Erleben und Erlebnis in Theodor
Lipps'
Grundtatsachen des Seelenlebens
(1883)
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
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Erleben und Erlebnis bei Theodor Lipps.
Methode der Fundstellen-Textanalyse
* Hauptbedeutungen
Erleben und Erlebnis * Signierungssystem*
Zusammenfassung
Hauptseite *
Begriffscontainer
(Containerbegriff) * Begriffsverschiebebahnhof
welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...) möglich sein? Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein und etwas, und zwar eins und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muß man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..." Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik.
11. Buch, 5 Kap., S. 244
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Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit und Evidenz). Begriffsbasis Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffenen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem praktisch-pragmatisch und andererseits das Begriffsverschiebebahnhofsproblem lösen. |
Editorial
Das umfangreiche Werk zu Beginn der Blütezeit deutscher Psychologie
weckt Hoffnungen und Erwartungen auf die Fundierung der für die Psychologie
so grundlegenden Begriffe Erleben und Erlebnis.
Lesebeispiel
Signierungssystem (Quelle)
e | < Erleben Differenzierung > Erlebnis | E |
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Anmerkung Carnap: hier ist EE für Elementarerlebnis
vorgesehen, obwohl unklar ist, was ein Elementarerlebnis von einem Erlebnis
unterscheidet.
Zusammenfassung-Erleben-Grundtatsachen:
0.LTG Fundstellen: erleb 69, Erlebnis 14, Erleben 23, definition 1
(Apperzeption), definiert 0, definieren 0,
1.LTG Erleben oder Erlebnis haben im Sachregister keinen Eintrag und
keinen Abschnitt im Inhaltsverzeichnis..
2.LTG Theodor Lipps definiert, erklärt, beschreibt oder erörtert
die Begriffe erleben und Erlebnis in den Grundtatsachen nicht, auch nicht
durch Fußnote, Anmerkung, Quer- oder Literaturverweise (>Zum
Geleit). Daraus schließe ich, dass Thodor Lipps 1883 die beiden
Begriffe für allgemeinverständlich und nicht näher für
erklärungsbedürftig hielt.
3.LTG Das Werk ist ein Indiz dafür, wenn die grundlegenden Begriffe
zu Beginn nicht geklärt werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß,
dass sie dies auch im Folgenden nicht geschieht. Das belegt die vollständige
Fundstellenanalyse.
4.LTG Vorstellen und Bewusstsein sind wichtige Grundbegriffe in dem
Werke, jedoch auch nicht ausdrücklich definiert, erklärt, eingeführt
oder beschrieben, was im Kapitel III. nach dem Inhaltsverzeichnis und den
Einträgen im Sachregister geschehen sollte. In LTG392 wird die Apperzeption
als Eintritt in das Bewusstsein definiert.
5.LTG Fazit: Lipps stellt keine Theorie und Begrifflichkeit zu Erleben
und Erlebnis zur Verfügung.
Sämtliche Fundstellen "erleb"
LTG234: "Alles nun, was in einer der Hinsichten einem Wahrgenom
menen oder Erlebten ähnlich
ist und irgendeinmal in uns lebendig
war, kann durch dies Wahrgenommene oder Erlebte
dazu gebracht
werden, mitzuklingen und durch sein Mitklingen die Macht jenes
zu verstärken."
LTG290: "Ich finde die Handhaben in den die verschiedenen einzelnen
Farben begleitenden Gefühlen. Ich sage nichts neues , wenn ich
daran erinnere, wie die Arten des Eindrucks, den Farben machen,
mit den Farben zugleich sich stetig verändern, so dass den quali
tativ benachbarten Farben ähnliche Arten des Eindrucks, den am
meisten entgegengesetzten, also den complementären, die am meisten
entgegengesetzten Arten des Eindrucks entsprechen. Der raschen
und leichten Wirkung des lebhaften Gelb steht die kühle Ge
messenheit des tiefen und dunkeln Indigblau deutlich entgegen.
Gehen wir von Gelb über Grün nach Indigblau, so vermindert
sich
allmählig die Raschheit und Leichtigkeit , die Temperatur sinkt,
ruhige Heiterkeit greift Platz , auch die Heiterkeit beginnt zu
schwinden , die Wirkung wird langsamer und stetiger , zugleich
momentan weniger intensiv, bis wir endlich bei dem durch das
Indigblau bezeichneten Wendepunkt angelangt sind. Gehen wir
andrerseits von Indigblau über Violett nach Gelb, so LTG290e2.1erleben
wir
eine Wandlung des Charakters, die der bezeichneten sichtlich ent
gegensteht. Die langsame Bewegung wird kraftvoller, sie verliert
zugleich von ihrer Langsamkeit , das feierliche Violett tritt dem .
gemässigt heiteren Grüngelb, das stolze und prächtige
Purpur dem
ruhigen und doch der Wärme nicht entbehrenden Grün, das kraft
voll erregende Rot dem ruhigeren und kühleren Blaugrün gegen
über."
LTG331: Zwei mal erlebt, ohne Erklärung.
LTG356: erlebt ohne Erklärung.
LTG359: erlebten ohne Erklärung.
LTG364: Erlebnis ohne Erklärung.
LTG370: "... Indem es diese mit dem eigenen
Erlebniss verband, wurde ihm dieselbe
zum Zeichen der Befriedigung.
...
Zugleich mit dem Verständniss für die freundliche Miene
entstand im Kinde das Verständniss für sonstige Mienen und
Ge-
berden. Es sah Stolz aus dem Auge solcher leuchten, die zu
gleich in Worten oder Handlungen, deren Triebfeder das Kind
aus eigenem LTG370e2.1Erleben
verstehen gelernt hatte, stolze Empfindungen
zu erkennen gaben. Es erfuhr am eigenen Körper, welche Be-
wegungen das Gefühl der Leichtigkeit und Kraft und welche das
der Gehemmtheit und Angestrengtheit ergeben und übertrug dies
auf ähnliche Bewegungen anderer. Zugleich sah es ohne Vermitte-
lung seines eigenen LTG370e2.2Erlebens,
welche grössere oder geringere, also
zur Erzeugung eines grösseren oder geringeren Gefühls des
Wertes
und der Bedeutsamkeit fähige Leistungen mit Bewegungen anderer
sich verbanden. Schliesslich kannte es das ganze System mög-
licher seelischer Regungen oder körperlicher Empfindungen und
hatte zugleich gelernt, sie mit bestimmten Mienen, Geberden, Be
wegungen zu verbinden."
LTG381: erlebten
LTG388: Erleben, Erlebten der Dichter
LTG395: erlebe, Erleben
LTG400: erlebe
LTG438: erlebt, erleben
LTG446: 2x erlebe, 2x erlebt
LTG447: erlebtes Ich
LTG448: erlebe, erleben
LTG450: erlebt, 2x Erlebnis
LTG454: erlebe
LTG455: erlebe
Für jeden durchführbarer Versuch
Der folgende Beleg ist zusammenhängend dargestellt, weil er
einen interssanten für jedermensch durchführbaren Versuch auf
S. 506 enthält.
LTG505: Von der grösseren und geringeren Bestimmtheit nun, die
der
räumlichen Auffassung direkt und indirekt gesehener Objekte auch
dann eignet, wenn die Bilder an sich gleichartig, insbesondere
gleich lichtstark und gleich wohl umgrenzt sind, meine ich, dass
sie aus der grösseren und geringeren subjektiven Verschiedenheit
der einfachen oder aus mehreren einfachen zusammengeflossenen
Eindrücke, aus denen die Bilder des direkten und des indirekten
Sehens sich zusammensetzen, wenigstens teilweise erklärt werden
müsse. Inwiefern dies der Fall sein könne , dies wird deutlich
,
wenn wir uns erinnern, worin das Auffassen, oder wie wir oben
sagten, das Recognosciren, Constatiren, eigentlich bestehe. Wir
können es auch bezeichnen als Einordnen oder Aneignen ; Einordnen
nämlich in das System der sonstigen Gesichtsvorstellungen und
damit in das System der Vorstellungen überhaupt. Dies Einordnen
geschieht notwendig successive . Ich muss einen Teil nach dem
andern an seiner Stelle festmachen, wenn mir schliesslich das
Ganze zu einem bestimmten und deutlich Erkannten werden soll .
Dies wiederum setzt voraus, dass ich mich auf einen Teil nach
dem andern insonderheit beziehe, oder meine Aufmerksamkeit auf
ihn richte. Ich beziehe mich auf ihn, dies heisst, es werden in
mir Vorstellungsbeziehungen lebendig, die jetzt diesen, dann jenen
Teil erfassen und für sich festhalten. Das Geschäft der Einord-
nung kann zum Abschluss kommen, wenn es den Beziehungen ge-
lingt, nacheinander alle Teile für sich festzuhalten und ihnen
ihre Stelle anzuweisen. Eben dies nun vermag ich beim indirek-
ten Sehen nicht. Vielmehr erlebe
ich es, dass beständig ein Teil
sich dem andern unterschiebt, die Aufmerksamkeit immer wieder
von dem Punkte, dessen sie sich bemächtigen will, abgleitet und
auf anderes übergeht. In Folge davon weiss ich keinen Moment,
wo
ich angelangt bin, und sehe mich schliesslich genötigt, das Geschäft
aufzugeben. Einen sehr deutlichen Eindruck von diesem Sachverhalt
bekomme ich schon, wenn ich mich mühe, etwa eine Anzahl klei-
ner schwarzer Quadrate, die in deutlicher Entfernung von einander
auf weissem Grunde liegen, im indirekten Sehen nur einfach zu [506]
zählen. Keines der Quadrate fehlt in dem Gesammtbild, das ich
habe, keines fliesst auch mit dem andern zusammen, wie dies der
Fall sein würde, wenn ich sie aus weiter Entfernung direkt be
trachtete und doch habe ich mit dem Zählen kein Glück, weil
die
Aufmerksamkeit an dem, worauf ich sie richte, nicht haftet und
ich darum nie weiss, wo ich mit dem Zählversuch angelangt bin.
LTG548: Erleben Fremde.
LTG563 2x erleben zu einem optischen Versuch
LTG564 jetzt erlebe
LTG574: "... Was sonst nur ein Druck wäre, den ich erlebe,
wird zur objektiven Härte, Glätte, Rauhigkeit u. dgl."
LTG576: "... indem ich die Lagegefühle erlebe...."
LTG580: " .... Das einzige, was die Seele ausser den Eindrücken
selbst erlebt, ist
deren gleichzeitiges Zusammentreffen . ..."
LTG591: " .... Es verhält sich in der
Hinsicht mit der Einheit, wie mit der Wirklichkeit, Notwendigkeit,
Causalität, die wir auch nicht in den Dingen finden, sondern in
uns als Weisen unseres denkenden Verhaltens zu Objekten
erleben. .."
LTG630: ""Dass dem so ist, erleben
wir oft genug. ..."
LTG640: "Von dem, was in andern sich vollzieht,
wissen wir ja nur, sofern wir es in uns nacherleben.
Das fremde
Leben, von dem wir wissen, ist also, sofern es zum Inhalte hat,
was auch in uns zu freiem und kräftigen Ablauf strebt, sofern
es
andrerseits nicht zu unserem Leben in erfahrungsgemässen Gegen-
satz tritt, unser eigenes Leben und Erhöhung unseres eigenes Le-
bens. "
LTG652: " ... Aller Wahrscheinlichkeit nach erleben wir es"
LTG655: "... des ehemals Erlebten. ..."
LTG656: "... des ehemals Erlebten völlig sicher ...
LTG672; "... das störende Erlebnis ..."
LTG684.1-2: "... in unserem Nacherleben ...", "auch in unserem Nacherleben
..."
LTG700: " ... Das sittliche Verhalten zu andern beruht psychologisch
auf dem Nacherleben der fremden Persönlichkeit."
Ende der Fundstellen "erleb". Es folgen noch zwei Seiten und das
Sachregister.
Anmerkung: Definition Apperzeption
LTG392: "In der Tat wollen wir die Apperception in diesem Sinne
nehmen. Mit der Definition der Apperception
als Eintritt in den
Blickpunkt des Bewusstseins brauchen wir darum doch nicht
ganz zu brechen. Es muss uns nur erlaubt sein, an die Stelle des
Blickpunktes des Bewusstseins den Blickpunkt des seelischen Le-
bens überhaupt zu setzen"
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site:www.sgipt.org. |
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