Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=28.08.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 31.08.22
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Bereich Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema :

    Klaus & Buhr Gewissheit im Philosophischen Wörterbuch

    Recherche von Rudolf Sponsel, Erlangen


    Klaus, Georg & Buhr, Manfred (1969, Hrsg.) Philosophisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.

    Zusammenfassung-Klaus/Buhr-1969: Gewissheit ist subjektiv, relativ, abgestuft und hat sich praktisch bewährt (ein besonderes marxistisch-erkenntnistheoretisches Kriterium).

    1. Gewißheit ist also keine Eigenschaft der Sachverhalte oder der Urteile, sondern Resultat eines psychischen Prozesses, Gewißheit ist nicht absolut, sondern relativ.
    2. Was für eine Person oder ganze Gruppen von Subjekten, ja für ein ganzes Zeitalter als gewiß erscheint, wird zu einer anderen Zeit von anderen Gruppen von Subjekten für völlig ungewiß oder gar für falsch erachtet.
    3. Die Aussage «Das Urteil U ist gewiß» ist syntaktisch unvollständig und muß richtig lauten: «Das Urteil U ist gewiß für S.»
    4. Wahrheit darf nicht mit Gewißheit verwechselt werden.
    5. Es gibt Stufen der Gewißheit.
    6. Eine Gewißheit, die sich nur auf eine Reihe von Gefühlsmomenten bzw. auf mehr oder weniger vollständige logische Argumente stützt, nennen wir Meinung.
    7. Wenn sich jedoch ein Subjekt S mit der Gesamtheit seiner Persönlichkeit (gefühlsmäßig und logisch) hinter eine Auffassung stellt, die ihm als gewiß erscheint, so sprechen wir von Überzeugung.
    8. Die letzte Grundlage (oft durch viele theoretische Zwischenstufen vermittelt) der Gewißheit ist die  Praxis. Was sich praktisch immer wieder bewährt hat, erscheint uns als gewiß.
    9. Es gibt keine objektive Evidenz, die etwa letzte Grundlage der Gewißheit wäre. Jede Evidenz ist selbst in letzter Instanz praktisch bedingt, wie sich durch eine genaue Analyse der Abstraktions-Prozesse auf' der Grundlage des Materialismus beweisen läßt." [RS: der Beweis wird nicht erbracht, auch nicht durch Literaturhinweis belegt]


    Wörterbucheintrag:
    "Gewißheit - des Vorliegens eines Sachverhaltes der Wahrheit eines Urteils usw. ist für ein Subjekt S dann gegeben, wenn S auf Grund erworbener oder ererbter Denkgewohnheiten einen Sachverhalt für gegeben erachtet bzw. ein Urteil für wahr hält oder, der Überzeugung ist, daß vorliegende Beweise, Argumente usw. ausreichen, um z. B. die Wahrheit eines Urteils zu begründen. Gewißheit ist also keine Eigenschaft der Sachverhalte oder der Urteile, sondern Resultat eines psychischen Prozesses, Gewißheit ist nicht absolut, sondern relativ. Deshalb ist die Aussage «Das Urteil U ist gewiß» syntaktisch unvollständig und muß richtig lauten: «Das Urteil U ist gewiß für S.» Was für eine Person oder ganze Gruppen von Subjekten, ja für ein ganzes Zeitalter als gewiß erscheint, wird zu einer anderen Zeit von anderen Gruppen von Subjekten für völlig ungewiß oder gar für falsch erachtet. Dies gilt selbst für mathematische Aussagen. Fast 2000 Jahre lang hat die überwiegende Mehrzahl der Mathematiker die Auffassung vertreten, daß das Euklidische Axiomensystem das einzige überhaupt mögliche sei. Von dieser «intuitiven» Gewißheit (denn ein streng logischer Beweis ist niemals erbracht worden) konnte nichts Zurückbleiben.
    Methodologisch wichtig ist vor allem, daß Wahrheit nicht mit Gewißheit verwechselt werden darf. Zwischen der Wahrheit und der Falschheit einer Aussage gibt es nichts Drittes, Zwischen der Gewißheit der Wahrheit einer Aussage und der Gewißheit ihrer Falschheit besteht jedoch als Drittes die Ungewißheit, der Zweifel, Der Zweifel ist das dialektische Korrektiv der Gewißheit (wir meinen hier den Zweifel als eine Methode der Auffindung der Wahrheit und der Kritik der Schein Wahrheit, nicht aber «Zweifel» im Sinne des Skeptizismus).
    Es gibt Stufen der Gewißheit. Eine Gewißheit, die sich nur auf eine Reihe von Gefühlsmomenten bzw. auf mehr oder weniger vollständige logische Argumente stützt, nennen wir Meinung. Wenn sich jedoch ein Subjekt S mit der Gesamtheit seiner Persönlichkeit (gefühlsmäßig und logisch) hinter eine Auffassung stellt, die ihm als gewiß erscheint, so sprechen wir von Überzeugung. Die letzte Grundlage (oft durch viele theoretische Zwischenstufen vermittelt) der Gewißheit ist die > Praxis. Was sich praktisch immer wieder bewährt hat, erscheint uns als gewiß. Dies gilt auch für die rein logische deduktive Begründung eines Urteils usw., die logisch als Beweis erscheint und psychologisch zur Gewißheit führt. Jede Beweiskette muß von Aussagen (evtl. Axiomen) ausgehen, die nicht ihrerseits wieder ausschließlich logisch, sondern nur praktisch begründet werden können. Es gibt keine objektive Evidenz, die etwa letzte Grundlage der Gewißheit wäre. Jede Evidenz ist selbst in letzter Instanz praktisch bedingt, wie sich durch eine genaue Analyse der Abstraktions-Prozesse auf' der Grundlage des Materialismus beweisen läßt."
     



    Links (Auswahl: beachte)
     



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  Wissenschaftlicher und  weltanschaulicher  Standort.
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    assertorische-Evidenz
    assertorisch:=etwas behaupten. Evidenz:=Offenkundigkeit, Offensichtlichkeit, Augenscheinlichkeit (im Angloamerikanischen eine ganz andere Bedeutung, nämlich: belegt, begründet, beweisorientiert).
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    Epimeleia  Aufmerksamkeit und Sorge für ein gutes Leben.
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    performative-utterances (Austin)
    Sprechhandlungen, die nicht nur sachlich etwas mitteilen, sondern auf eine Wirkung und Veränderung abzielen. [W.engl]
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    Querverweise
    Standort: Klaus & Buhr Gewissheit im marixstisch orientierten Philosphischen Wörterbuch.
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    Begriffsanalyse Gewissheit * Fragebogen-Pilot-Studie Begriffsanalyse Gewissheit *
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen. *Textanalysen und Sprachkritik * Definition Begriff. * Das A und O: Referenzieren *Begriffsverschiebebahnhöfe*Wissenschaftsglossar*Operationalisieren*Definition und definieren *Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben *Beweis und beweisen im Alltag. *Beweis und beweisen in den Psychowissenschaften*BA Gesunder Menschenverstand*
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
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