Grundlegung, S. 73 ff.
      S81 2) Beachtenswert ist, daß Wagner die angeführte Definition zwischen Anführungszeichen zitiert, als ob sie genau den Worten v. Hermanns entsprechen würde, während dieser Autor an der bezogenen Stelle (Untersuchungen S. 5) sagt : „Dieses Gefühl eines Mangels mit dem Streben, ihn zu beseitigen, heißt Bedürfnis."
      S81 3) Auf diesen Fehler hat bereits Sax (Staatswirtschaft, S. 174 Anm.) aufmerksam gemacht.
      S82 1) S. Jodl, Psychologie, S. 390 u. 391.
      S82 2) In diesem Sinne dürfte wohl auch die Definition des Bedürfnisses bei Lehr (Grundbegriffe, S. 51) zu verstehen sein, wo es heißt: „Jene Gefühle unzureichender oder mangelnder Befriedigung mit dem Verlangen ihnen zu genügen nennen wir Bedürfnisse."
      S83 1) S. Schäffle, Gesellsch. System, S. 4, 5 u. 100.
      S84 1) S. Schmoller, Volkswirtschaftslehre I, S. 23.
      S85 1) S. Schwiedland, Grundlagen, S. 11 u. 12.
      S86 1) S. Jevons, Polit. Economy, S. VII, 42 u. 44.
      S87 1) S. v. Wieser, Ursprung des Wertes, S. 82 f.
      S87 2) S. v. Wieser, Natürl. Wert, S. 5.
      S88 1) S. v. Wieser, Gut, S. 226 . . . es (das Bedürfnis) umfaßt jede Lust, die befriedigt, jede Unlust, die abgewehrt werden soll." Auffallend ist hier der Gebrauch des Wortes „Lust", unter welchem mit Rücksicht auf das Prädikat „befriedigt werden" eher eine Begier als ein Gefühl gemeint sein dürfte.
      S89f 1) S. Sax, Staatswirtschaft, S. 172: Das Bedürfnis „bezeichnet die Tatsache des Bewußtseins von - jenem Abhängigkeitsverhältnisse, in welchem der Mensch zu der beschränkten Außenwelt hinsichtlich der Erreichung seiner (instinktiven und vernünftigen) Zwecke sich befindet. Insoferne wegen Unbeschränktheit, d. h. praktisch einer solchen gleichkommenden Beschränktheit — Überfluß — der Außendinge der Mensch nicht zu bewußtem Handeln, sondern lediglich zu unwillkürlichen Lebensäußerungen in Bezug auf jene bestimmt wird, mag eine Existenzbedingung vorliegen, doch kein Bedürfnis im ökonomischen Sinne des Wortes. So sind Atmen, Wärmeaufnahme sicherlich eine Existenzbedingung, aber sie ergeben kein Bedürfnis, wo Luft und Sonnenwärme in genügendem Maße vorhanden sind. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis kommt hier dem Menschen auch sozusagen nur naturwissenschaftlich zum Bewußtsein; er schöpft daraus keinen Impuls zum Handeln, sondern lediglich die Erkenntnis eines Naturvorganges, der sich in seinem leiblichen Wesen vollzieht." Auf S. 114 sagt zwar Sax, das Bedürfnis sei bloß „das Bewußtsein des Menschen von der Abhängigkeit konkreter Daseinszwecke von der ihn umgebenden Natur," also ohne den Zusatz „beschränkt", doch fügt er in einem späteren Satz hinzu, daß den in unbeschränkter Menge verfügbaren Gütern gegenüber das Bewußtsein unserer Abhängigkeit von ihnen praktisch indifferent wird, also mit anderen Worten, daß in solchen Fällen kein Bedürfnis im ökonomischen Sinne des Wortes vorliegt.
          Ib. S. 173: „Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, daß Gefühle, Sensationen, die Entstehung jenes Bewußtseinszustandes vermitteln; hat ja doch die Beobachtung des Zusammenhanges der Dinge, welche das tägliche Leben anstellt und in dem Sprachgebrauch zum Ausdruck bringt, solches von den, den instinktiven Zwecken des menschlichen Daseins entsprechenden Bedürfnissen — den Bedürfnissen im engeren Sinne, welche der gewöhnliche Sprachgebrauch allein mit dem Worte verbindet — festgestellt. Wir sagen, daß ein Bedürfnis „empfunden" wird." Ein schwaches Argument! Man sagt ja doch auch, daß Wärme, ein Druck oder Zug in den Muskeln empfunden wird, ohne daß dabei von einem Gefühl irgend eine Spur zu sein braucht. „Etwas empfinden" bedeutet in der Regel soviel, wie „sich einer Sache bewußt werden" oder „einer Sache inne werden." Man kann also auch sagen, daß man ein Gefühl, einen Wunsch, ein Begehren empfindet. Das Substantivum „Empfindung" hat dagegen einen engeren Sinn. Vgl. § 8.
          Ib. S. 174: „Endlich ist das Merkmal zu betonen, daß der gedachte Bewußtseinszustand zur Ursache einer Willensregung wird der Art, daß sich der Empfindung des Bedürfnisses anschließt das Begehren nach Befriedi[>90]gung. Fraglich könnte sein, ob dies noch als integrierender Bestandteil des Bedürfnisses selbst aufzufassen oder ein Ding für sich ist, das einen eigenen Begriff, z. B. Interesse genannt, bildet. . . . Wir sehen die erwähnte Willensregung als mit dem gedachten Bewußtseinszustande untrennbar verbunden an, so daß sie uns ein Moment der Erscheinung, also des Begriffes des Bedürfnisses selbst bildet."
      S91 1) S. Pantaleoni, Economia pura, S. 52.
      S92 1) S. Sulzer, Wirtschaftl. Grundgesetze, S. 1 ff.
      S92 2) S. Döring, Güterlehre, S. 74 und 75
      S93 1) S. Döring, Güterlehre, S. 53.
      S93 2) Ib. S. 90.
      S94 1) S. Kraus, Bedürfnis, S. 32 ff.
      S95 1) S. Kraus, Bedürfnis, S. 29 f."
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    Literatur> Textauswertungen.
    • Cuhel, Franz (1907) Zur Lehre von den Bedürfnissen.  Innsbruck. Verlag der Wagnerschen Universitäts-Buchhandlung.  [PDF, dauert sehr lange, am besten runterladen und direkt anschauen]
    • Kraus, Oskar (1908) Literaturbericht. Zur Lehre von den Bedürfnissen. Literaturbericht. Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung. Organ der Gesellschaft  Österreichischer Volkswirte. 17, 499-516. [Online]
    • Obrech, W. (2005) Umrisse einer Biopsychosoziokulturellen Theorie Menschlicher Bedürfnisse. Geschichte, Probleme, Struktur, Funktion. Vorlesungsskript Hochschule für Soziale Arbeit Zürich. [Online]




    Links (Auswahl: beachte)
    • Heilmittel-Monographie: Wunsch und Wille. Heilmittel und Differentialdiagnose.
    • Die Motiv-Intensitätstheorie von Walter Toman. Kommentierter Reader.
    • Empirische Prüfung der Toman'schen Motiv-Intensitätstheorie am Beispiel Lebens- und Selbstzufriedenheit als Psychotherapieerfolgskontrolle.
    • Psychologische Wertlehre: Christian von Ehrenfels.
    • Wirtschaftliche Werte - Grundlagen und Systematik für eine vernünftige, gerechte, humane und stabile Weltwirtschaft.
    • H.H. Gossens allgemeines Bedürfnis- und Befriedigungsmodell (Grenznutzentheorie) 1854.
    • Quellenteste zur Geschichte der Ökonomie.
    • Österreichische Nationalökonomie: https://www.mises.at/.
    • Grundbedürfnisse: https://www.gluecksarchiv.de/inhalt/grundbedarf.htm




    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten Wirtschaftswissenschaft  > Eigener wissenschaftlicher Standort. > Weltanschaulicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    alteril (lat) andere.
    "Alterile Kollektivwohlfahrtsbedürfnisse liegen dann vor, wenn ihr Ziel die Verwirklichung eines  Wohlfahrtszuwachses oder die Nichtverwirklichung eines Wohlfahrtsausfalles einer anderen Kollektivität
    ist als derjenigen, welcher die Begehrenden als Mitglieder angehören, oder einer oder mehrerer Personen, welche nicht der durch die Begehrenden vertretenen Kollektivität als Mitglieder angehören, oder einer oder mehrerer Personen, welche zwar dieser Kollektivität als Mitglieder angehören, durch deren Wohlfahrtszuwachs oder -Ausfall jedoch der Kollektivwohlfahrtszustand derselben nicht merklich beeinflußt wird." (S.107)
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    Cuhel, Franz
    "Leben (* 1862 in Oels, Mähren; † 3. Dezember 1914 in Wien); Der aus der mährischen Stadt Oels (heute Olešnice, Tschechien) stammende Franz Cuhel war ein Fachpublizist aus dem Umfeld des Menger-Kreises, der heute weitgehend vergessen ist. Der Jurist und k.k. Regierungsrat in Wien konstruierte eine der ersten Rechenmaschinen und publizierte eine umfangreiche Arbeit Zur Lehre von den Bedürfnissen (1907), in der er 29 Bedürfniskategorien (mit insgesamt 73 weiteren Unterteilungen) definierte. Zudem wies er darin als erster nach, dass der subjektive Nutzen nicht messbar und damit auch nicht rechenbar ist. In seiner tschechischen Heimat, an der Wirtschaftsuniversität Prag, ist bei der jährlich stattfindenden Prague Conference on Political Economy die Franz Cuhel Memorial Lecture nach ihm benannt."
        [Quelle: https://www.mises.at/denker/cuhel/]
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    Definitionen
    Das Sachregister weist hierzu folgende Einträge auf: "Definitionen (I) 37, (II), 37, (III) 39, (IV) 49, (V) 68, (VI) 105."
        (I) 37:  "1. Unter einem Wohlfahrtsbegehren ist jenes Begehren zu verstehen, dessen unmittelbares Ziel die Verwirklichung eines subjektiven Wohlfahrtszuwachses öder die Nichtverwirklichung eines subjektiven Wohlfahrtsausfalles des Begehrenden in oder ohne Verbindung mit der Verwirklichung eines Wohlfahrtszuwachses oder mit der Nichtverwirklichung eines Wohlfahrtsausfalles einer oder mehrerer anderer Personen bildet."
        Fällt der begehrte subjektive Wohlfahrtszuwachs mit einem objektiven Wohlfahrtszuwachs, sei es des Begehrenden oder anderer Personen, zusammen, so heißt das Wohlfahrtsbegehren ein objektives, sonst ein subjektives.
        (II), 37: "II. Alterile Individual- Wohlfahrtsbegehren sind solche Individual-Wohlfahrtsbegehren, deren letztes Ziel die Verwirklichung eines objektiven oder subjektiven Wohlfahrtszuwachses oder die Nichtverwirklichung eines objektiven oder subjektiven Wohlfahrtsausfalles einer oder mehrerer von dem Begehrenden verschiedener Personen bildet."
        (III) 39:  "43. Wenn wir das über den Begriff des Verwendungsbegehrens Gesagte in eine Definition zusammenfassen, können wir sagen:
        III. Das Verwendungsbegehren ist jenes Begehren, dessen unmittelbares Ziel die Verwendung (das Wirksamwerden) solcher Kräfte, bezw. der materiellen Träger derselben bildet, welche(s) der Begehrende für eine geeignete Ursache zur Hervorbringung jenes Wohlfahrtszuwachses hält, dessen Verwirklichung sich als das unmittelbare Ziel eines Wohlfahrtsbegehrens des Begehrenden darstellt."
        (IV) 49:  "58. Auf. Grund des im § 57 Gesagten können wir nun folgende Definition aufstellen:
    IV. Unter einem Verfügungsbegehren ist jenes Begehren zu verstehen, dessen, sei es unmittelbares, sei es mittelbares, Ziel die Erlangung oder Erhaltung der verwendungsbereiten Verfügung iiber solche Kräfte, bezw. über die materiellen Träger derselben bildet, deren Verwendung das Ziel eines Verwendungsbegehrens, sei es des Begehrenden selbst, sei es einer oder mehrerer anderer Personen ist."
        (V) 68f:  "V. Unter denVerwendungsbedürfnissen sind somit solche Begehren sowie Dispositionen zu solchen Begehren zu verstehen, deren unmittelbares Ziel die Verwendung solcher Kräfte, bezw. der materiellen V. Abschnitt, §§ 82-83. 69 Träger derselben bildet, welche der Begehrende für ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung jenes Wohlfahrtszustandes hält, welche das unmittelbare Ziel eines Wohlfahrtsbegehrens des Begehrenden bildet.
        In analoger Weise können wir durch Zusammenfassung der Begriffe Wohlfahrtsbegehren und Dispositionen zu Wohlfahrtsbegehren zu dem höheren Begriff Wohlfahrtsbedürfnisse und durch Zusammenfassung der Begriffe Verfügungsbegehren und Dispositionen zu Verfügungsbegehren zu dem höheren Begriff Verfügungsbedürfnisse gelangen."
        (VI) 105:  "148. Auf Grund des in den vorhergehenden Paragraphen Gesagten können wir nun die nachstehende Definition des Kollektivwohlfahrtsbegehrens aufstellen:
        VI. Ein Kollektivwohlfahrtsbegehren ist ein solches Wohlfahrtsbegehren, welches eine Anzahl von Personen, die sich als Mitglieder einer bestimmten Kollektivität fühlen, hegt und dessen unmittelbares Ziel die Verwirklichung eines auf der subjektiven Wohlfahrtsskala der begehrenden Mitglieder höher stehenden objektiven oder subjektiven Kollektivwohlfahrtszustandes , oder die Nichtverwirk[>106]lichung eines auf der subjektiven Wohlfahrtsskala der begehrenden Mitglieder tiefer stehenden objektiven oder subjektiven Kollektiv-Wohlfahrtszustandes der betreffenden Kollektivität bildet.
        Aus der Vereinigung der Begriffe Kollektivwohlfahrtsbegehren und Disposition zu einem solchen Begehren entsteht der höhere Begriff des Kollektivwohlfahrtsbedürfnisses."
    __
    Egenz (lat.) Bedürftigkeit, Wortschöpfung von Cuhel (1907), S. 176.
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    ipsi (lat) selbst.
      S. 106f: "Als ipsile sind solche zu bezeichnen, welche die Verwirklichung eines Wohlfahrtszuwachses oder die Nichtverwirklichung eines  Wohlfahrtsausfalles jener Kollektivität zum Ziel haben, der die Begehrenden als Mitglieder angehören. Solche Kollektivwohlfahrtsbedürfnisse sind keineswegs mit dem kollektiven Egoismus (richtiger Hemeismus) zu verwechseln. Denn dieser äußert sich nur in kollektiven Willensentschlüssen, und zwar in solchen, die in der Weise zustandekommen, daß ein kollektives Wohlfahrtsbegehren, welches auf die Verwirklichung eines vom objektiven Standpunkte minder wichtigen Wohlfahrtszuwachses der eigenen Kollektivität hinzielt, die Oberhand gewinnt über ein solches Kollektivwohlfahrtsbegehren, welches die Verwirklichung (bezw. Nichtverwirklichung) eines vom objektiven Standpunkte bei weitem wichtigeren Wohlfahrtszuwachses (bezw. Wohlfahrtsausfalles) einer anderen Kollektivität oder eines Individuums zum Ziele hat."
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    Kollektivbedürfnisse
    S. 154: "                              13. Individual• und Kollektivbedürfnisse.
        216. Nachdem wir das Wesen der Kollektivwohlfahrts-, Verwendungs- und Verfügungsbedürfnisse und ihren Unterschied von den Individalbdürfissen im vierten Kapitel (vergleiche insbesondere §§ 148 und 149) ausführlich behandelt haben, können wir uns hier auf die Hervorhebung der Unterschiede beschränken, welche zwischen den Kollektivbedürfnissen und insbesondere jenen Begriffen bestehen, mit welchen sie verwechselt zu werden pflegen.
        Die Kollektivbedürfnisse sind vor allem nicht mit den allgemeinen Bedürfnissen zu verwechseln, denn sowohl sie als auch die Individualbedürfnisse können entweder allgemeine oder besondere sein. Ein allgemeines Kollektivbedürfnis ist z. B. das nach [>155] einer festen Rechtsordnung, da es bei allen Kollektivitäten vorkommt, ein besonderes das der Schweizerischen Eidgenossenschaft nach Besorgung des Schneebruches auf dem St. Gotthard. Faßt man die Bedürfnisse, welche bei den Mitgliedern einer großen Kollektivität, z. B. eines Volkes, vorkommen, ins Auge, so werden die Kollektivbedürfnisse desselben wohl zu den allgemeinen Bedürfnissen dieser Mitglieder zu zählen sein, da sie ja bei ihnen allen vorkommen oder doch vorkommen sollen, aber sie unterscheiden sich von den allgemeinen Individualbedürfnissen derselben Kollektivitätsmitglieder dadurch, daß letztere auch bei anderen, der Kollektivität nicht angehörigen
    Individuen vorkommen können, erstere aber von den Kollektivitätsmitgliedern nur in dieser Eigenschaft empfunden werden."
    Kritik-Kollektivbedürfnisse: Cuhel definiert hier nicht klipp und klar, was ein Kollektivbedürfnis heißen soll, welche Merkmale es haben soll und wie man es in der Welt finden kann (Referenzierung), sondern er verweist zurück auf die Paragraphen 148 und 149.
        S. 105, § 148 führt aus: "VI. Ein Kollektivwohlfahrtsbegehren ist ein solches Wohlfahrtsbegehren, welches eine Anzahl von Personen, die sich als Mitglieder einer bestimmten Kollektivität fühlen, ..."
        Mit dieser Ausführung ist klar, dass Kollektivbedürfnsse nach Cuhel mit "_bdKol" und nicht als "_bdKlKol" zu signieren sind. Implizit setzt Cuhel hier "Wohlfahrtsbegehren" und "Wohlfahrtsbedürfnis" gleich.

        Einträge im Sachregister:

      Kollektivbedürfnisse 154.
      - absolute 166.
      - akzessorische 110.
      - relative 166.
      Kollektivbewußtsein 103.
      Kollektivgefühle 96.
      Kollektivität 98.
      Kollektivpersönlichkeit 103
      Kollektiv-Verfügungsbedürfnisse 106.
      - alterile 107.
      - ipsile 107
      - mutuelle 107
      Kollektiv-Verfügungsbegehren 106
      Kollektiv - Verwendungsbedürfnisse 106.
      - alterile 107
      - ipsile 107
      - mutuelle 107
      Kollektiv-Verwendungsbegehren 106.
      Kollektiv-Wohlfahrtsbedürfnisse 106.
      - alterile 106
      - ipsile 106
      - mutuelle 106
      Kollektiv - Wohlfahrtsbegehren 37, 104, 105.
      Kollektiv - Wohlfahrtszustände, positive oder negative objektive 98.
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    Kommensurabilität (Vergleichbarkeit, gleicher Maßsstab)
    S. 174: "Die Erforschung beider Veränderungen setzt aber die Vergleichung der Wohlfahrts- und Verwendungsbedürfungen, an welchen sie vorgehen, mit anderen, als konstant anzunehmenden Bedürfungen
    voraus und so hat die Chreonomie auch die Frage über die Vergleichbarkeit (Kommensurabilität) der Bedürfungen zu beantworten."
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    Querverweise
    Standort: Bedürfnis: Begriffsanalyse, Sprachgebrauch, Modelle, Theorien in der Wirtschaftswissenschaft
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    Haupt- und Verteilerseite Bedürfnis: Begriff, Modelle, Theorien, Modelle in der Wirtschaftswissenschaft.
    Haupt- und Verteilerseite Bedürfnis: Begriff, Modelle, Theorien, Modelle.
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen.
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
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    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
    z.B. Wissenschaft site: www.sgipt.org. 
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Bedürfnis - Begriffsanalyse, Sprachgebrauch, Modelle und Theorien
    bei Franz Cuhel.  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/sprache/BegrAna/Beduerfnis/BA_BedWirtCuhel.htm
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    korrigiert: irs Zitate gepfüft: 26.12.2019 / Rechtschreibprüfung, gelesen: 25.12.2019

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    Aenderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    26.12.19  Zitate geprüft. Glossar: Definitionen, alteril, ipsil, Kommensurabilität, Kollektivbedürfnisse.
    25.12.19  Rechtschreibprüfung, gelesen
    24.12.19  Erstmals ins Netz gestellt.
    07.12.19  Unter dem Eindruck von Felbers This is not Economy und Cuhels Lehre von den Bedürfnissen angelegt und mit den Ausarbeitungen begonnen.