Allgemeine psychologisch-ästhetische Grundlagen der Kunstobjekt-Analyse (AGKOA)
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Editorial Kunstinterpretation und Kunst-Kritik
[von
Quelle]
Wollen uns KünstlerInnen etwas sagen und wie ist zu ergründen,
was sie uns sagen wollen? Mit dieser Frage wurden und werden Milliarden
von SchülerInnen und StudentInnen - seit es entsprechende Bildungseinrichtungen
gibt - konfrontiert. Die Wahrheit dürfte nicht selten sein: es gibt
vermutlich ebenso viele Deutungsmöglichkeiten für ein Werk wie
es Erfassende gibt, die allesamt ihre individuelle Bildungs- und Persönlichkeitsgeschichte
mitbringen.
Ob Werkschaffende oder KunstproduzentInnen immer wissen, was sie sagen
wollen, ist nicht minder zweifelhaft. Manche wollen vielleicht auch gar
nichts sagen. Andere können es nicht oder sagen etwas (teilweise)
Falsches. Nicht selten geben Künstler - wie ihre Kritiker - Unsinn
von sich (z.B. in der Reihe 100(0) Meisterwerke oder hier).
Nicht wenige KünstlerInnen schaffen einfach, geben sich ihren Fantasien
und Gestaltungen hin. Jedes Werk, könnte man vermuten, wirkt nach
seiner Schaffung weitgehend unabhängig von seiner SchöpferIn.
Etwas bildungspathetisch formuliert: es wirkt durch sich. Aber durch sich
wirkt bei genauer Betrachtung gar nichts. Es sind immer zwei, die einen
Eindruck konstituieren: das Werk und seine ErfasserIn (Reiz und Reaktion).
Die Interpretation ist vielleicht selbst eine individuelle Schöpfung.
Und wie etwas auf eine Erfassende wirkt, kann nur die Erfassende selbst
wissen und sagen, wobei auch hier viele nichtbewusste, kaum in Worten fassbare
Faktoren mitspielen. Bei genauer Betrachtung haben wir also sowohl auf
der Schöpfer- als auch auf der Erfasserseite viele subjektive, teils
nicht bewusste, teils gar nicht angemessen in Worte fassbare Momente. Was
ist dann aber ein Kunstwerk? Was ist eine angemessene Interpretation?
Gibt es keine objektiven Kriterien? Die Antwort ist ein klares Jein. Meine
persönliche Regel lautet: Wenn eine Schöpfung anregt, berührt,
bewegt, dann hat sie für mich einen wichtigen Zweck erfüllt.
Das allgemeine Interpretations-Paradigma
Trifft ein Werk auf einen Erfassenden, so hat es Wirkungen oder nicht,
wobei natürlich auch eine non
liquet Situation möglich ist, nämlich dass die Wirkungen
nicht feststellbar sind.
Im wesentlichen gibt es zwei Haupt-Interpretation-Fälle:
nur werkorientiert (Faktoren 3,4,5) oder auch Einbeziehung von Informationen
über den Schöpfer (1) oder über die Entstehungsbedingungen
(2). Praktisch führt das zu vier Fallunterscheidungen:
Schoepfer berücksichtigende Interpretation
Bereits die Kenntnis eines Schöpfer kann die Interpretation sehr
stark beeinflussen, insbesondere es sich einerseits um gänzlich unbekannte
oder andererseits um weltberühmte Schöpfer, wie z.B. um Michelangelo,
Rembrandt oder Picasso, handelt. Aber auch die unmittelbare Umgebung, etwa
auf einer Ausstellungseröffnung (Vernissage) oder mediale Darstellungen,
etwa Kritiken, können mehr oder minder Einfluss ausüben.
Entstehungsbedingungen
berücksichtigende Interpretation
Malt jemand ein Bild im Gefängnis, in einer Kunsttherapie, spontan
in seiner Freizeit oder als Auftrag kann auch dieses Wissen großen
Einfluss auf die Interpretation haben. Weiß man dann noch um die
Verfassung, Befindlichkeit, Motive und Absichten des Schöpfers, kommt
ein weites, großes Feld an Einflüssen auf die Interpretation
hinzu.
Schoepfer und Entstehungsbedingungen
berücksichtigende Interpretation
Für einige Interpretationen sind Kenntnisse der Entstehungsbedingungen
nicht nur hilfreich oder wichtig, sondern manchmal auch notwendig, z.B.
die Information, dass eine Bilderserie aus dem Verlauf einer Depression
oder eine Zeichnung im Gefängnis nach der Ablehnung eines wichtigen
Gesuches entstanden ist.
Das subjektive Interpretations-Paradigma
Jede Interpretation enthält meist mehr oder minder starke subjektive
Anteil der Erfassenden, d.h. der Erfassende erlebt Wirkungen, die nicht
durch das Werk hervorgerufen werden, sondern durch die Biographie, Situation
und innere Befindlichkeit des Erfassenden. Der Erfassende projiziert aus
seinem Inneren Wirkungen in das Werk. Das Werk funktioniert wie eine Moderatorvaiable,
Medium oder Katalysator. Projizieren heißt hier, dass der Erfassende
dem Werk eine Wirkung zuschreibt, die nur aus ihm selbst kommt, z.B. wenn
ein trauriger Erfassender ein Bild als traurig wahrnimmt, obwohl die meisten
anderen Erfassenden daran nichts Trauriges feststellen können.
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