Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=10.01.2023 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 13.08.23
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich Erleben, und hier speziell zum Thema:

    Erleben und Erlebnis bei Oswald Külpe
    mit einem Exkurs Külpe und der Krieg

    Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zum Geleit:
    _

    "... Nun müssen diejenigen, 
    welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, 
    etwas voneinander verstehen; 
    denn wie könnte denn,
    wenn dies nicht stattfindet,
    ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
    möglich sein? 
    Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
    und etwas, und zwar eins
    und nicht mehreres, bezeichnen;
    hat es mehrere Bedeutungen, 
    so muß man erklären, 
    in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

    Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 
    (Rowohlts Klassiker 1966)

    Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren  können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit  und  Evidenz). Begriffsbasis  Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffenen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem  praktisch-pragmatisch und andererseits das  Begriffsverschiebebahnhofsproblem  lösen.



    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis * Zusammenfassung Hauptseite


    Zusammenfassung Külpe Grundriss der Psychologie 1893
    Oswald Külpe (1862-1915), Begründer der Würzbürger Schule der Denkpsychologie, war 8 Jahre Assistent bei Wilhelm Wundt und kann als bedeutender Vertreter der Blütezeit der deutschen Psychologie, die 1933 im wesentlichen aufhörte und sich im Nachkriegsdeutschland bis heute nicht wieder erholen konnte, gewürdigt werden. 1896 gründete er in Würzburg das psychologische Labor; 1909 Bonn, 1914 München. Aus dem Rahmen fällt sein  Kriegsvortrag  1915 und in diesem Zusammenhang auch seine Arbeit über Kant, in der sich das indirekt schon ankündigte.
     
    1. Fazit: Külpe war zwar auf dem richtigen Weg, aber er hat von Anfang an - wie die meisten ErlebensforscherInnen - seine Grundbegriffe  (Bewusstsein, Inneres, Element, Empfindungen, Gefühle, Verbindung, Erleben) nicht so geklärt wie es sein sollte. (>Zum Geleit). Dennoch kann man von seinem Grundriß und den dort geäußerten Ideen auch heute noch profitieren (z.B. §1, §2, S.22).
    2. Aufgrund der allgemeinen Bedeutung zum Verständnis der Psychologie als Wissenschaft wurden die ersten 11 Punkte aus § 1 und die 15 Punkter aus § 2 Külpes vollständig in ihrem Zusammenhang wiedergegeben. Man kann Külpe als Promotor für die Variante, Psychologie als Wissenschaft des Erlebens ansehen.
    3. Fundstellen erleben, erlebt(e.en,es), erlebend, Erlebnis im gesamten Buch: erleb 120, erleben 28, erlebt(e,en,es) 34, Erlebnis 53, innere Wahrnehmung .
    4. Auf den der 19 Seiten mit 14 Fundstellen erleben und 26 Fundstellen Erlebnis werden Erleben und Erlebnis von Külpe nicht definiert oder näher erläutert, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.
    5. Definition der inneren Wahrnehmung (S.8):
      1. "Nennen wir die unmittelbare Auffassung und Beschreibung von geistigen Vorgängen KG8i1innere Wahrnehmung, so würde die subjective Form der directen Methoden die Methode der KG8i2inneren Wahrnehmung heißen.
    6. Der Begriff innere Wahrnehmung wird auf den  Begriffsverschiebebahnhof  "unmittelbare Aufassung" verschoben, wobei zunächst nachvollziehbar und einzusehen ist, dass innere Wahrnehmung eine "Beschreibung von geistigen Vorgängen" sein soll, wobei seelisch-geistige oder psychische Vorgänge treffender wäre. Eigentlich spricht Külpe aber von innerer Wahrnehmung, so dass zu sagen und zu erläutern wäre, was denn das "Innere" sein soll.
    7. "Wie die meisten Arbeiten leidet auch Külpes Arbeit unter viel zu viel allgemein-abstrakten Begriffen, die nicht definiert oder erklärt werden und es fehlt allenmthalben an operationalen Beispielen.
    8. Auf S.22 formuliert Külpe einen wichtigen Satz zur Erlebens- und Erlebnisrealität (fette Hervorhebung RS): "5. Weitere Einzelheiten der Eintheilung schon hier anzudeuten dürfen wir unter lassen. Es sei deshalb nur noch eines Umstandes gedacht, der zur Vermeidung von Missverständnissen in Bezug auf die Elemente des Bewusstseins erwähnt werden muss. Wie nämlich in der Natur die Elemente nirgends außer einander, ohne jegliche Form der Verbindung vorkommen, sondern stets im Gemenge oder in chemischer Vereinigung mitanderen, so sind auch die seelischen Elementarphänomene stets in irgend welcher Verschmelzung oder Verknüpfung mit anderen wahrnehmbar. Wie dort erst durch die Analyse die einfachen Stoße gewonnen werden, so können wir auchhier nur durch die Analyse der inneren Wahrnehmung die elementaren Qualitäten herauserkennen. Mit Hilfe derAufmerksamkeit lassen sich selbst schwächere von ihnen zu Gegenständen besonderer Untersuchung oder Beobachtung machen, aber eine wirkliche Vereinzelung, ein wirkliches Erleben nur einer einzigen Empfindung z. B. kommt nicht vor. Alle die Fälle, in denen scheinbar nur ein Ton gehört, eine Farbe gesehen wird, reduciren sich bei tieferem Einblick auf Verbindungstheile, denen die besondere Gunst der Aufmerksamkeit zu Theil geworden. Es sind deshalb auch nicht eigentlich verschiedene Erlebnisse, die wir mit den Namen «Empfindung« oder «Gefühl« auseinanderhalten, sondern wissenschaftlich werthvolle Producte einer qualitativen Analyse derselben. Wir sind außer Stande ein gesetzmäßiges Verhalten complexer Vorgänge ohne derartige Analyse zu erfassen und müssen daher jede Seite, jede Eigenschaft, die in besonderer Weisesich geltend macht, vorerst  für sich prüfen."
    9. Der II. Theil handelt "Von den Verbindungen der Bewusstseinselemente." Spätestens an dieser Stelle hätte Külpe klären müssen, was ein Bewusstseinselement sein soll, ob, wo und wie man es finden kann. Aber das leistet Külpe nicht.
    _
        Exkurs: Bewusstseinselemente in Külpes Grundriß

        Zum ersten Mal verwendet Külpe Bewusstseinselemente auf S. 20:
        "2. Die Einfachheit psychischer Zustände als letzter Elemente des
        Bewusstseins ist nichtals eine räumliche, also als Untheilbarkeit aufzufassen,
        sondern beziehtsich lediglich auf ihre Qualität, ihren Inhalt. Die einfachen
        Seelenvorgänge sind deshalb nicht den Atomen der Physik vergleichbar.
        Die einzige Analogie aus derNaturwissenschaft, die zutreffen würde, wäre
        das chemische Element. Wie es für die Natur eines solchen gleichgiltig
        ist ob wir 100 oder 1000 Moleküle in ihm enthalten denken, so ist es für
        eine Qualität des Bewusstseins gleichgiltig, wie große Ausdehnung wir ihr
        etwa beilegen. So wie der Chemie das Elementeine der weiteren Analyse
        widerstehende bestimmte Stoffart ist, so sind die einfachen Inhalte der
        Psychologiein sich ununterscheidbare Erlebnisse. Die innereWahrnehmung,
        eventuell durch das Experiment unterstützt, leistet hier die Analyse. Wenn
        ich an einem Inhalt «grau« keine verschiedenen Nuancen, sondern eine
        ganz gleichmäßige Färbung bemerke, so nenne ich ihn einen einfachen
        Bewusstseinsinhalt. Entsprechend kann ein zusammengesetzter psychi-
        scher Zustand nur dadurch sich von einem einfachen unterscheiden, dass
        mehrere einfache sich in ihm gesondert wahrnehmen lassen. So ist  bei-
        spielsweise ein Accord, ein Zusammenklang mehrerer einfacher Töne, ein
        zusammengesetzter Bewusstseinszustand. Diesen Unterschied machen wir
        nach dem Vorgange Wundt's zu einem Haupteintheilungsgrunde der Psycho-
        logie. Sie zerfällt für uns also zunächst in zwei Theile, deren erster von
        den Elementen des Bewusstseins, deren zweiter von derVerbindung
        der Elemente handelt. Die Zahl der chemischen Elementeist sehr gering,
        und es besteht das natürliche Bestreben sie so weit als möglich, etwa bis
        auf ein Urelement, zu reduciren. Die Zahl der qualitativ unterscheidbaren
        einfachen Bewusstseinszustände ist sehr groß, und es ist nicht abzusehen,
        wie sie verringert werden soll. Je schärfer wir psychologisch analysiren,
        umso mehr Elemente ergeben sich für die Beobachtung. Endlich lassen
        sich vom Bewusstsein als einem Ganzengewisse Eigenthümlichkeiten seines
        Zustandes oder seines Verhaltens aussagen, die sich bei den einfachen, wie
        bei den zusammengesetzten Inhalten beobachten lassen und daher zweck-
        mäßig einer besonderen Untersuchung unterworfen werden. Deshalb wird [>21]
        sich ein dritter Theil der Psychologie mit dem Zustande des Bewusstseins
        beschäftigen. In erster Linie wird es sich hier um die Erörterung
        dessen handeln, was wir als Aufmerksamkeit zu bezeichnen gewohnt sind."

        Ende Exkurs Bewusstseinselemente in Külpes Grundriß


      Seine in § 42 geäußerte Theorie ist sicher viel zu grob und unbegründet, wenn er S. 286 meint: "2. Die Elemente des Bewusstseins zerfallen in die beiden Classen der Empfindungen und der Gefühle. Demnach sind Verbindungen von Empfindungen, von Gefühlen und von Empfindungen mit Gefühlen möglich." Hier wären die Begriffe Element, Empfindungen, Gefühle und Verbindung zu klären und  mit Daten, Belegen und Beispielen zu fundieren.

      Ende Zusammenfassung Grundriß



    Fundstellenkurzbelege der ersten 14 Seiten 1-19

    erleben, erlebt 14
    Erlebnis... 26
    Innere Wahrnehmung 22

    Erleben, erlebt(e,en,es), erlebend

    1. minder vielsagend ist der Ausdruck »Bewusstsein«, der bald das KG3e1Erlebte
    2. was von KG3e2erlebenden Individuen abhängig ist.
    3. in deren Abhängigkeit von KG3e3erlebenden Individuen
    4. 7. Die Abhängigkeit von KG4e1erlebenden Individuen scheint nunaber die
    5. von KG5e2erlebenden Individuen abhängigen Eigenschaften
    6. ich directe Methodenhierbei an, sobald ich sie unmittelbar KG8e1erlebe und
    7. Erkenntniss KG8e2erlebter Zustände benutze. Es ist klar, dassdie directen Methoden
    8. vom KG8e3erlebenden Individuum oder auch von Anderen benutzt werden
    9. umaufmerksames KG9e1Erleben. Von besonderem Werthe ist es,
    10. oder das aufmerksame KG9e2Erleben erst durch eine ihren Inhalt wiedergebende
    11. Schriftzeicheu mit  vorzugsweiser Leichtigkeit und Vollständigkeit durch aufmerksam KG10e1erlebte
    12. die zweckmäßigste Disposition des KG11e1erlebenden Individuums herzu-
    13. Einmal wird dadurch leicht auch das KG16e1Erleben selbst ein von geringerer
    14. Aufmerksamkeit den sie KG19e1erlebenden Individuen zu thun, sondern mit den äußerlich wahrnehmbaren,
    Erlebnis
    1. von der Philosophie, beschäftigen, bezeichnen wir als KG1E1Erlebnisse. Es
    2. dazuliegt der Philosophie ob, die Beschreibung der KG1E2Erlebnisse, die Re-
    3. Forschungsobjecte betrachtet werden, zu den KG1E3Erlebnissen gerechnet werden
    4. kein KG2E1Erlebniss, welches nicht auch Gegenstand psychologischer Untersuchung
    5. in einer bestimmten Klasse von KG2E2Erlebnissen, als vielmehr in einer für alle
    6. gder KG2E3Erlebnisse von erlebenden Individuen.
    7. 4. Man pflegt dies auch wohl so auszudrücken, dass man die KG2E4Erlebnisse subjectiv nennt oder dass
    8. an den KG3E1Erlebnissen andeuten, was
    9. on den KG3E2Erlebnissen in deren Abhängigkeit
    10. KG3E3Erlebnissen oder Fähigkeiten (Gefühle, Aufmerksamkeit, Phantasie)
    11. zu den KG4E1Erlebnissen stehen, beim Menschenaus schließlich im Gehirn, wahr-
    12. halten der subjectivirten KG5E1Erlebnisse eine unüberwindliche Schwierigkeit
    13. Gesichtspunkt. Die eigenen KG5E2Erlebnisse kann Jeder auch ohneBeschreibung
    14. wähnten, vermitteln dem Psychologen allein die Kenntnissfrem der KG5E3Erlebnisse,
    15. fachsten KG5E4Erlebnisse, die ihn erfüllen! Man magdaran ermessen, wieviel
    16. drucksmittel gleichartiger KG5E5Erlebnisse verschiedener Individuen ein äußerst
    17. Individuen abhängigen Eigenschaften der KG5E6Erlebnisse zu
    18. übersehen vermag, was an den KG6E1Erlebnissen die Abhängigkeit vom Leibe
    19. stimmten subjectivirten KG6E2Erlebnissen parallel gehenden nervösen Processe
    20. Sie kann erstlich eine Beziehung der KG7E1Erlebnisse
    21. der KG7E2Erlebnisse hervortretenden Eigenthümlichkeiten. Wenn wir
    22. dass sich die Aufmerksamkeit einzelnen Seiten der KG9E1Erlebnisse mit aus-
    23. anbieten. Durch die KG10E1Erlebnisse selbst mussdie Beschreibung des unbefangenen
    24. KG13E1Erlebnisse. Hierbei dienen offenbar die vorhandenen Bewusstseinsvorgänge
    25. KG15E1Erlebnisse. Hierbei dienen offenbar die vorhandenen Bewusstseinsvorgänge
    26. thum. Die Physiologie hat es nicht mit den KG19E1Erlebnissen in ihrer Abhängigkeit von


    Innere Wahrnehmung

    1. geistigen Vorgängen KG8i1innere Wahrnehmung, so würde die subjective Form
    2. der directen Methoden die Methode der KG8i2inneren Wahrnehmung
    3. KG8i3innere Wahrnehmung, unddie Sprache wird zum bedeutungslosen Bilde
    4. sichert die Erinnerung, wie das Experiment der KG8i4inneren Wahr]nehmung [>9
    5. 3. a) Die M e t h o d e  d e r KG9i1i n n e r e n  W a h r n e h m u n g  ist die einfachste
    6. logischen Methode kann aber die KG9i2innere Wahrnehmung nur werden, wenn
    7. klar, welchenVortheil die KG9i3innere Wahrnehmungvon diesem Zustande der
    8. Aufmerksamkeit diesen letzteren und nicht etwa der KG9i4inneren Wahrnehmung zu
    9. wir zu den Bedingungen einer methodisch geleiteten KG9i5inneren Wahrnehmung rechnen,
    10.   4. Wissenschaftlich verwerthbar wird nun dieKG9i6innere Wahrnehmung
    11. durchdie KG10i1innereWahrnehmungselbst nur unvollkommenerreichtwerden
    12. Dazu kommt, dass die KG10i2innere Wahrnehmungallein eine Theorie der psychischen
    13. äußere, so wenig wird demPsychologen dieKG10i3innere Wahrnehmung durch
    14. concreto undsichere. Die früheren, lediglich aufKG10i4innere Wahrnehmung,
    15. lassenenKG11i1 inneren Wahrnehmung wesentlich überholt, vertieft und erweitert.
    16. dingungen einer passenden Verwerthung der KG11i2inneren Wahrnehmung kennen
    17. functioniren. Und wenn schon der Thatbestand der KG13i1inneren Wahrnehmung
    18. Inhalte der KG15i1inneren Wahrnehmuns und der Erinnerung aufzubewahren ist
    19.     13. Zur Ergänzung der durch KG16i1innereWahrnehmung, Erinnerung, Sprache
    20. unter gebührende Controle gestellten KG16i2inneren Wahrnehmung. Nur selten
    21. Fähigkeit, ihre KG17i1innere Wahrnehmung zu psychologisch brauchbaren Aussagen

    22. eindeutige KG17i2innere Wahrnehmung nicht vorausgesetzt werden kann. Deshalb


    Fundstellen im Kontext mit Zusätzen der ersten 14 Punkte S. 1-9
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse.  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis
     
     

    1: "§ 1. Begriff und Aufgabe der Psychologie.
     
    Überblick der Themen in § 1 (im Inhaltsverzeichnis nicht ausgewiesen)
    1. Alle Wissenschaft beschäftigt sich mit der Beschreibung von Thatsachen.
    2. Die Thatsachen, mit denen sich alle Wissenschaften, abgesehen von der Philosophie, beschäftigen, bezeichnen wir als Erlebnisse.
    3. Die Abgrenzung der Einzelvissenschaften gegen einander
    4. Man pflegt dies auch wohl so auszudrücken, dass man die Erlebnisse subjectiv nennt oder dass man die Psychologie als eine Wissenschaft von den psychischen, den Bewusstseinsthatsachen bezeichnet.
    5. Aber auch eine Definition der Psychologie als einer Wissenschaft von den Erlebnissen in deren Abhängigkeit von erlebenden Individuen
    6. Abhängigkeit vom Gehirn ohne nähere Festlegung
    7. Die Abhängigkeit vom Individuum gefährdet die Allgemeingültigkeit der Psychologie
    8. Aufgabe der Psychologie: vollständige Beschreibung der Erlebnisse
    9. Theorie im naturwissenschaftlichen Sinne
    10. Zusammenhnge Erlebnisse und Gehirnvorgänge
    11. Allgemeine Psychologie Konzeption.

        1. Alle Wissenschaft beschäftigt sich mit der Beschreibung von
    Thatsachen. Eine jede Beschreibung bedient sich gewisser Zeichen, die
    als Ausdrucksmittel der darzustellenden Wirklichkeit gelten. So schafft
    sich die Wissenschaft überall ein System vonZeichen, in deren präciser
    undfolgerichtiger Verwendungdie Allgerneingiltigkeit ihrer Beschrei-
    bung zumeinen Theile begründet ist. Eine jede Thatsache steht nun aber
    erfahrungsgemäß in bestimmten Beziehungen zu anderen und wird selbst
    nur durch das Bestehen und die Angabe von solchen zu einer von indi-
    viduellem Meinen und Finden freien Erscheinung. Ja man darf sagen,
    dass es nichts an einer einzelnen Thatsache gebe, was nicht durch solche
    Beschreibung aller ihrer Beziehungen zu anderen adäquat festzustellen
    wäre. Während sich die populäre Reflexion mit einer nur unvollkom-
    menenDarlegung derletzteren zu begnügenpflegt, ist es nunAufgabe
    aller Wissenschaft, deren vollständige Beschreibung zu liefern. In der
    Annäherung an eine LösungdieserAufgabeist die Allgemeingiltigkeit der
    wissenschaftlichen Aussagen zumanderen Theile begründet.

      2. Die Thatsachen, mit denen sich alle Wissenschaften, abgesehen
    von der Philosophie, beschäftigen, bezeichnen wir als KG1E1Erlebnisse. Es
    sind die ursprünglichsten Data unserer Erfahrung, dasjenige, was den
    Gegenstand der Reflexion bildet, ohne selbst eine zu sein. Im Gegensatz
    dazu liegt der Philosophie ob, die Beschreibung der KG1E2Erlebnisse, die Re-
    flexion über sie, sofern darin ein eigenthümlicher Thatbestand gegeben ist,
    zu untersuchen. Es ist nun klar, dass die Vorstellungen, Leidenschaften
    u. dgl., welche von Psychologen verschiedenster Standpunkte als ihre
    Forschungsobjecte betrachtet werden, zu den KG1E3Erlebnissen gerechnet werden
    müssen. Demnach gehört die Psychologie nicht zu den philosophischen,
    sondern zu den Einzelwissenschaften."

    2:  "3. Die Abgrenzung der Einzelwissenschaften gegen einander pflegt
    nach sehr ungleichen Gesichtspunkten zu erfolgen. So scheiden sich
    Botanik und Zoologie, Rechts- und Sprachlehre nach den von ihnen behandelten
    Gegenständen. Ferner drückt der Gegensatz zwischen beschreibenden
    underklärenden Naturwissenschaften den Grad derVollständigkeit
    und damit der Allgemeingiltigkeit aus, der bei der Darstellung der Thatbestände
    erreicht ist. Physik und Chemie wiederum verhalten sich zur
    physikalischen und chemischen Technologie wie die Theorie zur Anwendung.
    Man redet wohl auch von inductiven und deductiven Wissenschaften,
    wobei den ersteren der Fortschritt vom Besonderen zum Allgemeinen,
    den letzteren das umgekehrte Verfahren eigenthiimlich ist.
        Die meisten dieser Unterscheidungsgründe lassen sich auch auf das
    Verhältniss der Psychologie zu anderen Wissenschaften anwenden. Soist
    siez. B. inductiv gegenüber der deductiven Mathematik, steht sie zur Pädagogik
    wiedie Theorie zurAnwendung, ist sie zumeist noch eine beschreibendeDisciplin
    gegenüber densog. exacten Wissenschaften, die im eminenten
    Sinne als erklärende gelten. Nur der eine, die Abgrenzung nach
    Gegenständen, lässt sich in keinerWeisebei der Beziehung der Psychologie
    zu anderen Einzelwissenschaften auffinden. Denn es giebt in der That
    kein KG2E1Erlebniss, welches nicht auch Gegenstand psychologischer Untersuchung
    werden könnte. Da nun alle übrigen Gesichtspunkte nur die
    Form der wissenschaftlichen Arbeit betreffen und das Verhältniss der
    Psychologie zur Naturwissenschaft sich keinem von ihnen unterordnen lässt,
    so mussdie Besonderheit des psychologischen Thatbestandes nicht sowohl
    in einer bestimmten Klasse von KG2E2Erlebnissen, als vielmehr in einer für alle
    geltenden Eigenschaft derselben bestehen. Diese Eigenschaft ist die Abhängigkeit
    der KG2E3Erlebnisse von erlebenden Individuen.

        4. Man pflegt dies auch wohl so auszudrücken, dass man die KG2E4Er-
    lebnisse subjectiv nennt oder dass man die Psychologie als eine Wissen-
    schaft von den psychischen, den Bewusstseinsthatsachen bezeichnet. Diese
    Ausdrücke sind sämmtlich missverständlich. Eine Subjectivirung kann
    sich zunächst auf das optische Bild des eigenen Körpers beziehen, dann
    heißen die anderen sichtbaren Gegenstände im Baume objectiv, sie kann
    ferner ausschließlich auf solche Zustände angewandt werden, die einer
    Objectivirung überhaupt unzugänglich bleiben, also einen der Psychologie
    ganz eigenthümlichen Thatbestand bilden, wie etwa das Denken, die Gefühle
    von Lust und Leid u. dgl. In beiden Fällen ist das Object der
    psychologischen Untersuchungfalsch oder unzureichend angegeben. Des-
    gleichen kann der Name »psychisch« in Anlehnung an bekannte metaphysische
    Lehren eine Wirklichkeit anzudeuten scheinen, die als solche
    schlechthin trennbar wäre von den sog. physischen Vorgängen. Nicht [>3]
    minder vielsagend ist der Ausdruck »Bewusstsein«, der bald das KG3e1Erlebte
    schlechtweg, bald das Wissen davon, bald einen Zustand, in den
    sonst unbewusste geistige Realitäten gerathen können, bezeichnet.
    Wo wir im Folgenden der Abwechselung oder der Kürze halber eben diese
    gerügten Ausdrücke anwendenwerden, sollen sie nichts anderesals dasjenige
    an den KG3E1Erlebnissen andeuten, was von KG3e2erlebenden Individuen
    abhängig ist. Die subjectiven oder subjectivirten Vorgänge, Bewusstseinsthatsachen.
    psychischen oder geistigen Zustände sollen für uns nur
    diesen Sinn haben, unddas Bewusstsein, die Seele oder der Geist werden
    nur die Summe aller solcher Erscheinungen in unserem Sprachgebrauch
    darstellen. In keinem Falle sollen ein transcendentales Bewusstsein, eine
    substantielle Seele, ein immaterieller Geist u. Aehnl. in unseren Erörterungen eine
    Rolle spielen.

        5. Aber auch eine Definition der Psychologie als einer Wissenschaft
    von den KG3E2Erlebnissen in deren Abhängigkeit von KG3e3erlebenden Individuen
    scheint der Erläuterung und specielleren Bestimmung insofern zu bedürfen,
    als sie den von mannigfachem Bedeutungswandel betroffenen Ausdruck
    »Individuum« aufgenommen. Man dürfte zunächst geneigt sein, von einem
    geistigen Individuum zu reden und darunter entweder eine transcendente
    immaterielle Substanz Seele, Geist oder eine Anzahl von allgemein subjectivirten
    KG3E3Erlebnissen oder Fähigkeiten (Gefühle, Aufmerksamkeit, Phantasie)
    zu verstehen. Diese Meinung lehnen wir in beiden Interpretationsformen ab.
    Die erstere ergäbe keine empirische, die zweite keine wissenschaftliche
    Psychologie. Es bedarf keiner Begründung für jene, aber einer
    kurzen Rechtfertigung dieser Behauptung.
        Von einer wissenschaftlichen Psychologie verlangen wir Allgemeingiltigkeit
    ihrer Aussagen, vor Allemin dem zweiten oben hervorgehobenen
    Sinne dieserBezeichnung. Eine solcheist nur erreichbar auf Grund einer
    möglichst vollständigen Beschreibung der Beziehungen, welche zwischen
    den einzelnen Thatbeständen obwalten und sie erschöpfend charakterisiren.
    Niemandwird aber sagen dürfen, dass etwa ein Accord genügend fest-
    gestellt sei, wenn man ihn angenehm gefunden oder seine Aufmerksamkeit
    durch ihn erregt gefühlt hat oder die Erinnerung an Situationen, Musikstücke
    u. dgl. dadurch geweckt worden ist. Außerdem fehlt zwischen
    diesen Bestandtheilen der inneren Wahrnehmung die Abhängigkeitsbeziehung,
    sehr willkürlich, und ihre Verbindungen knüpfen sie nicht durch gegen-[>4]
    seitige Beinflussung, sondern unter Umständen, die auf eine außerhalb
    ihrerstehende Gesetzmäßigkeit schließen lassen. Wenn man endlich häufig
    die Aufmerksamkeit unter den Bedingungen eines subjectiven (psychischen)
    Vorganges erwähnt, so ist damit erstlich nureine von den verschiedenen
    Bedingungen angedeutet und zweitens eine wegen ihrer Kürze und Ver-
    ständlichkeit bequeme Form der Beschreibung gewählt, die den gegen-
    sätzlichsten Ansichten überdas eigentlicheWesen dieser Erscheinung freien
    Spielraum lässt. Schließlich sei noch daran erinnert, dass der Vortheil
    der Messbarkeit, der Eindeutigkeit, den die Objecte der Naturforschung
    in so weitgehendem Maße genießen, den Gegenständender psychologischen
    Untersuchung ganz fehlen würde, wenn sie nur auf die Beziehungen zum
    geistigen Individuum angewiesen wäre.
        6. Es mag mit diesen kurzen Bemerkungen vorläufig genug zur
    Rechtfertigung unserer Ablehnung der nächstliegenden Auffassung des
    Individualbegriff's gethan sein. Muss doch die Ausführung des Buches
    selbst im einzelnen dazu beitragen, das Andere, was wir meinen, zur
    Geltung zu bringen! Offenbar ist die Abhängigkeit, die wir jm Sinne
    haben, eine solche vom körperlichen Individuum. Dass diese überhaupt
    besteht, ist bisher bloß von Metaphysikern gewisser Richtung be-
    stritten worden. In welchem Umfange sie vorkommt, hat erst die fort-
    schreitende physiologische und psychologische Forschung gezeigt. Hiernach
    sind die körperlichen Processe, welche in directem Functionsverhältniss
    zu den KG4E1Erlebnissen stehen, beim Menschenaus schließlich im Gehirn, wahr-
    scheinlich in der Großhirnrinde zufinden. Diese Abhängigkeitsbeziehung
    denkt man sich durchgängig verwirklicht, obwohl sie vielfach nur hypo-
    thetisch behauptet werden kann. Als eine zeitlich bestimmte, also causale
    sie zu betrachten hat man jedoch keinen Anlass in den Thatsachen und
    mit Rücksicht auf das die physische Welt beherrschende Gesetz von der
    Erhaltung der Energie scheinbar auch kein wissenschaftliches Recht. Deshalb
    redet mangegenwärtig meist von einem Parallelismus der psy-
    chischen und Gehirnprocesse, d. h. man stellt sie sich als einander
    begleitende Erscheinungen von dem Charakter vor, dass eine jede Veränderung
    auf der einen Seite in einer entsprechenden Aenderung auf der
    anderen sich ausdrückt. Ob dieses regulative Princip, dessen wachsende
    Bestätigung wir von der Erfahrung erwarten, im Zusammenhange einer
    Weltanschauung als Wechselwirkung zweier Substanzen (Dualismus) oder
    als doppelseitige Bethätigung einesWesens(Monismus), ob es als Materia-
    lismus oder als Spiritualismus gedeutet werde, ist für die wissenschaft-
    liche Arbeit gleichgiltig. Als Vertreter einer empirischen Psychologie ver-
    zichten wir daher billig auf eine Discussion dieser Möglichkeiten. [>5]

    7. Die Abhängigkeit von KG4e1erlebenden Individuen scheint nun aber die
    Allgemeingiltigkeit der Psvchologie zu gefährden und ihr das Auffinden
    der Thatsachen zuerschweren. Die jederzeit feststellbaren individuellen
    Differenzen spielen jedoch keineswegs bloß für den Psychologen, son-
    dern ebenso für den Zoologen oder Anthropologen eine Rolle. Sie sind
    in allen Fällen nur dann eine Gefahr für die Wissenschaft, wenn diese
    auf rein singulare, den einzelnen Thatbestand als solchen betreffende Beschreibung
    angewiesen ist. Können sie dagegenin ihrer Eigenart durch
    die Angabe zureichender Bedingungen erklärt werden, so lassen sie
    sich ohne Rest allgemeinen Regeln einfügen. So wenig eine wissenschaft-
    liche Anatomie und Physiologie durch die zahlreichen individuellen Unter-
    schiede im Gliederbau, in der nervösen Erregbarkeit, in der Blutcircu-
    lation an der Erfüllung ihrer Aufgaben gehindert wird, so wenig kann
    der Psychologie aus der Thatsache persönlicher Differenzen in demVer-
    halten der subjectivirten KG5E1Erlebnisse eine unüberwindliche Schwierigkeit
    erwachsen.
        Von ernstlichem Gewicht ist aber der an zweiter Stelle hervorgehobene
    Gesichtspunkt. Die eigenen KG5E2Erlebnisse kann jeder auch ohne Beschreibung
    als Thatsachen würdigen, zu den Erlebnissen anderer Individuen erhält er
    aber immernur einen indirecten Zugang. Zeichen, deren wir Eingangs er-
    wähnten, vermitteln dem Psychologen allein die Kenntnissfrem der KG5E3Erlebnisse,
    von der richtigen Anwendung solcher Zeichen hängt auf der einen, von der
    richtigen Deutung auf der anderen Seite die Brauchbarkeit des Resultats ab.
    Zu beidem ist nicht jeder berufen, und es ist begreiflich, dass der Psychologe
    ebenso wie seine Untersuchungsperson gewisser günstiger Anlagen und einer
    besonderen Uebung bedürfen. Je schwerer die Zeichen zu deuten sind,
    umso zweifelhafter wird das Ergebniss, wie mühsam errathen wir aus
    den Geberden eines sich fremder Laute bedienenden Menschen die ein-
    fachsten KG5E4Erlebnisse, die ihn erfüllen! Man mag daran ermessen, wie viel
    Aussicht besteht, das Seelenleben niedererThiere, etwa gar von Protisten,
    zu ergründen. An und für sich aber bildet diese Schwierigkeit bei der
    Ermittelung des Thatbestandes kein absolutes Hinderniss wissenschaftlicher
    Erkenntniss. Die sprachlichen Aussagen lassen sich bis zu einem gewissen
    Grade durch das Experiment controliren und sind als verständliche Aus-
    drucksmittel gleichartiger KG5E5Erlebnisse verschiedener Individuen ein äußerst
    wichtiges Hilfsmittel psychologischer Forschung.

        8. Nach dem Bisherigen ist die Aufgabe der Psychologie eine im
    allgemeinen fest bestimmte, sie hat eine vollständige Beschreibung der
    von KG5e2erlebenden Individuen abhängigen Eigenschaften der KG5E6Erlebnisse zu
    liefern. Dazu gehören nicht nur solche, die keinen objectiven Zusammenhang
    darstellen, also lediglich individuelle Zustände sind, wie Aftecte, [>6]
    Triebeu. dgl., sondern auch Thatsachen, die zugleich ein vom Individuum
    unabhängiges Verhalten aufweisen und somit auch einer naturwissen-
    schaftlichen Untersuchung anheimfallen, wie die Vorstellungsobjecte mit
    ihren raum-zeitlichen Beziehungen. Die sog. Sinnesqualitäten werden von
    dem Naturforscher als subjective Vorgänge angesehen, ihre Beschreibung
    bleibt der Psychologie überlassen. Aber auch räumliche und zeitliche
    Eigenschaften und Verhältnisse dieser Thatbestände werden subjectiv er-
    fahren undbeurtheilt, wir vergleichen Entfernungen und Richtungen, Bewegungen
    und Geschwindigkeiten mit einander und stellen die scheinbare
    Größe oder Dauer der wirklichen, d. h. der objectiv gemessenen gegen-
    über. Während also einerseits der Thatbestand aller dieser Erscheinungen
    als solcher einer eingehenden Schilderung bedarf, damit man genau zu
    übersehen vermag, was an den KG6E1Erlebnissen die Abhängigkeit vom Leibe
    des erfahrenden Subjecls aufweise, muss andererseits die letztere selbst
    zum Gegenstande genauerer Untersuchung gemacht werden.

    9. Versteht man unter einer Theorie im Sinne der Naturwissen-
    schaften die Angabe der Bedingungen, unter welchen eine Erscheinung
    steht, so wird die Theorie der psychischen Vorgängel) den Nachweis
    ihrer Abhängigkeit von gewissen körperlichen Processen zu liefern haben.
    Nun ist aber dieser Nachweis mit ganz besonderen Schwierigkeiten ver-
    knüpft. Es fehlt erstlich an einem Mittel, beide Thatsachencomplexe, die
    psychischen und die centralen Nervenerregungen in unmittelbarer Ver-
    gleichung ihres Ablaufs auf ihre Beziehungen hin zu untersuchen. Man
    ist zwar zuweilen in der Lage gewesen, nach operativer Entfernung eines
    Theiles der Schädeldecke die Bewegungen der Gehirnmasse parallel mit
    dem Auftauchen von Sinneseindrücken, Gemüthsbewegungenu. dgl. zu
    beobachten, aber der Werth dieser Einsicht muss natürlich so lange gering
    bleiben, so lange nicht eine speciellere Abänderung und Feststellung der
    besonderen, einzelnen geistigen Acten entsprechenden Gehirnprocesse mög-
    lich ist. Zweitens aber hat uns die Physiologie der nervösen Central-
    organe noch nicht die physikalischen und chemischen Grundlagen aufge-
    zeigt, welche den Mechanismus der Gehirnthätigkeit hervorbringen. Ueber
    die eigentliche Natur der Nervenerregung wissen wir noch nichts. Man
    ist bisher nur zur Aufstellung von Localisationssphären in der Großhirn-
    rinde gelangt, d. h. also zur Abgrenzung der Orte, an welchen die be-
    stimmten subjectivirten KG6E2Erlebnissen parallel gehenden nervösen Processe
    stattfinden sollen.

        10. Darausfolgt, dass eine vollständige Theorie der psychischen Vor-
    gänge in demangegebenen Sinne noch nicht geleistet werden kann. Um
    eine solche wenigstens vorzubereiten oder anzudeuten, ohne zu zweifel-
    haften oder verfrühten Hypothesen greifen zumüssen, kann die Psychologie [>7]
    in doppelter Weise verfahren. Sie kann erstlich eine Beziehung der KG7E1Erleb-
    nisse zu solchen körperlichen Processen ermitteln, die in causalem Yer-
    hältniss zu den unbekannten Großhirnrindenerregungen stehen und einer
    genauen Prüfung zugänglich sind. So wird beispielsweise die Abhängigkeit
    der Empfindung vom Reiz und der unwillkürlichen und willkürlichen
    Bewegungen von Gefühlen und Willensacten untersucht. Aus den Relationen
    zwischen diesen sehr vermittelten Gliedern einer Causalreihe darf
    freilich noch nicht auf die Beziehung zwischen den Parallelvorgängen geschlossen
    werden. Aber der eigentlichen Theorie wird hierdurch doch
    wenigstens in willkommener Weise vorgearbeitet. Ein mehr andeutendes
    Verfahren ist das zweite. Hiernach führt man Allgemeinbegriffe von Fähigkeiten
    oder Zuständen ein. die auf Bedingungen hinweisen, deren Beschaffenheit
    nicht näher bekannt ist. wie Gedächtniss, Phantasie, geistige
    Disposition u. dgl. Früher wurdens olche Ausdrückein einem ähnlichen
    Sinne angewandt, wie der Kraftbegriff der modernen Naturwissenschaft,
    also als Bezeichnungen für rein seelische Anlagen oder Vermögen, auf
    deren Wirksamkeit die einzelnen KG7e1erlebten Vorgänge zurück zu führen seien.
    Gegenwärtig dienen sie nur als verständliche kurze Ausdrücke für die
    unbekannten Bedingungen gewisser in der Verbindung oder dem Verhalten
    der KG7E2Erlebnisse hervortretenden Eigenthümlichkeiten. Wenn wir
    also bei der Lehre von den Empfindungen z. B. unter den Factoren,
    welche ihre Unterscheidbarkeit beinflussen, die Uebung erwähnen, so
    meinen wir damit nicht eine besondere psychische Fähigkeit oder gar
    einen neuen geistigen Act, sondern deuten damit bloß gewisse, nicht näher
    bekannte Vorgänge an, welche bewirken, dass nach häufiger Wiederholung
    derselben Operation diese erleichtert wird. Das Gleiche gilt,
    wie sich später herausstellen wird, in gewissem Sinne von der Aufmerksamkeit.

        11. Von unserer Behandlung der Psychologie schließen wir auf die
    Thierpsychologie und die Völkerpsychologie. Die unsicheren und
    spärlichen Anfängejener werden dereinst ebenso sehr sich zu einer selbständigen
    Zoopsychologie zusammenschließen, wie wir bereits eine Thier- und
    Pflanzenphysiologie neben derjenigen des Menschen besitzen. Die
    Völkerpsychologie behandelt die geistigen Erscheinungen, welche von einer
    größeren Gemeinschaft von Individuen abhängig sind. Auch sie ist schon
    zu einem besonderen Betrieb, wenn nicht zu einer geschlossenen Disciplin
    gelangt. Die Psychologie des menschlichen Individuums, wie wir demnach unsere
    Psychologie eigentlich nennen müssten, bildet aber, wie leicht
    ersichtlich, die Grundlage für die Thierpsychologie und für die Völkerpsychologie.
    Für die erstere deshalb, weil wir nur aus der genauen
    Kenntniss der Beziehungen zwischen menschlichen Bewusstseinsvorgängen [>8]
    und Ausdrucksbewegungen nach Analogie aus thierischen Bewegungen auf
    psychische Zustände in Thieren mit einiger Sicherheit schließen können.
    Für die letztere aber deshalb, weil jene von menschlichen Gemeinschaften
    abhängigen Vorgänge immer nur in den Einzelnen zur Wirklichkeit
    oder durch die Einzelnen zur Aeußerung kommen. Wir können demnach
    unsere Psychologie auch die allgemeine Psychologie nennen.

    § 2. Methoden uud Hilfsmittel der Psychologie.
     
    Überblick der Themen in § 2 (im Inhaltsverzeichnis nicht ausgewiesen)

    § 2. Methoden uud Hilfsmittel der Psychologie.
    1. Direkte und indirekte Methoden
    2. Subjektive und objektive Anwendung: Bedeutung der Erinnerung, Sprache und des Experimentes.
    I. Directe Methoden
    3a) a) Die M e t h o d e  d e r i n n e r e n  W a h r n e h m u n g  ist die einfachste
    und selbstverständlichste von allen.
    4. 4. Wissenschaftlich verwerthbar wird nun dieKG9i6innere Wahrnehmung
    oder das aufmerksame KG9e2Erleben erst durch eine ihren Inhalt wiedergebende
    Beschreibung.
    5. b) Experimentelle Methode und innere Wahrnehmung.
    6. Funktionsbezehungen:  Reize und psychische Vorgänge
    7. Experiment als Mittel die zweckmäßigste Disposition herzustellen
    8. Ausdehnung und Wert der experimentellen Methode
    II. Indirecte Methoden
    9. a) Erinnerung als Mittel zur Erkenntnis früherer Erlebnisse
    10. Erkenntnis früherer Tatbestände, Bedeutung der Sprache
    11. b) Die sprachliche Methode
    12. Constanz und Präzision der Sprache 
    13. Hilfsmittel Pathologie des Seelenlebens
    14. Uneindeutige pathologische Zustände unzuverlässig
    15. Entwicklungspsychologie und die geistigen Erzeugnisse
     

        1. Die Methoden, deren sich die Psychologie zur Erkenntniss ihres
    Thatbestandes bedient, sind theils directe, theils indirecte. Die directen
    Methoden sind dadurch charakterisirt, dass eine unmittelbare Auffassung
    und Beschreibung des Thatbestandes bei ihrer Anwendung stattfindet.
    Wenn ichz. B. meine eigenen Farbenempfindungen untersuche, so wende
    ich directe Methoden hierbei an, sobald ich sie unmittelbar KG8e1erlebe und
    in ihren Einzelheiten feststelle. Eine indirecte Methode dagegen liegt vor,
    wenn aus irgend welchen Zeichen der Thatbestand, um dessen Erkenntniss
    es sich handelt, erschlossen werden muss. So verfahre ich z. B.
    indirect, wenn ich meine Erinnerung oder sprachliche Mittheilungen zur
    Erkenntniss KG8e2erlebter Zustände benutze. Es ist klar, dass die directen Methoden
    vor den indirecten vieleVorzüge besitzen, aber die Psychologie kann
    die letzteren nicht entbehren, weil sie sonst zu dem Unding einer rein
    individuellen Wissenschaft herabsänke. Ueberall da, wo wir die geistigen
    Vorgänge bei anderen Menschen studiren, sind wir auf das indirecte Verfahren
    angewiesen.

        2. Jede der genannten Classen von Methoden lässt theils eine rein
    subjective, theils eine objective Anwendung zu, indem sie entweder nur
    vom KG8e3erlebenden Individuum oder auch von Anderen benutzt werden
    können. Nennen wir die unmittelbare Auffassung und Beschreibung von
    geistigen Vorgängen KG8i1innere Wahrnehmung, so würde die subjective Form
    der directen Methoden die Methode der KG8i2inneren Wahrnehmung
    heißen. Eine objective Former halten wir durch die Anwendung des Experiments,
    sie würde demnachals die experimentelle Methodezu
    bezeichnen sein. Das indirecte Verfahren erhält in gleicher Weisein der
    Methode der Erinnerung eine subjective und in der sprachlichen
    Methode eine objective Ausprägung. Die beiden objectiven Methoden
    sind nie ohne die entsprechenden subjectiven, wohl aber diese ohne jene
    anwendbar. Das Experiment bleibt eine physikalische Spielerei ohne die
    KG8i3innere Wahrnehmung, und die Sprache wird zum bedeutungslosen Bilde
    oder Geräusch ohne die Erinnerung. Die Sprache controlirt, befestigt,
    sichert die Erinnerung, wie das Experiment der KG8i4inneren Wahr]nehmung [>9
    größere Zuverlässigkeit und allgemeinere Bedeutung verleiht. Jede dieser
    Methoden bedarf nun noch näherer Bestimmung ihres Charakters und ihrer
    Tragweite.
     

    "                                    I. Directe Methoden.

    3. a) Die M e t h o d e  d e r KG9i1i n n e r e n  W a h r n e h m u n g  ist die einfachste
    und selbstverständlichste von allen. Die Wissenschaft theilt sie mit der
    Selbsterkenntniss des praktischen Lebens. Zu einer brauchbaren psycho-
    logischen Methode kann aber die KG9i2innere Wahrnehmung nur werden, wenn
    man sich ihrer unter besonderen, ihre Leistungsfähigkeit erhöhenden Bedingungen
    bedient. Dazu gehört vor allem die Aufmerksamkeit. Wir
    bezeichnen mit diesem Worte denjenigen Zustand von geistigen Vorgängen,
    in dem sie besondere Lebhaftigkeit, Dauer, Deutlichkeit, Verbindungsfähig-
    keit und Reproductionsfähigkeit besitzen. Es ist hiernach ohne weiteres
    klar, welchenVortheil die KG9i3innere Wahrnehmung von diesem Zustande der
    zu untersuchenden Erscheinungen hat. Hierbei ist festzuhalten, dass die
    Aufmerksamkeit diesen letzteren und nicht etwa der KG9i4inneren Wahrnehmung zu
    Theil werde, sonst würde gerade deren Zweck vereitelt oder
    wenigstens beträchtlich gestört werden. An eine solche Verschiebung
    des eigentlichen Zieles der Methode grenzt die absichtliche Selbstbeobach-
    tung, welche manche Psychologen empfohlen haben. Es handelt sich vielmehr bloß
    umaufmerksames KG9e1Erleben. Von besonderem Werthe ist es,
    dass sich die Aufmerksamkeit einzelnen Seiten der KG9E1Erlebnisse mit aus-
    schließlicher oder wenigstens vorwiegender Intensität zuwenden kann,
    wodurch ihnen eine gesteigerte Klarheit zu Theil wird. Das Andere, was
    wir zu den Bedingungen einer methodisch geleiteten KG9i5inneren Wahrnehmung rechnen,
    ist die Unbefangenheit gegenüber den Thatsachen.
    Schon den Naturobjecten gegenüber ist man vielfach geneigt zu sehen,
    was man sehen will; weit größer ist eine solche Tendenz und weit
    wirksamer bei den subjectiven Vorgängen. Die mehr oder weniger bestimmten
    Erwartungen, mit denen man im Sinne einer Theorie oder auf
    Grundgewisser Indicien an die eintretenden Bewusstseinsvorgänge heran-
    geht, können in nicht unbeträchtlichem Maße den Thatbestand fälschen.
    Abgesehen voneiner durch das Experiment möglichen Controle lässt sich
    als ein Mittel dagegen nur sorgfältige Selbstbeobachtung empfehlen.

      4. Wissenschaftlich verwerthbar wird nun dieKG9i6innere Wahrnehmung
    oder das aufmerksame KG9e2Erleben erst durch eine ihren Inhalt wiedergebende
    Beschreibung. Es ist deshalb nothwendig, was noch specieller bei der
    Behandlung der sprachlichen Methode zu erwähnen ist, dass ein verständ-
    liches und feines Zeichensystem ausgebildet werde, um diesem Bedürfniss
    in möglichst vollkommener Weise Rechnung tragen zu können. Auch hier [>10]
    leistet die zweckmäßige Richtung und gesteigerte Lebhaftigkeit der Aufmerksamkeit
    die besten Dienste. Da in diesem Zustande die einzelnen
    Bewusstseinserscheinungen besonders verbindungs- und reproductionsftihig
    sind, so werden auch die die Beschreibung ausführenden Sprachlaute resp.
    Schriftzeicheu mit  vorzugsweiser Leichtigkeit und Vollständigkeit durch
    aufmerksam KG10e1erlebte Vorgänge hervorgerufen werden. Aber auch
    hier ist natürlich die Gefahr groß, dass den Thatsachen sprachlich fixirte Resultate ent-
    gegengebracht werden, welche sich ihnen zur Reproduction gewissermaßen
    anbieten. Durch die KG10E1Erlebnisse selbst muss die Beschreibung des unbefangenen
    Beobachters ausschließlich bestimmt werden. Da dieses Ziel
    durchdie KG10i1innereWahrnehmung selbst nur unvollkommen erreicht werden
    kann, leidet sie an offenkundigen Mängeln. Es dürfte bei bestem Willen
    kaum möglieh sein, alle die subjectiven Tendenzen des Beobachters, welche
    die reine Hingabe an das Thatsächliche trüben, einflusslos zu machen.
    Dazu kommt, dass die KG10i2innere Wahrnehmung allein eine Theorie der psychischen
    Vorgänge nicht zuliefern vermag und dass ihre Resultate einen
    mehr zufälligen, gelegentlichen Charakter tragen. Immerhin bleibt diese
    Methode die Grundlage aller übrigen und ist sie vielfach gegenwärtig die
    einzige direct mögliche.

        5. b) Die experimentelle Methode. So wenig dem Physiker die
    äußere, so wenig wird demPsychologen dieKG10i3innere Wahrnehmung durch
    das Experiment ersetzt. Es will und kann vielmehr lediglich eine Unter-
    stützung der ersterwähntenMethodeliefern, sie von den Mängelnl befreien.
    denensie bei ausschließlicher Anwendungunterliegt, ihre Aussagen con-
    troliren undzuverlässiger machen. Zudieser Aufgabeist die ex])erimen-
    telleMethodedurch sechs Vorzüge, die sie besitzt, befähigt. 1) ermöglicht
    sie die häufige Wiederholungdes zu beschreibendenVorganges. Bei
    der Flüchtigkeit und Complication der psychischen Thatbeständeist eine
    Gelegenheit zu wiederholter Beobachtung des gleichen Phänomens Be-
    dingung einer genauen Analvse. Dadurch wird die Beschreibung eine
    concreto undsichere. Die früheren, lediglich aufKG10i4innere Wahrnehmung,
    Erinnerungen und sprachliche Mittheilungen gegründeten psychologischen
    Erkenntnisse waren zu allgemein gehalten undentbehrten: deshalb des
    eigentlichen Fortschritts. Der Feststellung des Thatbestandes kommtalso
    dieser Vorzug des Experiments zu gute. 2) kann durch experimentelle
    Hill'smittel eine isolirteVeränderung einzelner Bestandtheile des unter-
    suchten Vorgangs hervorgebracht werden. Nur durch eine solche Variirung
    im Detail wird es möglich, die Bedeutung und das gesetzmäßige Verhalten
    der einzelnen Momente und Seiten des psychischen Geschehens klarzulegen.
    Wiesoll ein Aufschluss über die räumlichen und zeitlichen Bestandtheile
    der Wahrnehmung im Unterschied von den qualitativen oder intensiven [>11]
    beispielsweise sonst gewonnen werden? Es ist dies dieselbe Eigenschaft
    des Experiments, welche der Naturwissenschaft zu so glänzenden Erfolgen
    verholfen hat. Auch hierdurch wird die Leistung der dem Zufall über-
    lassenenKG11i1 inneren Wahrnehmung wesentlich überholt, vertieft und erweitert.
    Insbesondere wird nicht nur die Erkenntniss des Thatbestandes auf solche
    Weise bedeutend gefördert, sondern auch eine theoretische Erklärung des-
    selben angebahnt und vorbereitet.

        6. Das letztere kann nun3 auf das wirksamste durch die Ermitt-
    lung von Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Reizen und den
    durch sie hervorgerufenen psychischen Vorgängen oder zwischen subjectiven
    Phänomenen und den durch sie veranlassten körperlichen Bewegungen
    geschehen. Die Reize stehen in causalem Yerhältniss zu Nervenerregungen bis
    zu den centralen Processen, und die äußerlich sichtbaren
    Körperbewegungen werden erzeugt durch centrale Innervationen. So re-
    sultiren auch Functionsbeziehungen zwischen den entfernteren Gliedern
    dieser Reihe, die zwar nicht immer eindeutig und einfach sind, aber in
    gesetzmäßiger Form sich ausdrücken lassen.4) Dadurch wird noch ein
    weiterer wichtiger Vortheil erzielt. Bestehen solche Abhängigkeitsverhält-
    nisse zwischen subjectiven und objectiven Vorgängen, so kann man auch
    in den letzteren ein Maß, einen festen, reproducirbaren Ausdruck für
    erstere gewinnen. Wie werthvoll das ist, erhellt leicht aus einem Ver-
    gleich mit dem früheren Zustande psychologischer Behauptungen. Entweder
    waren diese so allgemein, dass sie die mannigfaltigsten individuellen Ausprägungen
    zuließen, oder sie entbehrten jeglicher Allgemeingiltigkeit.
    Findet man durch experimentelle Methode abweichende Beziehungen
    zwischen den objectiven Erscheinungen und dem subjectiven Verhalten
    Einzelner, so weiß man jetzt, wo man den Grund dafür zu suchen hat
    und kann die individuellen Differenzen auf ihre Bedingungen zurück-
    führen, also ihres unwissenschaftlichen Charakters entkleiden. So wird die
    Allgemeingiltigkeit psychologischer Resultate durch diese die Messbarkeit
    der geistigen Phänomene begründende Eigenschaft der experimentellen
    Methode gesichert.

        7. Ferner wird5) durch das Experiment ein Mittel gewonnen, um
    die zweckmäßigste Disposition des KG11e1erlebenden Individuums herzu-
    stellen. Aufmerksamkeit und Unbefangenheit haben wir als die Be-
    dingungen einer passenden Verwerthung der KG11i2inneren Wahrnehmung kennen
    gelernt. In ihr selbst aber besaßen wir kein Werkzeug, um diese Bedingungen
    zu erfüllen oder ihre größere oder geringere Wirksamkeit er-
    kennbar zu machen. Wie leicht können wir nun das Experiment so
    einrichten, dass derBeobachter über denWerth oder die Richtigkeit seiner
    Aussagen ganz in Unkenntniss bleibt und deshalb lediglich auf seine [>12]
    Erfahrungen angewiesen ist, ohne sie durch bestimmte Erwartungen mit
    irgend einer Aussicht auf Erfolg beeinflussen zu können! Ebenso aber
    sind wir in der Lage, durch ein entsprechendes Versuchsverfahren nachzuweisen,
    welche Aenderung der Resultate durch solche Voraussetzungen
    oder sonstige Prädispositionen des Beobachters hervorgebracht wird. Ferner
    lassen sich durch rechnerischeVergleichung der einzelnen Aussagen Fehler
    oder Einflüsse quantitativ bestimmen, auf deren Wirksamkeit der Beobachter
    selbst nicht geachtet hat. Wir sind also durch diesen Vorzug der experimen-
    tellen Methode befähigt, die für unseren Zweck günstigste  Disposition der
    Versuchsperson gewissermaßen zu erzwingen und alle ihre Einflüsse und
    Aenderungen zu erkennen. Man ersieht hieraus leicht, wie ungerecht der Vorwurf  ist,
    der zuweilen der experimentellen Methode gegenüber laut wird, der
    Vorwurf nämlich, dass sie ein abnormes Verhalten, eine unnatürliche Stimmung des
    Beobachters setze. Erstlich kann mit ihrer Hilfe allein ein zuver-
    lässiges Maß für das Normale bez. Abnorme geschaffen werden und zweitens
    besteht auch nicht der Schatten einer Berechtigung, die einer Beobachtung
    günstigen Umstände schlechthin als abnorme zu bezeichnen. Endlich6) verdanken
    wir dem Experiment eine Gemeinsamkeit der psychologischen
    Arbeit, die man früher nicht kannte. Dieser Vortheil beruht darauf, dass
    man die Thatsachen unter ganz bestimmten, von Jedem nachzuahmenden
    Bedingungen beobachtet. So kann jeder Psycholog an den Arbeiten und Ergeb-
    nissen der anderen Fachgenossen theilnehmen, sie bestätigen oder berichtigen,
    so kann ein stetiger Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntniss sich ent-
    wickeln. Bald wird man nicht mehr von der Psychologie dieses oder jenes
    Mannes als einem individuellen Ideenkreise reden, sondern nur noch von
    der Psychologie schlechthin als einer Wissenschaft mit festem Bestande, an
    den sich Neues leicht und friedlich angliedern lässt.

        8. Ueber die Ausdehnung der experimentellen Methode lässt sich im
    allgemeinen nur sagen, dass sie überall da in derPsychologie Anwendung
    finden kann, wo psychische Vorgänge zu äußeren körperlichen Processen
    in gesetzmäßiger Beziehung stehen. Eine solche Beziehung aber ist nicht
    nur zwischen Empfindungen und den sie veranlassenden Reizen vorhanden,
    sondern auch zwischen Gefühlen und Willensacten einerseits und den
    durch sie hervorgerufenen Bewegungen der Glieder und Mienen, des Blutes
    und der Athmung andererseits. Die letztere Abhängigkeitsrelation ist aller-
    dings noch nicht mit gleicher Häufigkeit und gleichem Erfolge untersucht
    und festgestellt worden. Außerdem fehlt es nicht an sinnreichen Mitteln,
    um auch den Verbindungen geistiger Vorgänge mit dem Experiment näher
    zu treten. Darnach gibt es also im Princip keinen Gegenstand psycho-
    logischer Forschung, der nicht der experimentellen Methode zugänglich
    wäre. Es ist deshalb gerechtfertigt, wenn die experimentelle Psychologie [>13]
    den Anspruch erhebt, die allgemeine Psychologie, die wir zu behandeln
    unternommen haben, zu werden. Vergleicht man die dürftigen Erkennt-
    nisse, welche auf allen den Gebieten, die gegenwärtig der experimentellen
    Untersuchung erschlossen sind, vor dieser gewonnen waren, mit dem
    reichen sich stetig vermehrenden Schatz von Beobachtungen und Gesetzen,
    überdie wir dank eingehenden Experimenten verfügen, so kann man nur
    wünschen, dass alle Vortheile dieses mächtigen Hilfsmittels bald auch allen
    übrigen Theilen der empirischen Psychologie zu gute kommen möchten.

                                           II. Indirecte Methoden.

        9. a) Die Methode der Erinnerung ist ein bei derVergänglichkeit
    psychischer Erscheinungen sehr häufig zu berücksichtigendes Verfahren in
    der Psychologie. Wir verstehen hier unter Erinnerung nicht die repro-
    ducirten Vorstellungen oder sonstigen geistigen Phänomene, also nicht das
    Wiederaufleben früherer Erfahrungen, sondern die auf Grund irgend-
    welcher Zustände sich vollziehende Beschreibung oder Erkenntniss früherer
    KG13E1Erlebnisse. Hierbei dienen offenbar die vorhandenen Bewusstseinsvorgänge
    nurals Zeichen für andere früher stattgefundene. So lässt sich beispiels-
    weise ein größerer Zeitraum, dessen ich mich erinnere, nicht als solcher
    mit auch nur annähernder Treue reproduciren, sondern aus den bei dieser
    Erinnerung wirksamen Momenten schließe ich auf die Größe jenes Zeit-
    raums. Ebenso wird, wenn ich ein eben gehörtes starkes Geräusch in
    Bezug auf seine Intensität mit einem anderen bei früherer Gelegenheit
    vernommenen ähnlichen vergleiche, nicht etwa das letztere in seiner da-
    maligen Stärke wiederholt, sondern ich erkenne aus irgend welchen Er-
    innerungsmerkmalen, wie intensiv es gewesen. Die Erinnerung interessirt
    uns hier also nicht als ein psychologischer Vorgang, sondernals ein Weg
    zur Ermittlung eines solchen.

        10. Die Brauchbarkeit dieser Methode hängt von der Zuverlässigkeit
    der Zeichen ab, aus denen auf seelische Ereignisse bestimmter Art ge-
    schlossen wird. Allgemeine Regeln lassen sich darüber kaum geben. Auf-
    merksamkeit und Unbefangenheit sind auch hier wesentliche Bedingungen
    für das Zustandekommen eines richtigen Schlusses. Denn die größere Auf-
    merksamkeit stärkt nicht nur dieVerbindung von Zeichen und Bezeichnetem
    bei ihrem Eintritt, sondern lässt sie auch später leichter und präciser
    functioniren. Und wenn schon der Thatbestand der KG13i1inneren Wahrnehmung
    durch Einwirkung fremdartiger Voraussetzungen verändert werden kann,
    so ist diese Gefahr bei der Erinnerung noch größer, wo die unmittelbare
    Controle zu fehlen pflegt. Außerdem aber ist die Wahl zweckmäßiger
    Zeichen bis zu einem gewissen Grade von dem Einzelnen abhängig.
    Dieser Gesichtspunkt erlaubt eine methodische Ausbildung der Erinnerung, [>14]
    wie sie allein psychologischen Zwecken genügen kann. Die Erkenntniss
    früherer Thatbestände kann sich ja auf die mannigfaltigsten Merkmale
    stützen. Es ist Sache des Psychologen herauszufinden, welche Bedeutung
    den einzelnen innewohnt und mit welcher Aussicht auf Erfolg man sich
    ihrer wird bedienen können. Vonbesonderer Wichtigkeitist dies bei der
    Vergleichung succedirender Bewusstseinsvorgänge, wo die Erinnerung auch
    bei Anwendung experimenteller Methodik eine Rolle zu spielen pflegt.
    So werden in der Erinnerung schreckhaft starke Geräusche überschätzt,
    überraschend kleine Gewichte unterschätzt. Will man gleiche Versuchs-
    bedingungen haben, so muss man daher derartige Nebeneindrücke mög-
    lichst ausschließen. Immerhin bleibt die Methode der Erinnerung eine
    rein subjective und deshalb mit großen Mängeln behaftete. Sie kann
    nur dadurch zu allgemeinerer Bedeutung gelangen, dass sie sich gewisser
    Zeichen bedient, die Allen zugänglich und verständlich sind. Solche
    Zeichen sind die sprachlichen Symbole. Daher wird die Erinnerung erst
    in ihrer Beziehung auf die Sprache zu einer objectiven, über den engen
    Kreis individueller Erfahrung hinausreichenden psychologischen Methode.

        11. b) Die sprachliche Methode. Unter allen Zeichen, die zur Be-
    schreibung von Thatbeständen benutzt werden, erfreuen sich die sprach-
    lichen der größten Verbreitung und Werthschätzung. Es sind vornehmlich
    folgende Eigenschaften, denen die Sprache diese Stellung zu verdanken hat:
    ihre Biegsamkeit und ihr Nüancenreichthum; 2] ihre Constanz und Präci-
    sion; 3) die Leichtigkeit und Schnelligkeit ihrer Mittheilung. Alle diese
    Eigenschaften haben natürlich nur relativeBedeutung, sie drücken ebenso
    viele Aufgaben aus, die man bei der Benutzung der Sprache zuerfüllen hat.
        1) Unter der Biegsamkeit verstehen wir die Fähigkeit der Sprache,
    sich der Beschreibung verschiedenster Thatbestände anzupassen, und zwar
    mit solcherVollständigkeit,dass auch die feinsten Nuancen derselben dar-
    gestellt werden. Dazugehört aber auch, dass neue Symbole oder neue
    Verbindungen alte rmit großer Bequemlichkeit dem vorhandenen Schatze von
    Wörtern und Wortverbindungen eingefügt werden können. Es bedarf keiner
    besonderen Erörterung des Werthes, den diese Eigenschaft sprachlicher Be-
    zeichnungen für den Psychologen besitzt, da die Treue und Ausführlichkeit
    seiner Schilderung ganz wesentlich davon abhängt. Umso mehr muss
    aber auch verlangt werden, dass der Psycholog von diesem wichtigen der
    Sprache eigenthümlichen Vorzug den sorgfältigsten Gebrauch mache.
    Insbsondere ist diese Vorschrift dem experimentirenden Psychologen einzuschärfen,
    damit er eine möglichst eingehende und vielseitige Mittheilung über seine
    KG14E1Erlebnisse liefere. Im allgemeinen wird er dazu umso geschickter sein,
    je größer sein psychologischer Sprachschatz, seine Kenntniss der Psycho-
    logie ist. Nur zu verhältnissmäßig wenigen und geringfügigen Auf [>15]
    Schlüssen werden in dieser Hinsicht gänzlich unbewanderte Individuen
    zu benutzen sein. Ihren Grund hat die erwähnte Eigenschaft der Sprache
    vor allem in ihrer Abhängigkeit vom Willen des Individuums. Die
    dem Sprechen und Schreiben dienenden Bewegungen können durch den
    menschlichen Willen geleitet und verändert werden. Daher können sie
    nach dem jeweiligen Bedürfniss die Form oder den Inhalt gewinnen, die
    den zweckmäßigsten Ausdruck der darzustellenden Wirklichkeit bilden.
    Trotz alledem lässt sich eine Schwierigkeit auch bei der genauesten Verwendung
    der Symbole nicht ganz übenvinden, die aus dem continuirlichen
    Fluss des inneren Geschehens envachsende Schwierigkeit, den stetigen
    Aenderungen desselben gerecht zu werden. Auch aus diesem Grunde
    wird man der Combination mehrerer Urtheile oder Aussagen bedürfen,
    wiesie bei psychologischen Experimenten erhalten werden.

        12. Wenn wir 2 von einer Constanz und Präcision der Sprache
    reden, so meinen wir damit zunächst ihre Unabhängigkeit von derZeit.
    Die subjective Methode der Erinnerung kann im allgemeinen umso sicherer
    genannt werden, je weniger Zeit zwischen den früheren Bewusstseinszuständen
    und den an sie erinnern den gegenwärtigen Vorgängen verstrichen
    ist. Die sprachliche Methode befreit uns von diesem Mangel der rein sub-
    jectiven Erinnerung, insofern nicht nur das Zeichen, sondern auch seine
    Bedeutung fixirt werden kann. Ferner aber ist deshalb auch die Präcision,
    mit welcher Zeichen und Bezeichnetes einander entsprechen, bei der Sprache
    eine so große. Alle Vortheile, welche durch Definitionen nach allen Regeln
    der Logik der wissenschaftlichen Beschreibung erwachsen, finden hier ihre
    Verwerthung, und Wörterbücher, Encyclopädien schützen den Sinn der ein-
    zelnen Symbole voreilfertiger Vergessenheit. Offenbar wurzelt dieser Vorzug der Sprache in
    der Constanz der Schriftzeichen. Die beste Methode
    Inhalte der KG15i1inneren Wahrnehmuns und der Erinnerung aufzubewahren ist
    deshalb ihre Wiedergabe in üblichen verständlichen Gesichtsbildem.
        3 Die leichte und schnelle Mittheilbarkeit der sprachlichen
    Symbole ist eine durch die praktischen Bedürfnisse des Verkehrs
    geschaffene vortheilhafte Eigenschaft derselben. Bei dem raschen Ablauf
    und der Geschwindigkeit im Wechsel der psychischen Vorgänge ist es er-
    forderlich, mit derAngabe des Thatbestandes in entsprechender Schnellig-
    keit zufolgen. Außerdem aber bewirkt die große Einübung in der Anwendung
    der sprachlichen Symbole, dass die Aufmerksamkeit durch sie
    nicht wesentlich von den Erlebnissen absorbirt wird, dass mit einer halb
    automatischen Sicherheit die Verknüpfung der passenden Worte sich ab-
    wickelt. Vielfach wird diese Leichtigkeit der Aussagen noch erhöht durch
    die Verabredung, einfache kurze Symbole für bestimmte Urtheilsgattungen
    zu gebrauchen. Im Interesse der psychologischen Ergebnisse liegt es [>16]
    jedoch dies Verfahren nicht gar zu sehr zur Schablone werden zu lassen.
    Einmal wird dadurch leicht auch das KG16e1Erleben selbst ein von geringerer Aufmerksamkeit getragenes,
    und die Langeweile kann zu einer bösen Fehlerquelle werden. Sodann aber ist es in der Natur
    der psychischen Phänomene begründet, dass sie stets complexer sind,
    als die Erscheinungen, die man vornehmlich studiren will, dass sie regelmäßig mehr enthalten, als
    man zunächst zu erkunden die Absicht hat. Von dem gewiegten Psychologen darf
    erwartet werden, dass er auch diesen Nebenerscheinungen einiges Interesse
    zuwendet und entsprechende Angaben darüber vermerkt. So ergeben z. B.
    die einfachen Versuche über die ebenmerklichen Reizunterschiede auch
    manches Werthvolle über Vorstellungsassociationen, Grundlagen des vergleichenden Urtheils u.
    dgl. m. Auf dieseWeise können auch die einfachsten Experimente
    für den Beobachter fesselnd und für die Psychologie ertragreich werden.
        Alle diese Methoden, die directen und indirecten, die subjectiven und
    objectiven werden am zweckmäßigsten neben einander verwandt in gegen-
    seitiger Unterstützung und Controle. Im übrigen aber muss ihre speciellere
    Bedeutung und Verwerthung noch späterhin ausführlicher gewürdigt werden.
    Insbesondere hat das experimentelle Verfahren eine reiche Entwicklung
    gehabt und sich in eine Anzahl verschiedener Einzelmethoden differenzirt.

        13. Zur Ergänzung der durch KG16i1innereWahrnehmung, Erinnerung, Sprache
    und Experiment gewonnenen Erkenntniss können noch für einzelne Fragen
    die Hilfsmittel herangezogen werden, welche uns krankhafte Veränderungen der
    seelischen Organisation, Thatsachen aus der geistigen Entwicklung
    und die Producte der geistigen Thätigkeiten darbieten. Es braucht
    kaum betont zu werden, dass diese Hilfsmittel erst in zweiter Linie in Betracht
    kommen. Den ersten und grundlegenden Aufschluss über die Thatsachen
    und Zusammenhänge des Bewusstseins erwarten wir stets von den
    im Bisherigen geschilderten Methoden, namentlich von einer geschulten und
    unter gebührende Controle gestellten KG16i2inneren Wahrnehmung. Nur selten
    wird man in der Lage sein aus den genannten Hilfsquellen eine Erkennt-
    niss schöpfen zu müssen oder zu können, die nicht schon auf dem gewöhnlichen
    Wege erreichbar war.
        Die Pathologie desSeelenlebens ist das werthvollste von den
    genannten Hilfsmitteln. Wie man gegenwärtig das Wissen von den physio-
    logischen Functionen einzelner Gehirntheile und Fasergattungen auch auf
    pathologische Fälle stützt, in denen man den Ausfall bestimmter Functionen
    an die Degeneration bestimmter nervöser Partien geknüpft sieht, so liefern
    entsprechende Krankheitszustände der Psychologie ein werthvolles Werkzeug
    zur Analyse complicirterer psychischerVorgänge und besonder seinen
    wichtigen Beitrag zur Erkenntniss ihrer Abhängigkeit von bestimmten [>17]
    körperlichen Organen oder Processen. Wenn wir beispielsweise unseren Arm
    bewegen, sokönnen wir auch ohne hinzusehen über die Bewegungsrichtung,
    die veränderte Lage innerhalb gewisser Grenzen zutreffend urtheilen. Es
    fragte sich, welche Empfindungen hierbei die Grundlage für das Urtheil
    bilden. An und für sich konnten Haut-, Muskel-, Sehnen-, Gelenkempfindungen,
    die sämmtlich bei solchen Bewegungen des Armes zu entstehen
    scheinen, gleichmäßig die angegebene Bedeutung besitzen. Pathologische Fälle
    haben zunächst die Entscheidung hierüber gebracht, indem sie lehrten, dass
    die ersterwähnten Empfindungen fehlen können, ohne dass das Urtheil über
    Lage und Bewegung des Gliedes wesentliche Einbuße erleidet. In ähn-
    licher Weise kommen natürlich solche Erscheinungen dem Psychologen
    überall dort zu Gute, wo er normale Abänderungen der einzelnen Bestand-
    theile psychischer Complexe vorzunehmen nicht in der Lage ist oder wo
    die Abhängigkeitsbeziehungen der Bewusstseinsvorgänge zu mehr central-
    wärts gelegenen Nervenerregungenin Frage kommen. Welchen wichtigen
    Einblick in diese Verhältnisse haben die verschiedenen Sprachstörungen
    geliefert, welche in interessantes Experiment derNatur ist die Taubstumm-
    Blinde Laura Bridgman gewesen! Offenbar ist die Bedeutung derartiger
    Beobachtungen vor allem deshalb eine so große, weil die wirksamen und
    die unwirksamen Factoren klar zu übersehen sind oder weil ein Vergleich
    der psychischen Defekte mit den nachdem Todebei der Sectionconstatirten
    anatomischen Abnormitäten möglich war.

        14. Alle pathologischen Zustände, in denen eine solche Eindeutigkeit
    der Bedingungen und Aeußerungen nicht anzutreffen ist, geben zweifel-
    hafte Resultate. Dies ist vorzüglich der Fall bei den hypnotischen Experimenten,
    die man neuerdings den Psychologen auf das Wärmste empfohlen
    hat. Abgesehen von den Gefahren, die auch sorgsamste Methoden auf die
    Dauer für die Versuchspersonen mit sich bringen, sind die Ergebnisse
    vielfach unzuverlässig, weil die klare und sichere Einsicht in den Bewusstseinszustand
    des Hypnotisirten fehlt. Es soll damit nicht bestritten
    werden, dass mancherlei interessante Aufschlüsse mit Hilfe der Suggestion
    während und nach der Hypnose erhalten worden sind. Aber diese be-
    treffen fast nur seltsame Fähigkeiten oder Leistungen, die im normalen
    Zustande des Seelenlebens höchstens bei einigen Individuen vorkommen.
    — Auch von anderen künstlich herzustellenden Veränderungen des normalen
    Bewusstseins, wie etwa unter der Einwirkung von narkotischen
    Mitteln auf den Organismus, wird man selten Gebrauch zu machen sich
    veranlasst fühlen. Von allen derartigen Zuständen darf man wohl sagen,
    dass sie selbst mehr erklärungsbedürftige Probleme bieten, als einen Bei-
    trag zur allgemeinen Psychologie. Nicht ausgenommen sind davon auch
    die sog. Geisteskrankheiten, deren man vornehmlich hier zu gedenken hat [>18]
    Es scheint vorläufig mehr Hoffnung vorhanden zu sein, dass über ihr
    Auftreten, ihre Entwicklung und ihre Bedingungen die allgemeine Psychologie
    einiges Licht verbreiten könne, als dass ihr Studium zu einer wesentlichen
    Bereicherang dieser führen werde. Den Geisteskranken fehlt meist die
    Fähigkeit, ihre KG17i1innere Wahrnehmung zu psychologisch brauchbaren Aussagen
    zu benutzen.

        15. Wir erwähnten2) die geistige Entwicklungsgeschichte. Hier-
    unter verstehen wir in erster Linie die Lehre von der Entwicklung der
    psychischen Phänomene im menschlichen Individuum. Es ist kein Zweifel,
    dass wir hieraus über die Entstehung einzelner seelischer Vorgänge mancher-
    lei lernen können, es sei nur an die Entstehung der Sprache, die Entwicklung
    des Gedächtnisses, die Bildung von Associationen erinnert. Aber
    auch auf diesem Gebiet besteht die Schwierigkeit, dass eine zuverlässige,
    eindeutige KG17i2innere Wahrnehmung nicht vorausgesetzt werden kann. Deshalb
    sind die Forschungen über das Seelenleben von Kindern mit ähn-
    lichen Hindernissenl) behaftet, wiedie psychologischen Studien an Thieren.
    Man wird auch kaum behaupten können, dass ein entscheidender Beitrag
    für irgend eine Frage der allgemeinen Psychologie solchen Forschungen
    entstammt sei. Doch bilden sie eine unumgängliche Ergänzung zu den
    Erkenntnissen, die wir dem entwickelten Bewusstsein verdanken.
    Am wenigsten unmittelbaren Inhalt für die Psychologie liefern 3 die
    geistigen Erzeugnisse. Kunst, Recht, Sprache sind in erster Linie selbst
    als Thatbestände anzusehen, die einer psychologischen Auffassung und
    Behandlung zugänglich sind, underst in zweiter Linie in deren Dienst zu stellen,
    woes giltgewisse geistige Zusammenhänge oder Beziehungen zu erläutern.
    So kannman etwa in der Ordnungder sprachlichen Formen und Aussagen
    Regeln wirksam finden, die für die Verbindung der Vorstellungen beim
    Denken gelten. So kann uns die künstlerische Verwendung der Sinnes-
    empfindungen und des reproductiven Mechanismus gesetzmäßige Verhältnisse
    in der Verbindung der Empfindungen unter einander und mit Gefühlen
    ausdrücken helfen. Aber weder sind alle diese Erzeugnisse lediglich von
    psychologischen Facloren abhängig, noch weisen sie auf einen eindeutig bestimmten
    psychischen Zusammenhang hin. Deshalb ist auch von diesen
    Hilfsmitteln nur vorsichtige und beschränkte Anwendungzu machen.
    Vonder Physik und der Physiologie haben wir bei dieser Besprechung
    der Hilfsmittel geschwiegen, weil sie uns nicht sowohl die Psychologie ausbauen,
    als vielmehr die Arbeit zur Gewinnung psychologischer Thatbestände unterstützen helfen.
    Wirbedürfen physikalischer Apparate und Kenntnisse zur Anstellung
    psychologischer Experimente, undjeder Fortschritt in der Erkenntniss
    der physikalischen oder chemischen Bedingungen der Sinneswabrnehmungist
    auch vonWerthfür deren psychologische Untersuchung, aber die Resultate der
    Physiksind keine Beiträge zur Psychologie. Etwas anders steht es insofern mit [>19]
    der anderen oben genannten Disciplin, als die Physiologie der Sinne auch von
    den Empfindungen und Wahrnehmungen, die Physiologie der Centralorgane
    auch von dengeistigen Functionen zu berichten pflegt. Man findet deshalb unter
    den Physiologen nicht wenige, die in der Psychologie nur einen Theil der Physiologie
    erblicken. Diese Ansicht beruht auf einem erkenntnisstheoretischen Irr-
    thum. Die Physiologie hat es nicht mit den KG19E1Erlebnissen in ihrer Abhängigkeit von
    den sie KG19e1erlebenden Individuen zu thun, sondern mit den äußerlich wahrnehmbaren,
    in Abhängigkeit von einander und von der Umgebung stehenden Lebenserscheinungen.
    Aber in den psychischen Vorgängen, welche die letzteren theilweise
    begleiten, sind dem Physiologen werthvolle Erkenntnissgründe für das
    Vorhandensein körperlicher Functionen gegeben. Sie sind ihm daher zwar nicht
    eigentlicher Gegenstand seiner Untersuchung, wohl aber Hinweise auf diesen.
    So berühren sich freilich Psychologie und ein Theil der Physiologie auf das Engste,
    und es werden scheinbar gleichartige Tendenzen und Beobachtungen in beiden
    zur Geltung gebracht. Aber für den tiefer Blickenden kann es keinem Zweifel
    unterliegen, dass die letzten Absichten und Zwecke in beiden Wissenschaften
    durchaus verschieden sind. Man kann im Interesse des Fortschritts psychologischer
    Erkenntniss bei aller principiellen Trennung der Gebiete nur wünschen,
    dass die psychologisch verwerthbaren Arbeiten physiologischer Forscher,
    wie bisher, so auch fernerhin in größerer Anzahl stattfinden. Bei dem Mangel
    an psychologischen Instituten ist diese Unterstützung von benachbarter Seile
    sehr willkommen.

                §   8. Eintheiluug uud Litteratur der Psychologie.
    "



    Grundlagen der Ästhetik (aus dem Nachlass)
    Fundstellen: Erleben 40, Erlebnis 25
     



    Literatur (Auswahl)




    Links(Auswahl: beachte)




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Külpe und der Krieg
      Külpes-Kant-Arbeit: In seiner Würdigung von Kant, 152 Seiten, fehlt das Wort Friede und insbesondere ein Hinweis und Auseinandersetzung mit Kants berühmter Arbeit aus 1795 Zum ewigen Frieden. Und das erscheint mir doch recht symptomatisch und auch wissenschaftlich unsauber. Wenigstens im Kapitel 10 "Das Sittengesetz und die Postulate" hätte Kants Zum Ewigen Frieden erwähnt werden müssen.
          Zu Külpes Kriegsvortrag von Armin Stock (2017): "Einleitung
      »Der Tod für das Vaterland«, so sprach Oswald Külpe (1862–1915) in einem
      am 19. Februar 1915 in München gehaltenen Vortrag zu seinen HörerInnen,
      bedeutet »...die größte sittliche Tat« (Külpe, 1915a, S. 29). Wie kann es gesche-
      hen, dass der Psychologe und Philosoph Oswald Külpe, der als fein- und scharf-
      sinniger Denker, als penibler kritischer Geist, als die Kultur in ihren vielfältigen
      Ausprägungen schätzender Ästhet und als liebenswürdiger und über die Maßen
      aufopferungsvoller Menschenfreund beschrieben wird, den seit knapp sieben
      Monaten erbarmungslos tobenden Ersten Weltkrieg in vaterländischer Manier
      ethisch zu rechtfertigen suchte? Kommt hier ein Charakterzug Külpes zum Vor-
      schein, der bereits zu Friedenszeiten in ihm angelegt war und sich nur nicht
      entwickeln konnte, oder unterlag Külpe trotz seines überaus kritischen Verstandes
      dem patriotisch geprägten Zeitgeist und der in den Medien und in den zahlreichen
      Reden anderer Intellektueller verkündeten Propaganda? Külpe, das steht außer
      Frage, ist in dieser Hinsicht kein alleinstehender Akteur. Bereits im September
      1914 unterzeichneten 93 WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und Schriftstelle-
      rInnen den von Ludwig Fulda (1914) verfassten Aufruf an die Kulturwelt, auch
      als »Manifest der 93« bezeichnet, in dem die in der Folge des Schlieffen-Plans an
      den Belgiern und ihren Kulturgütern ausgeübten Gräueltaten bestritten oder als
      notwendige Verteidigungsmaßnahme relativiert wurden. Noch vielfältiger und
      nahezu von allen Professoren unterzeichnet war die darauffolgende »Erklärung
      der Hochschullehrer des Deutschen Reiches« vom 16. Oktober 1914, die die
      Einheit von Volk und Heer beschwor und dabei auf Motive der Pflichterfüllung
      und der Treue rekurrierte (vgl. auch Jürgen und Wolfgang von Ungern-Sternberg,
      1996)."



    Querverweise
    Standort: Erleben und Erlebnis bei Külpe.
    *
    Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis * Zusammenfassung Hauptseite
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Inhaltsverzeichnis site:www.sgipt.org
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Erleben und Erlebnis bei Külpe. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/Külpe.htm

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    10.01.2023     Ergänzungen.
    09.01.2023    Auswertung abgeschlossen
    13.12.2022    Angelegt und die Erfassung/ Auswertung begonnen.