Erleben und Erlebnis bei Merleau-Ponty
Vorlesungen I * Struktur
des Verhaltens * Phänomenologie
der Wahrnehmung
Originalrecheche von Rudolf Sponsel, Erlangen
welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...) möglich sein? Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein und etwas, und zwar eins und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muß man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..." Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik.
11. Buch, 5 Kap., S. 244
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Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit und Evidenz). Begriffsbasis Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffenen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem praktisch-pragmatisch und andererseits das Begriffsverschiebebahnhofsproblem lösen. |
Zusammenfassung-Vorlesungen-MPV:
Merleau-Ponty, Maurice (1973) Vorlesungen I. Berlin: de Gruyter. Kürzrel
MPV
Inhalt:
Sachregistereinträge: Erlebnis 143, 208 ["erleb" nicht gefunden, stattdessen auf 209], 212 [diese Seite ist leer], Erleben keine Treffer.
Fundstellen MPV bei den Sachregisterverweisen:
Zur Methode der
Fundstellen-Textanalyse. * Hauptbedeutungen
Erleben und Erlebnis
e:= erleben, erlebt 3; E:= Erlebnis...1 , i:= innere Wahrnehmung 1
143: "Man muß hier auf dem konkreten und vertrauten Charakter der Wesensschau [deutsch im Orig.] insistieren und Husserl gegen die meisten falschen Deutungen derselben in Schutz nehmen. Die Erfassung allgemeingültiger Bedeutungen durch meine zufällige Erfahrung hindurch ist gar nicht, um mit Husserl zu sprechen, irgendein mystisches Denken65, das uns in eine Erfahrungsjenseitigkeit [au delà de expérience] versetzt. Dank ihren beiden Aspekten, dem Konkreten und dem Allgemeinen, ist die Wesensschau [deutsch im Orig.] in der Lage, die Psychologie zu erneuern und voranzutreiben. Die MPV143e1erlebten Erfahrungen [expériences, ce que nous vivons], die MPV143E1Erlebnisse [deutsch im Orig.], wie Husserl sagt, mögen für einen außenstehenden Betrachter sozial oder physisch determiniert sein, und dennoch gibt es einen Weg, um sie so aufzufassen, daß sie eine allgemeine, intetsubjektive und absolute Bedeutung gewinnen. Ich darf mich dabei nicht auf das MPV143e2Erleben der Erfahrungen [vivre cette expérience] beschränken, vielmehr muß ich deren Sinn oder Bedeutung freilegen. Das zu tun ist die Funktion der ,eidetischen Intuition'. Es ist eine Tatsache, eine durchaus äußerlich bedingte Tatsache, daß ich heute die Neunte Symphonie wahrnehme, in dieses oder jenes Konzert gehe. Andererseits vermag ich im innem Verlauf dieser Erfahrung etwas zu entdecken, das unabhängig von den tatsächlichen äußeren Bedingungen vorhanden ist, Bedingungen, die meinen Entschluß zum Konzertbesuch erwirkt haben. Die Neunte Symphonie ist nicht in der Zeit oder im Zeitpunkt eingeschlossen, wo ich sie entdecke. Sie erscheint durch alle verschiedenen Aufführungen hindurch, ist ein Kulturobjekt, das unter dem Taktstock des Dirigenten, unter dem Bogen der Streicher hervortritt oder durchschimmert; mit anderen Worten, sie läßt sich nicht auf die jetzige Aufführung reduzieren. Wenn es mir gelingt, alle Implikate meiner Erfahrung zu erfassen und die Fülle des in diesem Erfahrungszeitpunkt Gegebenen zu thematisieren, dann stoße ich nicht auf eine zufällige Singularität, sondern auf das Wesen der Neunten Symphonie66. Die Gerichtetheit des Bewußtseins auf bestimmte Objekte, auf sogenannte intentionale Gegenstände', welche einer ,eidetischen‘ Analyse zugänglich sind, nennt Husserl 'Inten- tionalität'."
209: "Die Dunkelheit in dieser Sache rührt her von der alten Antithese von äußerer und MPV209i1innerer Wahrnehmung und dem Privileg, das man gemeinhin der letzteren zuerkennt. Doch es ist eine Tatsache, daß sich eine Psychologie ausbilden konnte, die nichts der Introspektion verdankt. Eine rein objektive Methode kann beim Schmetterling die Struktur der „Farb“-Welt umreißen, indem sie die Reaktionen vergleicht, die verschiedene Farbreize bei ihm auslösen, — unter der Bedingung freilich, daß man sich nur an die Identität und Differenz der Reaktionen hält, die angesichts bestimmter gegebener Reize auftreten, und nicht unser MPV209e1Farberleben in ein Schmetterlingsbewußtsein projiziert. Es gibt eine objektive Analyse und eine objektive Definition der Wahrnehmung, der Intelligenz, der Emotion in Form von Verhaltensstrukturen , eine derartige Beschreibung haben wir im vorigen Kapitel zu geben versucht. Das so verstandene Psychische ist von außen her erfaßbar. Darüber hinaus ist die Introspektion selbst ein Erkenntnisverfahren von gleicher Art wie die Außenbeobachtung. Denn was sie uns an die Hand gibt, sobald sie sich mitteilt, ist nicht die gelebte Erfahrung selbst, sondern ein Bericht, in dem die Sprache die Rolle einer generellen, ein für allemal erworbenen Dressur spielt, die sich nicht wesentlich unterscheidet von den Gelegenheitsdressuren, die in der objektiven Methode angewandt werden. Das Kind, das sagen soll, welche Farben ihm als ähnlich erscheinen, und der Affe, den man darauf dressiert hat, alle Marken mit der gleichen Farbe auf einen Teller zu legen, befinden sich in derselben Situation. Daran ändert sich nichts, wenn der Versuchsperson aufgetragen wird, ihre Reaktionen selbst zu deuten, was ja die Eigentümlichkeit der Introspektion ausmacht. Wenn man sie fragt, ob sie die Buchstaben auf einer Tafel lesen oder die Einzelheiten einer Figur unterscheiden kann, so verläßt sie sich nicht auf einen vagen „Eindruck von Lesbarkeit“. Sie versucht zu lesen oder zu beschreiben, was ihr dargeboten wird. „Sobald die Introspektion in Sprache umgesetzt wird, behauptet sie etwas ganz anderes als das Vorhandensein bestimmter innerer Qualitäten."
Fundstellen in Struktur des Verhaltens MPS nach Sachregistereinträgen
und im Inhaltsverzeichnis
Haupt-
und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
erleben, erlebt 3, Erlebnis (Erlebnisfluß) 1, innere Wahrnehmung
Inhaltsverzeichnis:
§ 40 Es ist zu unterscheiden zwischen dem Bewußsein nls
Ort der Bedeutungen und dem Bewußsein als Erlebnisfluß
245
Sachregister: Erlebtes, Gelebtes/ Erkanntes 198, 230, 249. Kürzel
MPS
198: "Das Gesagte genügt, um zu zeigen, daß das Haben einer
Vorstellung und der Vollzug eines Urteils nicht deckungsgleich sind mit
dem Bewußtseinsleben. Das Bewußtsein besteht vielmehr aus einem
Netz von Bedeutungsintentionen, die das eine Mal sich selbst klar, das
andere Mal eher MPS198e1erlebt
als erkannt sind. Eine solche Konzeption erlaubt es uns, das Bewußtsein
mit der Handlung zu verbinden, wobei wir unsere Idee der Handlung ausweiten."
230: "Hefte ich meinen Blick auf einen Gegenstand vor mir, so wird der Psychologe sagen, bei gleichbleibenden äußeren Bedingungen sei das mentale Bild des Objekts dasselbe geblieben. Doch auch dann wäre der Akt zu untersuchen, mit dem ich im jeweiligen Augenblick erkenne, daß dieses Bild seinem Sinn nach identisch ist mit dem des vorhergehenden Augenblicks. Das mentale Bild des Psychologen ist ein Ding, es läßt die Frage offen, was das Bewußtsein dieses Dinges ist. Der Erkenntnisakt gehört nicht zur Ordnung der Ereignisse, er bedeutet eine Besitzergreifung von Ereignissen, auch von inneren, die nicht mit ihnen verschmilzt, er ist stets eine innere „Wiedererschaffung“ [re-creation] des mentalen Bildes, und, wie Kant und Platon es genannt haben, eine Wiedererinnerung, eine Rekognition. Weder das Auge, noch das Gehirn, noch aber auch die „Psyche“ des Psychologen ist imstande, den Sehakt zu vollziehen. Es handelt sich um eine Einsicht des Geistes“, bei der die Ereignisse zugleich in ihrer Realität MPS230e1erlebt und in ihrem Sinn erkannt werden. So evident es sein mag, daß in jedem Einzelfall die Wahrnehmungsgehalte durch natürliche Bedingungen determiniert sind, zumindest aufgrund ihrer generellen Struktur, entzieht sich die Wahrnehmung der natürlichen Erklärung und läßt nur eine innere Analyse zu. Daraus folgt: Die Augenblicke der Erkenntnis, in denen ich mich als jemand erfasse, der zur Wahrnehmung eines Dinges durch eben dies Ding determiniert ist, müssen als abgeleitete Bewußtseinsweisen betrachtet werden, die letztlich in einer ursprünglicheren Bewußtseinsweise gründen. Da die Motive unserer Behauptungen nur in ihrem eigenen Sinn gesucht werden können, kann die Erfahrung eines realen Dinges nicht erklärt werden durch die Einwirkung dieses Dinges auf meinen Geist: Die einzige Art und Weise, auf einen Geist zu wirken, besteht für ein Ding darin, ihm einen Sinn anzubieten, ihm zu erscheinen, Die Analyse des Erkenntnisaktes führt zu der Idee eines konstituierenden und naturierenden Denkens, das die charakteristische Struktur der Objekte von innen her stützt. Um hervorzuheben, daß die Objekte zugleich in intimer Nähe zum Subjekt stehen und feste Strukturen präsentieren, die sie von bloßen Erscheinungsweisen unterscheiden, mag man sie „Phänomene“ nennen, und sofern die Philosophie sich an dieses Thema hält, wird sie zu einer Phänomenologie, d. h. zu einer Inventur des Bewußtseins als des Universalmilieus [milieu d’univers]."
§ 40 Es ist zu unterscheiden zwischen dem Bewußsein nls Ort
der Bedeutungen und dem Bewußsein als MPS245E1Erlebnisfluß
245
Die folgenden 13 Seiten, 245-258, haben nach meinem Verständnis
nichts mit der Überschrift zu tun: erleben und Erlebnis sind im Text
selbst verschwunden.
249: "Das französische „vecu“, das sowohl das »Gelebte“ wie
das „MPSErlebte“ bezeichnet,
läßt sich im Deutschen nicht ganz adäquat wiedergeben;
wir entscheiden uns hier wie öfters in diesem Kapitel für die
erstgenannte Möglichkeit, da nicht so sehr zwei Erkenntnisweisen im
Blick stehen als vielmehr der Gegensatz von Leben, und erkennendem Bewußtsein
überhaupt."
Fundstellen im Kapitel cogito
Zur Methode der
Fundstellen-Textanalyse. * Hauptbedeutungen
Erleben und Erlebnis
432: "... Es ist nicht so, als wäre diese Liebe, solange sie wirklich
war, von einer wahren Liebe ununterscheidbar gewesen und zu einer „unwahren
Liebe“ erst geworden, als ich sie preisgab. Ebensowenig kann man sagen,
eine im Alter von fünfzehn Jahren erfahrene mystische Krise sei in
sich selber jedes Sinnes bar gewesen und erst alsdann, je nach der Wertung,
die ich ihr in Freiheit im weiteren Laufe des Lebens zuteil werden ließ,
zu einem bloßen Pubertätsphänomen oder etwa zum ersten
Zeichen einer religiösen Berufung geworden. Ein Pubertätsphänomen
behält seinen reinen Kontingenzcharakter, selbst wenn ein ganzes Leben
sich darauf aufbaut: vielmehr wird dann dieses ganze Leben „falsch“. Diese
mystische Krise selbst, so wie sie MPP432e1erlebt
wurde, muß Züge aufweisen, durch die sich eine Berufung von
einem bloßen Zwischenfall unterscheidet: im ersten Falle geht die
mystische Haltung in das Grundverhältnis zur Welt und zum Anderen
ein, im anderen Falle bleibt sie ein unpersönliches Verhalten ohne
jede im Subjekt gegründete innere Notwendigkeit, eben ein „Pubertätssymptom“.
Ganz ebenso erfaßt eine wahre Liebe alle Anlagen des Subjekts im
Ganzen und geht es als Ganzes an, die unwahre Liebe aber haftet bloß
an einer der „Rollen", die es spielt; als „Marrn von vierzig Jahren“, handelt
es sich um eine späte Liebe, als „Reisender", handelt es sich um eine
exotische Liebe, als „Witwer“, wenn die unwahre Liebe sich auf eine Erinnerung
gründet, als „Kind“, wenn sie auf eine Erinnerung an die Mutter zurückgeht
Eine wahre Liebe erlischt, wenn ich mich wandle oder die geliebte Person
sich wandelt; eine unwahre Liebe erweist sich als unwahr, wenn ich zu mir
selbst zurückfinde. Der Unterschied ist wesentlich und im fraglichen
Gefühl selbst gelegen. Da er jedoch das Verhältnis meines Gefühls
im Ganzen meines Zur-Welt-seins betrifft, die unwahre Liebe aber nur den
angeht, der ich im Augenblick, in dem ich sie MPP432e2erlebe,
zu sein glaube, da ich also, um ihre Unwahrheit zu durchschauen; einer
Selbsterkenntnis bedürfte, die gerade nur die Zerstörung der
Illusion mir verschaffen kann - bleibt eine Zweideutigkeit; und eben diese
ist es, welche die Illusion erst ermöglicht.
Betrachten wir nochmals das Beispiel des Hysterikers.
Allzu rasch glaubt man ihn als „Simulanten“ zu durchschauen; zu allererst
aber betrügt er sich selbst, und die Tatsache dieser seiner Selbstverblendung
stellt das Problem, das man beseitigen möchte, von neuem: Wie vermag
der Hysteriker nicht zu empfinden, was er empfindet, und zu empfinden,
was er nicht empfindet? Er fingiert seine Schmerzen, seine Traurigkeit,
seinen Zorn nicht, und doch unterscheiden sich seine „Schmerzen“, seine
„Traurigkeit" und sein „Zorn" von „wirklichen" Schmerzen, „wirklicher“
Traurigkeit und „wirklichem" Zorn, und zwar dadurch, daß er nicht
gänzlich in ihnen aufgeht; in seinem Innersten bleibt eine unbewegte
Zone. Illusorische oder imaginäre Empfindungen sind sehr wohl MPP432e3erlebte,
[>433] doch gleichsam nur an unserer Peripherie. Kinder wie auch viele
Erwachsene lassen sich von „Situationswerten“ beherrschen, die ihnen selber
ihre wirklichen Empfindungen verbergen: sie sind zufrieden, wenn man ihnen
etwas schenkt, traurig, weil sie einer Beerdigung beiwohnen, vergnügt
und traurig je nach der landschaftlichen Umgebung und im Grunde, diesseits
dieser Gefühle, gleichgültig und leer. „Wir fühlen wohl
das Gefühl selbst, aber auf eine nur unechte Weise: das Gefühl
ist wie ein Schatten des echten Gefühls.“ Es ist unsere natürliche
Haltung, nicht unsere eigenen Empfindungen zu empfinden und nicht unsere
eigenen Freuden uns zu eigen machen, sondern nach den Gefühlskategorien
unserer Umwelt zu leben. „Das verliebte junge Mädchen fühlt nicht
seine MPP433E1Erlebnisse
zunächst in Isolde oder in Julia ein, sondern es fühlt die Gefühle
dieser dichterischen Gestalten in seine kleinen MPP433E2Erlebnisse
hinein. Erst später durchbricht vielleicht ein echtes Eigengefühl
das Gespinst dieser Gefühlsphantastik“. Doch ehe ein solches sie ergriffen
hat, vermag das junge Mädchen auf keine Weise das Illusorische und
Literarische ihrer Liebe zu durchschauen. Erst die Wahrheit künftiger
Gefühle wird die Unwahrheit der gegenwärtigen enthüllen,
diese sind mithin durchaus MPP433e1erlebt,
das Mädchen „entwirklicht“ sich1’ in ihnen wie der Schauspieler in
seiner Rolle; es handelt sich in der Tat um künstliche Empfindungen
und imaginäre Gefühle, nicht um wirkliche, hervorgerufen von
irgendwelchen (irrigen) Vorstellungen und Ideen. So sind wir uns nicht
in jedem Augenblick in unserer ganzen Wirklichkeit zu eigen und ist rechtmäßig
von einer inneren Wahrnehmung, einem inneren Sinn, einer uns mit uns selbst
vermittelnden „Analyse“ zu reden, worin die Erkenntnis unseres Lebens und
Seins sich von Augenblick zu Augenblick in wechselnder Tiefe und Klarheit
verwirklicht. Was aber diesseits der inneren Wahrnehmung bleibt und nicht
den inneren Sinn berührt, ist kein Unbewußtes. „Mein Leben“,
mein „ganzes Sein“ ist keine anfechtbare Konstruktion, nach Art des „eigentlichen
Ichs“ Bergsons, sondern ein in der Reflexion evident gegebenes Phänomen.
Worum es hier geht, ist nichts anderes als das, was wir tun. Ich entdecke,
daß ich verliebt bin. Was mir dies plötzlich beweist, war mir
vielleicht auch bislang nicht entgangen: die lebendigere Bewegung meiner
Gegenwart auf meine Zukunft hin, die Erregung, die mir die Sprache verschlug,
die Unruhe in der Erwartung der Stunde einer Begegnung. Doch habe ich gleichsam
bislang nicht die Summe gezogen, oder tat ich es, so dachte ich nicht,
daß es sich um ein so tiefgehendes Gefühl handelte, jetzt aber
entdecke ich, daß ich mir mein Leben ohne diese Liebe nicht mehr
zu denken vermag. ... "
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