Bankräuber
Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker
uns in den Ruin treiben
präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
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Bibliographie: Müller, Leo (2010). Bank-Räuber. Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker uns in den Ruin treiben. Berlin: Econ. 384 Seiten, € 19,95 [D] Erschienen: März 2010. [Verlags-Info]
Verlagsinfo: "Die kriminelle Welt
der Finanzindustrie. Die Krise ist noch lange nicht vorbei, denn die Deutschen
sind vom großen Crash besonders stark betroffen. Ihre Banken waren
Weltmeister im kreativen Bilanzdesign, sie versenkten Milliarden, und sie
hinterlassen die größten Bad Banks der Welt.
Wie kommt es, dass die spanische Santander-Gruppe
in den Krisenjahren 2007 und 2008 fast 18 Milliarden Euro verdiente, während
die zehn größten deutschen Banken im gleichen Zeitraum 23 Milliarden
Euro Verluste schrieben? Woran liegt es, dass Schweizerische Kantonalbanken
ihren Bürgen konstante Dividenden ablieferten, während die vier
großen deutschen Landesbanken den Steuerzahlern ein Milliardengrab
hinterließen? Warum konnten die Landesbanken mit dem Geld der Bürger
ungestört Wall Street spielen? Wieso stehen heute die größten
Bad Banks der Welt in Deutschland? Und wie konnte es so weit kommen, dass
die Deutschen für ihre staatliche Bankenrettung heute mehr investieren
als die Amerikaner?
Diese Finanzkrise ist das Werk einer unheiligen
Allianz aus kriminellen Managern und unfähigen Politikern, schreibt
der Wirtschaftsautor Leo Müller. Er liefert eine ebenso minutiöse
wie schonungslose Analyse der fahrlässigen und rücksichtslosen
Machenschaften in der Finanzwelt.
Leo Müller nimmt die Leser mit auf eine spannende
Spurensuche in die abgeschottete Welt der Finanzgauner und enthüllt
schockierende Fakten. Er beschreibt, wie die Deals abliefen, wie die Öffentlichkeit
getäuscht wurde und die Wahrheit über die riskanten Geschäfte
in den Bankbilanzen verschwiegen wurden: Die erste Kriminalgeschichte der
Finanzkrise.
»Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die
Gründung einer Bank?« Bertolt Brecht
»Nirgendwo auf der Welt, auch nicht in Amerika,
haben sich Banken mit größerer Bereitschaft in unkalkulierbare
Risiken gestürzt.« Günter Verheugen, deutscher EU-Kommissar
Pressestimmen:
»Eine gelungene Generalabrechnung mit nahezu
allen wichtigen deutschen Finanzakteuren« Welt am Sonntag, Martin
Greive, 07.03.2010
»Mit einer überwältigenden Fülle
von Belegen führt Müller den Nachweis, dass der deutsche Anteil
an der globalen Finanzkrise dem amerikanischen in nichts nachsteht - eine
Lektüre, bei der selbst dem informierten Leser zuweilen der Atem stockt.«
Der Tagesspiegel, Harald Schumann, 19.4.2010"
Der Weg durch die Hölle 9
Teil I: Das politische Versagen 29
Die Lehman-Lüge: Eine Chronik des Staatsversagens
31
Gute Banken, schlechte Banken, deutsche Banken 63
Die geballte Finanzkompetenz 90
Die Bundesbank und die Blasen 113
Die Finanzaufseher registrieren, lochen und heften ab 132
Teil II: Die Betrugsblase 145
In der Schattenwelt der Finanzgauner 147
Im Club des Wall-Street-Kartells 176
Kreative Hedgefonds - made in Germany 203
Undercover in Miami: der Fall Kiener 220
Bernard Madoff und die Mini-Madoffs 242
Die Lehrstücke: Leeson, Kerviel und die
Nobelpreisträger 259
Teil III: Zauberbilanzen 279
Teutonisches Fiasko 281
Bankplatz Deutschland:
Sanierungsfall ohne Hoffnung 330
Danksagung 337
Anmerkungen 339
Register 374
Leseprobe: [Quelle Econ-Verlag PDF]
"Der Weg durch die Hölle
"Die Hände des schmächtigen Mannes waren ständig
in Bewegung, feingliedrige Hände, Schreibtischhände. Mit seiner
rechten Hand strich er unentwegt über die Tischdecke, als müsste
er Krümel auf den Boden fegen. Seine traurigen Augen wanderten rastlos
durch den Raum, blieben selten irgendwo haften, auch nicht, wenn er redete
oder zuhörte. So unruhig hatte ich ihn noch nicht erlebt, den Mann,
einen Banker, mit dem ich mich gelegentlich zum Apéro traf, einem
kleinen Umtrunk, wie er in der Schweiz nach der Arbeit gerne eingenommen
wird.
Wir hatten an diesem Tag im Herbst 2007 ein vertrauliches
Gespräch vereinbart. Sein Name sollte in meinen Berichten für
ein deutsches Wirtschaftsmagazin nicht vorkommen. Franz B., so nenne ich
ihn, war bei unserem Treffen völlig verändert. Er wirkte bedrückt,
fast verzweifelt. Nach einer Weile spürte ich, wie in ihm die Angst
loderte – Angst um seine Bank, seinen Job, seine Familie. Nicht die Angst
um irgendeine Bank, Angst um die UBS, bis dato eine der erfolgreichsten
Banken der Welt. Sie hatte im letzten Quartal hohe Verluste erwirtschaftet,
zum ersten Mal überhaupt, nach einer Serie von Milliarden-Profiten
über viele Jahre hinweg. [>10]
Der Mann erzählte mir von der auf 2,5 Billionen
Franken aufgeblähten Bilanzsumme der UBS: unvorstellbare 2500 Milliarden
Franken. Eine Summe vierzigmal so hoch wie die Jahreseinnahmen des Schweizer
Bundes. So ratlos wie in den vergangenen Wochen habe er die Verwaltungsräte
seiner Bank noch nie erlebt, erzählte mir der Banker. Die Handelsgeschäfte
mit komplizierten Finanzderivaten hatten die UBS-Bilanzsumme in den letzten
Jahren raketenhaft in die Höhe getrieben. Es waren Geschäfte
mit Kreditversicherungen und verbrieften Kreditforderungen. Und nun zitterten
die Verwaltungsräte um die Folgen für die Bank, die kaum mehr
abzuschätzen waren. Sie wussten offenbar nicht ein noch aus. Viele
Jahre waren die UBS-Banker ganz sicher in dem Glauben, die Risiken sehr
breit gestreut zu haben. Bei genauer Analyse aber sei Erschreckendes festgestellt
worden, bei allen betroffenen Wertpapieren und Finanzderivaten. Es war
nur Papier, nichts als Papier von zweifelhaftem Wert: verbriefte Privat-
und Geschäftshypotheken, verbriefte Autokredite, verbriefte Studentenkredite
– oder Derivate, deren Sicherheiten auch wieder aus verbrieften Wertpapieren
bestanden. Mit anderen Worten: nichts als Verlustrisiken. Der Gesprächspartner
sagte mir, dass alles noch viel schlimmer sei, als es bislang den Anschein
habe. Sogar die Verbriefungen von besseren Hypothekarschuldnern in der
guten Kategorie »Alt-A« verlören rasant an Wert; alles
käme ins Rutschen. Mittlerweile sei sogar damit zu rechnen, dass auch
die verbrieften Hypotheken-Pakte mit der AAA-Bestnote der Ratingagenturen
keine sicheren Investments mehr seien.
Das war jahrelang ein blühendes Geschäft,
doch nun kannte niemand eine Methode, den wirklichen Wert der Papiere in
fallenden Märkten zu bestimmen. Dann erzählte er von dem Spiel
der Hasardeure von zwei UBS-Einheiten in den USA, die im Kampf um Marktanteile
wie bei einem Roulette mit immer höheren Einsätzen sich gegenseitig
überboten hatten – [>11] mit der Folge, dass die beste Bank der Welt
ums Überleben kämpfte. Die UBS, die für ihren Betrieb 700
Milliarden Franken pro Quartal benötigt, war viel zu groß für
die Schweiz. Ihre Pleite würde in einer nationalen Katastrophe enden.
[FN2]
Drei Wochen später traf ich das Vorstandsmitglied
einer Landesbank. Würde auch er die Gelassenheit zeigen, die in Deutschland
überall so demonstrativ zur Schau gestellt wurde? War der dramatische
Absturz großer Geldkonzerne in den USA oder die Schieflage einer
so angesehenen Bank wie der UBS nur die Folge gravierender Fehlspekulationen,
während die deutschen Banken vor Kraft strotzten? Gewiss, ihre Bilanzen
strahlten mit allerbesten Zahlen. Aber waren die deutschen Geldinstitute
wirklich so viel besser aufgestellt?
Und waren die Schieflagen einiger deutscher Banken,
die bekannt geworden waren, nur bedauerliche Ausnahmen, also nur »Peanuts«
für den deutschen Finanzplatz? Im Juli 2007 hatte die Kreditanstalt
für Wiederaufbau die staatsnahe Industriekreditbank IKB in Düsseldorf
mit mehr als 8 Milliarden Euro stützen müssen. Kurz darauf musste
die Sachsen LB mit Bürgschaften und Geldspritzen des Freistaates Sachsen,
den Sparkassen und einigen Bankenverbänden vor einem tiefen Fall bewahrt
werden. Dennoch kein Grund zur Aufregung? Zwei Ausnahmen nur, von denen
nicht auf eine allgemeine Bankenkrise geschlossen werden konnte? Bundesbank-Präsident
Axel Weber besänftigte besorgte Fragesteller in Politik und Wirtschaft
mit seiner Aussage, die deutschen Banken seien »stabil« und
»robust«. Zuversicht verbreitete auch der damalige Bundesfinanzminister
Peer Steinbrück: »Die Beteiligten«, sagte er in einer
Tonlage demonstrativer Gelassenheit, »haben die Situation im Griff.«
Finanzexperten in der Politik, in den Banken und in der Wirtschaft wurden
nicht müde darauf hinzuweisen, dass die »Kreditkrise«,
von der überwiegend die Rede war, vor allem ein Problem der Wall-Street-Banken
sei. [>12]
Mich beschäftigte die Frage, warum zur Stützung
der Sachsen LB, einer kleinen Landesbank mit gerade mal 1,5 Milliarden
Euro Eigenkapital, eine Kreditlinie von happigen 17,3 Milliarden Euro notwendig
war. Das machte stutzig, auch die nebulösen, nichtssagenden Statements
der Bank und der Regierung des Freistaates, als sei das Problem längst
behoben. Auf Druck der Opposition erklärte der Finanzminister im Landtag
lapidar, es seien gewisse Liquiditätsengpässe bei Verbriefungsgeschäften
der Sachsen-LB-Tochter in Dublin aufgetreten. Er erklärte nicht, dass
die Geschäfte der irischen Tochter über so genannte Zweckgesellschaften
abgewickelt worden waren, im modernen Bankenjargon »Conduit«
genannt, auf Deutsch eine Durchlaufgesellschaft.
Die Bilanz der Sachsen LB ließ hingegen keine
nennenswertenSubprime-Risiken erkennen, die gewaltigen Wertpapierbestände
der Conduits waren erst gar nicht erfasst worden. Der Mediensprecher der
Sachsen LB wiegelte Fragen ab mit dem gleichermaßen hilflosen wie
lächerlichen Hinweis auf das Bankgeheimnis. Er vermittelte zudem den
Eindruck, dass die Dubliner Firmen völlig unabhängig von der
Bank operierten: »Die Sachsen LB oder Tochtergesellschaften der Sachsen
LB sind mit diesen Gesellschaften in keiner Weise gesellschaftsrechtlich
verbunden.« Eine Antwort also, die auf überschaubare Probleme
schließen ließ. So bagatellisierte er mir gegenüber die
Krisensymptome: Ein »gestiegener Aufwand für Risikovorsorge
und Bewertung«, ein »stagnierendes Zinsergebnis«. Ja,
»Auswirkungen
der weltweiten Marktstörungen «. Aber »in den übrigen
Geschäftsfeldern konnte die Sachsen LB die positive Entwicklung des
ersten Halbjahres fortführen.« [FN3]
Das passte alles nicht zusammen. Ich wollte mehr
über die Conduits wissen, besorgte mir Ratingberichte und beschaffte
mir in Dublin die Bilanzen dieser Conduits. Es waren schlichte Briefkastenfirmen
mit Namen wie Ormond Quay, Georges Quay oder Ellis Quay, benannt nach den
Straßen im Viertel rund um den Hauptsitz der sächsischen Filiale
in Dublin. Die Aktien der Briefkastenfirmen wurden von irischen Treuhändern
für gemeinnützige Stiftungen gehalten. Offenbar nur eine Tarnkonstruktion,
mit der die wahren Eigentümer verdunkelt wurden. Noch mehr erschütterten
die Zahlen in den Bilanzen der Quay-Firmen. Das Investitionsvolumen dieser
Conduits war in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Allein im Ormond
Quay-Vehikel wurden Werte im Volumen von 17 Milliarden Euro gehandelt.
Zusammengerechnet hatten alle Conduits der Sachsen 26 Milliarden Euro an
verbrieften Wertpapieren in den Büchern, so viel wie die großen
Investmentbanken wie die UBS oder die Citibank mit einem Eigenkapitalpuffer
von über 30 Milliarden Euro. Nichts davon war aber in der Bilanz der
sächsischen Landesbank erkennbar, obwohl die Conduits selbst nach
den einfachen Regeln des deutschen Handelsgesetzbuches hätten erfasst
werden müssen. [FN4] Die Staatsbank in Leipzig, wurde mir plötzlich
klar, hatte heimlich Citibank gespielt. Aber nicht nur sie, auch die staatsnahe
IKB und ebenso die BayernLB, HSH Nordbank, WestLB, LBBW und die Hypo Real
Estate. Alle hatten Citibank gespielt.
Hinter den Glasfassaden dieser Geldhäuser müsste
es brodeln: Wie wollen die Manager diese Situation meistern? Im November
2007 besuchte ich die Chefetage einer betroffenen deutschen Landesbank.
Ich wollte mehr über die deutschen Conduits erfahren und hatte daher
um ein vertrauliches Hintergrundgespräch mit einem verantwortlichen
Manager gebeten. Der Termin war kurzfristig zugesagt worden. Der Pressesprecher
versprach, in seinem Haus einen kompetenten Gesprächspartner zu suchen.
Er begleitete mich in die fünfte Etage des Glaspalastes. Im Konferenzzimmer
traf ich auf den Mann aus der Konzernleitung, einen erfolgsverwöhnten
[>14] Mittfünfziger mit der Attitüde des vielbeschäftigten
Bankers: »Was kann ich für Sie tun?« »Ich habe zwei
einfache Fragen«, sagte ich: »Wem gehören diese Conduits,
und wer haftet für die Risiken, die sie eingehen? « Der Landesbanken-Mann
griff sich von einem Stapel einen Notizblock und kritzelte ein Organigramm
mit Kästchen und Linien. »Ich will Ihnen das kurz erklären«,
begann er. Diese Firmen seien Trusts, eine gesellschaftsrechtliche Form,
die in der angelsächsischen Welt gerne in der Vermögensverwaltung
eingesetzt wird. Zum Verwalten von Geldern für vermögende Familien,
ähnlich einer Familienstiftung. »Das sind ganz normale Public
Limited Companies«, warf ich ein. Ich wusste von den Bilanzen, Gründungsurkunden
und Protokollen der Conduits, die ich recherchieren konnte, dass dies eben
keine Trusts waren, sondern gewöhnliche Aktiengesellschaften mit beschränkter
Haftung oder einfache Privatgesellschaften wie deutsche GmbH: Er war irritiert,
lenkte ab, und ich wusste, dass ich offenbar nicht dem zuständigen
Gesprächspartner gegenübersaß. Ich warf einen unauffälligen
Blick auf die Visitenkarte und sah mich bestätigt: Der Mann war ein
leitender Jurist. »Am Ende gibt es nur den Ausweg«, sagte er
schließlich, »dass der Staat die Risiken hier übernehmen
muss. Anders wird das nicht gehen.« Er sagte das in einem Ton, als
sei das für einen Sachwalter von Vermögenswerten seines Bundeslandes
ein völlig normaler Vorgang. Eigentlich musste ihm bewusst sein, dass
seine Landeskasse Risiken in dieser Größenordnung ebenso wenig
verkraften könnte wie die Schweiz den Untergang der UBS. Meine Frage,
ob seine Landesbank die Conduits nun in der bald zu erstellenden Konzernbilanz
für das Jahr 2007 korrekt erfassen würde, blieb unbeantwortet.
Wenn das nun nachgeholt würde, dann müsste die Bank hohe Summen
abschreiben und Verluste melden. Sie müsste folglich viel mehr [>15]
Eigenkapitalpuffer haben, weil die Verluste diesen Posten aufzehren. Denn
seit Monaten war in der Finanzwelt die harte Linie der großen Prüfkonzerne
bekannt. Sie würden ihre Unterschrift nur noch unter das Testat der
Jahresabschlüsse der Banken setzen, wenn alle Marktwerte der Papiere
in ihren Conduits auf Heller und Pfennig bilanziert würden. »Aber
was machen Sie mit den verbrieften giftigen Wertpapieren? «, hakte
ich nach. Die Werte dieser Papiere müsste die Bank doch berichtigen.
»Das wissen wir noch nicht, unsere Experten arbeiten gerade daran,
das neu zu strukturieren. Wahrscheinlich werden wir das wieder neu verbriefen
«, erklärte der Jurist und machte dazu eine lässige Handbewegung,
als habe diese Frage keine große Bedeutung. »Und dann halten
wir die Papiere bis zur Endfälligkeit. Die Märkte werden sich
ja irgendwann wieder erholen.« Ich fragte mich, ob Verantwortungsbewusstsein
in seinem Wortschatz überhaupt vorkam. Während die UBS und weitere
große Geldhäuser rund um den Globus dabei waren, in ihren Büchern
Milliardenwerte zu korrigieren, glaubten deutsche Banker noch, mit ein
wenig Bilanzkosmetik durchzukommen. Als hätten die deutschen Banken
einen besonders guten Draht zu den Wirtschaftsprüfern. Wollen die
einfach so weitermachen, wunderte ich mich. Das einzige, was ihre Strategie
ausmachte, war der unbeirrbare Glaube an die Wiederkehr der Blasenpreise
ungeachtet der Tatsache, dass die Kurse für verbriefte Hypotheken
kontinuierlich und deutlich sinken. Ich erlebte die klassische Selbsttäuschung
eines Spekulanten – kein Einzelfall leider, in Deutschland eher ein Massenphänomen.
»Wo lassen Sie träumen?«, provozierte ich mein Gegenüber
in der leisen Hoffnung, dass der Mann bluffte. Aber seine weiteren Äußerungen
signalisierten mir, dass er die Lage wirklich unkritisch beurteilte, furchtlos
und unbekümmert. Und so war es denn Zeit zu gehen. Der Pressesprecher
begleitete [>16] mich zum Lift. Sehr freundlich, aber er hielt mich wohl
für einen Apokalyptiker. Inzwischen ist diese Landesbank ein Trümmerhaufen:
faktisch pleite, künstlich mit Milliardeninfusionen aus der Staatskasse
am Leben gehalten, ihre Zukunft völlig ungewiss. Ein neuer Konzernchef
verkündete den Abbau von tausenden Arbeitsplätzen.
Auf meinen Recherche-Reisen durch Deutschland begegnete
ich in den Monaten darauf Dutzenden Managern deutscher Groß- und
Landesbanken. Ich besuchte sie in ihren postmodernen Glaspalästen,
traf sie beim Dinner an Bankiersveranstaltungen, in nüchternen Konferenzräumen
und gediegenen Kaminzimmern und führte zahlreiche Telefongespräche.
Sie lästerten gerne über die Wall-Street-Banken, wunderten sich
über die drastischen Abschreibungen der Schweizer UBS und erklärten
mit dem Ausdruck unumstößlicher Gewissheit, dass ihnen ganz
sicher nicht passieren würde, was den Amerikanern und Briten widerfuhr.
Mit ihren verbrieften Hypothekenpaketen, in denen nur beste Qualität
stecke, alles von Ratingagenturen mit Triple-A bewertet und immer nur die
hochwertigsten Tranchen im Portfolio, könne nichts schiefgehen. Außerdem
würde die »Kreditkrise« nicht ewig dauern, und die Lage
sich bald wieder erholen. Dann sei am Markt wieder mit den alten Preisen
zu rechnen. Sie kamen mir so naiv vor wie Obsthändler, die auf dem
Marktplatz ihre Kunden mit vertrauenswürdiger Miene ansprechen, um
darüber hinwegzutäuschen, dass unter der obersten Lage mit makellosen
Früchten ein gutes Drittel faul ist. Die Bankenvorstände fanden
bald ihre Nachahmer in der Politik. Denn ihre Rettungsschirme«, die
sie über die maroden Geldhäuser spannten, waren ebenso mit erheblichen
Kostenrisiken verbunden. Nun schlüpften auch die Finanzminister in
die Rolle der Obsthändler mit Körben voller fauler Früchte
unter der obersten Lage."
Bewertung:
Ein interessantes, informatives und mutiges Buch, das sich auch der Frage
widmet, weshalb gerade die deutschen Banker von den finanzkriminellen Machenschaften
der USA sich am meisten und stärksten leimen und aufs Kreuz legen
ließen. Die deutschen Banker waren offensichtlich mit einer besonderen
Inkompetenz, um nicht zu sagen Dummheit ausgestattet. Das Buch stellt die
richtigen Fragen, beschreibt und belegt das deutsche Bankerversagen sehr
gut. Klärt es aber auch, weshalb unsere finanzpolitischen Eliten so
jämmerlich versagt haben? In wesentlichen Teilen ja, wenn z.B. schön
dokumentiert wird ("Die Lehmann-Lüge", S. 31ff), dass das ganze Ausmaß
der abenteuerlichen Bankenbilanzen bereits 2003 zu einem geheimen Krisentreffen
mit Bundeskanzler Schröder geführt hatte und die unheilvolle
Rolle der - insbesondere auch rot-grüner - (Deregulierungs) Politik
herausgearbeitet wird.
Die tieferen Ursachen der Wachstums-, Konsum- und
Schuldenfalle mit der Konditionierung des homo
oeconomicus werden leider nicht erkannt und ausführlich kritsch
thematisiert. Die zutiefst verrückte
Idee des angelsächsischen und USA-Kapitalismus - gefördert durch
vermeintliche Elite-Universitäten
- besteht ja darin, dass Wachstum, Konsum und die Schuldentollwut
keine Grenzen haben und beliebig expandierbar sind. Man will nicht wahrhaben,
dass ein solider und stabiler Wohlstand nicht dauerhaft auf Pump
und Blasen gegründet sein kann und dass solides und nachhaltiges,
generationengerechtes Wirtschaften und Haushalten langfristig immer bedeuten
muss, dass man nicht mehr ausgeben kann als man einnimmt, dass man in guten
Zeiten zurücklegen muss, um in schlechten Zeiten darauf zurückgreifen
zu können.
Eine Inkonsequenz des Buches muss aber neben all
seinen Vorzügen abschließend kritisiert werden. Der Autor argumentiert
auch
mit Bewertungen der Ratingagenturen, so z.B. S. 281 gegen die Landesbanken,
und das sollte er nicht tun, weil es falsch ist. Denn auch die Ratingagenturen
gehören wesentlich mit zum Imkompetenz- und finanzkriminellen Geflecht
der internationalen Finanzkrise. Die kritischen Medien sollten konsequent
sein und jedes Rating dieser finanzökonomischen Hochstaplerindustrie
in Frage stellen. Bewertungen von Ratingagenturen sind lediglich politisch
und nicht selten als indirekt gekauft einzuschätzen.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
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