Erleben und Erlebnis in Wörterbüchern, Lexika,
Handbüchern, Enzyklopädien
Materialien und Dokumente zum Erlebens- und Erlebnisbegriff
Auswahl recherchiert von Rudolf
Sponsel, Erlangen
_
Erleben bei Arnold, Eysenck & Meili
(1974 ff) Lexikon der Psychologie. Kürzel AEM.
Zusammenfassung: Erleben wird hier sehr weit gefasst ("alles psychische
Sein und Geschehen") einschließlich Unterbewusstsein und Langzeitgedächtnis;
auch andere wichtige Dimensionen werden genannt. Bemerkenswert ist, dass
AEM das Unbewußte einschließen.
Fundstellen Erleben 6, erlebt , Erlebnis 10.
AEM2Erlebnisexperiment1.
Im Unterschied zum üblichen psychol. Experiment intendiert das AEM3E.1
nicht primär eine manifeste Reaktion des Individuums, sondern zielt
auf die subjektiven AEM4Erlebnisse1
ab, die durch die Versuchssituation in der Vp hervorgerufen werden. Diese
subjektiven AEM5Erlebnisse1
sollen von der Vp beschrieben und somit objektiviert werden. Die
Gültigkeit der experimentellen Daten hängt davon ab, inwieweit
die Vp in der Lage ist, objektive Selbstbeobachtung zu betreiben. Quantitative
Ergebnisbestimmung ist nur bedingt möglich.
Lit.: Pauli, R. & W. Arnold: Psychologisches
Praktikum. Stuttgart, 71972.
P.
Steck
AEM6Erlebnisfeld1,
ein in Anlehnung an die -> Feldtheorie Lewins geprägter Begriff, der
das Gesamt der AEM7Erlebnisinhalte1
bezeichnet, die prozeßhaft und mit unterschiedlichem Klarheitsgrad
im Bewußtsein auftauchen. Das AEM8E.1
ist nach Umfang und Strukturiertheit sowie nach der Dynamik, die sich innerhalb
; seines Rahmens abspielt, interindividuell verschieden.
Lit.: Lewin, K.: A dynamic theory of personality.
New York - London, 1959.
P.
Steck
AEM9Erlebnisreaktion1,
abnorme
(syn. Konfliktreaktion), in Intensität und Qualität abnorme emotionale
Reaktion auf akute belastende Ereignisse (Verlust, Konflikt), die nach
kürzerer Zeit ohne bedeutsame Dauerveränderung abklingt.
R. Richter
AEM10Erlebnistypena,
zwei im Rorschach-Test (und anderen Formdeuteverfahren) hervortretende
Verarbeitungsweisen, -> Introversive ; Typen geben mehr Bewegungsdeutungen.
Ihre Auseinandersetzung, mit der Umwelt ist vorwiegend von der intrapsychischen
Aktivität abhängig. Extratensive Typen deuten hauptsächlich
von der Farbe her. Sie sind sehr empfänglich für Umweltreize
und von ihnen abhängig. Beide Typen werden nach Rorschach allein durch
die Deutungsweise im Experiment definiert, nicht wie die Jungschen -> Funktionstypen
durch das Verhalten im Leben.
Lit; Klopfer, B. & H. Davidson: Das
Rorschachverfahren. Bern, 31974; Rorschach, H.: Gesammelte Aufsätze.
Bern, 1965; ders.: Psychodiagnostik. Bern, 91972.
E. Kretschmer
CWB1Erleben2:
subjektiv repräsentierte Zuständigkeiten, die allein oder in
Verbindung mit äußerlich beobachtbaren Verhaltensweisen auftreten.
Der Begriff des CWB2E.s2
ebenso wie der Verhaltensbegriff zählen zu den allgemeinsten Begriffen
in der Psychologie. Verschiedentlich wird das CWB3E.2
und Verhalten als Gegenstand der Psychologie bestimmt. Problemgeschichtlich
besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem CWB4E.sbegriff2
und der Verwendung des Bewußtseinsbegriffes. KÖHLER definiert
das Bewußtsein als das Insgesamt der phänomenalen, d. h. der
anschaulichen, der CWB5erlebten2
Welt. METZGER unterscheidet das Befindlichkeitsbewußtsein (Emotionen,
Stimmungen, Strebungen, Affekte), das Innenweltbewußtsein (das Vergegenwärtigte)
und das Außenweltbewußtsein (das Angetroffene, das Begegnende).
Die introspektive Analyse des CWB6E.s2
war das Anliegen der historischen Bewußtseinspsychologie. Es wurde
versucht, den Aufbau des Bewußtseins aus Bewußtseins-, d, h.
CWB1Erlebnis1-Elementen
zu erklären, die von WUNDT als anschauliche Elemente, von den Vertretern
der Würzburger Schule (K. BÜHLER, KÜLPE u. a.) als unanschauliche
Elementareinheiten angenommen wurden. Gegen die Elementenhypothese wandten
sich die Vertreter der Gestaltpsychologie mit der Annahme der gestalthaften
Organisation der
CWB2Erlebniswelt1
als letztem, nicht weiter reduzierbarem psychischen Sachverhalt. Als nicht
zum Gegenstand der Psychologie gehörend, da das Erfahrbare transzendierend
und wissenschaftlich nicht erkennbar ist (WATSON), wurde das CWB7E.2
in behavioristischen Konzepten eliminiert. Eine philosophisch-methodologisch
formulierte Überwindung der Verabsolutierung entweder der CWB8Erlebens2-
oder CWB3Erlebnisverarbeitung1
der Verhaltenskomponente psychischen Geschehens findet sich bei RUBINSTEIN.
Er bestimmt CWB9E.2
(das Innesein und das Persönliche des Wissens) und Verhalten (Bewußtseinsexternalisierung)
als zwei Momente des tätigkeitsregulierenden Bewußtseins.
In der modernen Psychologie, die zunehmend von dem Prinzip ausgeht,
das von KLIX als Dialektik von Information und Verhalten formuliert wurde,
wird das CWB10E.2
als ein Aspekt der historisch-gesellschaftlich determinierten organismischen
menschlichen Informationsverarbeitung auf gefaßt. Die Prozesse der
Informationsverarbeitung sind die Trägerprozesse, unter anderem des
CWB11E.s2.
Forschungsmethodisch setzt sich die Auffassung durch, daß die
inneren
CWB4Erlebnisse1,
das Verhalten und die durch die Tätigkeit erzeugten Produkte als Aspekte
des Gegenstandes der Psychologie drei legitime und notwendige Zugänge
zur Erkenntnis des Psychischen markieren. In diesem Sinne wird unter anderem
die streng kontrollierte Objektivierung von CWB5Erlebnistatbeständen1,
z. B, in den Untersuchungen einerseits von NEWELL und SIMON und andererseits
von PAIGE und SIMON eine wichtige, methodisch erschließbare Erkenntnisquelle
über Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Informationsverarbeitung.
Nicht die Untersuchung eines CWB12E.s2
schlechthin, sondern die Erfassung des CWB13E.s2
definierter Informationen ermöglicht die Prüfung von Hypothesen
über spezifische Verarbeitungsleistungen.
Die Skalierung von CWB6Erlebnistatbeständen1
in Abhängigkeit von äußeren Reizen oder auch die Skalierung
von Beziehungen der CWB7Erlebnistatbestände1
untereinander ist Gegenstand der -> Psychophysik.
Zusammenfassung-Grimm: den Kern des Erlebens, alles was in uns geschieht, innerlich wahrgenommen werden kann, erleben2, und zum Bewusstsein gelangt, ist nicht klar erkannt, obwohl die Gebrüder Grimm Krug 1838 gekannt haben mussten, denn in dem Jahr, 1838, begannen sie ihr Wörterbuch und die erste Lieferung erfolgte 1852 (1961 wurde es beendet, im wahrsten Sinne des Wortes ein Jahrhundertwerk!).
erleben
1) Ein Leben leben (diem videre)
2) erleben, überleben, superare vita: [erleben1]
Erlebnis
erlebnis, n. was man erlebt, erfahrung: wenn wir ein solches erlebnis
vor augen haben.
erlebt
1) verlebt, abgelebt (decrepitus, senectute confectus)
2) erlebt, erfahren: erlebtes leid, erlebtes glück;
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_
Dornseiff-1956-1970 (5. Auflage)
erleben 12.4
Erlebnis 5.31, 5.44, 9.44, 11.11, 14.1
- das religiöse 20.1
Erlebnisse 14.1
erlebt 12.36
"Erleben [engl. experience], [KOG, PHI],
s. auch «Psychologie als Wissenschaft des DL1Erlebens2
und Verhaltens: Inhalte, Struktur, Systematik», jegliches Innewerden
von etwas, jedes Haben mehr oder weniger bewusster subj., seelischer Inhalte,
jeder Vorgang im Bewusstsein. DL2Erleben2
beschreibt die rezeptive Seite des menschlichen Seins sowie der Interaktion
des Menschen mit sich selbst und seiner Umwelt. DL3Erleben2
ist ein wesentliches Merkmal der menschlichen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.
Über die sensorischen Systeme gelangen Informationen in unser Gehirn.
Diese werden schließlich zu sinnhaften Objektrepräsentationen
verarbeitet, identifiziert, mit Erfahrungen verglichen und mit Emotionen
belegt. Das Ergebnis führt dazu, dass Verhalten ggf. motiviert und
vor dem Hintergrund antizipierter oder gelernter Verhaltenskonsequenzen
umgesetzt wird. Der Begriff «DL4Erleben2»
bezieht sich somit darauf, wie eine Person ganz konkret Ereignisse, Situationen
oder andere Personen für sich selbst wahrnimmt und diese intern repräsentiert.
DL5Nacherleben2,
DL6Nutzererleben2,
DL7Zukunftserleben2.
_
"Erinnerung
[engl. memory], [KOG], spezielles, ins Bewusstsein tretendes Ereignis bzw.
Erlebnis. Gedächtnis." "Enttäuschung
unerfüllte Hoffnung oder die sich als unerfüllbar erweisende
Hoffnung hat ihre gefühlsmäßige Resonanz im Erlebnis ...
Eine Steigerung erfahren diese Zustände im Erlebnis der Verzweiflung:
Es präsentiert sich die Ausweglosigkeit "
_
Duden [Abruf 23.11.22] >Hauptbedeutungen der Indizes.
Erlebnis
Bedeutung von jemandem als in einer bestimmten Weise beeindruckend
erlebtes Geschehen
BEISPIELE
Erlebnis, das (Abruf 25.11.2022)
Geschehnis, das jmd. erlebt hat und durch das er stark und bleibend
beeindruckt wurde.
Ausgabe 1956. Siebente, durchgesehene Auflage: erleben
82, Erlebnis1 2
"ich SP1er|lebe
(habe erlebt), 1) es, ihn, beobachte mit denkendem u. fühlendem
Geist: SP2erlebte Geschichte.
2) es, ihn, lebe so lange, bis es eintritt, oder lebte schon, als
es da war: er hat Friedrich II. und Bismarck SP3erlebt1,
lebte schon, als Friedrich II. noch lebte, und noch, als Bismarck schon
wirkte, 3) es an ihm, erfahre von ihm: sie SP4erlebte2nur
Leid an dem Jungen, ich SP5e.
mir
an,
betrachte, wie wenn es mir selbst geschähe.
ichSP6e.
es
mit,
bin als denkender, fühlender Mensch dabei, das
SP1Erlebnis,
...nisses, „.nisse, (bedeutsames) Ereignis, das man SP7erlebt:
es
wurde ihm zum tiefsten SP2Erlebnis,
SP8erlebt,
selbstgeschaut; tiefempfunden."
Online-Ausgabe [Abruf
02:12:2022]
Erleben, die Gesamtheit aller im Bewusstsein der Person repräsentierten
Vorgänge.
Alle
(11 von 66 Wörtern)
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erleben: 1. [RS: erleben2]
(erfahren, durchmachen, kennen lernen) sie erlebte nur Freude an ihrem
/ durch ihren Sohn; er hat viel Schweres erlebt; ich habe heute etw. Merkwürdiges
erlebt; eine solche Gemeinheit, Torheit, Frechheit habe ich noch nicht
erlebt; ich habe schon viel[es], manches erlebt; eine Aufführung,
Landschaft e.; wenn du damit nicht aufhörst, kannst du was e.! (umg;
Drohung); hat man je so etw. erlebt! (umg; Ausdruck des Erstaunens, der
Entrüstung); er wird [noch] sein blaues Wun der e. (umg; sehr erstaunt
sein); das Buch erlebte seine 6. Auflage (besser wurde zum sechsten Mal
aufgelegt), hat 6 Auflagen erlebt (besser wurde sechsmal aufgelegt) — 2.
(zu einer bestimmten Zeit [noch] leben) [RS: erleben1]
ein Jubiläum, die goldene Hochzeit, seinen 75. Geburtstag [noch] e.;er
hat das Jahr 1917 [in München] erlebt; sie hat den Erfolg [ihres Buches,
ihrer Tochter] nicht mehr erlebt; ich möchte das Jahr 2000 e.
Erlebnis, das: das E. des Schulanfangs, der Jugendweihe, der
ersten Liebe, einer großen Reise || ich werde [dir] ein E. von meiner
Reise, aus meinem Leben erzählen; die Feier, Rede, Aufführung
war [mir / für mich] ein [großes, eindrucksvolles] E.; diese
Fahrt, dieser Ferienaufenthalt ist mir zum E. geworden
[RS: geht in Richtung Erlebnis3]
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Zusammenfassung-Bischof-HBdP:
Es wurden drei Handbuchartikel Bischofs nach Erleben, erlebt und Erlebnis
gesichtet: die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Wahrnehmung, Psychophysik
der Raumwahrnehmung und Stellungs-, Spannungs- und Lagewahrnehmung. Erleben,
Raumerleben und Stellungs-, Spannungs- und Lagewahrnehmung werden nicht
definiert oder näher erläutert, auch nicht durch Fußnote,
Anmerkung, Querverweis oder Literaturhinweis.
_
Bischof,
Norbert (1966) 2. Erkenntnistheoretische Grundlagen der Wahrnehmungspsychologie.
In (21-78) Metzger (1966, Hrsg.) In: Handbuch der Psychologie, Wahrnehmung
und Bewußtsein.
Erleben 8, erlebt 8, Erlebnis 43 (ohne 1 in der Lit)
Erleben wird nicht definiert oder näher erläutert, auch nicht
durch Fußnote, Anmerkung, Querverweis oder Literaturhinweis.
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Bischof,
Norbert (1966) Psychophysik der Raumwahrnehmung 10. Raum und Zeit.
In (307-497) Metzger (1966, Hrsg.) Handbuch der Psychologie,
Wahrnehmung und Bewußtsein. Göttingen: Hogrefe.
Erleben 10, erlebt 22, Erlebnis 32
Erleben des Raumes wird nicht definiert oder näher erläutert,
auch nicht durch Fußnote, Anmerkung, Querverweis oder Literaturhinweis.
_
Bischof,
Norbert (1966) Stellungs-, Spannungs- und Lagewahrnehmung, 11. Kap.
In Teil III Raum und Zeit. In (409- 497) Metzger (1966, Hrsg.)
In: Handbuch der Psychologie, Wahrnehmung und Bewußtsein. Göttingen:
Hogrefe.
Erleben 5 (ohne 1 Lit), erlebt 13, Erlebnis 27
Stellungs-, Spannungs- und Lage Erleben wird nicht definiert oder näher
erläutert, auch nicht durch Fußnote, Anmerkung, Querverweis
oder Literaturhinweis.
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Bischof-Fundstellen mit mehr Kontext (Auswahl) Hauptbedeutungen
der Indizes.
40 (Bischof): "Die innere Psychophysik bildet zugleich den Kernbestand einer kritischrealistisch verstandenen Psychophysiologie (vgl. auch o. S. 24). Faktisch ordnet man der letztgenannten Disziplin in etwas weiterem Sinn die Ermittlung von Korrelationen zwischen BiHB1Erlebnisinhalten1 und irgendwelchen, meist recht peripheren physiologischen Daten zu (z. B, Hautwiderstandsänderungen, Muskeltonus usw.). ..."
58 (Bischof): "Die behavioristische Ablehnung der Introspektion erhielt unter diesem Einfluß einen ganz bestimmten Sinn. Im Unterschied einerseits zur materialistischen Form des Behaviorismus, in der die Existenz von Seelischem überhaupt rundweg geleugnet und somit ein unpositivistischer weil metaphysischer Standpunkt bezogen wird, und andererseits im Unterschied zum „methodologischen“ Behaviorismus, der sich mit schlichter Ausschließlichkeit für die Erfassung des Verhaltens interessiert und das BiHB2Erleben2 ohne umständliche Rechtfertigung einfach per definitionem aus seinem Gegenstandsgebiet ausklammert (vgl. Feigl 1958, S. 429), wendet sich der neopositivistisch orientierte („logische“) Behaviorismus bewußt auch dem Bestand der erlebnispsychologischen1 Begriffe zu und versucht, diese objektiv, d. h. auf der Basis beobachtbarer Verhaltensleistungen, zu definieren. Es ist allein dieses letztere Programm, mit dem wir uns im vorliegenden Zusammenhang zu beschäftigen haben."
62 (Bischof): "Der Möglichkeit, auf der Basis einer strengen Isomorphie-Annahme den (revidierten) Behaviorismus zu legitimieren, gibt bereits Köhler (1933, S. 42) Ausdruck. Nach Ansicht des Autors „kann das Sprechen der Versuchsperson als Anzeichen entweder für ihre BiHB2Erlebnisse oder für die Prozesse genommen werden, welche jenen BiHB3Erlebnissen zugrunde liegen. ... Da ... in beiden Fällen die gleiche Art von ,Realordnung‘ ... gemeint ist, so wird die Entscheidung im einen oder anderen Sinn wirklich recht unwichtig.“
66 (Bischof): "Für den Forscher, der den Außenstandpunkt
des Fremdbeobachters einnimmt und das Wahrnehmungsgeschehen demgemäß
so analysiert, wie es sich der physikalischen Weitsicht darbietet, nämlich
als physikalisch-physiologischen Nachrichtenübertragungs- und -Verarbeitungsprozeß,
besteht die Gefahr, die solcherart charakterisierten physiologischen Daten
zugleich als BiHB4Erlebnisinhalte
des untersuchten Subjekts zu deuten.
Die klassische Lehre von der Sinneswahrnehmung ist dieser Gefahr auf
weite Strecken erlegen. Aus diesem Fehler resultierte die Mißachtung
des phänomenologischen Postulats (vgl. o. S. 31 ff. und u. S.
331) in ihren sämtlichen Spielarten; die atomistische Empfindungslehre,
die aus der (physikalisch-räumlichen) Mosaikstruktur der Rezeptor-
und Neuronenverbände unmittelbar eine (anschaulich-räumliche)
Mosaikstruktur zugeordneter BiHB5Erlebniselemente
ableitete, ist in diesem Zusammenhang das gewichtigste, aber keineswegs
einzige Beispiel (vgl. dazu auch das oben S. 63 zur Kritik des Phänomenalismus
Angeführte sowie u. S. 333)."
S.325 (Bischof): im Sachregister nicht erfasst: "Wir verweisen am Rande auch auf die magische Zuordnung von „Kräften" (Dämonen, Gottheiten) zu bestimmten Raumgegenden (Cassirer 1954) und auf den trotz spekulativer Überformung doch für urtümliches BiHB3Raumerleben2 kennzeichnenden Grundgedanken der babylonischen Astrologie, nach dem die Wirksamkeit der Planeten wesentlich durch ihre Position und Konstellation spezifiziert wird (Winckler 1919)."
334 (Bischof): "... Das ZNS hat die Aufgabe, die Reizereignisse in Form
eines Aggregats punktueller Empfindungen zum BiHB4Erleben2
zu bringen. Damit ist das Gehirn an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit.
Zusätzlich gibt es nun aber weitere, rein seelische Faktoren, welche
in einer vor- oder randbewußten Region der Seele ihren Sitz haben,
daselbst in jenes amorphe Material „modellierend" eingreifen und ihm jene
phänomenologisch aufweisbare Sinngestalt verleihen, in der es dann
schließlich dem wachen Bewußtsein präsent wird.
Die eben skizzierte Auffassung wird — vornehmlich von neopositivistischer
Seite — als „Emergentismus“ ) bezeichnet (vgl. z. B. Pap 1955, S. 170 ff.,
Feigl 1958, S. 374, 377 ff.). Für die moderne Psychologie liegen ihre
unmittelbaren Wurzeln in der Lehre Brentanos (s. o. S. 36); die wichtigsten
einschlägigen Schulrichtungen sind die Gestaltpsychologie Grazer
und Leipziger Provenienz sowie die Gestaltkreislehre. Tendenz
zu emergentistischem Denken besteht ferner überall dort, wo das Leib-Seele-Verhältnis
nach dem Modell der Schichtung verstanden wird.
Seinen differenziertesten Ausdruck hat das emergentistische Konzept
in der Produktionstheorie Benussis gefunden; wir verweisen dazu auf das
kritische Referat bei Koffka (1915). Charakteristisch für den Leipziger
Standpunkt ist die Behauptung Welleks (1954, S. 31), daß die Gestaltgesetze
wie z. B. die Prägnanztendenz „nicht gedacht werden können ohne
einen persönlichen Sinnträger und Sinngeber, der ... im Physiologischen
grundsätzlich nicht gesucht werden kann“. Noch deutlicher spricht
Lersch (1962, S. 372, 373, 378) von den „durch die Reize der Außenwelt
ausgelösten, durch die Sinnesorgane vermittelten und durch das Zentralnervensystem
zum BiHB5Erleben2
gebrachten Empfindungen“, die „in ihrem räumlichen und zeitlichen
Nebeneinander“
zwar „notwendige, aber nicht zureichende Bedingungen der Wahrnehmung" seien,
und dies deshalb, weil „die Wahrnehmung kein einfaches Hinnehmen und automatenhaftes
Abbilden der ... Empfindungen darstellt, sondern eine Eigentätigkeit
des seelischen Subjekts wesentlich mitenthält“, kraft welcher
„das Material“ der „physiologisch gleichwertigen Einzelempfindungen“
zu Bedeutsamkeitsganzen zusammengefaßt werde.
346 (Bischof): "Nur so wird verständlich,
warum Metzger (1961) im Zusammenhang mit den mannigfachen von der Neurologie
auf gewiesenen funktionalen Diskontinuitäten im Gehirn von einer „Aporie
der Psychophysik“ spricht: Der Gestalttheorie geht es nämlich keineswegs
um die Behauptung universell stetiger Übergänge in allen Bereichen
des anschaulichen Geschehens; eine Reihe theoretisch höchst wichtiger
Diskontinuitäten — wie z. B. das Phänomen der „Prägnanzstufen“,
die bei gleitender Abwandlung der Reizkonfiguration unstetig (d. h. durch
„flaue“, „nichtssagende“, „zwiespältige“ Zwischenformen getrennt)
aufeinanderfolgen — verdankt ja gerade ihr die Entdeckung (Wertheimer 1923).
Ihr eigentliches Anliegen ist doch vielmehr die Leugnung einer ganz bestimmten
Art von räumlicher Diskontinuität, nämlich der Mosaikstruktur
der BiHB6Erlebnisinhalte1,
und daß diese als unausweichliche Konsequenz substratgebundener Erregungsordnung
empfunden wird, läßt sich eben nur aus der Erwartung verstehen,
einem neuronalen Netzwerk, das aus nebeneinander angeordneten, selbständig
reagierenden Einheiten aufgebaut sei, müsse bei Gültigkeit des
Isomorphiesatzes auch eine räumlich zerstückte BiHB7Erlebniswelt1
entsprechen."
355 (Bischof): im Sachregister nicht erfasst: "Fragen wir — allein
zur Veranschaulichung und ohne die Warnung Lettvins vor Verallgemeinerung
seiner Befunde zu mißachten —, wie sich die Meldung eines einzigen
Convex Edge Detectors (s. o. S. 339), gesetzt sie wäre ein psychophysisches
Signal, phänomenal repräsentieren müßte: Sie beinhaltet
nicht nur das Strukturmerkmal der Konvexität, sondern zugleich,
daß ein so begrenztes Objekt tatsächlich existiert, ferner
die ungefähre Gegend, in der es sich befindet, seine Größe,
gegebenenfalls auch seine Bewegungsrichtung und zudem noch, daß
es dunkler ist als seine Umgebung! Alle diese Daten sind in einem
einzigen, physikalisch unzerlegbaren und damit elementaren Signalparameter,
nämlich einer Entladungsfrequenz, enthalten, freilich nicht so, daß
sie voneinander ohne gleichzeitig eintreffende weitere Meldungen trennbar
wären — sie müßten, kämen sie zum BiHB6Erleben2,
in eine eigenartig diffuse Komplexqualität zusammenfließen,
die bei Steigerung der Entladungsfrequenz nur als Ganze intensiver
werden könnte.
Fundstellen 5. Kap 79-127: e=45, erleben 39, erlebt(e,en) 6, E=16,
86 (Graumann): "Mit dieser Gleichsetzung ist es im Sinne der unter a) gemachten Einwände (2) und (3) nicht besser gestellt. Andererseits reicht die Gleichsetzung von „Seele“ und „Bewußtsein“, wie wir eingangs zitierten, bis in die neuere Zeit. Nicht nur sah man „keinen Grund, eine psychische Tatsache außerhalb des Bewußtseins anzuerkennen“ (Münsterberg 1910, 29) — eine Position, gegen die Freud immer wieder Sturm lief —, auch das Verwerfen „mentaler“ Sachverhalte durch den Behaviorismus warf ja, weil es nicht darauf ankam, Bewußtes und Seelisches zumeist in einen Topf. Tatsächlich lag und liegt die Beweislast der Unterscheidung von „seelisch“ und „bewußt“, nachdem die „Seele“ aus der wissenschaftlichen Psychologie entlassen war, bei denjenigen, die den Bewußtseins-Begriff, in welcher Bedeutung auch immer, halten wollen. Nicht viel anders ist es im übrigen mit der Gleichsetzung Bewußtsein = GrHB1Erleben2 bestellt; denn die Psychologie war längst zur Anerkennung „unbewußter" Inhalte und Prozesse geschritten, als sie sich noch als Wissenschaft vom GrHB2Erleben2 verstand, ohne allerdings den Versuch zu machen, den GrHB2Erlebnis-Begriff des 19. Jahrhunderts für ihre Zwecke zu bestimmen (vgl. hierzu Gadamer 1957, 1960). Die Frage bleibt, ob das bislang letzte Glied in der historischen Titel-Folge der Psychologie „Seele — Seelisches — Bewußtsein — GrHB3Erleben2 — Verhalten“ der Bewußtseins-Problematik entronnen ist (vgl. hierzu Boring 1933; Merleau-Ponty 1942; Tilquin 1950; Linschoten 1961; Graumann 1965).
106f. (Graumann): "... Auch für Rubinstein ist Wissen nur ein
Aspekt des Bewußtseins: in Einheit und gegen-[>107]seitiger Durchdringung
mit ihm steht, was Rubinstein (bzw. sein Übersetzer) als „GrHB4Erleben“,
d. h. als das Persönliche des Wissens bezeichnet (1958, 18). Schon
James führte unter seinen fünf Kriterien des Bewußtseinsstromes
als erstes auf, daß jedes Bewußtsein als mein Bewußtsein
erfahren wird; er spricht deshalb vom persönlichen Bewußtsein
(1950, I, 225), Jaspers später vom „Ton des ,mein‘, des ,ich‘, von
„Personalisation“ (1959, 101). Wiederum ist noch nicht von einem ausgeprägten
Ich-Bewußtsein und dessen Weiterentwicklung zum Selbst-Bewußtsein,
Persönlichkeits-Bewußtsein die Rede, noch von der Reflexion
des Wissens auf sich selbst oder gar seiner iterativen Regression (Hönigswald
1925, 60). Vielmehr ist die von James, Jaspers und anderen nachgewiesene
— und von Heidegger ontologisch bestimmte — „Jemeinigkeit“ des Daseins
(1949, 42) ein zunächst präreflexiver Zug
jedes
GrHB5Erlebens2.
In der dialektischen Sprache Rubinsteins kommt jedem Wissen GrHB6Erleben2
zu, aber auch jedes GrHB7Erleben2
ist ein GrHB8Erleben2
von etwas und damit — zumindest keimhaft — „Wissen“ (1958,19;
vgl. auch Cobbs Fassung des Bewußtseins als „awareness of self and
environment“).
Da der Begriff des GrHB9Erlebens2
wissenschaftlich zu stark generalisiert worden ist, bezeichnen wir den
hier zu diskutierenden Aspekt des Bewußtseins, seinen „persönlichen“
und „innerlichen“ Zug als Innesein. Linschoten, der das Innewerden
die „allgemeinste und elementarste Bewußtseinsform" nennt (1961,
221), hat gerade anhand der Jamesschen Gefühlstheorie die leibliche
Grundbedeutung des noch vor-reflexiven GrHB10Erlebens2
damit aufzuweisen versucht, daß der Leib im Innewerden seiner Möglichkeiten
zu sich selbst kommt. Im Innewerden der Möglichkeiten, nämlich
als „Vermöglichkeiten“ (Husserl), im GrHB11Erleben2
des eigenen Tun-Könnens konstituiert sich der „kontinuierliche, konstante
Zentral- und Angelpunkt“ des „Ich“ (Anschütz). Das „ich kann“ geht
dem „ich denke“, präreflexives leibliches Verhalten reflexivem Wissen
voraus: „La conscience est originairement non pas un ,je pense que‘, mais
un ,je peux‘" (Merleau-Ponty 1945, 160; vgl. auch das für das „Zukunftsbewußtsein"
konstitutive Wissen vom eigenen Können bei Keller 1932), Ähnlich
faßt Thomae, hier Rothacker folgend, das Innesein als ein „Verlaufsgefühl“,
das über Können und Nicht- Können, über Vorankommen
und Nicht-Vorankommen unterrichtet, um im Falle auftauchender Schwierigkeiten
„Wachheit“ herbeizurufen (1940, 623). Thomaes Charakterisierung zeigt an,
daß dem GrHB12Erleben2
„im Modus des schlichten Inneseins“ (so Lersch, der jedoch davon das „GrHB13Erleben2
im Modus des Bewußtseins“ unterscheidet [1954, 531]) eher Befindlichkeits-Charakter
zugesprochen wird; die Gefühlsfärbung, die bestimmte Lebensabschnitte
in der Erinnerung haben, gefühlsmäßige Stellungnahmen gegenüber
Mitmenschen nennt Thomae (a. a. O.) als weitere Leistungen des Inneseins.
Auch bei der Wirksamkeit des „in Fleisch und Blut“ übergegangenen
Wissens, das Thomae als Verhalten regulierendes „Lageschema“ bezeichnet,
handelt es sich „nicht unbedingt um ein gegenständliches ,Haben‘ von
bestimmten Erfahrungen oder dergleichen, sondern unter Umständen nur
um eine Stimmung, eine Anmutung oder ein ... "Eingestelltsein" (1943, 129;
vgl. 1958). ..."
119 (Graumann): "Bewußtsein, Erleben,
Verhalten: Bewußtsein und GrHB14Erleben2,
GrHB15Erleben2
und Verhalten werden in der Literatur gelegentlich promiscue
gebraucht; andere Autoren versuchen Trennungen zu wahren. Der Überblick
über die Bewußtseins-Problematik in der heutigen Psychologie
ergibt indes, daß zwar durchweg (beobachtbare) Verhaltensweisen Bewußtsein
indizieren sollen, aber damit noch keineswegs mit Bewußtsein bedeutungsgleich
werden, noch selber anderes als Bewußtsein darstellen sollen. Vielmehr
liegt die empirische Praxis, die selber kaum irgendwo verbalisiert wird,
so, daß es sich bei den verschiedenen (als Indikatoren dienenden)
Verhaltensweisen um den bewußt seienden Menschen handelt, sofern
er tätig wirkend in seine Umwelt eingreift bzw. Stellung zu ihr nimmt;
Nuttin (1955) sprach entsprechend von der Bewußtseins-Extemalisierung.
Andererseits wird in vielen Fällen mit „GrHB16Erleben2“
das Innesein des sich verhaltenden Menschen angezeigt, ein Innesein, das
als „introspektiver“ Grundbestand der öffentlichen Beobachtung ebensowenig
zugänglich ist wie die Welt überhaupt, die wir GrHB17erleben2,
über die wir aber in ständiger öffentlicher Kommunikation
stehen. Zu einem vollen Bewußtseins-Begriff gehören demnach
beide Aspekte, GrHB18Erleben2
wie Verhalten, bzw. beiden kommt Bewußtsein zu, vor allem, wenn man
damit wesentlich den Gradienten des Wissens meint, der vom präreflexiven
Empfinden bis zur kritischen Stellungnahme reicht. In verschiedenen Stufen
der Klarheit und Deutlichkeit, die eng mit den Wachheits-Niveaus des Leibes
verbunden sind, „wissen" wir um uns, ist aber auch unser Handeln tätiges
Wissen von unserer Welt. ..."
Eine Klärung des mehrfach gebrauchten Begriffs des Gestalterlebens erfolgt nicht, es wird aber S. 1045 auf Sander 1927 verwiesen; in dessen Arbeit habe ich "Gestalterleben" zwar 12 x gefunden, aber auch keine Begriffsklärung, was denn speziell Gestalterleben ist oder sein soll.
4 Fundstellen im Sachverzeichnis.
erleben 3, erlebt 0, Erlebnis 2
1031 - 1096 (Carl-Friedrich Graumann): "Nicht-sinnliche Bedingungen
des Wahrnehmens" 1045 "... Verhaltens als „personkonstante Formen des GrHB19Gestalterlebens2
und Gestalthervorbringens“ (Sander in Sander/Volkelt 1962, 327 ff.)." 1927/1962
Sander Experimentelle Ergebnisse der Gestaltpsychologie.
Sachregister Bereich Graumann Arbeit: 1043, 1045, 1048, 1075.
1043: "Delta) Fokussierung
Das Steuerungs-Prinzip der Fokussierung betrifft die sog. Aufmerksamkeits-Verteilung,
und zwar in psychoanalytischer Interpretation. Entsprechend weist Schlesingers
„focussing“ (1954) zwei Bedeutungs-Akzente auf: (a) eine Tendenz zur Bewußtheits-Enge
bzw. zum Auseinanderhalten und Fürsichhalten von Erlebnissen,
(b) die speziell aus dem Freudschen Begriff der „Isolierung“ hergeleitete
Tendenz, „Affekt“ und „Vorstellung“ getrennt zu halten; womit (b) ein Sonderfall
von (a) wird. ..."
1045: Im Zusammenhang mit Witkin Erwähnung Gestalterleben unter Berufung auf Sander in Sander / Volkelt 1962, 327 ff.
1048: "... Die Annahme „primärer“ und „sekundärer“ Prozesse (Freud) läßt sich nach schwedischer Auffassung experimentell überprüfen; die adäquate Methodik (vgl. hierzu Pollack & Chaplin 1962) findet sich im Kontext der aktualgenetischen Forschungen Sanders und seiner Mitarbeiter, zumal sie dazu dienen soll, „individuelle Differenzen in der strukturellen Angelegtheit des GrHB21Gestalterlebens2“ sichtbar zu machen (Sander, in Sander/Volkelt 1962, 107). Dieses aber, das Strukturelle individuell über die Wahrnehmung zu erschließen, ist das Hauptinteresse des Lund-Kreises. Gestaltprobleme treten zurück, Bedingungen der Sinngebung hingegen treten in den Mittelpunkt (vgl. Draguns 1961), neben die Bestimmung von typischen Verlaufsgestalten aktualgenetischer Prozesse. Beides, Modi der Sinngebung wie Verlaufsformen perzeptiver Adaptations-Prozesse, dient der Bestimmung von kognitiven Persönlichkeits-Strukturen."
1075: "... Als implizite GrHB2Erlebnis1- und Verhaltens-Weisen erleichtern Einstellungen den nachfolgenden kognitiven Akt; sie aktivieren spezifische Wahrnehmungen (vgl. Fraisse 1961; Lawrence 1963)."
Werner erklärt S. 278: "Unter einer Synästhesie versteht man die spontane Verknüpfung zweier oder mehrerer heterogener Sinnesqualitäten — gleichgültig ob diese Sinnesqualitäten wahrnehmungs- oder vorstellungsmäßig gegeben sind. In der Literatur findet man oft die Ausdrücke „Sekundärempfindung", „Doppelempfindung" oder „Mitempfindung". Für gewisse Unterarten der Synästhesie sind besondere Namen gebräuchlich, z. B. „audition colorée", „Synopsie", „Vision tactile" u. a.; akustische oder optische Sekundärerscheinungen werden oft als Phonismen, Photismen u. dgl. bezeichnet." In dieser Arbeit - Intermodale Qualitäten (Synästhesien) - wäre zu erwarten, dass das Erleben von Synästhesien geklärt wird. Das konnte ich leider nicht finden.
Alle 31 Fundstellen "erleb"
Ausgewählte Fundstellen:
S. 589 "e) Psychologie besonderer Bewußtseinszustände:
Eine Reihe von Tatsachen
weist darauf hin, daß das Auftreten synästhetischer Erscheinungen
von der Höhe der Bewußtseinslage abhängt. Wir finden
daher, daß selbst
bei normalen Kulturmenschen Doppelempfindungen besonders häufig
in
Zuständen urtümlicher Erlebnisart
auftreten: Solche Zustände können unter
„natürlichen" Bedingungen bestehen; solcher Art sind Dämmerungs-
und
Ermüdungszustände. Derartige Zustände können aber
auch experimentell
— durch Rauschgifte, durch künstliche Isolierung, d. h. Unterdrückung
von
Umweltreizen usw. — erzeugt werden."
297 (Werner): "Erlebnisstufen dieser Art kann man auch in bezug auf
die Farben aufzeigen. Katz (49) hat bereits die Oberflächenfarben
und die Flächen- oder Nebelfarben beschrieben, die den Gegenstandtönen
und Raumtönen entsprechen. Man kann aber auch die Farben viel
innerlicher erleben2; eine
rote Farbe wird dann nicht mehr äußerlich, sondern innerlich,
körperlich-zuständlich empfunden. „Diese Art der sinnlichen Gegebenheit
möge als ,Vitalempfindung‘ bezeichnet werden. ..."
Fundstellen Sachregistereinträge
672 (Fraisse): "Unsere Schätzungen, selbst die gröbsten, sind offenbar nur auf einer Grundlage möglich, die von den vom Menschen erfaßten laufenden. Änderungen geliefert wird. Die FrHBe1erlebte2 Zeit ist immer die Zeit eines FrHBE1Erlebnisses von Veränderungen.
675 (Fraisse): "Aber wie soll man sich diesen Einfluß des Niveaus
erklären? Es wirken scheinbar zwei Faktoren mit. Der eine dürfte
affektiver Art sein: je höher das Aktivierungsniveau ist (ohne die
Versuchsperson zu überfordern), desto interessanter ist die Aufgabe.
Wir werden später sehen, daß die Zeit um so kürzer erscheint,
je größer das Interesse für eine Aufgabe ist. Der andere
Faktor hängt mit dem spezifischen Niveau der Aufgabe selbst zusammen.
Im gemeinen werden die Aufgaben, welche einem höheren Aktivierungsniveau
entsprechen, weniger aufgeteilt, so daß um so weniger Schritte zu
einem
Endergebnis führen (eine Handlung vollziehen,
eine Lösung
finden). Mit anderen Worten:
Die Versuchsperson
FrHBe2erlebt2
mehr einzelne Veränderungen bei Tätigkeiten von niedrigem Niveau
als bei solchen von hohem Niveau. Man kann ebenso sagen, daß die
Aufgabe subjektiv um so kürzer erscheint, je einheitlicher sie ist.
Harton (1939) hat dieses Gesetz unmittelbar geprüft. Die Versuchspersonen
mußten einerseits die Dauer einer Aufgabe von starker Einheitlichkeit
schätzen: ein ziemlich schwieriges sprachliches Labyrinth lernen;
andererseits eine stärker zergliederte Aufgabe: mehrere kleine Labyrinthe
des gleichen Typs lernen. Die Gesamtdauer jeder Aufgabe war dieselbe, aber
sie wurde mit 305 s im Fall eines einzigen Labyrinths und mit 444 s im
Falle mehrerer Labyrinthe geschätzt."
679 (Fraisse): "Wenn die Zeit mir lang wird, achte ich auf alle Schritte, die mich vom Ende der gegenwärtigen Zeit trennen, und die FrHBe3erlebte2 Häufigkeit der Schritte wird groß. Wird mir auf der anderen Seite die Zeit nicht lang, so [>680] nimmt mich eine einzige Tätigkeit ganz in Anspruch deren einzelne Schritte mehr oder weniger miteinander verschmelzen. ..."
913 (Rausch): "b) Eine einheitstiftende Eigenschaft eines Komplexes, wie sie soeben ge meint war, kann allgemein als anschauliche Gesetzmäßigkeit angesprochen .werden, als eine den gesamten Komplex betreffende unmittelbar gegebene Ordnung. Als Gegenstück hat die anschauliche Zufälligkeit des in Rede stehenden Zusammen zu gelten. Für die beiden Begriffe bestehen analoge-Verhältnisse wie für Deutlichkeit und Verschwommenheit (der Einheit): Die mit ihnen gegebene Dichotomie ist die Vergröberung eines Kontinuums, und zwar des Kontinuums „mehr oder weniger gesetzmäßig (geordnet.)“; andererseits spiegelt sie einen natürlichen Unterschied des RaHB1Erlebens2 wider28). (Vgl. Fußnote 26.)"
935 (Rausch): "... Wo die Reizverhältnisse so beschaffen sind, daß ein zwar sinnvolles (p1-), aber nur relativ karges (q5-)Phänomen [FN50)] zustande kommt, kann dieses unter Umständen — bei geeigneter Sensibilität und Einstellung des Individuums — zu einer Art von ästhetischem RaHB1Frustrationserlebnis1 führen, einem Unbehagen auf Grund solcher Kargheit. Andererseits kann ein Phänomen von großer Gefügefülle (p5) — wieder möge außerdem der p1-Charakter vorausgesetzt sein — auf Grund dieser Fülle ein Gefühl der Befriedigung hervorrufen. Beides zeugt von einem entsprechenden Bedürfnis und einer entsprechenden Tendenz. ..."
Erleben —> Verhalten.
Erlebnisbeschreibung —> Beschreibung.
Erlebniselemente —> Empfindung.
Erlebnisqualität —> Qualität.
Erlebnistypus —> Rorschach-Test.
"He1Erlebnis1,
ganz allgemein: das Haben von Bewußtseinsinhalten; phänomenologisch
„jedes im
He2Erlebnisstrom1
Vorfindliche; also nicht nur die intentionalen He3Erlebnisse1
..., sondern was irgend an reellen Momenten in diesem Strom und seinen
konkreten Teilen vorfindlich ist“ (Husserl); im engeren Sinne das durch
starke Gefühlsbeteiligung ausgezeichnete Innewerden von person-bedeutsamen
Inhalten („großes“ He4E.1).
Das He5E.1
als verstehbare psychische Einheit wurde von W. Dilthey als Gegenstand
seiner Ps. gefordert und von seinen Schülern (z.B. E. Spranger) untersucht.
Dilthey betrachtete das He6E.1,
obschon dieses selber reich gegliedert sein kann, als die „kleinste Einheit“
im Fluß des Psychischen. Bestandteile der verschiedensten Qualität
(Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gefühle) verschmelzen im He7E.1
mit Erinnerungen, Gerichtetheiten (überhaupt Zeitlichkeit) zu eigentümlicher
Bedeutungseinheit. In sich selbst zentriert, ist das He8E.1
doch mit allen Teilen bezogen auf den Gesamtzusammenhang des Lebens. Auch
kleinste He9E.1-Einheiten
können schon artikuliert sein (Thema-Feld, Protention-Retention usf.).
He10Erlebnis-Ps1.
nennt man hiernach häufig die das inhaltliche He11E.1
nachverstehende Ps. bes. der Dilthey-Schule (auch Inhalts-Ps.). Demgegenüber
bezeichnet K. Bühler als He12Erlebnis-Ps.1
jede Ps., die v. der Methode des He1„Erlebens2“
(Selbstwahrnehmung; -> Introspektion) Gebrauch macht, zum Unterschied von
der Verhaltens- und der Leistungs-Ps.
L: K. Bühler, Die Krise der Ps., 19292;
O. F. Bollnow, Dilthey, 1936; W. Neubert, Das E. in der Pädagogik,
19323; A. Loewenstein, Das E., 1962."
ZusammenfassungSt1998: Städtler verweist bei Erleben auf -> Verstehen, -> geisteswissenschaftliche Psychologie. Beim Verstehen wird Erleben im psychologischen Sinne erwähnt, aber nicht näher ausgeführt.
Verstehen. Der vorwissenschaftl. Begriff V. hat in der Ps. keine
vom vorwissenschaftl. Gebrauch abweichende Bedeutung, ist aber »histor.-programmat.
geladen«: Er ist Leitmotiv einer ->geisteswissenschaftlichen bzw.
verstehenden
Psychologie, auch der -> phänomenologischen Psychologie. In dieser
spezif. Bedeutungsausprägung steht, dem Begriff V. der Begriff
Erklären
gegenüber; vgl. hierzu -> idiographisch vs. nomothetisch. Der
Begriff des Verstehens wird ergänzt durch die Begriffe Erleben2
u. Einfiihlen (beruhend auf Nach-Erleben)
- Letzteres als eine der wichtigsten, wenn nicht der einzigen Möglichkeit
des Verstehens, wie es in Deutschland v.a. von H. Gruhle, A. Pfänder,
T. Erismann u. H. Kunz thematisiert worden ist. Unter sachl.-empir. Aspekt
wird das Thema V. in den Forschungsparadigmen -> Sprachverstehen
u. -> Textverstehen erforscht.
VD/T: Der Begriff »Erleben« bzw. Erlebnis«
ist typ. Deutsch; es war Dilthey, der beide Wörter zu wichtigen Kzptn.
und fast zu einer Art Modewörtern gemacht hat, so dass einige
europäische Sprachen den Begriff Erleben als Fremdwort übernommen
haben.
BALMER, H. (Hg.): Geschichte
der Ps., 1. Bd. Weinheim 1982; BOLLNOW, O. F.: Das Verstehen. Mainz 1949;
GRAUMANN, H. M.: Das Verstehen. Versuch einer histor.-krit. Einleitung
in die Phänomenologie des Verstehens. In: BALMER (1982) S. 135-248;
GRAUMANN, C. F. u. WINTERMANTEL, M..: Sprachverstehen als Situationsverstehen,
In: ENGELKAMP, J. (Hg.): Ps. Aspekte des Verstehens. Berlin 1984,
S. 205-229; GROEBEN, N. u, SCHEELE, B.: Argumente für eine Psychologie
des reflexiven Subjekts. Darmstadt 1977; GROEBEN, N. : Handeln, Tun, Verhalten
als Einheiten einer verstehend-erklärenden Ps. Tübingen 1986;
KAFKA, G.: Verstehende Ps. u. Ps. des Verstehens. AfgP 65, 1928, S, S.
7-40; PONGRATZ, L. J,: Problemgeschichte der Ps. Bern 1967; SCHURZ, G.:
Was ist wissenschaftl. Verstehen? In: SCHURZ, G.: Erklären u. Verstehen
in der Wissenschaft. München 1990; SPRANGER, E. Zur Theorie
des Verstehens und zur geisteswissenschaftl. Ps. München 1918. "
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z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
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korrigiert: 14.10.2024 irs erneute Rechtschreibprüfung / 26.11.2022 irs Rechtschreibprüfung und gelesen
[intern prüfen:
[erfahren vs. erleben
https://www.sprachschule-aktiv-muenchen.de/unterschied-zwischen-erfahren-und-erleben/]