Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=17.07.2022 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: 30.04.24
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
    Mail:_sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  &  Copyright

    Anfang_ Begrifssanalyse Wissen_ Rel. Aktuelles _Überblick_Überblick Wissenschaft _Rel. Beständiges_ Titelblatt_Konzept_Archiv_Region_Service iec-verlag___Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie IP-GIPT1, Abteilung Wissenschaft, Bereich Sprache und Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema:

     Begriffsanalyse Wissen

    Originalrecherche von  Rudolf Sponsel, Erlangen

    "Man wird oft von einem Wort behext. Z. B. vom Wort »wissen«."
    Wittgenstein (27.3.1951) Über Gewißheit, Nr. 435

    Inhaltsübersicht
    Editorial.
    Zusammenfassung - Abstract - Summary Wissen.
       Definition Wissen.
       Definition Wissensquellen.
       Weitere Kriterien und Charakteristika zum Wissensbegriff.
            Wissenssubjekte (erkennendes Systeme).
            Was kann man wissen?
            Gründe für Wissen > Wissensquellen.
            Wissensquellen.
            Ontologische-Referenzwelt des Wissens: in welcher Welt wird etwas gewusst?
            Wissensarten.
            Erwerb und Evaluation des Wissens, Wissensqualitaet, Wahrheit und Skepsis.
               Evaluation des Wissens.
               Wissen und Wahrheit.
               Kritische Haltung.
               Skepsis.
       Klassifikationsschema zum Wissen.
       Begriffsanalyse-Wissen nach den Kriterien/Fragen konkreter, allgemeiner und abstrakter Sachverhalt und Begriff.
           Tabelle der Kriterien und Fragen zu konkrte, allgemein, abstrakt.
       Signaturen zum Wissensbegriff.
    Materialien zu wissen, Wissen in Sprachlehre und Wissenschaft:
       Sprachlehre, Wörterbücher, Lexika, Enzyklopädien:
           Duden, Brockhaus, Etymologie (Wortherkunft).
           Enzyklopädien:
              Wikipedia.
       Philosophie-Wissenschaftstheorie:
            Roger Bacon.
            Brendel (2013) Wissen.
            Craig, Edward (1993) Was wir wissen können. Pragmatische Untersuchungen zum Wissensbegriff.
            Enzyklopaedie Philosophie und Wissenschaftstheorie (1996).
            Niehaus (2004). Der Begriff des Wissens im Wissensmanagementdiskurs: Materialien zur Begriffsgeschichte.
            Bertrand Russell (dt. 1950) Grade der Glaubwürdigkeit in (373-392) Das menschliche Wissen.
            Stegmüller Fragen um Wissen in Glaube, Wissen und Erkennen (WBG-Ausgabe).
            Waismann, Friedrich (1976). Wissen (S.503-505) in Logik, Sprache, Philosophie.
            Exkurs: Was bedeutet Archäologie des Wissens bei Foucault?
      Wissen in der Mathematik:
           Bardy, Thomas  (2015) Zur Herstellung von Geltung mathematischen Wissens im Mathematikunterricht.
           Nickel, Gregor (2018) 2. Kurzessay: Mathematisches Wissen.
      Wissen in den Naturwissenschaften:
           Gierer, Alfred (1988) Das Wissen vom Wissen.
           Physik:
              Lindley, David (dt. 1997) Das Ende der Physik.
       Psychologie:
           Wissen im Dorsch Lexikon der Psychologie.
           Spektrum Lexikon der Psychologie.
    Gebrauchsbeipiele wissen und Wissen in Wissenschaft, Bildung und Leben:
       Eigene Wissens-Beispiele.
       Allan Watts (1961) Wissen und östliche Philosophie in Der Zenbuddhismus.
       Leinfellner, Werner (1967) Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie.
    Literatur:

    • Literatur Wissen o.n.S. (ohne nähere Spezifikation).
    • Wissensbücher (Auswahl).
    • Bildungsbuecher (Auswahl).
    • Allgemeinbildung (Auswahl).
    • Fachwissen (Auswahl):
      • Schulwissen Physik.
      • Allgemeinwissen Physik.
    • Spezialwissen (Auswahl).
    • Lit Wissenspsychologie (Auswahl).
    • Lit. Wissens-Soziologie.
    • Medien (Auswahl).
    Links * Glossar * Querverweise * Zitierung und Copyright * Änderungen.



    Editiorial
    Wissen ist ein kaum zu überschätzender Begriff mit einer extremen Reichweite und Tiefe. Das geht vom einfachsten bis hin zu sehr komplizierten und komplexen Sachverhalten, die ganze Theorien umfassen. Alles, was so oder so der Fall war, ist, sein wird oder sein kann, kann gewusst werden oder nicht. So betrachtet ist die Klärung des Wissens eine kaum zu bewältigende Aufgabe und kann eigentlich nur angedacht und angefangen werden. Dennoch wird dieser Versuch hier gemacht und im Laufe der Zeit weiter ausgebaut, um die vielen, vielen Facetten und Aspekte des Wissens wenigstens näherungsweise zu erfassen.



    Zusammenfassung - Abstract - Summary Wissen
    Wissen heißt die stärkste Form der Erkenntnis. Es muss lehr-, lernbar, beweis- oder begründbar sein. Wissenschaftliche Präsentationen sollten Belege anführen (Fußnoten, Anmerkungen).
        Die Gretchenfragen des Wissens lauten: was bedeutet Wissen, was besagt wissen? Wie oder wodurch wird etwas Wissen? Wie gelangt man zu Wissen? Wissen im Unterschied zu meinen, glauben, vermuten, annehmen (> Überzeugungsgrade) beinhaltet etwas Richtiges und Sicheres, wenn auch im subjektiven Bereich manchmal nur schwer oder auch gar nicht prüf- und kontrollierbar.
        Genau genommen ist wissen ein vieldeutiges Homonym  mit sehr unterschiedlichen Merkmalen, was wir in den Signaturen zu spezifischen Wissensbegriffen zur Kennzeichnung erfassen.
        Zu klären ist noch, ob Wissen der Objekt- oder der Metasprache angehört?

    Definition-wissen
    Wissen besagt, dass ein Wissenssubjekt begründet meint, dass ein Sachverhalt  der  Referenzwelt  so und so der Fall war, ist, sein wird oder sein kann oder nicht. Damit ist noch nicht gesagt, ob diese begründete Wissensmeinung auch richtig ist, also ist nach dieser Definition auch ein falsches oder irrtümliches Wissen möglich, was sich widersprüchlich anhört. Zum Wissen gehören wie bei den  Definitionen Referenzen; wo und wie sich das Wissen in der Welt finden lässt. 
       Allgemeinwissen kann man dann so einführen, dass ein Wissen von vielen oder von den meisten Wissenssubjekten geteilt oder vertreten wird, z.B. es gibt die Sonne, Tag und Nacht, Wünsche und Motive, Grausamkeit und Terror und die Gewissheit des Todes. 

    Definition-Wissensquellen
    Es gibt verschiedene Wissenquellen 
    In-Augenscheinnahme (Wahrnehmung, Beobachtung)
    Wissen herstellen oder zeigen können, wissen wie etwas geht, Aufgaben lösen können (Ausbildung, Schulen, Tätigkeiten, Lernen)
    Wissen belegen, begründen, erklären können
    Wissensquellen angeben, z.B. Berufung auf Wissensautoritäten (Wiedergabe Wissen, Zitierwissen)

    Weitere Kriterien und Charakteristika zum Wissensbegriff
    Um den Begriff mit all seinen Facetten und Aspekten möglichst vollständig zu erfassen, betrachten wir verschiedene Charakteristika und Aspekte des Wissens.

    Wissenssubjekte (erkennendes System)

    • subjektives, persönliches, privates Wissen.
    • gruppensubjektives Wissen, z.B. das Wissen einer Gemeinschaft, Gruppe oder Familie.
    • intersubjektives Wissen, das Wissen der meisten - streng allerj - Menschen.
    • objektives (beweisbares) Wissen
    • öffentliches Wissen, allgemeines Wissen ("Allgemeinbildung", öffentliche Meinung)
    Was kann man wissen?
    • Ob etwas der Fall so oder so ist, war, sein wird oder sein kann oder nicht in der > Referenzwelt.
    • Unter welchen (Rand- oder Normal-) Bedingungen etwas der Fall ist, war, sein wird oder sein kann oder nicht in der > Referenzwelt.
    • Warum oder wodurch etwas der Fall ist, war, sein wird oder sein kann  oder nicht > Gründe.
    Gründe für Wissen > Wissensquellen.
      Persönliche Gründe: Erleben, Erfahrung, Meinung.
      • Direktes unmittelbares persönliches Erleben: ich weiß es, weil ich es erlebe oder erlebt habe, dabei war, unmittelbarer Handlungs- oder Erfahrenszeuge.
      • Persönliche Erfahrung: ich weiß es, weil ich es erfahre  oder erfahren haben.
      • Persönliche Meinung, dass etwas ist, war, sein wird oder sein kann oder nicht.
      Sachliche Gründe
      • Angabe von Gründen
        • Wissen durch in-Augenscheinnahme.
        • Wissen durch Berufung auf eine - mehr oder minder zuverlässige - Wissensquelle (sagt ..., steht in ...)
        • Wissen durch Berufung auf Wissenserwerb (Lernen, Aneignen in Ausbildung, Schulen, Tätigkeiten)
        • Wissen im Zusammenhang mit tiefgreifenden Wissenerwerbsprozessen mit gründlichen Kenntnissen und Erklärungskompetenzen
      • Beweis: Ein Beweis hat, verdichtet, folgende Struktur: A1 => A2  => .... => Ai .... => An. Schritt für Schritt ist zu zeigen, wie man vom Anfang A1 zum Ende An gelangt.
      • Plausibilität der Gründe
      • Referenzquellen von Wissen oder Gründen
    Wissensquellen  > Brendel 2013 Wissensformen.
            Eigene Wissensquellen: Erleben, Erfahrung, Erinnerung, Denkergebnisse
      Direktes, unmittelbares Erfahren, z.B.
      • Ich sehe aus dem Fenster und sehe einen Baum. Ich weiß, da ist ein Baum. Wissensquelle Wahrnehmung, Beobachtung.
      • Ich bin wach und an meiner Arbeit (im Augenblick Bearbeitung der Wissenssseite beim Thema Wissensquellen). Ich weiß, ich bin wach und arbeite am Thema Wissensquellen. Wissenschquelle: Eigenes Erleben, innere Wahrnehmung.
      Indirektes, mittelbares Erleben aus der Erinnerung
      • Ich habe gestern getankt. Ich weiß, ich habe gestern getankt. Wissensquelle: eigenes Erleben, Handeln, Erinnerung.
      • Meine Frau hatte gestern 8 Anwendungen. Ich weiß von meiner Frau, dass sie gestern 8 Anwendungen hatte.
            Fremde Wissensquellen
      • Bekannte, Freunde, Angehörige, Interessenbeziehungen, Autoritäten, Andere (in der U-Bahn, In Bus, Bahn oder unterwegs aufgeschnappt)
      • Medien, Nachrichten, Zeitungen, Internet (Foren),
      • Fach-Bücher, Bildungs-Bücher, Wissens-Bücher, Lexika (z.B. Das Fischer Lexikon), Enzyklopädien, Handbücher, Zeitschriften,
      • Schule, Studium, Ausbildung.
      Von großer Bedeutung ist die Zuverlässigkeit einer Wissensquelle: kann und darf man ihr vertrauen, warum und wieso? Wie kann man die Vertrauendwürdigkeit einer Wissensquelle prüfen?
    Ontologische-Referenzwelt des Wissens: in welcher Welt wird etwas gewusst?
      Bringt man die ontologischen Ebenen oder Referenzwelten durcheinander, kann man sich schnell verstricken und verheddern. Was in einer Referenzwelt richtig ist, kann ich in einer anderen falsch sein. Ich führe folgende ontologische Ebenen ein, um eindeutig kennzeichnen zu können, in welcher Referenzwelt wir uns befinden:
      • _RWO Objektive Welt (Natur, naturwissenschaftliche Welt) heiße die Referenz-Welt, die es auch gibt, wenn man sich die Menschen hinwegdenkt, wenn auch nicht für immer und ewig, sondern zeitlich begrenzt.
      • _RWM Welt der Menschen, Individuen, Gruppen, Gemeinschaften, Gesellschaften und Staaten. Auch der Mensch gehört mit zur Natur und kann naturwissenschaftlich betrachtet werden.
        • _RWME  Erlebens-Welt heißt die Referenz-Welt, die der Mensch erlebt. RWME ist Teil der RWM. RWME und  RWMW können sich überschneiden, wobei auch nichtbewusste Wahrnehmungen das Erleben beeinflussen können.
        • _RWMW Wahrnehmungs- oder Wirklichkeitswelt heißt die Referenz-Welt, die der Mensch mit seinem Wahrnehmungs- und Verarbeitungsapparat erfährt und konstruiert. RWMW  ist Teil der RWM.
        • _RWMD  Denk- und Begriffswelt, ein Teil der Erlebens-Welt, heißt die Referenz-Welt, die der Mensch mit seinen Begriffsbildungen und ihren Beziehungen konstruiert und erzeugt. Die Denk- Begriffswelt kann als die Sprache des Geistes angesehen werden kann. RWMD ist Teil der RWM. und RWME.
        • _RWMP  Phantasiewelt.
        • _RWMN   Normwelt, die Welt der Gebote, Verbote und des Erlaubten.
        • _RWMB  Wunsch- und Bedürfniswelt, die Welt der Wünsche und Bedürfnisse
        • _RWMS Sprachliche Welt heißt die Referenz-Welt, die der Mensch in seiner Kommunikationssprache beschreiben kann. RWMS ist Teil der RWM.
        • _RWMV Verhalten, handeln, tun.
      • _RWm  Möglichkeitswelt, Welt der Wahrscheinlichkeiten.

      • _RWonS  Referenzwelt ohne nähere Spezifikation: keine Referenzwelt angegeben, Bezugnahme ohne nähere Spezifikation. Der Normalfall beim Sprechen oder schreiben.
    Wissensarten > Brendel 2013 Wissensformen.
    Es gibt so viel Wissen, wie es Sachverhalte gibt. Meist wird Wissen in spezifische Bereiche gegliedert: Allgemeinwissen (Allgemeinbildung), Alltagswissen, Auswendigwissen, Ereigniswissen, Fachwissen, Lexikonwissen, persönliches Wissen (zur eigenen Person und Geschichte), praktisches Wissen, Schulwissen, Wissen aus zweiter Hand.
    Erwerb und Evaluation des Wissens, Wissensqualitaet, Wahrheit und Skepsis
    Die schlichteste Form des Wissens ist die bloße Behauptung: ich weiß.
    • Evaluation des Wissens
      • Wie prüft man die Qualität des Wissens?
      • Welche Wissensquellen liegen vor, werden geltend gemacht?
      • Welche Gründe für das Wissen werden angegeben?
    • Wissen und Wahrheit
    • Kritische Haltung
      • Gesunde Skepsis gegenüber dem Erleben und der Erfahrung
      • Gesunde Skepsis gegenüber Wissensquellen
    • Skepsis
      • Grundsätzliche, sophistische oder radikale Skepsis
        • Traum (Descartes)
        • Halluzination
        • Matrix
        • Einbildung / Tagtraum
        • Wunschphantasie
        • Täuschung/ Irrtum
        • Fälschungen, Betrug
    Wissen und Wahrheitswerte
    Wissen im Unterschied zu meinen, glauben, vermuten, annehmen betrifft Sachverhalte, denen ein Wahrheitswert (wahr, falsch, unklar) begründet und prüfbar zugeordnet werden kann. Sätze, denen einen Wahrheitswert zugeordnet werden kann, heißen auch Aussagen. Wissen ist ein metasprachlicher Begriff. Der Sachverhalt wird in Objektsprache formuliert.

    Klassifikationsschema zum Wissen
    Wissensobjekt: Über wen oder was wird etwas gewusst?

    • Wissensobjekt selbst
    • Wissensobjekt andere
    • Wissensobjekt Sachverhalte Außenwelt
    Wissenssubjekt Wer weiß etwas über wen oder was?
    • Wissenssubjekt selbst
    • Wissenssubjekt andere
    • Wissenssubjekt öffentlich/ institutionell
    Wissensevaluation
    • Wissensevaluation In-Augenscheinnahme (Wahrnehmung, Beobachtung)
    • Wissensevaluation etwas belegen, begründen, erklären können
    • Wissensevaluation herstellen können, Aufgaben lösen, Fragen beantworten können
    • Wissensevaluation Berufung auf Wissensautoritäten (Wiedergabe Wissen, Zitierwissen)




    Begriffsanalyse-Wissen nach den Kriterien/Fragen konkreter, allgemeiner und abstrakter Sachverhalt und Begriff
    Zusammenfassung Sachverhalt und Begriff Wissen: Es gibt den Sachverhalt Wissen und den Begriff Wissen, der ihn erfasst und das Wort Wissen, das den Begriff bezeichnet. Es gibt so viel Wissen, wie es Sachverhalte gibt. Meist wird Wissen in spezifische Bereiche gegliedert: Allgemeinwissen (Allgemeinbildung), Alltagswissen, Auswendigwissen, Ereigniswissen, Fachwissen, Lexikonwissen, persönliches Wissen (zur eigenen Person und Geschichte), praktisches Wissen, Schulwissen, Wissen aus zweiter Hand.
        Ergebnis der Kriterien / Fragen Analyse: F00A, F01-, F02-, F03+, F04+, F05+, F06+, F07+, F08+, F09+. Zur  Vergleichstabelle  bisheriger Begriffsanalysen.

    Tabelle-Kriterien/Fragen
     
    Kriterien / Fragen Ausführungen zu den Kriterien / Fragen
    F00   Ding (D), Eigenschaft (E), Relation (R), Anderes (A)? F00A: Wissen ist kein Ding, keine Eigeneschaft und auch keine Relation und damit etwas Anderes (A)
    F01  äußerlich direkt wahrnehmbar? F01-  Sachverhalt und Begriff Wissen sind in der Außenwelt nicht direkt wahrnehmbar
    F02  nur innerlich direkt wahrnehmbar? F02-  Sachverhalt und Begriff Wissen sind in der Innenwelt  nicht direkt wahrnehmbar 
    F03  weder äußerlich noch innerlich: Schluss? F03+ Sachverhalt und Begriff Wissen sind erschließbar
    F04  wohlunterscheidbar, abgrenzb. Umgeb.? F04+ Grundsätzlich ja, wenn auch oft darüber gestritten wird, ob es sich im Einzelfall tasächlich um Wissen und nicht um glauben, meinen, vermuten, annehmen handelt .
    F05  Gebundenheit an einen Träger, Objekt? F05+ Wissen ist an ein erkennendes System gebunden. 
    F06  Teil-Ganzes Begriffsbildung F06+ Im Prinzip können manche Teile eines Ganzen gewusst werden, andere nicht.
    F07  Abstrakter Sachverhalt, z.B. Klassenbildung F07+ Ja, Klassenbildung in Abgrenzung zu anderen Qualifizierungen (z.B. glauben). 
    F08   Referenz: wie und wo kann man den S finden? F08+ Ja, in den erkennenden Systemen und ihren Wissensausführungen.
    F09  Sonstige hier sinnvoll erscheinende Frage F09+ Der Zusammenhang Wahrheit, Wissen, Gewissheit, Überzeugung, Glauben.
    _

    Signaturen Wissensbegriff

      Der Alltagsbegriff wissen ist den meisten Menschen vertraut und verständlich. Erst bei genauerer Betrachtung und Analyse wird es schwieriger. Der Grundbegriff Wissen hat viele Facetten. Und um genau diese Faqcetten geht es bei der Signierung. Teilweise ist die Abgrenzung von glauben, meinen, vermuten schwierig. Hier werden die verschiedenen Wissensbegriffe erfasst und dokumentiert:

      Wissen? = unklar, um was für ein Wissen es geht. Ähnlich WissenonS
      Wissenallgmein = allgemeines Wissen, das Wissen jedermanns.
      Wissenart = Wissensarten, auch Formen (Brendel 2013) genannt.

      • _WisFBr  Kürzel für Wissensformen nach Brendel (2013), S.14-15: „Wissen" kann als Substantiv oder als Verb in der Sprache vorkommen. Das Verb „wissen" wird häufig im Zusammenhang mit einem eingebetteten Fragesatz verwendet. Im Folgenden werde ich diese Form des Wissens als interrogatives Wissen bezeichnen. Beispiele für interrogatives Wissen sind:
        • _WisFBrInt1  Kürzel für (1) Ingrid weiß, wann Markus nach Hause kommt.
          _WisFBrInt2  Kürzel für (2) Christian weiß, wo Johann Wolfgang von Goethe geboren wurde.
          _WisFBrInt3  Kürzel für (3) Peter weiß, wer 2010 Fußballweltmeister wurde.
          _WisFBrInt4  Kürzel für (4) Maria weiß, warum Peter gestern Abend nicht zu Hause war.
        Unter den interrogativen Wissensformen spielen bestimmte „Wissen-wie"-Konstruktionen, die praktisches Wissen des epistemischen Subjekts zum Ausdruck bringen, eine besondere Rolle. Beispiele für praktisches Wissen sind:
          _WisFBrInt5  Kürzel für (5) Ingrid weiß, wie man den Fernseher einschaltet.
          _WisFBrInt6  Kürzel für (6) Peter weiß, wie man Fahrrad fährt.
          _WisFBrInt7  Kürzel für (7) Obama weiß, wie man Menschen begeistert. [>15]
        Hiervon zu unterscheiden sind Formen des Wissens, die bestimmte phänomenale Erlebnisse, Gefühle oder Empfindungen ausdrücken, die aus der Ersten-Person-Perspektive des Wissenssubjekts erfahren werden. Sprachlich wird diese Art von Wissen, das im Folgenden als phänomenales Wissen bezeichnet wird, meist in
        Formulierungen der Form „Wissen-wie-es-ist" bzw. „Wissen-wie-es-sich-anfühlt" ausgedrückt. Beispiele für phänomenales Wissen sind:
          _WisFBrInt8  Kürzel für (8) Maria weiß, wie es ist, von Hartz IV zu leben.
          _WisFBrInt*  Kürzel für (9) Peter weiß, wie es sich anfühlt, auf einer zehn Meter hohen Welle zu surfen.
        In „Wissen-dass"-Konstruktionen wird hingegen zum Ausdruck gebracht, dass das Wissenssubjekt über bestimmte Tatsacheninformationen verfügt. Diese Form des „Wissen-dass" drückt das sogenannte propositionale Wissen (oder auch theoretische Wissen) aus. Beispiele für propositionales Wissen sind die folgenden Aussagen:
          _WisFBrInt10  Kürzel für (10) Peter weiß, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist.
          _WisFBrInt11  Kürzel für (11) Maria weiß, dass Peter sie betrügt.
          _WisFBrInt12  Kürzel für (12) Ingrid weiß, dass jeder Mensch einmal sterben muss.
        Das u. a. von Bertrand Russell diskutierte Wissen durch Bekanntschaft19 wird im Deutschen nicht durch das Wissensprädikat, sondern durch das transitive Verb „kennen" ausgedrückt, wie etwa in:
          _WisFBrInt13  Kürzel für (13) Maria kennt Peter.
          _WisFBrInt14  Kürzel für (14) Sokrates kennt den Weg nach Larissa."
      Wissenausw = auswendiges Wissen ohne tiefere Einsichten oder Verständnis (nicht erklären können)
      Wissenepisg = Epistemisch gerechtfertigtes Wissen. Brendel (2013), S. 33: "... Eine Überzeugung wird daher durch die Angabe von Gründen, die die Wahrheit dieser Überzeugung stützen, epistemisch gerechtfertigt. ..."
      Wissenexplizit = explizites Wissen, das man formulieren kann.
      Wissenfachwis = Fachwissen, fachliches Wissen
      Wissenimplizit = implizites Wissen, das man hat, auch wenn man es nicht in Worte fassen kann.
      Wissenintui =  intuitives Wissen.
      WissenLexWis = Lexikon-Wissen, das was im Lexikon ... zu ... steht.
      WissenonS = ohne nähere Spezifikation, hier wird ohne nähere Ausführungen von wissen geredet. Ähnlich Wissen?
      Wissenperson = Wissen zu Erleben und Erfahrung der eigenen Person.
       Wissenprop = propositionales Wissen, Wissen das Aussagen mit einem Wahrheitswert, meist wahr oder falsch, beinhaltet. In Brendel (2013) finden sich 126 Fundstellen zu propositionalem Wissen.
      Wissenproz = Prozedurales Wissen, Fertigkeiten, Wissen wie etwas geht und auszuführen ist.
      WissenRepSV = Repräsentationen von Sachverhalten (deklaratives Wissen)
      WissenSchulw = Schulwissen.
      Wissenspez = spezielles Wissen
      Wissensubueb = subjektive Überzeugung etwas zu wissen. Jemand behauptet ein Wissen ohne es näher zu erklären oder zu begründen.
      WissenWiki = Wikipedia Wissen: das was in Wikipedia steht.
      Wissen_ = Alltagswissen.
      Wissen_ =
      Wissen_ =
      Wissen_ =
      Wissen_ =
      Wissen_ =



    Materialien zu wissen, Wissen in Sprachlehre und Wissenschaft

    Sprachlehre, Wörterbücher, Lexika

    Duden (Internetseite: Abruf 06.07.18)
    "Bedeutungsübersicht?
        Gesamtheit der Kenntnisse, die jemand [auf einem bestimmten Gebiet] hat
        Kenntnis, das Wissen von etwas
    Synonyme zu Wissen?
        Allgemeinwissen, Bildung, geistiges Kapital, Kenntnisse, Know-how, Sachkenntnis, Sachverstand, Wissensschatz
        Bewusstsein, Einsicht, Erkenntnis, Gewissheit, Kennerschaft, Kenntnis.
    1. Bedeutungen, Beispiele und Wendungen?
        Gesamtheit der Kenntnisse, die jemand [auf einem bestimmten Gebiet] hat
        Beispiele

    • ein umfangreiches, umfassendes, gründliches, gesichertes Wissen
    • jemandes praktisches, theoretisches Wissen
    • das menschliche Wissen
    • ein großes Wissen haben, besitzen
    • er musste unbedingt sein Wissen anbringen
        Wendungen, Redensarten, Sprichwörter
        Wissen ist Macht (nach dem englischen Philosophen Francis Bacon, 1561–1626)
     2. Kenntnis, das Wissen (1) von etwas
        Beispiele
    • ein wortloses, untrügliches Wissen
    • meines Wissens (soviel ich weiß; Abkürzung: m. W.) ist er verreist
    • im Wissen um diese Dinge
    • jemanden mit Wissen (während man sich seines Handelns voll bewusst ist) benachteiligen
    • etwas nach bestem Wissen und Gewissen tun
    • etwas wider besseres/(seltener:) gegen [sein] besseres Wissen (obwohl man weiß, dass es falsch ist) tun
    • das geschah ohne mein Wissen"


    Brockhaus
    In Wissen.de (Abruf 09.08.18) wird nur die Stadt "Wissen" aufgeführt: "Wissen rheinland-pfälzische Stadt (Landkreis Altenkirchen), an der Sieg, 8400 Einwohner; Luftkurort; Schloss Schönstein; Bauwirtschaft."
        Es folgt der Eintrag "Wissenschaft [griechisch epistéme, lateinisch scientia] ursprünglich das systematische Ganze der Erkenntnis (Philosophie des Altertums und des Mittelalters). Mit der Ausbildung der neuzeitlichen Naturwissenschaften begann die Auflösung des universalen Wissenschaftsbegriffs zugunsten stärkerer Betonung der Einzelwissenschaften. Zugleich wurde die mathematisch-naturwissenschaftliche Methode Vorbild aller Wissenschaftlichkeit, der gegenüber im ausgehenden 19. Jahrhundert die Geisteswissenschaften die in ihrem Wesen liegende, andersartige Methodik geltend machten. Wissenschaftlichkeit heißt Methodik, Vorurteilsfreiheit, Wertfreiheit, Verifizierbarkeit und Verifikation jeder Aussage, Möglichkeit der Kritik sowie Intersubjektivität. – Wissenschaft wird ferner im weiteren Sinne die Gesamtheit des wissenschaftlichen Betriebs (Institutionen u. a.), im engeren Sinne die Gesamtheit der gewonnenen Resultate genannt. – Die Gliederung des „Systems der Wissenschaft“ stellt eine Idealwissenschaft wie die Mathematik den Realwissenschaften gegenüber. Diese zerfallen in Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften; als Unterscheidungsmerkmale werden angegeben: Erklären gegen Verstehen (W. Dilthey), generatisierende gegen individualisierende (H. Rickert), nomothetische (Gesetzes-) gegen idiographische (einzelbeschreibende) Wissenschaft (W. Windelband), Realitätswissenschaft gegen Sinn- bzw. Wertwissenschaft (E. Rothacker), exakte gegen unexakte Wissenschaft. Die Sozialwissenschaften nehmen dabei eine Mittelstellung ein."
     
     

    Etymologie
        Niehaus (2004), S. 14 führt aus:

      "2. Der Begriff Wissen Im Folgenden wird der Begriff Wissen im Sinne einer ersten Annäherung anhand von Lexika und Wörterbüchern hinsichtlich seiner Etymologie, seines Allgemeinverständnisses und seiner fachspezifischen Bedeutung innerhalb der Philosophie untersucht.
      2.1. Etymologie
      Der Begriff Wissen, ist ein substantiviertes Verb, von althochdeutsch wizzan bzw. wizzen, gotisch witan, stammt aus der indogermanischen Wurzel ueid39 und hat die Bedeutung des Sehens, Kennens und inneren Habens.40 Der Bedeutungswandel von Ich habe gesehen zu Ich weiß ist dabei der Ausdruck des Besitzes der durch Anschauungen gewonnen Erkenntnis.41
      Diemer42 verweist auf den Bedeutungshorizont des griechischen Begriffs der epistime, deren Stamm st auf stehen verweist. Hier besteht ein semasiologischer Zusammenhang mit dem deutschen Wort Verstehen, mit dem zugehörigen Vermögen des Verstandes"


    Enzyklopädien:
    Wikipedia.

      Wissen bei Seiler (2008) mit Kritik der Wikipedia Auffassung
      "Die Unterscheidung in Kennen und Können wird in der Wissenschaft auch, allerdings meist in anderer Form aufgegriffen, indem man Kenntnisse als theoretisches Wissen den Fertigkeiten als praktischem Wissen gegenüberstellt. Wiederum bleiben bei solchen Definitionen das Wesen und die Eigenschaften des Wissens im Dunkeln. Worin besteht denn Wissen, wie kommt es zustande, wer ist sein Urheber und sein Träger?
          Es scheint also so zu sein, dass es im philosophischen und wissenschaftlichen Diskurs keine allgemein anerkannte und verbindliche Definition für den Begriff des Wissens gibt. In modernen, insbesondere kognitionswissenschaftlichen Verwendungen rückt der Begriff immer näher an den Informationsbegriff heran: Wissen und Denken werden zur Informationsverarbeitung. Nach dem Autor des Artikels «Wissen» im Internetlexikon Wikipedia beispielsweise lassen sich folgende Aussagen als kleinster gemeinsamer Nenner formulieren: Dem Wissen liegen Informationen zugrunde. Wissen ist mit Bedeutung ausgestattete Information. Für den Autor ist die zweite Aussage nur eine andere Formulierung der ersten. Er fordert weiter: Diese Informationen müssen derart aufeinander bezogen sein, dass sie nachvollziehbar in sich stimmig sind (Kohärenz). Diese Aussagen zusammenfassend, bezeichnet er Wissen als «die Gesamtheit aller organisierten Informationen und ihrer wechselseitigen Zusammenhänge, auf deren Grundlage ein vernunftbegabtes System handeln kann». Der Autor scheint gar nicht zu merken, dass er sich im Kreise dreht: Wie unterscheidet sich dann Bedeutung und Wissen? Wie kommt Bedeutung in die Information hinein? Wie verhalten sich Informationen mit und ohne Bedeutung zueinander?"
          Kommentar: Der Behauptung  "Es scheint also so zu sein, dass es im philosophischen und wissenschaftlichen Diskurs keine allgemein anerkannte und verbindliche Definition für den Begriff des Wissens gibt." ist nichts hinzufügen. Allerdings belegt Seiler seine Behauptungen und Fundstellen nicht (nicht im Text, nicht in Fußnoten, nicht in Anmerkungen) und das ist kein guter wissenschaftlicher Stil.




    Philosophie-Wissenschaftstheorie

    Bacon, Roger
    "Es ist interessant zu sehen, wie anders Wissenschaft heute von uns gesehen wird im Vergleich zur Auffassung eines ihrer Pioniere. Roger Bacon, der als das Wunderkind des Mittelalters und einer der größten Denker der Menschheit gilt, war der Pionier der Methode, Wissen durch Erfahrung zu erlangen. Dieser franziskanische Mönch lernte von den Sufis der »Erleuchteten Schule«, daß es einen Unterschied zwischen dem Sammeln von Informationen und dem Wissen um die Dinge durch tatsächliches Experimentieren gibt. In seinem Opus Malus, in dem er sich auf die sufische Lehre bezieht, sagt er:
    Es gibt zwei Formen des Wissens: Wissen durch Beweisführung und Wissen durch Erfahrung, Die Beweisführung führt zu Schlußfolgerungen und zwingt uns, diese antzuerkennen. Sie bringt jedoch weder Gewißheit, noch beseitigt sie Zweifel, so daß der Geist in der Wahrheit ruhen könnte, es sei denn, diese Gewißheit käme durch eigene Erfahrung zustande."
        Sekundärquelle S.9: Shah, Idries (1994) Sufismus. 9. Auflage. München: Diederichsverlag.
     

    Brendel (2013) Wissen.

      Zusammenfassung-Brendel-2013: Die Definition S.28 Wissen: "Eine Aussage der Form „S weiß, dass p" ist genau dann wahr, wenn die folgenden drei Bedingungen (i)-(iii) erfüllt sind:
        (i) S ist davon überzeugt, dass p,
        (ii) p ist wahr,
        (iii) Ss Überzeugung, dass p, ist epistemisch gerechtfertigt."
      Ich kann nicht nachvollziehen, wozu Wissen im Gegensatz zum Glauben einer Überzeugung bedarf. Wissen ist Wissen und Überzeugung ist Überzeugung. Epistemisch gerechtfertigt reicht mir. Damit erledigt sich auch das hanebüchene und an den Haaren herbeigezogene Gettier-Problem S. 37, "Beispiel 1: Der Job und die Münzen".
          Der Suchtext "Wie gelangen wir zu Wissen?" taucht im ganzen Buch nur auf S. 1 und sonst nicht mehr auf. Auch der Suchtext "Erkenntnisgewinnung" hat nur zwei Fundstellen (S.2, S.148).
          Der Suchtest "Ist Wissen überhaupt möglich" hat auch nur zwei Fundstellen (S.1, S.3).
          Ich hatte erwartet, dass jede der Kernfragen, ein Kapitel erhält, besonders auch die wissenschaftstheoretisch wichtige Frage, wie Wissen zustande kommt, wodurch etwas zum Wissen wird? Fehlanzeige. "Evaluation" findet sich weder im Sachverzeichnis noch im Text. Obwohl das Buch auch informative und interessante Beiträge enthält, so z.B. die 14 einfachen und verständlichen Beispiele zu interrogativen Wissen, so fehlt doch grundlegend Wichtiges, so z.B. wodurch die Aussagen zu Wissen werden, z.B. wodurch weiß Peter, wo der nächste Supermarkt ist, was macht seine Auffasung, seine Kenntnis zum Wissen?

      S.1: Brendel beginnt mit ihren Kernfragen:
      "(1) Was ist BS.1Wissen?
       (2) Ist BS.2Wissen überhaupt möglich?
       (3) Was ist der Wert des BS.3Wissens?
       (4) Wie gelangen wir zu BS.4Wissen?
      (1) ist die metaphysische Frage nach der Natur und dem Wesen von BS.5Wissen. (2) betrifft die skeptische Frage nach den prinzipiellen Möglichkeiten und den Grenzen von BS.6Wissen. In (3) wird die axiologische Frage gestellt, ob und warum BS.7Wissen für uns Menschen wertvoll ist, und (4) formuliert die epistemologische Frage nach den Quellen von BS.8Wissen und den Wegen der Erkenntnisgewinnung.3
      Kommentar-Brendel-Kernfragen-S1: Der Suchtext "Wie gelangen wir zu Wissen?" taucht im ganzen Buch nur auf S. 1 und sonst nicht mehr auf. Auch der Suchtext "Erkenntnisgewinnung" hat nur zwei Fundstellen (S.2, S.148).

      S.2 (Einleitung): "Die Frage „Was ist BS2.1Wissen?" ist die erkenntnistheoretisch grundlegende Frage. Im zweiten Kapitel sollen daher zunächst einige methodologische Vorüberlegungen darüber angestellt werden, wie man diese Frage nach der Natur von BS2.2Wissen verstehen und beantworten kann. Es wird sich zeigen, dass eine Wesensdefinition von BS2.3Wissen, wie sie etwa Platon beabsichtigte und in der der BS2.4Wissensbegriff auf seine essentiellen Merkmale reduziert werden soll, zum Scheitern verurteilt ist. Es wird vielmehr dafür argumentiert, dass es sinnvoller und vielversprechender ist, eine Explikation von BS2.5issen anzustreben, die zwar unserer intuitiven Verwendung des BS2.6Wissensbegriffs möglichst gerecht wird, zugleich aber auch einigen erkenntnistheoretischen Anforderungen genügen muss. So sollte die intendierte Explikation in der Lage sein, notorische Probleme und Paradoxien des BS2.7Wissens zu lösen. Insbesondere sollte sie dem radikalen Wissensskeptizismus Paroli bieten können. Doch worin genau besteht eigentlich das Explikandum dieser BS2.8Wissensexplikation? Ein Blick auf die eingangs erwähnten Beispiele zeigt bereits, dass der BS2.9Wissensbegriff in sprachlich verschiedenen Varianten benutzt wird. BS2.10„Wissen" kann zum einen substantivisch („das BS2.11Wissen") verwendet werden. Zum anderen drückt BS2.12„wissen" aber auch eine Relation zwischen einem BS2.13Wissenssubjekt und einem Objekt des BS2.14Wissens aus und wird als Verb verwendet, wie in „Peter BS2.15weiß, wo der nächste Supermarkt ist" oder „Maria BS2.16weiß, warum Peter gestern nicht nach Hause kam". In den BS2.17Wissen-dass-Formulierungen - wie in „wissen, dass 2 und 2 gleich 4 ist", BS2.18„wissen, dass Hunde Tiere sind" oder in „wissen, dass der Griff auf eine heiße Herdplatte schmerzt" - wird das Objekt des BS2.19Wissens in Form einer Aussage formuliert, die einen bestimmten Sachverhalt, einen sogenannten propositionalen Gehalt, zum Ausdruck bringt. Diese Form des BS2.20Wissens wird daher auch als BS2.21propositionales Wissen bezeichnet. Nach einer systematischen Analyse der Beziehungen zwischen den verschiedenen BS2.22Wissensformen soll gezeigt werden, dass es aus erkenntnisphilosophischer Sicht gute Gründe gibt, das propositionale BS2.23Wissen in den Fokus der Untersuchungen zu stellen."
      Kommentar-Brendel2013-S2: Was ist Fragen sind gefährlich, weil suggeriert wird, als gäbe es Wissen unabhängig von seiner Prädikation, Definition oder dem Gebrauch. Propositionen beschreiben Aussagen, die im Allgemeinen einen Wahrheitswert haben, meist sehr vereinfacht wahr und falsch. Propositionales Wissen heißt demnach das Wissen, das aus Aussagen mit einem Wahrheitswert besteht. Die Beispiele sind einfach und verständlich. Aber es fehlt das Wichtigste, wodurch die Aussagen zu Wissen werden, z.B. wodurch weiß Peter, wo der nächste Supermarkt ist, was macht seine Auffasung, seine Kenntnis zum Wissen?

      Wissensformen-nach-Brendel (2013), S.14-15: B14.1„Wissen" kann als Substantiv oder als Verb in der Sprache vorkommen. Das Verb B14.2„wissen" wird häufig im Zusammenhang mit einem eingebetteten Fragesatz verwendet. Im Folgenden werde ich diese Form des B14.3Wissens als interrogatives B14.4Wissen bezeichnen. Beispiele für interrogatives B14.5Wissen sind:

      • (1) Ingrid B14.6weiß, wann Markus nach Hause kommt.
      • (2) Christian B14.7weiß, wo Johann Wolfgang von Goethe geboren wurde.
      • (3) Peter B14.8weiß, wer 2010 Fußballweltmeister wurde.
      • (4) Maria B14.9weiß, warum Peter gestern Abend nicht zu Hause war.
      Unter den B14.10interrogatives Wissensformen spielen bestimmte B14.11„Wissen-wie"-Konstruktionen, die praktisches B14.12Wissen des epistemischen Subjekts zum Ausdruck bringen, eine besondere Rolle. Beispiele für praktisches B14.13Wissen sind:
      • (5) Ingrid B14.14weiß, wie man den Fernseher einschaltet.
      • (6) Peter B14.15weiß, wie man Fahrrad fährt.
      • (7) Obama B14.16weiß, wie man Menschen begeistert. [>15]
      Hiervon zu unterscheiden sind Formen des B14.17Wissens, die bestimmte phänomenale Erlebnisse, Gefühle oder Empfindungen ausdrücken, die aus der Ersten-Person-Perspektive des B14.18Wissenssubjekts erfahren werden. Sprachlich wird diese Art von B14.19Wissen, das im Folgenden als phänomenales B14.20Wissen bezeichnet wird, meist in
      • Formulierungen der Form B14.21„Wissen-wie-es-ist" bzw. B14.22„Wissen-wie-es-sich-anfühlt" ausgedrückt. Beispiele für phänomenales B14.23Wissen sind:
      • (8) Maria B14.24weiß, wie es ist, von Hartz IV zu leben.
      • (9) Peter B14.25weiß, wie es sich anfühlt, auf einer zehn Meter hohen Welle zu surfen.
      In B14.26„Wissen-dass"-Konstruktionen wird hingegen zum Ausdruck gebracht, dass das B14.27Wissenssubjekt über bestimmte Tatsacheninformationen verfügt. Diese Form des B14.28„Wissen-dass" drückt das sogenannte propositionale B14.29Wissen (oder auch theoretische B14.30Wissen) aus. Beispiele für propositionales B14.31Wissen sind die folgenden Aussagen:
      • (10) Peter B14.32weiß, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist.
      • (11) Maria B14.33weiß, dass Peter sie betrügt.
      • (12) Ingrid B14.34weiß, dass jeder Mensch einmal sterben muss.
      Das u. a. von Bertrand Russell diskutierte B14.35Wissen durch Bekanntschaft19 wird im Deutschen nicht durch das B14.36Wissensprädikat, sondern durch das transitive Verb B14.37„kennen" ausgedrückt, wie etwa in:
      • (13) Maria B14.38kennt Peter. [RS: weiß um oder von Peter]
      • (14) Sokrates B14.39kennt den Weg nach Larissa." [RS: weiß den Weg]


      S.28: "3.2 Die klassische Analyse propositionalen B28.1Wissens
      Während Platon direkt nach der Natur und dem Wert von B28.2Wissen fragt, steht in der klassischen Analyse propositionalen B28.3Wissens der modernen Erkenntnistheorie meist die semantische Frage nach den Wahrheitsbedingungen von  propositionalen B28.4Wissensaussagen der Form „S B28.5weiß, dass p" (wobei „S" ein beliebiges epistemisches Subjekt und „p" eine beliebige Proposition ausdrückt) im Vordergrund. In Anlehnung an Platons B28.6Wissenskonzeption sind (i) die Bedingung des Überzeugtseins von S, dass p, (ii) die Bedingung der Wahrheit von p sowie (iii) die Bedingung, dass p epistemisch gerechtfertigt ist, notwendige und zusammen hinreichende Bedingungen für die Wahrheit der Aussage „S B28.7weiß, dass p":

      Klassische Analyse propositionalen B28.8Wissens
      Brendel2013-S28: "Eine Aussage der Form „S B28.9weiß, dass p" ist genau dann wahr, wenn die folgenden drei Bedingungen (i)-(iii) erfüllt sind:
      (i) S ist davon überzeugt, dass p,
      (ii) p ist wahr,
      (iii) Ss Überzeugung, dass p, ist epistemisch gerechtfertigt."

      Kommentar-Brendel2013-S28: Ich kann nicht nachvollziehen, wozu Wissen einer Überzeugung bedarf.




    Craig, Edward (1993) Was wir wissen können. Pragmatische Untersuchungen zum Wissensbegriff. Wittgenstein-Vorlesungen der Universität Bayreuth. Frankfurt aM: Suhrkamp.
        Zusammenfassung-Craig: Für eine sprachanalytisch geschulten Philosophen, der noch dazu eine Wittgenstein-Vorlesung hält, hätte ich erwartet, dass
    der Plausibilitätsbegriff erklärt, kritisch erörtert und nicht einfach als selbstverständlicher Grundbegriff verwendet wird.

    S. 14: "Auch hier kann der Proponent der analytischen Methode plausible Gründe anführen. Er wird etwa so argumentieren: vom bloß Faktischen kann hier nicht die Rede sein. Denn wir wollten den Inhalt unserer Begriffe erforschen."
        Kommentar: Plausibel wird nicht erklärt und begründet, sondern als allgemein bekannter Grundbegriff verwendet, den jeder versteht.

    S. 134f: "Gäbe es also Indizien dafür, daß bei dem Wissensbegriff der Objektivierungsprozeß tatsächlich zum Äußersten fortgeschritten ist; gäbe es mit anderen Worten Indizien dafür, daß der Wissensbegriff implizit die Erfüllung des denkbar strengsten Standards erfordert, dann stünde mein Vorhaben vor einem wohl unüberwindlichen Problem. Erfreulich ist es also, daß die vorhandenen Indizien eher dazu neigen, die gegenteilige Annahme zu unterstützen. Daß es so ist, kann ich vielleicht dadurch verdeutlichen, daß ich den Wissensbegriff mit einem anderen Begriff vergleiche, von dem man wenigstens plausibel behaupten kann, er richte sich tatsäch-[>135]lich nach einem absoluten, nicht mehr zu steigernden Kriterium. "
        Kommentar: Plausibel wird nicht erklärt und begründet, sondern als allgemein bekannter Grundbegriff verwendet, den jeder versteht.



    Enzyklopaedie Philosophie und Wissenschaftstheorie (1996)
    "Wissen (engl, knowledge, franz, connaissance), ebenso wie >Erkenntnis und die mit diesem Begriff verbundenen Unterscheidungen (z.B. zwischen >diskursiver und intuitiver [>Intuition] Erkenntnis), im weiteren Sinne, hier wie > Erfahrung in vorwissenschaftlichen Zusammenhängen, Bezeichnung für allgemein verfügbare Orientierungen im Rahmen alltäglicher Handlungs- und Sachzusammenhänge (Alltagswissen), im engeren, philosophischen und wissenschaftlichen Sinne im Unterschied zu Meinen (>Meinung) und Glauben (>Glaube (philosophisch)) für die auf Begründungen bezogene und strengen Überprüfungspostulaten unterliegende Kenntnis, institutionalisiert im [>718] Rahmen der >Wissenschaft. Die Frage nach den Bedingungen der W.sbildung und des begründeten W.s ist Gegenstand der >Erkenntnistheorie; bezweifelt wird die Möglichkeit eines begründeten W.s im >Skeptizismus und >Relativismus. ... J.M."
        Kommentar-EPWth1996:



    Niehaus (2004)
    Eine reichhaltige Material- und Quellensammlung zu Wissensbegriffen hat Niehaus (2004) vorgelegt.  [Online]



    Bertrand Russell (dt. 1950) Grade der Glaubwürdigkeit in (373-392) Das menschliche Wissen. Darmstadt: Holle.
    Gliederung der Arbeit Grade der Glaubwürdigkeit (>Gesamtes Inhaltsverzeichnis):
      A. Allgemeine Betrachtungen 374-377
      B. Glaubwürdigkeit und Häufigkeit 377-384
      C. Glaubwürdigkeit von Gegebenheiten 384-388
      D. Grade der subjektiven Gewißheit 389-390
      E. Wahrscheinlichkeit und Verhalten 390-392


    S. 374 "A. Allgemeine Betrachtungen
    "Aber obwohl jeder Teil von dem, was wir geneigt sind, als »Wissen« zu betrachten, bis zu einem gewissen Grade zweifelhaft sein mag, so ist es doch klar, daß manche Dinge als fast sicher gelten können, während andere kühne Vermutung sind. Für einen vernünftigen Menschen gibt es eine Stufenfolge der Zweifelhaftigkeit von einfachen logischen und arithmetischen Sätzen und Wahrnehmungsurteilen am einen Ende bis zu solchen Fragen, wie etwa, welche Sprache die Mykäner gesprochen haben oder »welche Lieder die Sirenen gesungen haben«, am anderen Ende. Ob auch den am wenigsten bezweifelbaren unserer Überzeugungen noch ein gewisser Grad von Bezweifelbarkeit anhaftet, ist eine Frage, mit der wir uns im Augenblick nicht zu beschäftigen brauchen; genug, daß jede Aussage hinsichtlich deren wir vernünftige Gründe für einen gewissen Grad von Vertrauen oder Mißtrauen haben, wenigstens theoretisch auf einer Stufenleiter zwischen sicherer Wahrheit und sicherer Falschheit Platz findet. Die Frage, ob diese Grenzen selbst dabei mit einzuschließen sind, können wir zunächst offen lassen.
    Es gibt einen gewissen Zusammenhang zwischen mathematischer Wahrscheinlichkeit und Graden der Glaubwürdigkeit. Dies ist der Zusammenhang: Wenn mit Bezug auf alle zur Verfügung stehenden Unterlagen eine Aussage eine bestimmte mathematische Wahrscheinlichkeit hat, dann gibt diese das Maß für den Grad der Glaubwürdigkeit an. Wenn wir z. B. Würfel spielen, so hat die Aussage »Es wird ein Sechserpasch geworfen werden« nur den 3 5. Teil der Glaubwürdigkeit, welche der Aussage »Es wird kein Sechserpasch geworfen werden« beizumessen ist. In dieser Weise wird also der vernünftige Mann, der jeder Aussage den richtigen Grad von Glaubwürdigkeit beimißt, durch die mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie geleitet werden, wenn sie anwendbar ist.
    Der Begriff »glaubwürdig« aber hat ein viel weiteres Anwendungsgebiet als der Begriff der mathematischen Wahrscheinlichkeit. Ich glaube, daß er auf jede Aussage anwendbar ist, außer auf solche, die weder Gegebenheiten kundtun, noch mit Gegebenheiten in irgendeiner Weise so Zusammenhängen, daß sich daraus ein Grund für oder gegen ihre Annahme ergibt. Ich glaube, daß er besonders auf Aussagen anwendbar ist, die so angenähert wie möglich nichts anderes als Gegebenheiten ausdrücken. ..."
        Kommentar Plausibilität gleich Glaubwürdigkeit: Die Grade der Glaubwürdigkeit könnten auch Die Grade der Plausibilität genannt werden. Akzeptiert man das, dann hat Russell als einer der ganz wenigen 1948 eine Plausibilitätstheorie vorgelegt.

    B. Glaubwürdigkeit und Häufigkeit 377-384
    C. Glaubwürdigkeit von Gegebenheiten 384-388
    D. Grade der subjektiven Gewißheit 389-390

    E. Wahrscheinlichkeit und Verhalten 390-392
    Russell formuliert S. 390 auch Wahrheitskriterien: "Gäbe es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Glaubwürdigkeit und subjektiver Gewißheit, so könnte es auch so etwas wie Wissen nicht geben. Wir nehmen in der Praxis an, daß eine Klasse von Überzeugungen als wahr angesehen werden könne, wenn sie a) von allen fest geglaubt werden, die sie sorgfältig überdacht haben, wenn es b) keinen positiven Grund gegen ihre Annahme gibt, wenn es c) keinen bestimmten Grund für die Annahme gibt, daß die Menschen sie auch dann glauben würden, wenn sie unwahr wären. Auf dieser Grundlage wird allgemein angenommen, daß einerseits Wahrnehmungsurteile und andererseits logische und mathematische Urteile denjenigen Teil unserer Kenntnis bilden, der am gewissesten ist. Wir werden sehen, daß, wenn wir zu einer Naturwissenschaft gelangen wollen, Logik und Mathematik durch gewisse außerlogische Grundsätze ergänzt werden müssen, unter denen die Induktion bisher (wie mir scheint, missverständlicherweise) der am allgemeinsten anerkannte Grundsatz ist. Diese außerlogischen Grundsätze werfen Probleme auf, die zu untersuchen unsere Aufgabe sein wird."
        Kommentar Wahrheitskriterien: "allen", "fest geglaubt", "sorgfältig überdacht", "positiver Grund", "bestimmter Grund" sind wenig klar und damit wenig überzeugend. Es fehlen Operationalisierungen und Beispiele.

    Wissen nach der Logikschule von Port Royal (1692)
    Arnauld, Antoine & Nicole, Pierre (dt. 1972, fr 1662f). Die Logik oder Kunst des Denkens [Die Logik von Port-Royal]. Übersetzt und eingeleitet von Christos Axelos. Darmstadt: WBG.

    "Wenn aber der Grund nicht nur scheinbar, sondern unerschütterlich und wahr ist, was durch längere und genauere Aufmerksamkeit, durch eine festere Überzeugung und durch die Art der Klarheit, die in diesem Fall lebhafter und durchdringender ist, festgestellt werden kann, dann heißt das Für-wahr-Halten, das durch den Grund herbeigeführt wird, Wissen. Über das Wissen werden verschiedene Betrachtungen angestellt.
    Zunächst, ob es das Wissen gibt, das heißt, ob wir eine auf klare und gewisse Gründe aufgebaute Erkenntnis haben; oder allgemeiner: ob wir klare und gewisse Erkenntnis haben. Diese Frage geht sowohl die Einsicht als auch das Wissen an.
        Es gibt Philosophen, die dies beharrlich leugnen und die sogar ihre ganze Philosophie auf dieser Grundlage aufgebaut haben. Und zwar haben sich die einen, die neuen Akademiker, damit begnügt, die Gewißheit zu leugnen, indem sie nur die Wahrscheinlichkeit zulassen, die anderen, die Pyrrhonisten, haben selbst diese Wahrscheinlichkeit verneint und behauptet, daß alle Dinge gleichermaßen dunkel und ungewiß seien. In Wirklichkeit haben alle diese Lehrmeinungen, die soviel Staub auf gewirbelt haben, niemals irgendwo anders als in den Reden, den Disputen oder den Schriften existiert und niemand war von ihnen jemals ernstlich überzeugt. Sie waren Spielereien und Zerstreuungen müßiger und erfinderischer Menschen. Sie sind jedoch niemals Meinungen gewesen, denen jene Menschen wirklich huldigten und die sie zu praktizieren bereit waren. Aus diesem Grund bestand das beste Mittel, jene Philosophen zu überzeugen, darin, sie sich ihre Bewußtseinsakte vergegenwärtigen zu lassen, an ihre Aufrichtigkeit zu appellieren und an sie die Frage zu stellen nach allen jenen Reden, durch welche sie zu zeigen suchten, daß man weder zwischen Schlafen und Wachen noch zwischen Irrsinn und gesunder Menschenvernunft unterscheiden kann, ob sie nicht trotz ihrer langen Begründungen davon überzeugt wären, daß sie nicht schlafen und daß sie einen gesunden Geist besitzen. Und wenn sie eine Spur von Ehrlichkeit gehabt hätten, hätten sie alle ihre eitlen Spitzfindigkeiten widerrufen und offen zugegeben, daß sie es nicht vermochten, jene Unterscheidungen für unwahr zu halten, als sie sich anschickten, sie zu leugnen.
        Es kann sich zwar jemand finden, der zu zweifeln anfängt, ob er schläft, ob er verrückt ist, und der sogar glaubt, daß die Realität der [] Außenwelt ungewiß ist, daß es zweifelhaft ist, ob Sonne, Mond, Materie wirklich sind. Niemand könnte jedoch daran zweifeln, wie der heilige Augustinus sagt, ob er ist, ob er denkt, ob er lebt. Denn mag er schlafen oder wachen, einen gesunden oder kranken Geist haben, sich irren oder sich nicht irren, es ist jedenfalls sicher, daß er denkt, daß er ist und daß er lebt, da es unmöglich ist, das Dasein und das Leben von dem Denken abzutrennen und zu glauben, daß das Denkende nicht ist und nicht lebt. Von dieser klaren, gewissen und unbezweifelbaren Erkenntnis ausgehend, kann er sicheine Regel bilden, um alle Gedanken, bei denen er eine ähnliche Klarheit antreffen wird, als wahre Gedanken anzusprechen.
        Desgleichen ist es unmöglich, an seinen Sinneswahrnehmungen zu zweifeln, wenn man sie von ihrem Gegenstand trennt. Mag es Sonne und Erde geben oder nicht, ich bin sicher, daß ich mir vorstellen kann, sie zu sehen. Ich bin sicher, wenn ich zweifle, daß ich zweifle, und, wenn ich zu sehen glaube, daß ich glaube zu sehen, daß ich, wenn ich zu hören glaube, glaube zu hören usw. Man wird auf diese Weise, indem man in den eigenen Geist eindringt und zusieht, was sich dort abspielt, unendlich viele klare Erkenntnisse finden, die nicht ange-zweifelt werden können.
        Diese Überlegung kann zur Entscheidung einer anderen Frage dienen, ob nämlich die Dinge, die man nur durch den Geist kennt, gewisser oder weniger gewiß sind als die, die man durch die Sinne kennt. Denn auf Grund des Gesagten ist es klar, daß wir uns unserer Sinneswahrnehmungen und unserer Ideen, die nur als Gegenstände einer Reflexion des Geistes präsent sind, sicherer sind als aller Gegenstände, die sich auf die Sinneswahrnehmungen beziehen. Man kann selbst sagen, daß, obgleich die Sinne uns nicht immer mit dem Bericht, den sie uns geben, täuschen, dennoch die Gewißheit, daß sie uns nicht täuschen, nicht von den Sinnen kommt, sondern von einer Reflexion des Geistes, durch welche wir unterscheiden, wann wir den Sinnen glauben und wann wir ihnen nicht glauben dürfen.
        Und deshalb muß zugestanden werden, daß der heilige Augustinus, sich Platon anschließend, mit Recht behauptete, daß die Beurteilung der Wahrheit und die Regel, gemäß welcher sie festgestellt wird, nicht den Sinnen, sondern dem Geist angehören: Non est judicium veritatis in sensibus; und daß selbst die von den Sinnen gewährte Gewißheit sich nicht sehr weit erstreckt. Es gibt nämlich etliche Dinge, die man vermittels der Sinne zu wissen glaubt, von denen man aber nicht behaupten kann, daß man über sie völlige Gewißheit hat."
     



    Stegmüller Fragen um Wissen in Glaube, Wissen und Erkennen (WBG-Ausgabe)
    Weißt Du dies? (S. 13)
    Weißt Du auch wirklich, daß ...?" (S. 13)
    Weißt Du ganz bestimmt, daß ...?" (S. 13)
    (1) woher weißt Du das? (S. 14)
    (2) Woran erkennst Du dies?  (S. 14)
    (3) Warum glaubst Du das? (Warum nimmst Du das an?)  (S. 14)



    Waismann, Friedrich (1976). Wissen in (503-505) Logik, Sprache, Philosophie. Stuttgart: Reclam.

    "3. Wissen

    »Ich weiß das Alphabet« heißt: Ich kann es sagen. »Ich weiß die Geschichte des 30jährigen Krieges« heißt: Ich kann sie erzählen, oder: Ich kann Fragen beantworten, die sich auf jenes Thema beziehen, etc. Das Wissen, das Können, die Fähigkeit kann man Zustände nennen; und unsere früheren Betrachtungen werfen ein Licht darauf, in welchem Sinn hier von einem Zustande die Rede ist.
    »In diesem Augenblick wußte ich, daß ich in Gefahr war.« Das bedeutet: In diesem Augenblick kam es mir zu Bewußtsein, d. h., in diesem Moment durchzuckte mich der Gedanke »Du bist in Gefahr!«. Das »Wissen« bedeutet jetzt einen einmaligen Vorgang, einen Akt, nicht eine Disposition.
    Wir werden also zwischen zwei Bedeutungen des Wortes »Wissen« unterscheiden: Wissen als Zustand und Wissen als Vorgang. Das eine Mal kann »wissen« mit einer Zeitbestimmung verbunden werden, das andere Mal nicht. Diesen zwei Bedeutungen entspricht ungefähr der Unterschied von »kennen« und »erkennen«. Das Wort »kennen« bedeutet stets einen Zustand, der sich auf Grund einer Vorgeschichte ergibt, »erkennen« eine geistige Tätigkeit. So sagen wir statt »Ich weiß die Geschichte des 30jährigen Krieges« »Ich kenne die Geschichte des 30jährigen Krieges«, statt »Ich wußte in diesem Augenblick, daß ich in Gefahr war« »Ich erkannte in diesem Augenblick, daß ich in Gefahr war«. Derselbe Unterschied zeigt sich in den Satzfor-[>504]men »Er war sich des Ernstes der Situation bewußt«, »Er wurde sich des Ernstes der Situation bewußt«.
    In der ersten Bedeutung heißt »Ich weiß« oft »Ich kann es sagen«. (Wenn ich aber sage: »Ich weiß, daß du treu bist«, so ist diese Ersetzung nicht mehr möglich. Auch da ist mit »Wissen« etwas gemeint, das sich als Folge vorangegangener Erfahrungen ergibt.)
    Eine andere Zweideutigkeit im Gebrauch des Wortes »wissen« ist die, daß dieses Wort einmal den Grenzfall des Vermutens bezeichnet, das andere Mal nicht. Es handle sich z. B. um die Frage, ob ein Kranker, der benommen ist, Schmerzen hat oder nicht. Es mag schwer sein, das festzustellen. Wir sagen in gewissen Fällen: »Ich vermute, daß. er Schmerzen hat«; in anderen: »Ich weiß gewiß, er hat Schmerzen.« Nun wieder sagt man andererseits: »Ich kann nie wissen, ob der andere Schmerzen hat, ich kann es nur vermuten.« Das, was uns dazu treibt, dies zu sagen, ist das Bedürfnis, einen Unterschied zu betonen zwischen der Grammatik des Satzes »Ich habe Schmerzen« und der Grammatik des Satzes »Der andere hat Schmerzen«. Die Art und Weise, wie ich das tue, ist irreführend, denn sie läßt es erscheinen, als wollte ich sagen, ich könne das (logisch erreichbare) Ideal des Wissens in dem einen Fall nicht erreichen, während gesagt werden soll: Ich wünsche das Wort »wissen« aus diesem Zusammenhang auszuschließen. So angewendet, ist Wissen dann kein Grenzwert des Vermutens. Und diese Regel über den Gebrauch der Worte »wissen« und »vermuten« sagt natürlich auch nicht, daß ich im Irrtum war, als ich sagte: »Ich weiß, daß er Schmerzen hat«, im Gegensatz zu dem Fall, in dem ich es nur vermutete.
    »Er weiß zu malen« heißt: Er kann malen (wo das »kann« mit einer gewissen Betonung ausgesprochen wird). »Er weiß mit Kindern umzugehen« = »Er kann gut mit Kindern umgehen«. Hier ist der Punkt, [>504] wo die beiden Züge ein Stück lang auf dem gleichen Gleise laufen; wo sich die Grammatik von »wissen« und »können« berührt."
     

    Was bedeutet Archäologie des Wissens bei Foucault?
    Foucault, Michel (dt. 1973, fr 1969) Archäologie des Wissens. Frankfurt aM: Suhrkamp.
     

      [1] Der Verlag erklärt im "Schmutztitel": "Archäologie des Wissens: das ist die Analyse der uns überlieferten »gesprochenen Sachen«, d. h. der aus ihrem nachträglichen ideologischen Kontext gelösten Dokumente des menschlichen Denkens; sie tritt nicht nur an die Stelle der alten Ideengeschichte, sondern macht diese selbst zu ihrem Objekt, entziffert ihre Struktur."
      [2] Das Inhaltsverzeichnis sagt uns:
       
        I (Einleitung) 7

        II DIE DISKURSIVEN REGELMÄSSIGKEITEN 31
         i. Die Einheiten des Diskurses 33
         2. Die diskursiven Formationen 48
         3. Die Formation der Gegenstände 61
         4. Die Formation der Äußerungsmodalitäten 75
         5. Die Formation der Begriffe 83
         6. Die Formation der Strategien 94
         7. Bemerkungen und Konsequenzen 104

        III DIE AUSSAGE UND DAS ARCHIV 113
         1. Die Aussage definieren nJ \g
         2. Die Aussagefunktion 128
         3. Die Beschreibung der Aussagen 154
         4. Seltenheit, Äußerlichkeit, Häufung 172
         5. Das historische Apriori und das Archiv 183

        IV DIE ARCHÄOLOGISCHE BESCHREIBUNG 191
         1. Archäologie und Ideengeschichte 193
         2. Das Originale und das Regelmäßige 201
         3. Die Widersprüche 213
         4. Die Vergleichstatsachen 224
         j. Die Veränderung und die Transformationen 236
         6. Wissenschaft und Wissen 2J3
        V (Schluß) 281


        [3] Was sagt Foucault selbst, was er da vorhat mit der Archäologie des Wissens?

       
      "Einleitung

      Seit Jahrzehnten richtet sich nun schon die Aufmerksamkeit der Historiker vorzugsweise auf die langen Perioden, als ob sie sich anschickten, unter den politischen Peripetien und ihren Episoden die festen und schwer zu störenden Gleichgewichte, die irreversiblen Prozesse, die konstanten Regulierungen, die Phänomene mit der Tendenz, nach jahrhundertelanger Dauer ihren Höhepunkt zu erreichen und umzuschlagen, die Akkumulationsbewegungen und langsamen Sättigungen, die großen, unbeweglichen und stummen Sockel, die die Verschachtelung der traditionellen Berichte mit einer dicken Schicht von Ereignissen bedeckt hatte, zum Vorschein zu bringen. Um diese Analyse vorzunehmen, verfügen die Historiker über zum Teil übernommene, zum Teil selbstverfertigte Instrumente: Modelle wirtschaftlichen Wachstums, Mengenanalysen des Warenflusses, Kurven über die Zunahme und den Rückgang der Bevölkerungsziffer, Untersuchung des Klimas und seiner Schwankungen, Ermittlung soziologischer Konstanten, Beschreibung technischer Anpassungen, ihrer Verbreitung und ihrer Beständigkeit. Diese Instrumente haben ihnen erlaubt, im Felde der Geschichte verschiedene Ablagerungsschichten zu unterscheiden. An die Stelle der linearen Abfolgen, die bis dahin den Untersuchungsgegenstand gebildet haben, ist ein Spiel von in die Tiefe gehenden Loshakungen getreten; von der politischen Mobilität bis hin zu den der »materiellen Kultur« eigenen geringen Geschwindigkeiten haben sich die Ebenen der Analyse vervielfacht: jede hat ihre spezifischen Brüche, jede umfaßt einen nur ihr gehörigen Ausschnitt; und je weiter man zu den tiefsten Sockeln hinabsteigt, um so breiter werden die Skansionen. Hinter der erschütterten Geschichte der Regierungen, Kriege und Hungersnöte zeichnen sich für das Auge fast unbewegliche Geschichten ab, Geschichten mit leichtem Gefälle: die Geschichte der Seewege, die Ge-[>10]schichte des Getreides oder der Goldminen, die Geschichte der Dürre und der Bewässerung, der Koppelwirtschaft, die Geschichte des von der Menschheit erreichten Gleichgewichts zwischen Hunger und Vermehrung. Die alten Fragen der traditionellen Analyse (welche Verbindung zwischen disparaten Ereignissen soll man feststellen? wie soll man eine notwendige Folge zwischen ihnen feststellen? Welche Kontinuität durchdringt sie oder welche Gesamtbedeutung nehmen sie schließlich an? Kann man eine Totalität definieren oder muß man sich auf die Rekonstruktion von Verkettungen beschränken?) werden künftig durch Fragestellungen anderen Typs ersetzt: welche Schichten muß man voneinander isolieren, welche Serientypen einführen? welche Periodisierungskriterien für jede von ihnen anwenden? welches Beziehungssystem (Hierarchie, Dominanz, Abstufung, eindeutige Determination, kreisförmige Kausalität) kann man von einer zur anderen beschreiben? Welche Serien von Serien kann man feststellen? Und in welcher Tabelle kann man langfristig distinkte Folgen von Ereignissen bestimmen?
          Nun hat sich ungefähr zur gleichen Zeit in den Disziplinen, die man Ideengeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Philosophiegeschichte, Geschichte des Denkens und auch Literaturgeschichte nennt (ihre Spezifität kann für einen Augenblick vernachlässigt werden); in jenen Disziplinen, die trotz ihres Namens zum größten Teil der Arbeit des Historikers und seinen Methoden sich entziehen, im Gegenteil die Aufmerksamkeit von den großen Einheiten, die man als »Epochen« oder als »Jahrhunderte« beschrieb, zu Phänomenen des Bruches verlagert. Unter den großen Kontinuitäten des Denkens, unter den massiven und homogenen Manifestationen eines Geistes oder einer kollektiven Mentalität, unter dem hartnäckigen Werden einer Wissenschaft, die danach trachtet, zu existieren und von Anfang an ihr Ende zu finden, unter dem Beharren einer Gattung, einer Form, einer Disziplin, einer theoretischen Aktivität, sucht man jetzt die Auswirkung der Unterbrechungen zu entdecken. Unterbrechungen, deren Statut und Natur sehr [>11] unterschiedlich sind. Erkenntnistheoretische Akte und Schwellen, wie Gaston Bachelard sie beschreibt: sie heben die unbegrenzte Aufhäufung der Erkenntnisse auf, brechen ihr langsames Reifen und lassen sie in eine neue Zeit eintreten, schneiden sie von ihrem empirischen Ursprung und von ihren anfänglichen Motivationen ab, säubern sie von ihren imaginären Komplizitäten. Sie schreiben so der historischen Analyse nicht mehr die Suche nach den stillen Anfängen, nicht mehr das endlose Rückschreiten hin zu den ersten Vorläufern, sondern das Auffinden eines neuen Typs von Rationalität und seiner vielfältigen Wirkungen vor. Deplazierungen und Transformationen der Begriffe: die Analysen von Georges Canguilhem können dabei als Modell dienen; sie zeigen, daß die Geschichte eines Begriffs nicht alles in allem die seiner fortschreitenden Verfeinerung, seiner ständig wachsenden Rationalität, seines Abstraktionsanstiegs ist, sondern die seiner verschiedenen Konstitutions- und Gültigkeitsfelder, die seiner aufeinander folgenden Gebrauchsregeln, der vielfältigen theoretischen Milieus, in denen sich seine Herausarbeitung vollzogen und vollendet hat. Ebenfalls von Georges Canguilhem wird die Unterscheidung vorgenommen zwischen den mikroskopischen und den makroskopischen Abstufungen der Wissenschaftsgeschichte, auf denen die Ereignisse und ihre Folgen sich nicht auf gleiche Weisen verteilen: so daß eine Entdeckung, das Ausrichten einer Methode, das Werk eines Gelehrten, auch seine Fehlschläge, nie die gleiche Auswirkung haben und nicht auf gleiche Weise auf einem wie dem anderen Niveau beschrieben werden können; es ist nicht die gleiche Geschichte, die hier und dort erzählt wird. Rücklaufende Neueinteilungen, die mehrere Vergangenheiten, mehrere Verkettungsformen, mehrere Hierarchien der Gewichtung, mehrere Determinationsraster, mehrere Teleologien für ein und dieselbe Wissenschaft entsprechend den Veränderungen ihrer Gegenwart erscheinen lassen. Infolgedessen ordnen sich die historischen Beschreibungen notwendig nach der Aktualität des Wissens, vervielfachen sie sich mit seinen Transformationen und hören [>12]
       

       
      Kommentar Archaeologie :
      Fazit: Foucault pflegt einen sehr abstrakt-allgemeinen Stil mit vielen Behauptungen ohne konkrete Belege oder Beispiele. Viele Worte sind in Bezug auf ihre Bedeutung, also begrifflich unklar. Am klarsten ist noch der Verlagstext, der kurz und bündig wissen lässt, dass Foucault eine Art Meta-Ideengeschichte, eine Analyse der Denkgeschichte anstrebt.

     



    Mathematik
     
      Nickel, Gregor (2018) 2. Kurzessay: Mathematisches Wissen. [Online]: Eine Sammlung 32 Auffassungen, hier nach der Reihe der VerfasserInnen: 1. A.A.;  2. Sarah-Maria Althaus; 3. Janina Bäumer; 4. Niklas Becher; 5. Annika Birlenbach; 6. Andreas Borovskiy; 7. Alice Bremerich; 8. A.C.; 9. Tobias Dahm; 10. Ina Freyaldenhoven; 11. Jan Friedrichs; 12. Justus Graessner; 13. F.H.;  14. M.H.; 15. Joana Haardt; 16. Jonathan Kurz; 17. Marie Leiwen; 18. Filiz Livan; 19. L.M.; 20. Christopher Mai; 21. Julian Plack; 22. F.S.; 23. O.S.; 24. Pascal Schäfer; 25. Eva Schlaak; 26. Simon Schneider; 27. Till Schneider; 28. J.T.; 29. Halil Turan; 30. J.V.; 31. Lovis Wagner; 32. Martin Wrobel;
       
        A.A. "Um mathematisches Wissen richtig definieren zu können, sollte man sich zunächst mit dem allgemeinen Begriff „Wissen“ auseinandersetzen. Wenn man eine allgemeine Definition für den Wissensbegriff haben möchte, ist es nicht zu vermeiden, dass man auf verschiedene Ansichten trifft, da jeder eine eigene und individuelle Definition besitzt, die jedoch weder richtig noch falsch ist, sondern aus einer anderen Perspektive betrachtet wurde. Hierfür nehme ich als Beispiel die Philosophie, die keine eindeutige Definition für den Wissensbegriff aufweisen kann.Da jeder eine eigene Definition zu Wissen hat, werde ich aus meiner eigenen Sicht schreiben und mich auf keine konkrete Definition beziehen. Wichtig wäre es, wenn es um Wissen geht, dass man zwischen „informiert sein“ und „etwas wissen“ unterscheiden kann. Ersteres, so meiner Ansicht nach, ist die reine Informationsflut von dem, wovon der Mensch bestimmte Informationen zur Verfügung stehen hat, aber kein tieferes Verständnis entwickelt wurde, da die Auseinandersetzung kaum oder bis gering stattgefunden hat. Dies würde ich als „oberflächliches Wissen“ bezeichnen. Etwas zu wissen hingegen, wäre somit die richtige Auseinandersetzung mit der Materie, sodass auch Problemstellungen in der Regel keine Probleme bereiten würden, da man sich auch tiefer mit der Problematik beschäftigen kann, ohne sich mit dem Grundproblem „Was genau ist das?“ beschäftigen zu müssen.
            Somit würde ich mathematisches Wissen als eine Art Grundwissen über die mathematische Geschichte und ihre Entwicklung bezeichnen, sowie die Anwendung, die man während der Schulzeit miterlebt hat, wenn man sich nicht nur grob auf die einfachen Rechenoperatoren beschränkt. Um die oben genannte Differenzierung nochmal in einem Beispiel aufzugreifen, wäre es für die Person, die sich mit Mathematik beschäftigen möchte, viel interessanter, sich nicht nur die Anwendungen anzuschauen, sondern auch den geschichtlichen Aspekt zu studieren. Natürlich kommt der geschichtliche Aspekt während der Schulzeit wesentlich kürzer zum Zuge, als die reine Anwendung, jedoch würden die Schüler und Schülerinnen (SuS) somit einen anderen Eindruck
        bekommen, wieso sich Mathematiker mit solchen Problem beschäftigt haben. Den SuS fehlt in der Regel das Wissen um gewisse Fakten und Informationen zuzuordnen.
          Kommentar-Nickel2018-A.A:
      Bardy, Thomas  (2015) Zur Herstellung von Geltung mathematischen Wissens im Mathematikunterricht. Auch Dissertation Bremen. Wiesbaden: Springer-Spektrum. [PDF vorh.] [GB]
       
        "1.1.1 Der schwache und der starke Wissensbegriff nach R. HOFER
        Die logisch-erkenntnistheoretische Standardanalyse erklärt Wissen nicht anhand einer  Beschreibung  von  Beispielen  (Fällen), sondern über eine reduktive  Definition, das heisst  dadurch, dass ein  komplexer Begriff  durch die Angabe einfacherer, fundamentalerer Begriffe erklärt wird. Konkret  sucht  man  die  notwendigen und gemeinsam hinreichenden Bedingungen zwecks Abgrenzung des Begriffs von alle denkbaren Fälle, nicht nur die faktischen (wirklichen) erfassen wollen. Wir analysieren ja den Inhalt  eines  Begriffs, dabei ist nicht das Faktische  massgebend, sondern das Denkbare, weil die Begriffe und Gedanken über den Bereich des Wirklichen hinausgehen. (R. HOFER, 2012, 103). R. HOFER (a.a.O., 348ff.) unterscheidet zwei Niveaus des Wissensbegriffs: Niveau  I  (den  schwachen Wissensbegriff); Wissen wird als „wahre  Überzeugung“ definiert (siehe a.a.O., 92): Die Person X weiß, dass p8, genau dann, wenn (1) X die Überzeugung hat, dass p, und (2) p wahr ist.
        Niveau  II  (den  starken Wissensbegriff); Wissen wird als „gerechtfertigte wahre Überzeugung“  definiert (nach der  logisch-erkenntnistheoretischen Standardanalyse, siehe a.a.O., 93):
        Die Person X weiß, dass p, genau dann, wenn (1) X die Überzeugung hat, dass p,
        (2) p wahr ist und
        (3) X berechtigte Gründe hat, die Überzeugung zu haben, dass p.
        (Die  mit  dieser  letzten Definition verbundenen erkenntnistheoretischen  Probleme können hier nicht  diskutiert werden. Es sei lediglich auf Wittgensteins Erörterung von Moores Paradox9 und das sog. Gettier-Problem10 hingewiesen.)
            Beim schwachen Wissensbegriff geht es um das Verstehen fachlichen Wissens und nicht um dessen exaktes Begründen. Bei diesem Begriff wird darauf verzichtet, „dass8 p steht dabei für eine Aussage bzw. (genauer) für die Intension (den Inhalt) einer Aussage. „Wissen ist  [...]  erstens  immer  personengebunden, weil es jemanden braucht, der dieses Wissen hat.“  (R.  HOFER, 2012, 102).  „Zweitens hat  Wissen  einen Inhalt, das heisst, Wissen ist immer Wissen, dass etwas sich so verhält. Es besteht in einer Proposition. Die Erkenntnistheorie beschäftigt sich ausschliesslich  mit dieser propositionalen Gestalt des Wissens, wobei sie in der Regel von der konkreten  Person  abstrahiert  (objektivistischer  Standpunkt), so dass die Standardform von Wissen  lautet: S weiss, dass p.“ (a.a.O., 102)9.  Moore versucht eine psychologische Erklärung für die Widersprüchlichkeit des folgenden Satzes: Es regnet, aber ich glaube es nicht. WITTGENSTEIN (1984) sieht in diesem Satz ein logisches Problem.10"
    _


    Wissen-Naturwissenschaften

    Gierer, Alfred (1988) Das Wissen vom Wissen. In (58-64) Die Physik, Das Leben und die Seele. München: Piper.

      Paraphrasiert S.58-59: Nur dann sind wissenschaftliche Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten verläßlich, wenn ihr Anwendungsbereich bekannt ist und die angewandten Beobachtungs- und Denkmethoden richtig sind. So ist die Inhaltswissenschaft von der Sicherheit ihrer Bedingungen abhängig. Unsere naive Betrachtung von Raum, Zeit und Materie außerhalb der Dimensionen alltäglicher Erfahrung kann falsch sein, wie die Geschichte der modernen Physik zeigt. Gleichzeitig kann eine genaue Analyse der Messung und der Schließung für die Entwicklung und das Verständnis der passenden Theorie äußerst nützlich sein.
            Aus diesem Grund wurde versucht, eine Wissenschaft aus der Wissenschaft zu entwickeln. Diese sollte die Bedingungen und den Umfang der inhaltlichen Wissenschaft klären und absichern, möglicherweise sogar zeigen, wie Wissenschaft am besten gemacht werden kann.
            Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Theorie sind in der Tat äußerst lehrreich. Sie leisten einen Beitrag zum Selbstverständnis des menschlichen Denkens, erfordern jedoch auch, dass man sich bescheidenere Ziele setzt. Zum einen ist dies darauf zurückzuführen, dass alle ihre eigenen Methoden haben. Das trifft insbesondere auf die Wissenschaft von der Wissenschaft zu: Sie ist noch unsicherer und interpretierbarer als die einzelnen inhaltlichen Wissenschaften, mit denen sie in Verbindung steht. Zudem stellt sich die schwierige Frage: Was ist ein Problem? Im Grunde kann alles problematisiert werden; dies führt zu dem Schluss, dass wir nichts wissen können, wenn es radikal angewandt wird. Die Gültigkeit logischer Schlüsse kann aufgrund der ungesicherten intuitiven Voraussetzungen des formalen Denkens in Zweifel gezogen werden. Man kann sogar bestreiten, dass es so etwas wie gesicherte Erfahrungstatsachen gibt. kennt man doch die Unzuverlässigkjeit unserer Sinne, wie es sich bei optischen Täuschungen zeigt, und dass es schwierig ist, Gegenstände und Sachverhalte mit klaren Begriffen zu bezeichnen, damit alle das Gleiche meinen.
            Dieser radikale Zweifel kann nicht durch rein theoretische Argumente widerlegt werden. Es ist jedoch klar ersichtlich, dass sich Menschen im Allgemeinen auf der Grundlage von Beobachtungen und logischem Denken sowohl im Alltag als auch in der Naturwissenschaft durchaus verständigen können.
            Obwohl es unsichere Aussagen und Streitfälle im Grenzfall gibt, wäre der radikale Skeptiker bereits deshalb unglaubwürdig, weil er nicht mit seiner eigenen Skepsis leben kann. Es wäre nicht einmal möglich, auf dem Markt einzukaufen, wenn man immer wieder in Zweifel gezogen würde, ob der Apfel ein Apfel ist.
      Eine konsequente, erkenntniskritische Analyse der Tragweite der Wissenschaft kann aufklärend sein, selbst wenn sie die Grenzen der Spitzfindigkeit streift. Allerdings ist nicht alles, was konsequent und spitzfindig ist, auch interessant. So steril ist universelle Skepsis auch. Welche Wahrheit gibt es?
            Eine Denkschule, die maßgeblich zur mathematischen Logik beigetragen hat, kam zu dem Schluss, dass der Satz „Der Himmel ist blau“ nur dann und nur dann wahr ist, wenn der Himmel blau ist. Der Theoretiker der Wissenschaft bewegt sich auf einem engen Grat zwischen Tiefsinn und Banalität.
            Die Erkenntnistheorie des Menschen war für die Geschichte der allgemeinen Philosophie, insbesondere der Namen Bacon, Descartes, Hume und Kant, hatte eine lange Verbindung zu diesem Thema. In den 1920er Jahren versuchte die analytische „Wiener Schule“ der Wissenschaftstheorie, die Wissenschaft mit ihren eigenen Mitteln formal abzusichern, was ihre logische Struktur und ihre Verankerung in Erfahrung und Experiment betrifft. Das sogenannte empirische Sinnkriterium war ein Ausgangspunkt: Wissenschaftliche Aussagen über die Natur sollten nur durch experimentelle Bestätigung sinnvoll werden. Theoretische Konzepte würden nur dann sinnvoll sein wenn die Begriffsbestimmungen selbst vollständig durch Mess- und Beobachtungsverfahren festgelegt werden können. Die Gültigkeit der Logik wurde anerkannt, unabhängig von der experimentellen Erfahrung. Gleichzeitig wurde jedoch jede „Metaphysik“ abgelehnt und Begriffe wie „Seele“ aus der Wissenschaft verbannt, übrigens mit einer für rationalistische Erklärungen erstaunlichen Emotionalität."


    Wissen in der Physik
     

      Wissen relativ, nicht objektiv, von der Messmethode abhängig
      Lindley1997: "Die klassische Physik geht von der Existenz einer realen, objektiven Welt aus, einer Welt, die der Wissenschaftler bis ins letzte Detail verstehen kann. Die Quantentheorie nimmt uns diese Sicherheit und erklärt, daß Wissenschaftler nicht darauf hoffen können, die «wirkliche» Welt in all ihren Details zu entdecken, nicht etwa, weil ihre geistigen oder ihre technischen Möglichkeiten begrenzt waren, und auch nicht, weil physikalische Gesetze das Erlangen allumfassenden Wissens verhindern - die Grundaussage der Quantentheorie ist noch viel revolutionärer: Es läßt sich keine vollkommene und objektive Erkenntnis der Welt gewinnen, weil es keine objektive Welt gibt. [>75]
          Wenn wir etwas zu messen versuchen, so tun wir dies mit Meßgeräten, die Teil der physikalischen Welt sind, die wir erforschen, und diese Meßgeräte können nicht von den Dingen getrennt werden, die wir messen möchten. Kein Gerät kann beispielsweise die Geschwindigkeit eines Elektrons messen, ohne die Bewegung des Elektrons zu beeinflussen, und jede Messung der Elektronengeschwindigkeit muß genaue Angaben über die Meßmethodik enthalten. Ob in der klassischen Physik oder in der Quantenphysik: Unser Wissen von der Welt besteht nur aus den Ergebnissen aller Messungen, die wir durchführen. Doch wo die klassische Physik annahm, daß Messungen im Prinzip sowohl unendlich präzise als auch völlig «ohne Eingriff» durchgeführt werden können, weiß die Quantenphysik, daß das gemessene Objekt vom Meßvorgang beeinflußt wird; es verhält sich ganz anders, wenn es vermessen wird, als wenn der Meßvorgang nicht stattgefunden hätte. Es macht nicht viel Sinn, von einer objektiven Welt realer Fakten zu sprechen, wenn man diese Fakten nicht kennenlernen kann, ohne sie dadurch zu ändern. Die Vorstellung von einer realen, objektiven Welt ist sinnlos geworden; was gemessen wird und daher bekannt ist, hängt von der Art der Messung ab."
          Quelle (S. 74f): Lindley, David (dt. 1997) Das Ende der Physik. Vom Mythos der großen Vereinheitlichten Theorie. Frankfurt: Insel.
        Kommentar-Lindley1997:




    Wissen-Psychologie

    Dorsch: "Wissen (= W.) [engl. knowledge], [KOG], kogn. Repräsentation von Gegenständen; unterschieden werden Repräsentationen von Sachverhalten (deklaratives W.), von Fertigkeit und deren Ausübung (prozedurales W.), von Heuristiken und Problemlösestrategien (strategisches W., Problemlösen) und von der Kontrolle und Steuerung von Lern- und Denkprozessen selbst (metakognitives W., Metakognition, Schema, Gedächtnis). Zum W.system einer Person werden ebenfalls soziale Fertigkeiten und Kompetenzen sowie Einstellungen und Überzeugungen (Überzeugungssystem) gezählt. Die intentionale Vermittlung von W. (Lehren) erfolgt durch Nutzung von Vorgängen des Wissenserwerbs, da es sich bei der W.aneignung um einen konstruktiven, meist auch soz. eingebundenen Prozess handelt. Denken.
    Autor/en Michaela Heinecke-Müller
    Literatur Sodian, B. (1995). Entwicklung bereichsspezifischen Wissens. In R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S. 622–653). München: PVU."

    Spektrum Lexikon der Psychologie
    https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/wissen/16892
    Essay Wissen von Gabi Reinmann-Rothmeier und Heinz Mandl

    Epistemologische Grundlagen
    Die Frage, was SL1Wissen ist und wie es entsteht, gehört zu den grundlegenden Fragestellungen der Philosophie. In der westlichen Epistemologie ist der Begriff des SL2Wissens seit jeher eng mit der Suche nach der „Wahrheit“ verknüpft; dies prädestiniert das Thema für eine kontroverse Debatte, die sich bis auf die antike Auseinandersetzung zwischen Platon und Aristoteles zurückverfolgen läßt: Es existiert ein apriorisches Wissen, das nicht durch Sinneswahrnehmungen erklärt werden muß – so Platons (428 – 347 v.Chr.) These. SL3Wissen wird folglich deduktiv erlangt, die absolute Wahrheit entsprechend durch logisches Denken erschlossen. Damit war der Rationalismus geboren, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit René Descartes seinen wichtigsten Vertreter fand. Es gibt kein SL4apriorisches Wissen, konterte Aristoteles (384 – 322 v.Chr.), der in der Sinneserfahrung die einzig wahre SL5Wissensquelle sah. SL6Wissen, so sein Fazit, wird induktiv erlangt, Erkenntnis aus Sinneserfahrungen abgeleitet. Aristoteles schuf auf diese Weise den Gegenspieler des Rationalismus – den Empirismus, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts am prominentesten von John Locke repräsentiert wurde. Im 18. Jahrhundert gab es vor allem mit Kant und Hegel Versuche, Rationalismus und Empirismus zu „versöhnen“, etwa mit der Annahme eines Zusammenwirkens von logischem Denken und Sinneswahrnehmung. Im Laufe des 20. Jahrhunderts gesellten sich weitere Strömungen hinzu (z.B. Phänomenologie, Pragmatismus etc.), die das SL7Wissen in enger Verbindung etwa mit Handeln, Körpererfahrung oder Sprache sahen. In der Folge verwischten die Grenzen der beiden „alten Lager Rationalismus und Empirismus“ ein wenig, ohne aber zu verschwinden. Im Gegenteil: Wer sich mit SL8Wissen auseinandersetzt und nach seinem „Wesen“ sucht, den beschäftigt die zugrundeliegende Kontroverse auch heute noch.

    Verschiedene Sichtweisen von SL9Wissen
    Es gibt bis dato keine einheitliche Definition dessen, was SL10Wissen ist. Denn SL11Wissen kann aus mehreren Perspektiven betrachtet werden, was unterschiedliche SL12Wissensdefinitionen nach sich zieht (Greeno, Collins & Resnick, 1996): Aus behavioristischer Sicht, die im Kern die Tradition des Empirismus fortsetzt, wird SL13Wissen als Besitz von Reiz-Reaktions-Verbindungen (Assoziationstheorie) und/oder Aktivitätsmustern (Konnektionismus) im Gedächtnis verstanden. Neuronale Netzwerktheorien versuchen, vor allem die konnektionistische Perspektive auf biologischer Grundlage zu untermauern. Aus kognitiver Sicht, die eher rationalistischen Prinzipien folgt, entspricht SL14Wissen dem Besitz von Konzepten und kognitiven Fähigkeiten zur Wiedererkennung und Konstruktion von Symbolmustern. SL15Wissen gilt hier als Grundlage für so allgemeine Fähigkeiten wie Sprechen und Sprachverstehen oder Problemlösen und Denken. Aus einer neueren „situativen“ Sicht wird SL16Wissen als in der Welt verteilt interpretiert. Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Sichtweisen liegt hier der Fokus weniger auf der Frage nach der Beschaffenheit von SL17Wissen als vielmehr auf der Suche nach der Art, wie Wissen unter Individuen, Gemeinschaften und deren Artefakten verteilt ist. Das rückt die situative Sicht in die Nähe des Pragmatismus und einer soziohistorischen Herangehensweise an das Thema SL18Wissen.

    SL19Wissen in verschiedenen historischen Kontexten
    Was die Menschen unter SL20Wissen verstehen und wie sie damit umgehen, ist in hohem Maße von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Betrachtet man den Stellenwert und die individuelle, wirtschaftliche und politische Macht des SL21Wissens zu verschiedenen Zeiten, so zeigt sich schnell, daß SL22Wissenssysteme einem historischen Wandel unterliegen (Damerow & Lefèvre, 1998): In schriftlosen Kulturen wurde SL23Wissen ausschließlich interaktiv und über die gesprochene Sprache von Generation zu Generation tradiert und war entsprechend situativ gebunden. Mit den frühen Schriftkulturen wurde die symbolische Repräsentation von SL24Wissen möglich, was dazu führte, daß bislang allgemein zugängliches SL25Wissen zu einem SL26Wissen von Experten und Eliten wurde. Eine Verstärkung dieser Tendenz sowie eine Erweiterung der SL27Wissenssysteme fanden in der klassischen Antike und im Mittelalter statt. SL28Wissensträger waren nun immer mehr die Gelehrten. Erst mit dem Buchdruck veränderten sich die soziale SL29Wissensverteilung und die Art der SL30Wissenstradierung: SL31Wissenschaftliches Denken und Handeln prägten die europäische Neuzeit und forcierten eine systematische Produktion von SL32„Erfahrungswissen“. Kennzeichen des nachfolgenden Industriezeitalters waren die Spezialisierung und Kanonisierung von SL34Wissen, die in eine historisch neuartige Kluft zwischen wissenschaftlichem SL35Wissen und SL36Alltagswissen mündeten. Heute wird vielerorts von der SL37Wissensgesellschaft gesprochen, die charakterisiert ist von einem exponentiellen Wachstum des SL38Wissens und einem enormen Fortschritt auf dem Sektor der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Vor allem letztere führen zu prinzipiellen Veränderungen in der Repräsentation von SL39Wissen (multimedial präsentiertes SL40Wissen in Hypertextformat), im Zugriff auf SL41Wissen (orts- und zeitunabhängiger sekundenschneller SL42„Wissenstransport“) sowie in der Verteilung von Wissen (disperses SL43Wissen in weltweiten Netzen).

    Die Psychologie des SL44Wissens
    In der heute zunehmend komplexer werdenden Welt, in der der einzelne einer kaum noch überschaubaren Flut und Vielfalt von Information und SL45Wissen ausgesetzt ist, gewinnt das SL46Wissen als Gegenstand der psychologischen Forschung an hoher Aktualität. Im Rahmen der Kognitionspsychologie (Kognition) hat sich seit Mitte der 80er Jahre die SL47Wissenspsychologie (Mandl & Spada, 1988) entwickelt, die verschiedene Forschungsinhalte wie Modelle der SL48Wissensrepräsentation (Gedächtnis), Erwerb von SL49Wissen (Lernen), Anwendung von SL50Wissen (Denken; Entscheidung; Handlung) und SL51Wissensveränderung unter der Fragestellung zu bündeln versucht: Welche Rolle kommt der Analyse von SL52Wissensprozessen in verschiedenen Teilbereichen der Psychologie zu? Verschiedene Teilbereiche der Kognitionspsychologie werden somit aus SL53wissenspsychologischer Perspektive neu strukturiert und mit einem besonderen Methodenrepertoire (SL54quantitative und SL55qualitative SL56Wissensdiagnose) untersucht. Die Erforschung von SL57Wissen und SL58Wissensprozessen ist letztlich aber in vielen Teilbereichen der Psychologie verhaftet – wohl ein Indiz dafür, daß dem SL59Wissen in zahlreichen psychologischen Phänomenen ein zentraler Stellenwert zukommt.

    SL60Wissenstypen
    Gibt es überhaupt SL61„das“ Wissen, oder ist es nicht sinnvoller, von verschiedenen Formen oder Typen des SL62Wissens auszugehen? Alte wie neue Theorien einschließlich empirischer Befunde sprechen für letzteres: So trennte etwa schon Aristoteles zwischen SL63praktischem Wissen, das aus Erfahrung resultiert, und SL64theoretischem Wissen als dem Ergebnis des Denkens. Fortgeführt und modernisiert wurde diese antike Einteilung mit der organisationspsychologisch geprägten Unterscheidung zwischen SL65Kennen–Wissen als Kenntnis von Theorie und Forschung, SL66Können–Wissen als praktische Kenntnisse von Produkten und Prozessen und schließlich SL67Wollen–Wissen als handlungsleitende Vision. Die in der Tradition der cognitive science stehende Forschung der SL68Wissenspsychologie unterscheidet das SL69deklarative Wissen (Faktenwissen) vom SL70prozeduralen Wissen (SL71Handlungswissen) und SL72Kontrollwissen. Vor allem in der Praxis weit verbreitet ist die Trennung zwischen SL73explizitem und SL74implizitem Wissen: Dabei gilt ein SL75Wissen dann als implizit, wenn es nicht direkt artikulierbar ist, in hohem Maße von Erfahrungen abhängt und das Merkmal der Gleichzeitigkeit besitzt. Dagegen spricht man von SL76explizitem Wissen, wenn es sprachlich artikuliert werden kann, im weitesten Sinne verstandesabhängig ist und sich mit der Eigenschaft „sequentiell“ charakterisieren läßt. Diese Gegenüberstellung läßt sich auf Polanyi (1966) zurückführen: Er unterschied zwischen focal knowledge – SL77Wissen über ein Objekt oder Phänomen, das gerade im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht – und tacit knowledge – SL78Wissen, das als „Werkzeug“ für den Umgang mit dem im Fokus stehenden SL79Wissen zu verstehen ist. So unterschiedlich akzentuiert diese Einteilungen auch sein mögen, so liegt doch überall die Idee zugrunde, daß es, vereinfacht ausgedrückt, ein erfahrungsabhängiges, schwer artikulierbares Know-how und ein erwerbsabhängiges, leichter explizierbares Know-that gibt. Aus organisationstheoretischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen SL80individuellem und SL81organisationalem Wissen zentral. Organisationales SL82Wissen ist Wissen, das – im Gegensatz zum SL83individuellen Wissen – nicht in den Köpfen von Menschen gespeichert ist, sondern in sozialen Systemen (Organisationen) bzw. in deren Regelsystemen. In diesem Zusammenhang wird etwa auch das SL84geteilte Wissen als Kern der SL85organisationalen Wissensbasis einerseits dem SL86verfügbaren Wissen und andererseits dem SL87erreichbaren Wissen gegenübergestellt. Die Merkmale implizit und explizit, die ursprünglich auf das Individuum bezogen waren, können auch auf das SL88organisationale Wissen angewandt werden, woraus die Unterscheidung zwischen SL89objektiviertem (expliziten) Wissen und SL90kollektivem (impliziten) Wissen resultiert.

    Was SL91Wissen von Information unterscheidet
    In der Alltagssprache wird selten zwischen Wissen und Information unterschieden: Wer über etwas „informiert“ ist, SL92„weiß“ Bescheid; wer das SL93„Wissen“ hat, kann „Informationen“ weitergeben. In der Psychologie aber wird durchaus zwischen SL94Information und Wissen unterschieden. Man geht sogar noch weiter und ordnet Zeichen, Daten, Information und SL95Wissen in einer Art SL96„Wissensleiter“ an: Zeichen (etwa in Form von Buchstaben, Ziffern oder Sonderzeichen) bilden als die kleinsten Einheiten die unterste Stufe der Leiter. Daten bestehen aus einer sinnvoll kombinierten Folge von Zeichen, besitzen aber noch keine Verwendungshinweise. Sie werden erst zu Information, wenn sie in einen Problemzusammenhang gestellt werden und zur Erreichung eines Ziels dienen. Information ist der Rohstoff für die Bildung von SL97Wissen. Damit aus Information SL98Wissen wird, muß die Information in einem bedeutungshaltigen Kontext mit der Erfahrung einer Person und ihrem SL99Vorwissen verknüpft werden. SL100Wissen ist demnach mehr als die Ansammlung von Information. Damit aus Information SL101Wissen wird, muß der Mensch auswählen, vergleichen, bewerten, Konsequenzen ziehen, verknüpfen, aushandeln und sich mit anderen austauschen (Informationsverarbeitung). Im Gegensatz zu Informationen dreht sich SL102Wissen um persönliche Vorstellungen und individuelles Engagement; dabei ist es kontext- und beziehungsspezifisch und letztlich am (sozialen) Handeln orientiert. Diese sich zunehmend verbreitende Interpretation von SL103Wissen entspricht einer (gemäßigt) konstruktivistischen Auffassung, derzufolge SL104Wissen kein Reservoir objektiver SL105wissenschaftlicher Resultate, sondern Ausgangspunkt, Weg und Ziel menschlicher Realitätskonstruktionen zugleich ist. Gestützt wird die Annahme vom SL106Wissen als kontextabhängigen kognitiven und sozialen Konstruktionsprozeß unter anderem von der Expertiseforschung, die die Besonderheiten des SL107Expertenwissens und seine Entstehung untersucht.

    Offene Fragen
    Die Frage, was genau nun das „Wesen“ des SL108Wissens ist, wie SL109Wissen eigentlich entsteht und letztlich in Entscheidungen und in Handeln umgesetzt wird, ist – wie die kurzen Ausführungen zu den epistemologischen Grundlagen gezeigt haben – mehr als 2000 Jahre alt und dennoch bis heute ohne verbindliche Antwort geblieben: Ist SL110Wissen ein als statisch zu bezeichnendes Ergebnis eines Erkenntnisprozesses in Form einer wissenschaftlich begründeten Überzeugung, oder handelt es sich beim SL111Wissen doch eher um den Erkenntnisprozeß selbst in Form einer kontinuierlichen Konstruktion von Menschen und sozialen Systemen? Entsteht SL112Wissen infolge einer – zumindest theoretisch – genau beschreibbaren Verarbeitung von Informationen und deren Verknüpfung mit vorhandenen kognitiven Strukturen im Kopf eines Individuums, oder ist die SL113Wissensentstehung eher als ein nie ganz zu erklärender Konstruktionsprozeß innerhalb bedeutungshaltiger persönlicher und sozialer Kontexte zu beschreiben? Und wie wird letztlich SL114Wissen zu Handeln? Welche Rolle spielen dabei Emotion, Motivation, Wille, Einstellungen und Werte einerseits sowie soziale Beziehung, kulturelle Bedingungen sowie institutionelle Chancen und Barrieren andererseits? Vor dem Hintergrund solcher auf Klärung drängender Fragen ist SL115Wissen keine Domäne allein der SL116Wissenspsychologie oder SL117Wissenssoziologie. Vielmehr handelt es sich um einen fachübergreifenden Gegenstand, dessen multidisziplinäre Erforschung wichtige Erkenntnisse für viele gesellschaftliche Bereiche erwarten läßt: Von der Bildung (Wie wird SL118Wissen am besten erworben?) über die Wirtschaft (Wie geht man sinnvoll mit der Ressource SL119Wissen um?) bis hin zur Politik (Wie verhindert man Handeln SL120wider besseren Wissens?). Der intelligente, effiziente und verantwortungsbewußte Umgang mit SL121Wissen (in jüngster Zeit auch zunehmend als SL122„Wissensmanagement“ im weitesten Sinne bezeichnet) ist eine große gesellschaftliche Herausforderung, eine immer wichtiger werdende Aufgabe von Organisationen und letztlich auch eine individuelle Kompetenz.

    Wissen um die eigene Existenz
    Es gibt psychotische Zustande, da ist selbst die eigene Existenz ungewiss, fraglich, fragil. Aber die meisten gesunden Menschen sind sich ihrer Existenz nicht nur bewusst, sondern gewiss.

    "... ich weiß, z. B., dass ich existiere, dessen bin ich mir gewiss. Ich kann darüber nicht getäuscht worden sein. Wenn man mich täuschen würde, mir vorgaukeln, dass ich existierte, müsste ich existieren, damit ich darüber getäuscht werden kann. Ich würde mir widersprechen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht existiere oder dass ich nicht ohne Zweifel weiß, dass ich existiere. Außer dem einfachen Beispiel ist alles andere schon nicht mehr so sicher wie dies - außer dem religiösen Glauben, wie die Gläubigen behaupten."
        Quelle: Internetseite  atheismus info (Abruf 09.08.18)


    Gebrauchsbeipiele wissen und Wissen in Wissenschaft, Bildung und Leben

    Eigene-Wissens-Beispiele
    Ich weiß, dass ich wach, bewusstseinsklar, zeitlich und räumlich orientiert bin.
    Ich weiß um meine Befindlichkeit, dass ich im Moment ganz ordentlich beeinander und lesitungsfähig bin.
    Ich weiß, dass Frankreich zu Europa gehört.
    Ich weiß, dass die Erde an den Polen abgeplattet ist.
    Ich weiß, dass sich Massen anziehen.

    Wissen und oestliche Philosophie
    Watts-1961: "Der Grund, warum Taoismus und Zen für den in westlichem Denken Erzogenen auf den ersten Blick so verwirrend sind, ist wohl darin zu suchen, daß wir einen allzuengen Begriff vom menschlichen Wissen haben. Fast unser gesamtes Wissen ist so beschaffen, daß ein Taoist es «konventionelles Wissen nennen [>21] würde. Wir meinen nämlich, nur das wirklich zu wissen, was wir unseren Mitmenschen in Worten oder irgendeinem anderen System konventioneller Zeichen, etwa in mathematischen Formeln oder im Notenbild, mitteilen können. Solch ein Wissen wird konventionell genannt, weil es nur dank gesellschaftlicher Übereinkunft besteht — Übereinkunft nämlich im Hinblick auf die Mittel der Verständigung. Nicht anders wie Menschen gleicher Sprache stillschweigend Übereinkünfte darüber haben, mit welchem Wort was bezeichnet werden soll, bilden die Mitglieder jeder Gesellschaft und jeder Kultur eine Gemeinschaft, da sie gemeinsame Grundbegriffe der Verständigung haben, auf denen jegliche Übereinkunft, die Einordnung und Wertung von Handlungen und Dingen betreffend, basiert."
        Quelle: Watts, Allan (1961) Zen-Buddhismus. Reinbek: rde, S. 20f.

    Leinfellner, Werner (1967) Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Mannheim: BI.
    S.69-71: "Kaum ein erkenntnistheoretisches und wissenschaftstheoretisches. Problem ist so mit Vorurteilen belastet, wie das der Wahrscheinlichkeit und [>70] des wahrscheinlichen Wissens. Hinzu kommt noch die geradezu revolutionäre Entwicklung der statistischen und der induktiv-wahrscheinlichen Methoden und deren immer weitere Anwendung von allem auch in den Geisteswissenschaften, wie z. B. in der Soziologie. Die Entwicklung knüpft, sich einerseits an Statistiker und Mathematiker, wie Kolmogoroff, v. Mises, Wald, andererseits an Wissenschaftstheoretiker und Logiker, wie Keynes, Reichenbach, Carnap, Kemeny. Man kann ruhig sagen, daß diese Entwicklung zusammen mit der immer mehr steigenden Anwendung statistischer (wahrscheinlichkeitstheoretischer) Methoden in der Physik (vor allem in der Quantenphysik) die traditionellen Ansichten über die Erkenntnis und das menschliche Wissen  von Grund auf umgestaltet hat. Die Einwände, die auch heute noch gegen das wahrscheinlichkeitstheoretisch gewonnene Wissen erhoben werden, lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: Das wahrscheinliche Wissen sei ein Unsicheres, fehlerhaftes und vorläufiges, kurz ein unvollständiges Wissen, und die Ursache seiner Unvollständigkeit sei entweder die Unvollständigkeit der Informationen oder seine Ableitung mittels wahrscheinlicher Folgerungen. Die Verfechter dieser Ansicht meinen nun entweder, sowieso bereits im Besitze eines Wissens zu sein, das absolut und für alle Zeiten sicher sei, oder zumindestens, daß es ein solches Wissen an sich gäbe, das aber nur noch nicht bekannt sei. Wir haben hier das klassische Erkenntnisideal vorliegen. Die Anhänger des klassischen Erkenntnisideals vergessen aber dabei stets, daß sie damit zugleich in ein rationalistisches dogmatisches Vorurteil geraten, ein Vorurteil, das weit schwerwiegender ist als das jener, die glauben, wegen der Tatsache der Existenz wahrscheinlichen Wissens zu Wissensskeptikern werden zu müssen. Natürlich werden die oben angeführten Einwände gewöhnlicherweise nicht so offen ausgedrückt, wie von Einstein, der bekanntlich einmal' sagte, daß Gott nicht (mit der Natur) Würfel spiele, sondern sie verbergen sich meist hinter in den klassischen Erkenntnistheorien wohlbekannten „Prinzipien“, wie dem Kausalitätsprinzip, dem Prinzip des durchgängigen Determinismus, dem Induktionsprinzip usw., während man heute nur mehr von mehr oder minder gut bestätigungefähigen Kausalgesetzen, deterministischen Gesetzen usw. sprechen kann. Einstein war einer der klarsten und aufrichtigsten Vertreter des klassischen Erkenntnisideals. Denn er bezeichnete die quantenstatistische Erkenntnis als unvollständige Erkenntnis, die durch eine vollständige, klassische ersetzt werden müsse. Dieser Satz bezeichnet die bis jetzt größte naturphilosophische Streitfrage des 20. Jh., bei der auf der einen Seite Heisenberg, Bohr u. a. und auf der anderen Einstein u. a. stehen. Ob man für die Unvollständigkeit des im klassischen Sinne zu vervollständigenden Wissens objektive [>71] statistische Zustandsbeschreibungen, die nur Durchschnittsbeschreibungen einer großen Zahl von Einzelzuständen sind, oder subjektive Fehlerhaftigkeit beim Beobachten, Messen und Folgern oder anderes verantwortlich macht, ist dabei gleichgültig. In allen Fällen ist man prinzipiell in dem rationalistischen Dogma befangen, es gäbe absolut sichere Zustands-, bzw. Meßgrößen, die man eben nur nicht genau ermitteln könne, und es gäbe ein absolut sicheres, bis ins Detail gehende Wissen, einen absoluten, überall geltenden Determinismus usw. Als Kronzeuge wird hier stets die klassische Physik angeführt. Durch nichts wird der radikale Unterschied zwischen der klassischen Naturerkenntnis und der modernen Konzeption der Welterkenntnis und -beschreibung deutlicher als durch den Bruch mit dem rationalistischen Dogma einer absolut sicheren Welterkenntnis und eines absolut sicheren Wissens. Daß man aber trotzdem in der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie nicht zum Gegenpol überzugehen braucht, nämlich zu einem totalen Wissensskeptizismus, beruht darauf, daß man gerade für das wahrscheinliche Wissen genaue Grenzen seiner Gültigkeit angeben kann, und zwar in Form qualitativer, komparativer oder numerischer Grade seiner Bestätigungsfähigkeit. (Von diesem Standpunkt aus ist das klassische Wissen ein Grenzfall.) Zum ersten Mal gibt es ein Wissen über die Welt, bei dem man nicht nur über seine Voraussetzungen reflektieren, sondern eben auch seine Grenzen methodisch genau erfassen kann. Dies war nur möglich, weil sich das Wissen zu einem theoretischen Wissen, das die Form abgeschlossener Theorien oder Hypothesen besitzt, entwickelte. Man konnte nun die Konzeption der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in etwas modifizierter Form auf abgeschlossene Satzsysteme übertragen, d. h. man suchte mittels verfeinerter wahrscheinlichkeitstheoretischer Methoden z. B. den Bestätigungs-, bzw. Bewährungsgrad des theoretischen Wissens festzustellen. Bevor in 14.2 darauf eingegangen wird, müssen noch analytisch die statistischen und die induktiv-wahrscheinlichen Methoden der modernen Wissenschaften untersucht werden."
    Kommentar-zu-Leinfellner1967: Wissen allgemeinverständlicher und nicht weiter erklärungs- oder begründungsbedürftiger Grundbegriff angesehen. Begriffe: absolut sicheres, bis ins Detail gehende Wissen; Klassisches Wissen; menschliches Wissen; theoretisches Wissen; Unsicheres, fehlerhaftes und vorläufiges, kurz ein unvollständiges Wissen; wahrscheinliches Wissen; wahrscheinlichkeitstheoretisch gewonnene Wissen; Wissen;  zu vervollständigendes Wissen.
     





    Literatur (Auswahl)
    Wissen umfasst thematisch die ganze Welt, die Menschheit und das Leben, nicht nur theoretisch sondern auch praktisch.

    Literatur Wissen o.n.S. (ohne nähere Spezifikation)

    • Arnauld, Antoine & Nicole, Pierre (dt. 1972, fr 1662f). Die Logik oder Kunst des Denkens [Die Logik von Port-Royal]. Übersetzt und eingeleitet von Christos Axelos. Darmstadt: WBG.
    • Baumann, Julius (1908) Der Wissensbegriff. Eine historisch-philosophische und philosophisch-kritische Monographie. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung. [Online] > Alphabetisches Register. Anmerkung: Hier geht es nicht genau um den Wissensbegriff, sondern um das Denken der Denker und Epochen.
    • Brendel. Elke (2013) Wissen. Berlin: De Gruyter.
    • Bunge, Mario () Epistemiologie.
    • Craig, Edward (1993) Was wir wissen können. Pragmatische Untersuchungen zum Wissensbegriff. Wittgenstein-Vorlesungen der Universität Bayreuth. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Damerow, P. & Lefèvre, W. (1998). Wissenssysteme im geschichtlichen Wandel. In F. Klix & H. Spada (1998). Enzyklopädie der Psychologie C/II/6 Wissen (S. 77-113). Göttingen: Hogrefe.
    • Der Spiegel (o.J.) Wissen.  Hamburg: Spiegel-Verl. Augstein
    • Greeno, J.G., Collins, A.M. & Resnick, L.B. (1996). Cognition and learning. In D.C. Berliner & R.C. Calfee (Eds.), Handbook of educational psychology (pp. 15-46). New York: Macmillan.
    • Hofstätter, P. R. (1954) Die beiden Wissensbegriffe und die Psychologie. Jb, f. Psychol, u. Psychother., 2,
    • Kaganova, Ekaterina  (2016) Was uns Lehrtexte lehren. Eine empirische Untersuchung von Schulbuchlehrtexten im Fach Mathematik. Wiesbaden: Springer-Spektrum.
    • Lauxmann, Frieder (1977) Weniger wissen - mehr verstehen. Stuttgart: dva.
    • Leinfellner, Werner (1967) Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschadtstheorie. Mannheim: BI.
    • Mandl, H. & Spada, H. (Hrsg.) (1988). Wissenspsychologie. München, Weinheim: Psychologie Verlags Union.
    • Mittelstraß, Jürgen (1980-1996, Hrsg.). Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 4 Bde. Die ersten beiden Bände erschienen bei BI, Mannheim. Die letzten beiden Bände bei Metzler, Stuttgart. 2. Auflage 2005ff.
    • Moore, George E. (engl. 1953, dt. 2007) Formen des Wissens. In (83-99) Ausgewälte Werke  Bd. 1 Grundprobleme der Philosophie, Heusenstamm: Ontos.
    • Neuser, Wolfgang (2013) Wissen begreifen Zur Selbstorganisation von Erfahrung, Handlung und Begriff. Wiesbaden: Springer.
    • Niehaus, Michael (2004) Der Begriff des Wissens im Wissensmanagementdiskurs. Materialien zur Begriffsgeschichte unter Berücksichtigung der klassischen griechischen Philosophie. Dortmund. [Online]
    • Piatelli-Palmarini, Massimo (ital 1993, dt. 1997) Die Illusion zu wissen. Was hinter unseren Irrtümern steckt. Reinbek: Rowohlt.
    • Polanyi, M. (1966). The tacit dimension. New York: AnchorDay Books."
    • Reimer, Ulrich (1991) Einführung in die Wissensrepräsentation. Stuttgart: Teubner.
    • Russell, Bertrand (1950) Das menschliche Wissen. Darmstadt: Holle. Anmerkung: Das interessante Buch enthält merkwürdigerweise keinen Sachregistereintrag "Wissen", auch kein Kapitel oder einen Abschnitt zur Begriffsklärung "wissen".
    • Rynkiewicz, Kazimierz  (2012) Der Umgang mit Wissen heute: Zur Erkenntnistheorie im 21. Jahrhundert. Eine Einführung. Heusenstamm: Ontos.
    • Seiler, Thomas Bernhard (2008) Wissen zwischen Sprache, Information, Bewusstsein. Probleme mit dem Wissensbegriff. Münster: MV Wissenschaft. Anmerkung: Das ist ein interessantes Buch, aber leider fast durchgängig ohne Belege und Quellen für die Eindrücke und Behauptungen des Autors.
    • Sinowjew, A.A. (dt. 1970, russ.1967). Komplexe Logik. Grundlagen einer logischen Theorie des Wissens. Berlin: VEB d.Wiss.
    • Spektrum Lexikon der Psychologie. Wissen: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/wissen/16892
    • Stegmüller, Wolfgang () Wissen in Glauben, Wissen und Erkennen.
    •  Stehr, Nico (2015)  Ist Wissen Macht? Erkenntnisse über Wissen. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft

    • Waismann, Friedrich (1976). Wissen in (503-505) Logik, Sprache, Philosophie. Stuttgart: Reclam.
    • Weyh, Florian Felix (2021.04.01) Letztgültige Antworten in der Wissenschaft Was wissen wir wirklich? (Abruf 01.07.2021): https://www.deutschlandfunkkultur.de/letztgueltige-antworten-in-der-wissenschaft-was-wissen-wir.976.de.html?dram:article_id=495081


    Wissensbuecher

    • Wissensbuch des Jahres 2016.
    • Wissensbuch des Jahres 2017.
    • Wissensbuch des Jahres 2018.
    • Das Buch des vergessenen Wissens: Mathe, Deutsch & Co. aufgefrischt Taschenbuch – 1. April 2012 von Gert Braune (Autor), Katrin Höller (Autor), Christa Pöppelmann (Autor)
    • Schüler-Duden (1980) Das Wissen von A-Z. Ein allgemeine Lexikon für die Schule.
    • Mein großes Buch des Wissens. Wer weiß schon, dass ein Tag auf dem Mond 28 Erdtagen entspricht? Oder dass bei den Nandus die Männchen die Eier ausbrüten? Das umfassende und reich bebilderte Lexikon im handlichen Taschenformat macht Lust aufs Schmökern und Stöbern. Informative Texte, systematisch gegliedert und leicht verständlich geschrieben, machen das Buch zu einem idealen Nachschlagewerk für Schulkinder. Die Themen reichen von Erde und Weltall, über Tiere und Pflanzen, Menschen und Länder bis hin zu Wissenschaft und Technik. Ab 8 Jahren.


    Feldmann, David (1994) Was ist des Pudels Kern? Erklärungen aus dem Unerklärlichen. München: Goldmann.
     
     

    Bildungsbuecher

    • Buch Taschenhirn. Wissen in Listen. Das kompakte Buch der Allgemeinbildung in 352 Listen.

    • Mit über 50.000 Fakten aus 12 verschiedenen Kategorien. Darin finden Sie alles, was Sie wissen sollten.
    • Dudenredaktion (2015) Duden - Das große Buch der Allgemeinbildung (Duden Allgemeinbildung)1
    • Allgemeinbildung: Schuberausgabe mit 5 Bänden. Das muss man wissen: Weltgeschichte. Naturwissenschaften. Große Persönlichkeiten. Werke der Weltliteratur Taschenbuch – 11. November 2015
    • Zimmermann, Martin  (2016, Hrsg.) Allgemeinbildung: Weltgeschichte. Das muss man wissen Taschenbuch


    Allgemeinbildung
    Im Schüler Duden Das Wissen von A-Z (1980) hat Wissen kreinen Eintrag.

    Fachwissen

      Schulwissen Physik
      Es steht in den Schulbüchern zur Physik, z.B. Schüler Duden Die Physik (1989).

      Allgemeinwissen Physik
      Der Testknacker Allgemeinwissen Physik.
      Grotz Grundwissen Physik [PDF]


    Spezialwissen

    • licht.wissen (2008 ff). Elektronische Ressource. Frankfurt, Main: Verlag: Licht.de, Fördergemeinschaft Gutes Licht
    • Baunetz-Wissen: https://www.baunetzwissen.de/newsletter


    Lit Wissenspsychologie

    • Beckenkamp, Martin (1995) Wissenspsychologie : zur Methodologie kognitionswissenschaftlicher Ansätze. Heidelberg: Asanger
    • Dörig, Roman (1994)  Das Konzept der Schlüsselqualifikationen : Ansätze, Kritik und konstruktivistische Neuorientierung auf der Basis der Erkenntnisse der Wissenspsychologie.
    • Mandl, Heinz  & Spada, Hans  (1988, Hrsg.) Wissenspsychologie. München: Psychologie Verlags Union.
    • Warzecha, Georg (1992) Über eine erkenntnistheoretische Einbettung der Psychodiagnostik in die Wissenspsychologie. Landau:


    Lit. Wissens-Soziologie

    • Foucault, Michel (1981) Archäologie des Wissens. Frankfurt a.M.:  Suhrkamp


    Medien

    • Focus Wissen.
    • GEO Wissen / GEO Wissen
    • Wissen Welt. Rubriken (Abruf 07.07.18): Weltraum, Natur & Umwelt, Gesundheit, Psychologie, Biowetter.




    Links (Auswahl: beachte)
    • Wissenschaftliches Arbeiten.
    • Ulrich, M., Trumpp, N., Harpaintner, M., Berger, A., Kiefer, M. (2022). Academic training increases grounding of scientific concepts in experiential brain systems. Cerebral Cortex.

    • https://doi.org/10.1093/cercor/bhac449 [idw-14.12.2022]




    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten  > Eigener wissenschaftlicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Internetseite
    Um die häufige und lästige Fehlermeldung 404 zu minimieren, geben wir nur noch Links von Quellen an, die in den letzten Jahrzehnten eine hohe Stabilität ihrer URL-Adressen gezeigt haben (z.B. Wikipedia, DER SPIEGEL)
    __
     


    Querverweise
    Standort: Begrifssanalyse Wissen.
    *
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen.
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Wissenschaft site:www.sgipt.org.
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Begriffsanalyse Wissen. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/sprache/BegrAna/Wissen/BA_Wissen.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
    Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht  inhaltlich verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen. Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden. Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus  ...  geht, sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.


    Ende_ Begrifssanalyse Wissen__Rel. Aktuelles _Überblick_Überblick Wissenschaft _Rel. Beständiges_ Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ Service iec-verlag__Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen_ Mail: sekretariat@sgipt.org_

    noch nicht end-korrigiert



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    30.04.24    Gierer, Alfred (1988) Das Wissen vom Wissen.
    06.01.23    Roger Bacons Wissensbegriff.
    06.11.22    Ergänzung der Kriterien-Tabelle um F00 bzw. F00A.
    13.08.22    Präzisierungen Wissensdefinition.
    17.07.22    Erste Grundversion ins Netz gestellt und die Vorversion in Plausibilität in Wissen o.n.S. herausgenommen ..
    00.07.22    Umfangreiche um- und Ausarbeitung.
    01.10.21    Erste Variante in Plausibilität in Wissen o.n.S. platziert.
    06.07.18    angelegt. Materialsammlung begonnen.
     
     
     
     
     



    intern:
    Brainstorming
    Gehört zum Wissen ein Wahrheitswert?
    Es gibt subjektives Wissen.
    Kann Wissen sich widersprechen?

    Weißt Du noch?
    Weiß Du schon?
    Weißt Du ...?

    Stichworte: Beweise, Belege,
    Zitatwissen, Wissensquelle
    Mehrheit, Minderheit
    sicher, unsicher, richtig, falsch, fraglich, teils

    Weiß sie, ob er gestern noch getankt hat?
    Jemand oder Er kann ja sagen, weil er es gemacht hat.
    Jemand oder Er kann ja sagen, obwohl es falsch ist