Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=14.12.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich Erleben, und hier speziell zum Thema:

    Erleben und Erlebnis bei Merleau-Ponty
    Vorlesungen I * Struktur des Verhaltens * Phänomenologie der Wahrnehmung

    Originalrecheche von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zum Geleit:
    _

    "... Nun müssen diejenigen, 
    welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, 
    etwas voneinander verstehen; 
    denn wie könnte denn,
    wenn dies nicht stattfindet,
    ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
    möglich sein? 
    Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
    und etwas, und zwar eins
    und nicht mehreres, bezeichnen;
    hat es mehrere Bedeutungen, 
    so muß man erklären, 
    in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

    Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 
    (Rowohlts Klassiker 1966)

    Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren  können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit  und  Evidenz). Begriffsbasis  Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffenen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem  praktisch-pragmatisch und andererseits das  Begriffsverschiebebahnhofsproblem  lösen.


    Gesamtzusammenfassung:
    Erleben oder Erlebnis wird nicht näher erklärt, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweise. Merleau-Ponty gebraucht erleben oder Erlebnis als allgemeinverständliche Grundbegriffe, die keiner Definition, Erklärung oder oder näheren Erörterung oder Beschreibung bedürfen.
        Sprachspezifisch interessant sind zwei Fundstellen: (1) MPS, S. 249: "Das französische „vecu“, das sowohl das »Gelebte“ wie das „Erlebte“ bezeichnet, läßt sich im Deutschen nicht ganz adäquat wiedergeben; wir entscheiden uns hier wie öfters in diesem Kapitel für die erstgenannte Möglichkeit, da nicht so sehr zwei Erkenntnisweisen im Blick stehen als vielmehr der Gegensatz von Leben, und erkennendem Bewußtsein überhaupt." (2) MPV, S. 143: Die erlebten Erfahrungen [expériences, ce que nous vivons], die Erlebnisse [deutsch im Orig.], wie Husserl sagt, mögen für einen außenstehenden Betrachter sozial oder physisch determiniert sein, und dennoch gibt es einen Weg, um sie so aufzufassen, daß sie eine allgemeine, intetsubjektive und absolute Bedeutung gewinnen." Ein Beleg für die unbelegten Behauptungen Gadamers, Pongratz' und Städtlers, dass das typisch deutsche Wort Erleben in mehreren europäischen Sprachen als Fremdwort aufgenommen worden sein soll.
        Anmerkung zu Merleau-Pontys Methode: Klare Definitionen mit operationalen Beispielen der wichtigeren Begriffe zu Beginn des ersten Gebrauchs sucht man vergebenes (>Zum Geleit). Wie die meisten Philosophen und besonders auch die Phänomenologen scheint er von empirisch wissenschaftlicher Arbeit wenig zu verstehen oder zu halten, so z.B. MPP, S.29 "Was ist Empfinden?" Die Frage ist ungenau und falsch gestellt. Man kann fragen: wie wird das Wort empfinden in der Sprache der und der Sprachgruppe verwendet? Oder: wie will ich empfinden zu welchem Zweck definieren und diesen Begriff dann untersuchen und referenzieren? Empfinden ist keine platonische Wesenheit (>William James' Wesenskritik), die man einfach so durch nachdenken erkennen kann. Das Phänomen der Wahrnehmung in seinen drei Stufen erfassen - wahrnehmen - erkennen  wird in den Fundstellen auch nicht klar erkannt und erörtert.
     

    Zusammenfassung-Vorlesungen-MPV:
    Merleau-Ponty, Maurice (1973) Vorlesungen I. Berlin: de Gruyter. Kürzrel MPV
        Inhalt:

      Schrift für die Kandidatur am College de France
      Lob der Philosophie
      Vorlesungszusammenfassungen (College de France 1952—1960)
      Die Human Wissenschaften und die Phänomenologie
      Aus dem Französischen übersetzt und eingeführt durch ein Vorwort von ALEXANDRE METRAUX
    Erleben oder Erlebnis wird nicht näher erklärt, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweise. Merleau-Ponty gebraucht erleben oder Erlebnis als allgemeinverständliche Grundbegriffe, die keiner Definition, Erklärung oder oder näheren Erörterung oder Beschreibung bedürfen, obwohl er in Die Struktur des Verhaltens die Sprachproblematik sieht und bemerkt.

    Sachregistereinträge: Erlebnis 143, 208 ["erleb" nicht gefunden, stattdessen auf 209], 212 [diese Seite ist leer], Erleben keine Treffer.

    Fundstellen MPV bei den Sachregisterverweisen:
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse.  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis

    e:= erleben, erlebt 3; E:= Erlebnis...1 , i:= innere Wahrnehmung 1

    143: "Man muß hier auf dem konkreten und vertrauten Charakter der Wesensschau [deutsch im Orig.] insistieren und Husserl gegen die meisten falschen Deutungen derselben in Schutz nehmen. Die Erfassung allgemeingültiger Bedeutungen durch meine zufällige Erfahrung hindurch ist gar nicht, um mit Husserl zu sprechen, irgendein mystisches Denken65, das uns in eine Erfahrungsjenseitigkeit [au delà de expérience] versetzt. Dank ihren beiden Aspekten, dem Konkreten und dem Allgemeinen, ist die Wesensschau [deutsch im Orig.] in der Lage, die Psychologie zu erneuern und voranzutreiben. Die MPV143e1erlebten Erfahrungen [expériences, ce que nous vivons], die MPV143E1Erlebnisse [deutsch im Orig.], wie Husserl sagt, mögen für einen außenstehenden Betrachter sozial oder physisch determiniert sein, und dennoch gibt es einen Weg, um sie so aufzufassen, daß sie eine allgemeine, intetsubjektive und absolute Bedeutung gewinnen. Ich darf mich dabei nicht auf das MPV143e2Erleben der Erfahrungen [vivre cette expérience] beschränken, vielmehr muß ich deren Sinn oder Bedeutung freilegen. Das zu tun ist die Funktion der ,eidetischen Intuition'. Es ist eine Tatsache, eine durchaus äußerlich bedingte Tatsache, daß ich heute die Neunte Symphonie wahrnehme, in dieses oder jenes Konzert gehe. Andererseits vermag ich im innem Verlauf dieser Erfahrung etwas zu entdecken, das unabhängig von den tatsächlichen äußeren Bedingungen vorhanden ist, Bedingungen, die meinen Entschluß zum Konzertbesuch erwirkt haben. Die Neunte Symphonie ist nicht in der Zeit oder im Zeitpunkt eingeschlossen, wo ich sie entdecke. Sie erscheint durch alle verschiedenen Aufführungen hindurch, ist ein Kulturobjekt, das unter dem Taktstock des Dirigenten, unter dem Bogen der Streicher hervortritt oder durchschimmert; mit anderen Worten, sie läßt sich nicht auf die jetzige Aufführung reduzieren. Wenn es mir gelingt, alle Implikate meiner Erfahrung zu erfassen und die Fülle des in diesem Erfahrungszeitpunkt Gegebenen zu thematisieren, dann stoße ich nicht auf eine zufällige Singularität, sondern auf das Wesen der Neunten Symphonie66. Die Gerichtetheit des Bewußtseins auf bestimmte Objekte, auf sogenannte intentionale Gegenstände', welche einer ,eidetischen‘ Analyse zugänglich sind, nennt Husserl 'Inten- tionalität'."

    209: "Die Dunkelheit in dieser Sache rührt her von der alten Antithese von äußerer und MPV209i1innerer Wahrnehmung und dem Privileg, das man gemeinhin der letzteren zuerkennt. Doch es ist eine Tatsache, daß sich eine Psychologie ausbilden konnte, die nichts der Introspektion verdankt. Eine rein objektive Methode kann beim Schmetterling die Struktur der „Farb“-Welt umreißen, indem sie die Reaktionen vergleicht, die verschiedene Farbreize bei ihm auslösen, — unter der Bedingung freilich, daß man sich nur an die Identität und Differenz der Reaktionen hält, die angesichts bestimmter gegebener Reize auftreten, und nicht unser MPV209e1Farberleben in ein Schmetterlingsbewußtsein projiziert. Es gibt eine objektive Analyse und eine objektive Definition der Wahrnehmung, der Intelligenz, der Emotion in Form von Verhaltensstrukturen , eine derartige Beschreibung haben wir im vorigen Kapitel zu geben versucht. Das so verstandene Psychische ist von außen her erfaßbar. Darüber hinaus ist die Introspektion selbst ein Erkenntnisverfahren von gleicher Art wie die Außenbeobachtung. Denn was sie uns an die Hand gibt, sobald sie sich mitteilt, ist nicht die gelebte Erfahrung selbst, sondern ein Bericht, in dem die Sprache die Rolle einer generellen, ein für allemal erworbenen Dressur spielt, die sich nicht wesentlich unterscheidet von den Gelegenheitsdressuren, die in der objektiven Methode angewandt werden. Das Kind, das sagen soll, welche Farben ihm als ähnlich erscheinen, und der Affe, den man darauf dressiert hat, alle Marken mit der gleichen Farbe auf einen Teller zu legen, befinden sich in derselben Situation. Daran ändert sich nichts, wenn der Versuchsperson aufgetragen wird, ihre Reaktionen selbst zu deuten, was ja die Eigentümlichkeit der Introspektion ausmacht. Wenn man sie fragt, ob sie die Buchstaben auf einer Tafel lesen oder die Einzelheiten einer Figur unterscheiden kann, so verläßt sie sich nicht auf einen vagen „Eindruck von Lesbarkeit“. Sie versucht zu lesen oder zu beschreiben, was ihr dargeboten wird. „Sobald die Introspektion in Sprache umgesetzt wird, behauptet sie etwas ganz anderes als das Vorhandensein bestimmter innerer Qualitäten."



    Zusammenfassung-Struktur des Verhaltens-MPS:
    Merleau-Ponty, Maurice (fr 1942, 6.A. 1967; dt. 1976) Die Struktur des Verhaltens. Berlin: de Gruyter.
        Erleben oder Erlebnis (Erlebnisfluß) wird nicht näher erklärt, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweise. Merleau-Ponty gebraucht erleben oder Erlebnis als allgemeinverständliche Grundbegriffe, die keiner Definition, Erklärung oder oder näheren Erörterung oder Beschreibung bedürfen, obwohl er in Die Struktur des Verhaltens die Sprachproblematik sieht und bemerkt.
       Wichtig ist die Unterscheidung: in "§ 40 Es ist zu unterscheiden zwischen dem Bewußsein nls Ort der Bedeutungen und dem Bewußsein als MPS245E1Erlebnisfluß 245. Allerdings haben die folgenden 13 Seiten, 245-258,  nach meinem Verständnis nichts mit der Überschrift zu tun: erleben und Erlebnis sind im Text selbst verschwunden. Anzumerken bleibt, dass das Bewusstsein nicht der Erlebnisfluß, sondern sich dort ereignet, dort präsentiert und durch innere Wahrnehmung erfasst wird.

    Fundstellen in Struktur des Verhaltens MPS nach Sachregistereinträgen und im Inhaltsverzeichnis
    Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
     
    erleben, erlebt 3, Erlebnis (Erlebnisfluß) 1, innere Wahrnehmung

    Inhaltsverzeichnis:
    § 40 Es ist zu unterscheiden zwischen dem Bewußsein nls Ort der Bedeutungen und dem Bewußsein als Erlebnisfluß 245
    Sachregister: Erlebtes, Gelebtes/ Erkanntes  198, 230, 249. Kürzel MPS
     
    198: "Das Gesagte genügt, um zu zeigen, daß das Haben einer Vorstellung und der Vollzug eines Urteils nicht deckungsgleich sind mit dem Bewußtseinsleben. Das Bewußtsein besteht vielmehr aus einem Netz von Bedeutungsintentionen, die das eine Mal sich selbst klar, das andere Mal eher MPS198e1erlebt als erkannt sind. Eine solche Konzeption erlaubt es uns, das Bewußtsein mit der Handlung zu verbinden, wobei wir unsere Idee der Handlung ausweiten."

    230: "Hefte ich meinen Blick auf einen Gegenstand vor mir, so wird der Psychologe sagen, bei gleichbleibenden äußeren Bedingungen sei das mentale Bild des Objekts dasselbe geblieben. Doch auch dann wäre der Akt zu untersuchen, mit dem ich im jeweiligen Augenblick erkenne, daß dieses Bild seinem Sinn nach identisch ist mit dem des vorhergehenden Augenblicks. Das mentale Bild des Psychologen ist ein Ding, es läßt die Frage offen, was das Bewußtsein dieses Dinges ist. Der Erkenntnisakt gehört nicht zur Ordnung der Ereignisse, er bedeutet eine Besitzergreifung von Ereignissen, auch von inneren, die nicht mit ihnen verschmilzt, er ist stets eine innere „Wiedererschaffung“ [re-creation] des mentalen Bildes, und, wie Kant und Platon es genannt haben, eine Wiedererinnerung, eine Rekognition. Weder das Auge, noch das Gehirn, noch aber auch die „Psyche“ des Psychologen ist imstande, den Sehakt zu vollziehen. Es handelt sich um eine Einsicht des Geistes“, bei der die Ereignisse zugleich in ihrer Realität MPS230e1erlebt und in ihrem Sinn erkannt werden. So evident es sein mag, daß in jedem Einzelfall die Wahrnehmungsgehalte durch natürliche Bedingungen determiniert sind, zumindest aufgrund ihrer generellen Struktur, entzieht sich die Wahrnehmung der natürlichen Erklärung und läßt nur eine innere Analyse zu. Daraus folgt: Die Augenblicke der Erkenntnis, in denen ich mich als jemand erfasse, der zur Wahrnehmung eines Dinges durch eben dies Ding determiniert ist, müssen als abgeleitete Bewußtseinsweisen betrachtet werden, die letztlich in einer ursprünglicheren Bewußtseinsweise gründen. Da die Motive unserer Behauptungen nur in ihrem eigenen Sinn gesucht werden können, kann die Erfahrung eines realen Dinges nicht erklärt werden durch die Einwirkung dieses Dinges auf meinen Geist: Die einzige Art und Weise, auf einen Geist zu wirken, besteht für ein Ding darin, ihm einen Sinn anzubieten, ihm zu erscheinen, Die Analyse des Erkenntnisaktes führt zu der Idee eines konstituierenden und naturierenden Denkens, das die charakteristische Struktur der Objekte von innen her stützt. Um hervorzuheben, daß die Objekte zugleich in intimer Nähe zum Subjekt stehen und feste Strukturen präsentieren, die sie von bloßen Erscheinungsweisen unterscheiden, mag man sie „Phänomene“ nennen, und sofern die Philosophie sich an dieses Thema hält, wird sie zu einer  Phänomenologie, d. h. zu einer Inventur des Bewußtseins als des Universalmilieus [milieu d’univers]."

    § 40 Es ist zu unterscheiden zwischen dem Bewußsein nls Ort der Bedeutungen und dem Bewußsein als MPS245E1Erlebnisfluß 245
    Die folgenden 13 Seiten, 245-258, haben nach meinem Verständnis nichts mit der Überschrift zu tun: erleben und Erlebnis sind im Text selbst verschwunden.

    249: "Das französische „vecu“, das sowohl das »Gelebte“ wie das „MPSErlebte“ bezeichnet, läßt sich im Deutschen nicht ganz adäquat wiedergeben; wir entscheiden uns hier wie öfters in diesem Kapitel für die erstgenannte Möglichkeit, da nicht so sehr zwei Erkenntnisweisen im Blick stehen als vielmehr der Gegensatz von Leben, und erkennendem Bewußtsein überhaupt."
     



    Zusammenfassung-Phänomenologie-Wahrnehmung-MPP:
    Merleau-Ponty, Maurice (dt. 1966) Phänomenologie der Wahrnehmung.  Kürzel MPP
    Das Sachregister enthält keinen Eintrag zu Erleben und Erlebnis. Ich habe mir das Inhzaltsverzeichnis näher angeschaut und vermutet, dass die Chancen, auf erleben oder Erlebnis, im Kapitel cogito (421-466) ganz gut stehen dürften. So war es denn auch. Lesebeispiel zur Bedeutung der Indexkürzerl: MPP433e1   MMP heißt Merleau-Ponty Phänomensologe der Wahrnehmung, S. 433, e := erleben oder erlebt(e,en,es) und 1, die erste Fundstelle auf dieser Seite.
        Erlenen, erlebt:
    1. selbst, so wie sie MPP432e1erlebt wurde, muß Züge aufweisen, durch die sich eine Berufung
    2. den angeht, der ich im Augenblick, in dem ich sie MPP432e2erlebe, zu sein glaube,
    3. Empfindungen sind sehr wohl MPP432e3erlebte, [>433] doch gleichsam nur an unserer Peripherie.
    4. MPP433e1erlebt, das Mädchen „entwirklicht“ sich1’ in ihnen wie der Schauspieler in seiner Rolle;
        Erlebnis...
    1. MPP433E1Erlebnisse zunächst in Isolde oder in Julia ein, sondern es fühlt die Gefühle dieser
    2. dichterischen Gestalten in seine kleinen MPP433E2Erlebnisse hinein. Erst später durchbricht v
    Fazit-MPP: Erleben oder Erlebnis wird nicht näher erklärt, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweise. Merleau-Ponty gebraucht erleben oder Erlebnis als allgemeinverständliche Grundbegriffe, die keiner Definition, Erklärung oder oder näheren Erörterung oder Beschreibung bedürfen. Das Phänomen der Wahrnehmung in seinen drei Stufen erfassen - wahrnehmen - erkennen wird in den Fundstellen auch nicht klar erkannt und erörtert.
        Anmerkung zu Merleau-Pontys Methode. Klare Definitionen mit operationalen Beispielen der wichtigeren Begriffe zu Beginn des ersten Gebrauchs sucht man vergebenes (>Zum Geleit). Wie die meisten Philosophen und besonders auch die Phänomenologen scheint er von empirisch wissenschaftlicher Arbeit wenig zu verstehen oder zu halten, so z.B. S.29 "Was ist Empfinden?" Die Frage ist ungenau und falsch gestellt. Man kann fragen: wie wird das Wort empfinden in der Sprache der und der Sprachgruppe verwendet? Oder: wie will ich empfinden zu welchem Zweck definieren und diesen Begriff dann untersuchen? Empfinden ist keine platonische Wesenheit, die man einfach so durch nachdenken erkennen kann.

    Fundstellen im Kapitel cogito
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse.  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis

    432: "... Es ist nicht so, als wäre diese Liebe, solange sie wirklich war, von einer wahren Liebe ununterscheidbar gewesen und zu einer „unwahren Liebe“ erst geworden, als ich sie preisgab. Ebensowenig kann man sagen, eine im Alter von fünfzehn Jahren erfahrene mystische Krise sei in sich selber jedes Sinnes bar gewesen und erst alsdann, je nach der Wertung, die ich ihr in Freiheit im weiteren Laufe des Lebens zuteil werden ließ, zu einem bloßen Pubertätsphänomen oder etwa zum ersten Zeichen einer religiösen Berufung geworden. Ein Pubertätsphänomen behält seinen reinen Kontingenzcharakter, selbst wenn ein ganzes Leben sich darauf aufbaut: vielmehr wird dann dieses ganze Leben „falsch“. Diese mystische Krise selbst, so wie sie MPP432e1erlebt wurde, muß Züge aufweisen, durch die sich eine Berufung von einem bloßen Zwischenfall unterscheidet: im ersten Falle geht die mystische Haltung in das Grundverhältnis zur Welt und zum Anderen ein, im anderen Falle bleibt sie ein unpersönliches Verhalten ohne jede im Subjekt gegründete innere Notwendigkeit, eben ein „Pubertätssymptom“. Ganz ebenso erfaßt eine wahre Liebe alle Anlagen des Subjekts im Ganzen und geht es als Ganzes an, die unwahre Liebe aber haftet bloß an einer der „Rollen", die es spielt; als „Marrn von vierzig Jahren“, handelt es sich um eine späte Liebe, als „Reisender", handelt es sich um eine exotische Liebe, als „Witwer“, wenn die unwahre Liebe sich auf eine Erinnerung gründet, als „Kind“, wenn sie auf eine Erinnerung an die Mutter zurückgeht Eine wahre Liebe erlischt, wenn ich mich wandle oder die geliebte Person sich wandelt; eine unwahre Liebe erweist sich als unwahr, wenn ich zu mir selbst zurückfinde. Der Unterschied ist wesentlich und im fraglichen Gefühl selbst gelegen. Da er jedoch das Verhältnis meines Gefühls im Ganzen meines Zur-Welt-seins betrifft, die unwahre Liebe aber nur den angeht, der ich im Augenblick, in dem ich sie MPP432e2erlebe, zu sein glaube, da ich also, um ihre Unwahrheit zu durchschauen; einer Selbsterkenntnis bedürfte, die gerade nur die Zerstörung der Illusion mir verschaffen kann - bleibt eine Zweideutigkeit; und eben diese ist es, welche die Illusion erst ermöglicht.
        Betrachten wir nochmals das Beispiel des Hysterikers. Allzu rasch glaubt man ihn als „Simulanten“ zu durchschauen; zu allererst aber betrügt er sich selbst, und die Tatsache dieser seiner Selbstverblendung stellt das Problem, das man beseitigen möchte, von neuem: Wie vermag der Hysteriker nicht zu empfinden, was er empfindet, und zu empfinden, was er nicht empfindet? Er fingiert seine Schmerzen, seine Traurigkeit, seinen Zorn nicht, und doch unterscheiden sich seine „Schmerzen“, seine „Traurigkeit" und sein „Zorn" von „wirklichen" Schmerzen, „wirklicher“ Traurigkeit und „wirklichem" Zorn, und zwar dadurch, daß er nicht gänzlich in ihnen aufgeht; in seinem Innersten bleibt eine unbewegte Zone. Illusorische oder imaginäre Empfindungen sind sehr wohl MPP432e3erlebte, [>433] doch gleichsam nur an unserer Peripherie. Kinder wie auch viele Erwachsene lassen sich von „Situationswerten“ beherrschen, die ihnen selber ihre wirklichen Empfindungen verbergen: sie sind zufrieden, wenn man ihnen etwas schenkt, traurig, weil sie einer Beerdigung beiwohnen, vergnügt und traurig je nach der landschaftlichen Umgebung und im Grunde, diesseits dieser Gefühle, gleichgültig und leer. „Wir fühlen wohl das Gefühl selbst, aber auf eine nur unechte Weise: das Gefühl ist wie ein Schatten des echten Gefühls.“ Es ist unsere natürliche Haltung, nicht unsere eigenen Empfindungen zu empfinden und nicht unsere eigenen Freuden uns zu eigen machen, sondern nach den Gefühlskategorien unserer Umwelt zu leben. „Das verliebte junge Mädchen fühlt nicht seine MPP433E1Erlebnisse zunächst in Isolde oder in Julia ein, sondern es fühlt die Gefühle dieser dichterischen Gestalten in seine kleinen MPP433E2Erlebnisse hinein. Erst später durchbricht vielleicht ein echtes Eigengefühl das Gespinst dieser Gefühlsphantastik“. Doch ehe ein solches sie ergriffen hat, vermag das junge Mädchen auf keine Weise das Illusorische und Literarische ihrer Liebe zu durchschauen. Erst die Wahrheit künftiger Gefühle wird die Unwahrheit der gegenwärtigen enthüllen, diese sind mithin durchaus MPP433e1erlebt, das Mädchen „entwirklicht“ sich1’ in ihnen wie der Schauspieler in seiner Rolle; es handelt sich in der Tat um künstliche Empfindungen und imaginäre Gefühle, nicht um wirkliche, hervorgerufen von irgendwelchen (irrigen) Vorstellungen und Ideen. So sind wir uns nicht in jedem Augenblick in unserer ganzen Wirklichkeit zu eigen und ist rechtmäßig von einer inneren Wahrnehmung, einem inneren Sinn, einer uns mit uns selbst vermittelnden „Analyse“ zu reden, worin die Erkenntnis unseres Lebens und Seins sich von Augenblick zu Augenblick in wechselnder Tiefe und Klarheit verwirklicht. Was aber diesseits der inneren Wahrnehmung bleibt und nicht den inneren Sinn berührt, ist kein Unbewußtes. „Mein Leben“, mein „ganzes Sein“ ist keine anfechtbare Konstruktion, nach Art des „eigentlichen Ichs“ Bergsons, sondern ein in der Reflexion evident gegebenes Phänomen. Worum es hier geht, ist nichts anderes als das, was wir tun. Ich entdecke, daß ich verliebt bin. Was mir dies plötzlich beweist, war mir vielleicht auch bislang nicht entgangen: die lebendigere Bewegung meiner Gegenwart auf meine Zukunft hin, die Erregung, die mir die Sprache verschlug, die Unruhe in der Erwartung der Stunde einer Begegnung. Doch habe ich gleichsam bislang nicht die Summe gezogen, oder tat ich es, so dachte ich nicht, daß es sich um ein so tiefgehendes Gefühl handelte, jetzt aber entdecke ich, daß ich mir mein Leben ohne diese Liebe nicht mehr zu denken vermag. ... "



    Literatur (Auswahl)
    Merleau-Ponty, Maurice (fr 1942, 6.A. 1967; dt. 1976) Die Struktur des Verhaltens. Berlin: de Gruyter.



    Links(Auswahl: beachte)



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Querverweise
    Standort: Erleben und Erlebnis bei Merleau-Ponty
    *
    Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse.  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Inhaltsverzeichnis site:www.sgipt.org. 
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Erleben und Erlebnis bei Merleau-Ponty. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/Merleau-Ponty.htm

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    14.12.22 Erstversion ins Netz.
    13.12.22 angelegt, ausgewertet,