Analyse des Surrealismus
Psychologie, Psychopathologie, Ästhetik
[Q]
von Rudolf Sponsel, Erlangen
angeregt durch die Ausstellung des graphischen Werkes
von DALI in der städtischen
Galerie Erlangen
Überblick
Vorbemerkung: Der Surrealismus
ist für viele Menschen einschließlich meiner Wenigkeit [1,
2,]
außerordentlich interessant bis faszinierend. Das kann man u.a. an
den vielen Veröffentlichungen, Ausstellungen und auch an seiner Präsentation
im Internet sehen. Nachdem sehr viel und reichhaltiges Material zum Surrealismus
im Internet [Materialien,
DALI-Internetmuseum]
vorliegt, wichtiges aber auch nicht [Quellentexte und Originale, z.B. DALI:
Unabhängigkeitserklärung ...], möchte ich mich auf mehr
grundsätzliche Aspekte beschränken, denen bislang nach meiner
Kenntnis weniger Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Teilweise sind die Präsentationen
aber auch sehr fraglich, oberflächlich,
feuilletonistische
Pseudolyrik, sensationsheischend, gelegentlich pseudo-witzig oder voyeuristisch
schockierend, was vielleicht damit zusammen hängen mag, daß
die Dadaisten und einige Surrealisten auch schockieren wollten. Da ging
es dann weniger um Kunst als um narzißtisch-spektakuläres Entertainment
unter Nutzung des Mediums Kunst, was teilweise erbitterte, teilweise geradezu
fundamentalistische, ja faschistoide ("Entartete Kunst") Auseinandersetzungen
nach sich zog. Die Grundfragen, was gehört zur Kunst, was ist Kunst,
was soll Kunst? sind an anderer
Stelle besprochen und gelöst und werden in dieser Arbeit zum Surrealismus
auch angewandt, aber nicht eigens erörtert.
Die
unterschiedlichen Anliegen des historischen Surrealismus
Historisch wurden von SurrelaistInnen unterschiedlichen Anliegen formuliert.
Die wichtigsten sind: (1) die innere, subjektive Realität der Menschen
darstellen; (2) die un- bzw. nicht-bewußte innere Realität der
Menschen darstellen; (3a) das Reich der Phantasie und Möglichkeiten;
(3b) Irrationales, Paradoxes, Unmögliches und Verborgenes;
(4) eine höhere, der Scheinrealität "überlegene", "wahre"
Realität darstellen. Daraus läßt sich dann auch die Erfordernis
einer speziellen surrealistischen Produktionsmethode ableiten.
(1) Innere, subjektive Realität. Der Kampf der Surrealisten um die "surrealistische Wirklichkeit" mutet streckenweise wie eine Schimäre oder Don Quijotterie an, denn es ist ja völlig klar, daß die subjektiven Phantasien auch eine subjektive Wirklichkeit repräsentieren. Was denn sonst. Und diese subjektive, individuelle Wirklichkeit ist natürlich genau so wirklich und real wie die Sonne, der Stuhl auf dem ich sitze oder die Schallwellen, die beim Sprechen entstehen. So gesehen rennt der Surrealismus bei den meisten ErkenntnistheoretikerInnen - und bei den PsychologInnen ohnehin - sozusagen offene Türen ein. Zur subjektiven - oder auch psychologischen - Welt gehört das Reich der Werte, Ideale, Wünsche, Gefühle, Vorstellungen, Phantasien und Möglichkeiten (wie in der Theorie der Welten beschrieben).
(2) Un/ Nicht-bewußte innere Realität der Menschen. Das meiste, was beim Menschen im Gedächtnis gespeichert ist, ist uns gewöhnlich nicht bewußt. Manches kann leicht bewußt gemacht werden, manches innere Geschehen scheint überhaupt nicht zugänglich oder bewußtseinsfähig zu sein. Bewußter Lenkung sind gewöhnlich auch die Träume entzogen, die schon darum auch ein besonderes Interesse der Surrealisten fanden.
(3a) Das Reich der Phantasie und Möglichkeiten. Auch im Wachzustand sind wir in der Lage, aus unseren Erfahrungen, Vorstellungen und Denkmodellen - im Prinzip - beliebige Kombinationen zu entwickeln und zu verknüpfen, so daß sich hier die beiden Welten der Phantasie und der Möglichkeiten als Prototypen des schöpferischen, kreativen Prozesses ergeben. Ebenso können natürlich bewußt unverständlich bis unsinnig erscheinendende Kombinationen vorgenommen werden. Einfache Repräsentanten dieser Welten sind Ausdrucksgestaltungen von Mythen, Sagen, metaphysischen oder religiösen Welten (z.B. Nixe, Pegasus, Heiliger Geist, Teufel).
(3b) Irrationales, Paradoxes, Unmögliches und Verborgenes. Das scheinbar Unmögliche, Widersinnige, Absurde oder phantasiert Gewünschte (z.B. wenn ein Kampfflugzeug die Nationalhyme der Grillcomputer singt und ein Bollerchen auf einer gelbgrün verwesenden und zugleich weinenden Bohne von sich gibt).
(4) Der Anspruch einer höheren, wahreren Realität gegenüber der sog. Scheinrealität. Hier wird es schwierig und problematisch, wenn eine auserwählte, höherwertige Realität beansprucht wird als ob die surrealistische Perspektive zu besseren oder höheren Erkenntnissen führte, obschon es doch allenfalls andere sind, womit ist im Grunde eine esoterische Glaubenswelt wie in den Religionen betreten wird, wo die Wahrheit und Falschheit rationaler oder wissenschaftlicher Kritik weitgehend entzogen ist
Exkurs: Die surrealistische Produktionsmethode des Automatismus. Hier wurde versucht, die Kontrollinstanzen zum inneren Geschehen auszuschalten, um eine möglichst originaltreue Wiedergabe der subjektiven, inneren Wirklichkeit zu erreichen (automatisches schreiben, malen in Trance).
Materialien zum Surrealismus (Auswahl: beachte)
Vorläufer:
Chronologie des Surrealismus. https://www.twokmi-kimali.de/surr/chronologie.htm
Surrealismus Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Surrealismus
Surrealismus [ Bizarre Traumwelten ]: "Der Begriff Surrealismus wurde erstmals 1917 von dem Schriftsteller Apollinaire für eine künstlerische Richtung, die das „Überwirkliche“ erstrebte, benutzt. Die von Breton seit 1921 in Paris geführte Bewegung suchte, im Anschluss an die Psychoanalyse Freuds, die eigene Wirklichkeit des Menschen im Unterbewussten und verwertete Rausch- und Traumerlebnisse, somnabule und hypnotische Zustände als Quell der künstlerischen Eingebung. Heute wird jeder Stil als surrealistisch bezeichnet, der Reales mit Traumhaftem oder Mystischem in der Weise durchdringt, dass auch das Irreale oder der sinnlose, ungewohnte, bestürzende Zusammenhang den gleichen selbstverständlichen Realitätscharakter beansprucht, wie die alltägliche Wirklichkeit. Als bekannteste Künstler des Surrealismus sind Dali, Chagall und Miró zu nennen. Die Bewegung verbreitete sich weltweit, verlor jedoch nach 1945 an Bedeutung, so dass Techniken und Methoden des Surrealismus in andere Strömungen eingingen."
Surrealismus
1918-1933: "Die in den frühen Zwanziger Jahren von Paris ausgehende
neue Bewegung des Surrealismus versuchte das Unwirkliche und Traumhafte
der gesellschaftlichen Realität sowie die Tiefen des Unbewußten
auszuloten und darzustellen. In dem von André Breton (1896-1966)
1924 veröffentlichten "Surrealistischen Manifest" plädiert der
Autor für eine "Aufhebung" dieser Widersprüche von Irrealität
und Realität in einer absoluten "Über-Wirklichkeit", in dem die
gewohnten Denk- und Wahrnehmungsarten ihre Geltung verloren haben. Spontane
Mal- und Schreibtechniken (Automatismus), bei denen sich das Unbewußte
unmittelbar und ohne Kontrolle der Vernunft materialisiert, aber auch ein
Hang zur Verfremdung und Mystifikation des Absurden gehören zu den
Grundweisen surrealistischen Gestaltens. - Zu den deutschen Vertreten des
Surrealismus zählen vor allem Hans Arp, Paul Klee und Max Ernst."