Klaus & Buhr Gewissheit im Philosophischen Wörterbuch
Recherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Klaus, Georg & Buhr, Manfred (1969, Hrsg.) Philosophisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.
Zusammenfassung-Klaus/Buhr-1969: Gewissheit ist subjektiv, relativ, abgestuft und hat sich praktisch bewährt (ein besonderes marxistisch-erkenntnistheoretisches Kriterium).
Wörterbucheintrag:
"Gewißheit - des Vorliegens
eines Sachverhaltes der Wahrheit eines Urteils usw. ist für ein Subjekt
S dann gegeben, wenn S auf Grund erworbener oder ererbter
Denkgewohnheiten einen Sachverhalt für gegeben erachtet bzw. ein Urteil
für wahr hält oder, der Überzeugung ist, daß vorliegende
Beweise, Argumente usw. ausreichen, um z. B. die Wahrheit eines Urteils
zu begründen.
Gewißheit
ist
also keine Eigenschaft der Sachverhalte oder der Urteile, sondern Resultat
eines psychischen Prozesses,
Gewißheit ist nicht
absolut, sondern relativ. Deshalb ist die Aussage «Das
Urteil U ist gewiß»
syntaktisch unvollständig und muß richtig lauten: «Das
Urteil U ist gewiß für
S.» Was für eine Person oder ganze Gruppen von Subjekten,
ja für ein ganzes Zeitalter als gewiß erscheint,
wird zu einer anderen Zeit von anderen Gruppen von Subjekten für völlig
ungewiß oder gar für falsch erachtet. Dies gilt
selbst für mathematische Aussagen. Fast 2000 Jahre lang hat die überwiegende
Mehrzahl der Mathematiker die Auffassung vertreten, daß das Euklidische
Axiomensystem das einzige überhaupt mögliche sei. Von dieser
«intuitiven»
Gewißheit (denn ein streng logischer Beweis ist niemals
erbracht worden) konnte nichts Zurückbleiben.
Methodologisch wichtig ist vor allem, daß Wahrheit
nicht mit Gewißheit verwechselt werden darf. Zwischen
der Wahrheit und der Falschheit einer Aussage gibt es nichts Drittes, Zwischen
der Gewißheit der Wahrheit einer
Aussage und der Gewißheit ihrer
Falschheit besteht jedoch als Drittes die Ungewißheit,
der Zweifel, Der Zweifel ist das dialektische Korrektiv der Gewißheit
(wir meinen hier den Zweifel als eine Methode der Auffindung der Wahrheit
und der Kritik der Schein Wahrheit, nicht aber «Zweifel» im
Sinne des Skeptizismus).
Es gibt Stufen der Gewißheit.
Eine Gewißheit, die sich nur auf
eine Reihe von Gefühlsmomenten bzw. auf mehr oder weniger vollständige
logische Argumente stützt, nennen wir Meinung. Wenn sich jedoch
ein Subjekt S mit der Gesamtheit seiner Persönlichkeit (gefühlsmäßig
und logisch) hinter eine Auffassung stellt, die ihm als gewiß
erscheint, so sprechen wir von Überzeugung. Die letzte Grundlage
(oft durch viele theoretische Zwischenstufen vermittelt) der Gewißheit
ist die > Praxis. Was sich praktisch immer wieder bewährt hat, erscheint
uns als gewiß. Dies gilt auch
für die rein logische deduktive Begründung eines Urteils usw.,
die logisch als Beweis erscheint und psychologisch zur Gewißheit
führt. Jede Beweiskette muß von Aussagen (evtl. Axiomen) ausgehen,
die nicht ihrerseits wieder ausschließlich logisch, sondern nur praktisch
begründet werden können. Es gibt keine objektive Evidenz, die
etwa letzte Grundlage der Gewißheit
wäre. Jede Evidenz ist selbst in letzter Instanz praktisch bedingt,
wie sich durch eine genaue Analyse der Abstraktions-Prozesse auf' der Grundlage
des Materialismus beweisen läßt."
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