Gewissheit bei Wolfgang Stegmüller
Original-Recherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Stegmüller, Wolfgang (1967) Gewißheit und Wissen. In (33-43) Glauben. Nachdruck von 1956. Wissen und Erkennen. Darmstadt: WBG.
Zusammenfassung-Steg-1967: "Gewißheit
ist nicht dasselbe wie Wissen. ..." (S.33) Auch wissen kann sich als Irrtum
herausstellen und falsch sein. "Unsere Gewißheit wie unser Glaube
sind verschiedener Gradabstufungen fähig. Ein höherer Glaubensgrad
geht schließlich in Gewißheit über, so wie umgekehrt ein
niederer Grad an Gewißheit mit einem nicht hohen Glaubensgrad zusammenfällt.
..." (S.38). Kursivierungen bei Stegmüller g e s p e r r t
geschrieben.
Zusammenfassung-Steg-1969:
In dem Abschnitt S.8-12 findet sich das Suchwort "gewiß" 13 mal.
Gewiss sein [4] muß nicht bedeuten, dass es auch wahr ist das
gilt auch für wissen [5]. Man kann irren. "Ich bin gewiß", "ich
weiß" und "es ist evident" werden zwar genannt, bleiben in ihrer
Bedeutung und in ihrer Unterschiedlichkeit unklar. Im Text habe ich neben
"gewiß" noch weitere wichtige Begriff auf dem Umfeld 14p-fett markiert:
Evidenz, objektiv, sicher, Sicherheit, subjektiv, subjektives Überzeugungsgefühl,
wahr, wissen,
[1] S.7f [Kontext] "... Wie steht es nun mit der
Sicherheit
jener Erfahrungen, welche die Basis für die Beurteilung unserer
Hypothesen' bilden? Diese Basis kann, so wurde zunächst argumentiert,
[>8] doch nicht selbst wieder hypothetisch sein. Denn relativ auf diese
Basis werden Hypothesen als mehr oder weniger gut bestätigt bzw. als
mehr oder weniger wahrscheinlich beurteilt. Die Beurteilungsgrundlage
kann dann nicht selbst bloß wahrscheinlich sein, sondern muß
absolut sicher sein. Gäbe es nichts Sicheres,
so auch nichts Wahrscheinliches!" ... ...
[2] "Die assertorische
Evidenz der inneren Wahrnehmung möchte ich heute
allerdings gleich zu Beginn ausschalten. Diese Klasse von Fällen
läßt sich gewiß nicht als Paradigma objektiver
Einsichten anführen. Und zwar einfach deshalb nicht, weil die scheinbar
unerschütterliche Gewißheit dessen, daß ich
jetzt Schmerzen habe, im äußeren Gewand des Wissens eine sprachliche
Konfusion verhüllt. „Ich weiß, daß ich jetzt Schmerzen
habe“ ist eine blödsinnige, weil irreführende und darüber
hinaus umständliche Weise zu sagen: „ich habe Schmerzen“. Das Irreführende
liegt in dem zugrundeliegenden Bild von der in sich eingekapselten
Bewußtseinswelt, die einem und nur einem, nämlich ihrem
[>9] Träger, zugänglich ist, so daß nur er ein Wissendarüber
erwerben kann." ... ...
[3] "Zwei weitere Begriffsverwirrungen seien kurz
erwähnt. Es handelt sich zwar um Evidenzen, jedoch um solche, die
häufig fehlinterpretiert werden. Das eine könnte man den Irrtum
der Umdeutung relationaler Gewißheit
als absoluter Gewißheit nennen. Aus
den Prämissen „alle F sind G” und „a ist ein
F”
schließt man: „also ist es sicher, daß a ein
G
ist". Diese Sicherheitsfeststellung ist durchaus
damit verträglich, daß „a ist ein G”
falsch
sein kann. Wie ist dies zu erklären? Antwort: Die Aussage „es ist
sicher, daß...“ ist eine elliptische Feststellung. Sie qualifiziert
scheinbar den Daß-Satz als sicher. Tatsächlich
ist jedoch der Daß-Satz nur sicher relativ auf die beiden
Prämissen, da er aus diesen beiden logisch folgt. Das Analoge gilt
vom sogenannten statistischen Syllogismus, worin das „sicher"
durch „beinahe sicher“ ersetzt wird . Aus „beinahe
alle F sind G“ und „a ist ein F” schließt
man: „also ist es beinahe sicher, daß
a
ein G ist". Auch hier gilt, daß die
Beinahe-Sicherheit
nur [>10] relativ auf die beiden Prämissen besteht. Berücksichtigt
man dies nicht, so entstehen logische Widersprüche." ... ...
[4] "Als eine Quelle für eine sozusagen philosophische
Apriori-Voreingenommenheit zugunsten einer jeden Zweifel
aus- [>11] schließenden objektiven Evidenz
könnte man eine irrige Deutung des Unterschiedes im Gebrauch
der Wendung „ich bin gewiß, daß
p“ einerseits und der Wendung „ich weiß,
daß p“ bzw. „es ist evident,
daß p“ andererseits anführen. Der Einfachheit halber
sei der Sachverhalt nur am Unterschied von „gewiß
sein“ und „wissen“ illustriert.
Man möchte zunächst meinen: Mit „ich bin gewiß,
daß p“ will ich nur meiner subjektiven, persönlichen
Überzeugung Ausdruck verleihen; mit „ich weiß,
daß p“ beanspruche ich hingegen die Zulässigkeit des
Schlusses auf die Wahrheit von p. Habe ich nur die subjektive
Gewißheit, daß etwas der, Fall ist, so braucht
es deshalb trotzdem nicht der Fall zu sein. Weiß ich
hingegen, daß es der Fall ist, so ist es auch der Fall."
Kommentar [4] Stegmüller sagt an dieser Stelle,
dass wissen nicht richtig sein muß, es könne sich etwas als
Irrtum herausstellen, dann ist aber die Behauptung "so ist es auch der
Fall" falsch. Es erschließt sich mir nicht, weshalb "ich bin gewiß"
nicht ebenso begründungspflichtig wie "ich weiß" sein sollte.
[5] Hierzu ist zu bemerken: Tatsächlich kann
aus dem Wissen ebenso wie aus dem Vorliegen einer objektiven
Evidenz auf die Wahrheit geschlossen werden. Auf der anderen
Seite ist die Beachtung einer linguistischen Subtilität wichtig. Nicht
nur kann — selbstverständlich — daraus, daß ich sage:
„ich weiß, daß p“ nicht geschlossen werden: ich weiß,
daß p. Sondern der Schluß ist nicht einmal dann zulässig,
wenn ich darin gerechtfertigt bin, diese Äußerung zu
tun. So wie wir den Ausdruck „wissen" gebrauchen,
sagen wir häufig mit Recht, „ich weiß, daß p",
obwohl sich später herausstellt, daß wir auf Grund neuer Erkenntnisse
sagen müssen: „ich glaubte damals wohl, zu wissen, daß p,
irrte mich jedoch und wußte es also nicht“. Wollten wir diesen Fall
ausschließen, so liefe dies darauf hinaus, auf die Verwendung von
„wissen" zu verzichten. Selbst wenn ich mit
Recht sage: „ich weiß, daß p“,
darf man daraus also nicht schließen, daß ich weiß, daß
p;
und damit auch nicht auf die Wahrheit von p bzw. darauf, daß
p der Fall ist.
[6] Nach J. L. Austin ist der Unterschied
in den Verwendungen von: „ich bin gewiß,
daß..." und: „ich weiß, daß
...“ nicht darin zu suchen, daß der Sprecher im ersten
[>12] Fall bloß seinem
subjektiven Überzeugungsgefühl
sprachlichen Ausdruck verleihen möchte, im zweiten Fall hingegen einer
objektiven
Evidenz. Der Unterschied liegt vielmehr auf ganz anderer Ebene.
Austin geht davon aus, daß es Äußerungen gibt, die keine
deskriptiven Äußerungen sind, sondern die Handlungscharakter
haben (in gewissem Sinn sind natürlich
alle Äußerungen
auch Handlungen). Besonders deutlich zeigt sich dies an ethisch
relevanten Aussagen, etwa von der Art: „ich verspreche dir, das und das
zu tun'. Mit dem Aussprechen dieses Satzes in einer konkreten Situation
vollziehe ich eine moralisch verpflichtende Handlung. Indem ich
mich dem Anderen gegenüber verpflichte, setze ich meine Wertschätzung
und meine Ehre aufs Spiel. In gewisser Weise analog verhält es sich
mit der zweiten der eingangs erwähnten Aussagen. „Ich bin gewiß,
daß p“ ist moralisch unverbindlich. Ich überlasse
es dem, welchem ich dies sage, ob er nun selbst p annehmen wolle
oder nicht, und übernehme dafür keine Verantwortung; ich bringe
nur zum Ausdruck, daß ich für meine Person sicher
bin. Bei dem „ich weiß, daß p“
tritt ebenso wie im Fall von „ich verspreche, daß" ein ethischer
Akzent hinzu: Ich stehe mit meiner Person und Autorität für das
Ausgesagte ein und bringe dem Angesprochenen dadurch zum Ausdruck, daß
auch er selbst sich in seinen eigenen weiteren Äußerungen
und Handlungen auf das von mir Gesagte stützen könne. In bezug
auf die Gewißheit geht das „ich weiß,
daß“ nicht über das „ich bin gewiß,
daß“ hinaus und kann es auch nicht; denn mehr
als Gewißheit
kann es für mich niemals geben. Wenn
die zweite Äußerung dennoch über die erste hinausgeht,
so liegt dies an ihrem partiellen Handlungscharakter, daran also, daß
es sich um etwas Ähnliches handelt wie um eine „performatory
utterance“.
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