Abteilung I.
Vorreformatoren, rebellische Priester und Bauern,
Reformatoren
und Wiedertäufer
"Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann?" - Figaro kommentiert.
von Rudolf Sponsel, Erlangen
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BALL, John ? - 1381 [Nr.2*]
Schüler Wicliv's, Kampfgefährte Wat Tyler's. War Priester und kam von York nach Colchester in Essex, wo er sich in seinen Predigten für die soziale Gleichheit aller Menschen einsetzte. Prompt erhielt er daraufhin vom Erzbischof von Canterburry Kanzelverbot. Er betätigte sich fortan als Wanderprediger, wetterte gegen Verschwendungssucht und Korruption des Adels. Bekannt sein Spruch: 'Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann?'. Seine Wirkung auf das Volk war so stark, daß ihn der Bischof 1366 exkommunizierte und alle seine Zuhörer mit Kirchenaus- schluss bedrohte. Als er kurz vor der Erhebung zum vierten Male festge- nommen wurde, befreiten ihn die aufständischen Bauern. Ball schloß sich dem Heer an und stürmte mit Wat Tyler den Tower. Nachdem Tyler er- mordet worden war, gelang ihm die Flucht nur für kurze Zeit. Er wurde gefangengenommen, zum Tode verurteilt und in St. Albans hingerichtet. Lit.: Hilton / Fagan "The English Rising of 1381" London 1950, dt. 1953 |
* Lit.: Hoyer, Siegfried "Hans Böheim - der revolutionäre Prediger von Niklashausen" Zeitschrift für Geschichte 1970, Heft 2 |
BÖHEIM,
Hans (PFEIFER v. NIKLASHAUSEN) ?-1476 [Nr.5*]
Auch Pfeiferhänslein oder der Pfeifer von Niklashausen genannt. Junger Schafhirte und Musikant aus dem Taubertal. Am 24. März 1476 predigte er vor der Kirche in Niklashausen und er hatte gar gewaltige Visionen mitzuteilen. Er leugnete den Machtanspruch des Papstes, rief dazu auf, die Obrigkeit abzuschaffen, zitierte den Zorn Gottes gegen die Priester, for- derte die Abschaffung des Zehnten, der Zölle, freie Nutzung für das, was sich unterm Himmel fand. Und seine Reden fanden gewaltigen Widerhall, verhieß er doch baldige Erlösung. Richtige Wallfahrten fanden in allen Landen statt, um dem Pfeifer zu lauschen. Doch der Bischof hörte mit. Der Rat von Würzburg ließ die Tore besser bewachen, 'da viel seltsam Volk durchziehe'. Im Wallfahrtslied von Niklashausen sang man das Kyrie eleison mit der Wendung, daß man die Pfaffen zu Tode schlagen wolle. Endlich schritt man im Sommer 1476 gegen den 'Revolutionär' ein. Nach- dem ein Trupp Berittener den Pfeifer ergriff und aufs Würzburger Schloß brachte, begann die Bewegung, gegen die sogar der Nürnberger Rat ein- schritt, indem er untersagte, den Wallfahrtsort aufzusuchen, aufrührerischen Charakter anzunehmen. Den in Verschlagenheit geübten Feudalisten gelang es, die Aufrührerischen zu zerstreuen. Hans Böheim wurde am 19. Juli 1476 verbrannt und zwei seiner engsten Gefährten enthauptet. |
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BOLOTNIKOW,
IWAN Issajewitsch ? - 1608 [Nr. 6*]
Revolutionärer Kosakenführer des ersten großen sozialen Aufstandes im Russischen Reich. Als junger Leibeigener floh B. zu den Kosaken, wurde von den Tataren gefangengenommen und als Galeerensklave nach der Tür- kei verkauft. Seine abenteuerliche Flucht führte ihn über Venedig nach Po- len nach Südrußland zurück. Während der Moskauer Thronwirren (1605 - 1613) sammelte sich unter seiner Führung ein großes Kosaken- und Bau- ernheer und konnte bis nach Moskau vordringen, wo er den Zaren 1607 in gar arge Bedrängnis brachte. B. ging es, wie ein halbes Jahrhundert später auch Stepan Rasin) um den Tausch der sozialen Rollen. Von zeitweilig mit ihm verbündeten Gruppen verraten, wurde B. vor Moskau geschlagen, in Tula gefangengenommen und 1608 zuerst geblendet, dann ertränkt. Lit.: Smirnow, "Der Aufstand des Bolotnikow" 1951 |
Hus wurde eingekerkert. Konsequent weigerte er sich, die Autorität der Kon- zilsväter anzuerkennen und bestand dar- auf, daß man seine Ansichten mit der Schrift widerlege. Dies war den saube- ren Herren in Christo offenbar doch zu viel - und so verbrannte man ihn als Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Lit.: Lexikon der Kirche und Theologie |
HUS, Johann 1370/71-1415
[Nr.11]
Tschechischer Reformator und aufrechter Streiter wider die Autorität der Superpfaffen. Geboren in Husinee in Südböhmen, daher der Name. Über seine Kindheit und Jugend ist fast nichts bekannt. Seit 1386 studierte er in Prag. 1396 Magister und Lehrer an der philosophischen Fakultät, 1400 wird er Priester, vollendet die Promotion jedoch nicht. Universitäts-Rekto- rat wahrscheinlich 1409/10. Die Reformbewegung ist keine Erfindung Hus', sondern schon alt. 1396 beschäftigte er sich schon mit Wicliv und dessen radikaler Kirchenkritik. Wicliv's Lehren hatten bereits in Böhmen Fuß gefaßt; innerhalb der Prager Universität gab es mehrere Anhänger. Zunächst bestritt Hus die Berechtigung weltlichen Kirchenbesitzes, wandte sich gegen die Erteilung der Sakramente durch 'unwürdige' Geistliche und bestand auf der Autorität des Gewissens, was keineswegs zu unterschätzen ist. Um 1402 hat er großen Erfolg als Volksprediger. Am Streit um die ge- waltsame Verfassungsänderung der Universität zu Gunsten der böhmischen Universitätsnation ist er zwar beteiligt, aber noch nicht als Führer. Zur Füh- rerfigur wird er erst, als man gegen ihn einen Inquisitionsprozeß anstrengt, der allerdings zunächst im Sande verläuft, da ihn der König deckt. Predigt- verbot und Exkommunikation erhöhen eher seine Popularität. Hus verliert die königliche Gunst, als er sich gegen die von König Wenzel gebilligte Ab- laßsammlung wendet und diese auch noch öffentlich angreift. Damit stellt er sich in die Reihen der Revolutionäre der Wahrhaftigkeit. Dem päpstlichen Bann begegnet er mit seiner Berufung auf Christus. Nach dem kirchlichen Verbot aller Amtshandlungen in Prag (Interdikt), setzt sich Hus nach Süd- böhmen ab. Im Herbst 1414 bekommt er eine Vorladung zum Konstanzer Konzil 1415, dem er sich nicht entzog, da Kaiser Sigismund ein Geleitver- sprechen gab, das natürlich gebrochen wurde. |
Lit.: W. Wiswedel "Bilder und Führergestalten aus dem Täufertum" 3 Bde. Kassel 1930 |
HUT, Hans ? - 1527
[Nr.12]
Wiedertäufer. Geboren in Haina, ursprünglich Buchbinder und Kirchner zu Bibra, dann reisender Flugschriftenhausierer, der um 1524 in Wittenberg mit Wiedertäufern zusammentraf. Unter deren Einfluß weigerte er sich da- heim, ein Kind taufen zu lassen, weshalb er von den 'Herren' genötigt wur- de, seine Güter zu verkaufen und wegzuziehen. Er kam zu den aufständi- schen Bauern, wurde gefangengenommen und von Thomas Münzer befreit. Dafür verbreitete er Münzers Schriften. Nach der Niederlage von Fran- kenhausen kehrte er nach Bibra zurück, predigte und mußte abermals flie- hen. Im Mai 1526 gelangt er nach Augsburg, wo er von Denck getauft wird; er ist dann auf Reisen nach Wien, Passau und Nürnberg. 1527 wie- der in Augsburg und betätigt sich selbst als Täufer. Im gleichen Jahr noch setzt ihn der Augsburger Rat gefangen. Er versuchte, sich dadurch zu be- freien, daß er die Bank, an die er gekettet war, anzündete. Er erlitt jedoch solche Verbrennungen, daß er 8 Tage später daran starb (so die Version der Deutschen Nationalbiografie). Nach BECK (Die Geschichte der Wie- dertäufer) soll er in Oberösterreich mit 37 Gesinnungsgenossen am 27.10.1527 in ein Haus gesperrt und verbrannt worden sein. Wahrschein- lich jedoch ist, daß Hut unter der Folter gestorben ist (Hamburger Chronik der Täufer). |
Lit.: Nationalbiografie, |
KNIPPERDOLLING,
Bernd Um 1500 - 1536 [Nr.14]
Bürgermeister von Münster während des Täuferreiches. Stammt aus ei- nem angesehenen Geschlecht der Stadt und war Kaufmann. Wird als ein Mann von stattlichem Ansehen, voll seltsamer Gedanken und Anschläge, aufrührerisch gegen die Obrigkeit, beschrieben. 1627 wird er erstmals un- liebsam erwähnt, wo er bei dem Auflauf dabei war, entgegen Rat und Pfaff, Tonies Kruse aus dem Gefängnis gewaltsam befreite. Er bekam 1 Jahr Gefängnis und hohe Buße. Stellt sich auf die Seite der Evangelischen und unterstützt Rottmann gegenüber dem widerstrebenden Stadtrat. Befür- wortet die gewaltsame Auseinandersetzung mit dem Bischof, in der durch einen Überfall 1532 die Friedensverhandlungen unterbrochen werden. Der Sieg der Evangelischen fegt die konservativen Ratsherren hinweg und die Demokraten kommen ans Ruder. 1534 wird K. Bürgermeister. Anhänger Jan Matthys's verkehren bei ihm, so Jan van Leiden und K. wird zum be- geisterten Täufer. Mit der Wahl Jans zum König ist er nicht einverstanden - es kommt kurzfristig zum Bruch. Er selber muß ins Gefängnis, bis er ein- lenkt und sich wieder mit Jan van Leiden verträgt. Die Stadt- und Gemein- deordnung trug sozialistische Züge - das Privateigentum wurde abgeschafft, die Gütergemeinschaft eingeführt, allerdings auch Vielweiberei, was böses Blut gab. Knipperdolling stirbt 1536 nach langer Folter einen qualvollen Tod. |
1521 verweigert L. den Widerruf vor dem Reichstag: Reichsacht, Bann der Kirche, Wartburg, Bibelübersetzung. Im Bauernkrieg wettert L. gegen Münzer und die Bauern und trägt damit erheblich zu deren Niederlage bei. Obwohl er sich im sozialpolitischen Bereich als Konter- revolutionär erweist, hat er doch die Re- formation vorwärts gebracht und Rom, die Seele des Großkapitals, das Fürch- ten gelehrt. Lit.: Hans Lilje "Luther" Rowohltsmonogra- fien Hamburg 1965. |
LUTHER, Martin
1483-1546 [Nr.16]
Deutscher Reformator, Kirchenrevolutionär und Konterrevolutionär im Bauernkrieg, Revolutionär der deutschen Sprache. In Eisleben als Sohn eines Bergwerkbesitzers geboren, in Mansfeld Besuch der Lateinschule, 1497 nach Magdeburg auf die Schule der 'Brüder vom gemeinsamen Le- ben'. Danach Eisenach, verkehrt im Hause Cotta und nimmt an dessen Gesellschaftsleben teil. 1501 Universität in Erfurt. Kontakt mit dem Erfur- ter Humanistenkreis und der Ockham'schen Lehre. 1505 Magister, an- schließend Aufnahme des Studiums der Rechte. Am 2.7.1505 erstes Er- lebnis, als ihn beinahe der Blitz erschlägt und Gelöbnis, Mönch zu werden. Tritt gegen den Willen seines Vaters bei den Augustinern ein (17.7.). End- gültiges Mönchsgelübde 1506, innere Glaubenskämpfe. 1508 vertretungs- weise Übernahme eines Lehrstuhls für Moralphilosophie in Wittenberg, 1509 Rückversetzung und Vorlesungen über Dogmatik. 1510 Reise in das ländliche Rom, Rückreise über Nürnberg und Augsburg, danach Übernah- me des Lehrstuhls für Theologie in Wittenberg. 1513 Turmerlebnis, das seine seelische Not beendete und der Beginn des Reformators war. Im Grunde verstand Luther Gott und seine Gerechtigkeit nicht, sein Problem war, daß er sich zu identifizieren suchte, um Halt rang, wo er bei sich Zweifel fand. Ihn quälte der Gedanke, ein Sünder zu sein, der nicht wußte, wie er vor Gott bestehen können sollte. Diesen Konflikt löste er im 'Turm- erlebnis' dadurch, daß es allein auf den Glauben ankomme, aus dem her- aus das Leben gestaltet werden soll. 1517 zwei Briefe gegen die Ablaß- predigten von Tetzel, Aufruf zur Disputation darüber, nach Melanchthon auch Anschlag der 95 Thesen (in lateinischer Sprache, also unwirksam für das Volk) an die Wittenberger Schloßkirche. Unerwartet großes Echo. 1518 volkstümliche Schrift 'Sermon von dem Ablaß und Gnade' über sei- ne Grundgedanken. Rom verwirft die Thesen als ketzerisch, er wird dort- hin zitiert; Verhör durch den päpstlichen Legaten. Nachdem die Reise nicht zustande kommt. Verweigerung des Widerrufs. L. bestreitet die Unfehlbarkeit eines Konzils und des Papstes. |
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OCKHAM,
Wilhelm von 1295-1349 [Nr.19*]
Englischer Theologe und Philosoph. Nach ihm benannt das 'Ockham'sche Rasiermesser', welches besagt, daß man streng zwischen den Namen von Dingen und den Dingen selber unterscheiden müsse. 1324 Ladung vor die Kurie in Avignon wegen Ketzerei; Untersuchungshaft bis 1328, dann Flucht zu Ludwig, dem Bayern, der den Franziskanern Schutz gewährte, daraufhin Exkommunikation. Von München aus führte er seinen Kampf gegen den Papst. Dies führte 1339 in Paris zu einem Verbot 'Ockham- scher Lehrmeinungen'. O. war ein scharfer Kritiker des Platonismus und des Aristoteles. Mit nur 4 Jahren Gefängnis und und geglückter Flucht gehört er zu den Glückspilzen der Geschichte. Lit.: K. Krafft / A. Meyer-Abich "Große Naturwissenschaftler"
Frankfurt 1970
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RASIN, Stenka
(Stephan) ? - 1671 [Nr.21*]
Rebell und Kosakenführer des zweiten großen Kosaken- und Bauern- aufstandes des 17. Jahrhunderts. Er unternahm Piratenzüge an den per- sischen Küsten, dann an der Wolga. 1670 schlossen sich seinen Kosaken große Bauernscharen und nichtrussische unterworfene Völkerschaften an. Mühelos nahm er zahlreiche Städte, so daß ganz Südrußland unter seine Gewalt kam. Der revolutionäre Aufstand zeichnete sich durch ungewöhn- liche Wildheit und Grausamkeit aus. Ziel war die Umkehrung der sozialen Rollen aufgrund der enormen sozialen Spannungen im Lande. Vom Dienst- adel wurde R. weiter nach Süden abgedrängt, schließlich gefangen und dem Zaren ausgeliefert. 1671 wurde er in Moskau hingerichtet. Lit.: P. Longworth "Die Kosaken, Legende und Geschichte" Wiesbaden 1971 |
* Lit.: Hilton / Fagan "The English Rising of 1381" London 1950, dt. 1953 |
TYLER, Wat ? - 1381
[Nr.25*]
"Walter, der Ziegelbrenner" leitete zusammen mit John Ball den Bauern- aufstand in England. Über Herkunft und Leben wenig bekannt, soll in Frankreich und Flandern gekämpft haben. Durch den hundertjährigen Krieg mit Frankreich und Pest, sowie Erhebung einer neuen Kopfsteuer, um die Kriegslasten zu bewältigen, kam es zu Unruhen in Essex und Kent. Tyler wurde der Anführer der Bauern, die Rochester und Canterbury nahmen, schließlich in London eindrangen und Paläste zerstörten. Tyler forderte vom König Generalamnestie, Handelsfreiheit, Abschaffung der Hörigkeit und Leibeigenschaft. Richard II gab sehr allgemein gehaltene Zusicherungen, ein Teil Aufrührer zog ab, der andere Teil stürmte den Tower, ermordete die Verantwortlichen der Ausbeutung, den Kanzler und Schatzmeister. Bei einer Audienz bei Richard II forderte Tyler Einziehung der Kirchengüter und soziale Gleichheit für alle. Er wurde jedoch dort vom Londoner Bürgermeister Walworth erstochen, die königlichen Zusagen zu- rückgezogen und der Bauernaufstand niedergeschlagen. |
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WICLIV, John 1320/30
(?) - 1384 [Nr.26]
Englischer Gelehrter und Pfarrer. Studierte Theologie und die scholasti- schen Fächer, galt als überagender scharfsinniger Redner; wurde vom König mit kirchenpolitischen Aufgaben gegen den Papst betraut. Er for- derte die Wiederherstellung der reinen Lehre und der Nationalkirche. Verschiedene Verhöre wegen antiklerikaler Tätigkeit. 1382 Verurteilung seinen Lehre in London. Seine Anhänger (vor allem später Jan Hus in Böhmen) werden verfolgt, er selber wird vom Konstanzer Konzil 1415 zum Ketzer erklärt. Bedeutende Leistung: Übersetzung der Bibel. Lit.: R. Buddensieg "J. W. und seine Zeit" Gotha 1885. [KL] |
"Ein zu Unrecht geneigter Kaiser sagt zornig und hochmütig zu einem seiner Beamten: Verschwinde, für mich bist du nicht länger Beamter. Der Beamte erwidert unerschrocken: Und für mich bist du nicht mehr Kaiser." Matthäus von Paris |
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