Erlebnisregister
Zukunftserleben bei Rudolf Bergius
(1914-2004)
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Editorial.
Zusammenfassung.
Erlebnispsychologische
Analyse Zukunftserleben.
Textfundstellen.
Literatur, Links, Glossar,
Anmerkungen und Endnoten, Querverweise,
Copyright
und Zitierung, Änderungen
Editorial
Erleben von etwas, das sich noch gar nicht ereignet hat - Zukunftserleben
- ist ein spannendes Thema, dem sich nicht viele ForscherInnen zugewandt
haben. Insofern ist klar, dass Bergius' Habil-Arbeit erfasst, vorgestellt
und erörtert werden muss. Bergius promovierte bei Hans Keller, der
1931 die Arbeit Die Psychologie des Zukunftserlebens verfasste,
der er sich auch verpflichtet fühlte. Leider hat Bergius keine Ahnung
von Erlebnispsychologie und dem Begriff des Erlebens: so verwechselt er
grundlegend den Begriff des Zukunftserlebens mit dem Begriff
der Zukunftsprognose. Wieder einmal muss auf Aristoteles
Zum
Geleit verwiesen werden.
ZB1-Zukunftserleben: Erleben von etwas, das sich noch gar nicht ereignet hat - Zukunftserleben - ist ein spannendes Thema, dem sich nicht viele ForscherInnen zugewandt haben. Insofern ist klar, dass Bergius' Habil-Arbeit erfasst, vorgestellt und erörtert werden muss. Bergius promovierte bei Hans Keller, der 1932 die Arbeit Die Psychologie des Zukunftserlebens verfasste und in der Zeitschriftfür Psychologie veröffentlichte, der er sich auch verpflichtet fühlte wie er im Vorwort ausführt
ZB2-Begriffsklärungen: "Erleben, erlebt, Zukunftserleben, Erlebnis" werden die ersten 17 Seiten im ersten Teil Arbeitshypothese - Bisherige Untersuchungen zwar 46x erwähnt, aber nicht näher erklärt, auch nicht durch Querverweis, Anmerkung, Fußnote oder Literaturhinweis, so dass anzunehmen ist, dass Bergius die Begriffe Erleben und Zukunftserleben fälschlich für nicht näher erklärungs- oder begründungsbedürftig, sondern für allgemeinverständlich hält. Ich gehe nach den Grundregeln für wichtigere Begriffe jedenfalls davon aus, wenn bei 46 Erwähungen auf den ersten 17 Seiten keine Erklärung erfolgt, dass sie dann auch späterhin nicht zu erwarten ist. Auch viele Bezugnahmen auf die zugrundegelegte Literatur, z.B. Lersch, N. Hartmann, Spranger, Jaspers, Heidegger, L. Binswanger, Bollnow, Krueger, Husserl lassen nicht auf Begriffsklarheit hoffen. Wichtige Autoren der Erlebenspsychologie wie Brentano, Dilthey oder Theodor Lipps, erwähnt Bergius in seinem Literaturverzeichnis nicht.
ZB3-VersuchteilnehmerInnen.
Sie werden ausführlich ausgewiesen, S. 74:
"Die Teilnehmer an den Einzelversuchen waren :
1. 34 arbeitslose westberliner Männer und Frauen mit einem durchschnittlichen
Alter von 37 ; 5 Jahren (von 18;0 bis 58; 0). Sie waren durchschnittlich
bereits 2 Jahre arbeitslos.
2. 19 Studierende der Psychologie mit einem Durchschnittsalter von
22 ; 9
Jahren (von 19;0 bis 25; 0).
3. 6 Ratsuchende, die in die Erziehungsberatungsstelle des Psychologischen
Instituts kamen; Durchschnittsalter 22; 8 Jahre (von 18;0 bis 43 ;
0).
An den Gruppenversuchen nahmen teil:
1. 130 Berufsschüler mit einem durchschnittlichen Alter von 18;
5 Jahren
(von 17 ; 0 bis 21 ; 7), davon 54 Mechaniker-, 25 Feinmechaniker- und
51 Bäckerlehrlinge,
die alle im 3. Lehrjahr standen.
2. 21 Studierende der Psychologie mit einem Durchschnittsalter von
27 ; 3
Jahren (von 21; 0 bis 39 ; 0 - hier als jüngere Studierende bezeichnet).
3. 26 Teilnehmer an dem neueingerichteten Abendstudium der Freien Universität
mit einem durchschnittlichen Alter von 37 ; 3 Jahren (von 24; 0 bis
58;0 - ältere Studierende)."
ZB4-Aufgaben. Es wurden 8 Denkaufgaben
und 6 Fragebogenfragen ausgearbeitet und in Einzel und Gruppenversuchen
angwendet:. An keiner Stelle wird klar, worin der Erlebensaspekt liegen
soll. Es geht nicht um Zukunftserleben, sondern um Zukunftsprognosen.
Bei den 8 Denkaufgaben geht es um die kurzfristige Prognose lösbar
oder nicht, bei den Fragebogenfragen geht es um langfristige Prognosen.
Aufgabe kurzfristige Prognose zu Aufgaben ob jeweils
lösbar oder nicht (eine jeweils lösbar, die andere nicht):
ZB4-Hypothesen. Die Hypothesen
sind weitgehend unklar:
ZB-Fazit: Leider hat Bergius keine Ahnung von Erlebnispsychologie und dem Begriff des Erlebens: so verwechselt er grundlegend den Begriff des Zukunftserlebens mit dem Begriff der Zukunftsprognose, wie die dankenswerter Weise mitgeteilten Instruktionen zu den und die Fragebögen selbst belegen. Er cerklärt bei seinen 46 Erwähnungen auf den ersten 17 Seiten an keiner Stelle, was er unter Erleben oder Zukunftserleben versteht. Damit ist die Arbeit wissenschaftlich nicht zu gebrauchen. Wieder einmal muss auf Aristoteles Zum Geleit verwiesen werden. Vorschläge, wie er das Erleben bei seinen Prognosefragen hätte erkunden können, finden Sie hier.
Im Kern geht es um eine Zukunftsvorstellung oder Zukunftsphantasie, Erlebengk, das möglicherweise von weiterem Erleben_ begleitet wird, z.B. erlebena und was eben zu erforschen wäre, wenn man den Ausdruck Zukunftserleben ernst und beim Wort nimmt.
Vorschläge: Bei den Fragen ist kein Erlebensaspekt erkennbar. Bergius hätte, nach Erklärung, war unter Erleben_ versteht, hinzufragen müssen, z.B.: Wenn Sie sich das vorstellen, dass es gelingt, einen Sateliten in die Erdumlaufbahn zu befördern, was erleben Sie dabei, wie geht es iIhnen dabei, was geht da in Ihnen vor? Oder: Wenn sie sich vorstellen, dass Sie unbegrenzt lange leben könne, wie geht es Ihnen dabei, wie erleben Sie diese Vorstellung? Mögliche Kandidaten z.B.: Hoffnung, Sorge, Angst, Lust, Freude, froh, Optimistisch, pessimistisch, ratlos, unsicher, positiv, negativ.
Im Titel, Vorwort und Inhaltsverzeichnis sind keine Begriffserlärungen zu erwarten, aber in der Einleitung sollte, Erklärungen oder Querverweise, Anmerkungen, Fußnoten oder Literaturhinweise erfolgen. Im folgenden wird belegt und gezeigt, dass Bergius auf den ersten 17 Seiten bei jeder seiner 46 Erwähnen keine nähere Erklärung gibt, was er unter Erleben oder Zukunftserleben versteht.
S.1f: ".... Wenn
auch der „Sinn" der Welt als etwas von jeher Daseiendes und in aller
Zukunft
Bestehendes gedacht wird, scheint sich der Sinn des persönlichen
Lebens erst
Er wird im unkritischen 1Erleben
meist mit dem Ziel des Lebens gleichgesetzt,
dem Ziel des Lebens gleichgesetzt, und nur unter seiner Wirkung entwirft
sich
der Mensch in die Zukunft. Die 2erlebte
Unsicherheit und die Sinnlosigkeit
des Daseins in der Gegenwart treiben deshalb auch jene Erscheinungen
hervor,
die als Ausdruck eines gestörten 3Zukunftserlebens
angesehen werden müssen.
Das 4Zukunftserleben
- im Alltag sonst unbeachtet - wird infolge der Störung,
die es erleidet, auffällig. So kommt es, daß in Krisenzeiten
auch Literatur und
Wissenschaft sich mit ihm beschäftigen : es hebt sich als Gestalt
von einem
Grunde des 5Erlebens
ab."
S.2 "Sowenig M. HEIDEGGERS Analyse und Komposition sprachlicher Metaphern
als Psychologie gelten will und kann, so sicher ist es, daß durch
sie auch psychologische
Wahrheiten aufgedeckt werden; denn in der Sprache, mit deren Hilfe
das 6Erleben objektiviert
wird, ist ein zwar transformiertes, aber doch ursprüng-
lich echtes psychologisches Erkenntnisgut enthalten. ..."
S.4: "Uns beschäftigt hier jedoch nicht das 7Erleben
der Zeit als solcher, das
Zeitbewußtsein also, das in verschiedenen gehobenen Stimmungen
und im
künstlichen Rausch charakteristisch verändert ist; ein bewußtes
Verhältnis
zum Ablauf der Zeit ist ja relativ selten im Mittelpunkt
des 8Erlebens
festzustellen:
Was BOLLNows Untersuchung für unsere Fragestellung wichtig
macht, ist die Gegenüberstellung der Geworfenheit und der Getragenheit2.
...
Von dem formalen Verhältnis zur Zeitlichkeit
führen so BOLLNOWS
Überlegungen zu der funktionalen Bedeutung, die die gehobene Stimmung
für das
9Erleben zukünftigen Geschehens
hat. Der Philosoph und geisteswissenschaft-
liche Psychologe erschließt mit schöner Einfühlung
in objektivierte Selbst-
beobachtungen von Experimentatoren, Dichtern und Philosophen vielfältige
und beziehungsreiche seelische Zusammenhänge, die der experimentell
arbei-
tende Psychologe nie in annähernder Vollständigkeit und erst
recht nicht in
einer ebensolchen farbigen, fast dichterischen Sprache darstellen kann."
S.4f: 2. Der Experimentalpsychologe wird, wenn er
sich dem Problem des 10Zu-[>5]
unftserlebens zuwendet, nicht als
Kulturhistoriker, Philosoph oder Theologe
dilettieren wollen, sondern sich einerexperimentalpsychologischen Methode
bedienen, die phänomenologische Erhellung einschließt.
Innerhalb des Denk- und Erkenntnisgebildes, das
in einer bestimmten
anthropologischen oder ontologischen Konzeption vom Wesen des Menschen
vorliegt, mögen die philosophischen Aussagen über die Zeitbezogenheit
des
menschlichen 11Erlebens
schlüssig und evident sein'.
S.6: "Die experimentelle Erforschung des 12Zukunftserlebens
hat zunächst die Aufgabe,
Material zur Beschreibung des Phänomens zu sammeln. "
S.7: "Wenn wir uns in den folgenden Untersuchungen
auch auf empirische Daten
stützen, so geschieht das niemals ausschließlich in der
Absicht, lediglich Phäno-
mene zu sammeln und zu beschreiben. Wir versuchen vielmehr, die empirisch
gefundenen Tatsachen unter einem bestimmten Aspekt zu beschreiben,
dem der
Zukunftsbezogenheit des 13Erlebens.
Damit legen wir einen „Maßstab" an, der
geeignet ist, Bedeutungsunterschiede herauszuarbeiten. Ein derartiges
Vor-
gehen wird - so hoffen wir - nicht zu bloß „relativ wahren" Aussagen
führen,
die den Gegenstand selbst nicht treffen, sondern zu Aussagen, die mit
der
Wirklichkeit in Übereinstimmung sind, wenn sie auch nicht den
Anspruch er-
heben, die ganze Wirklichkeit zu treffen'.
3. Im folgenden werden wir uns also, die mehr philosophischen
Bemühungen
um die Klärung des Zeitbezugs im 14Erleben
verlassend, der einzelwissenschaft-
lichen Forschung zuwenden. Die philosophischen wie auch die „anthropologi-
schen" Forschungen haben auch im vorliegenden Falle die Richtung gezeigt,
in der die psychologische Forschung weitergehen muß. "
S.8: "Der Zeitbezug des 15Erlebens
ist nicht unmittelbar aus der Erfahrung ableitbar.
Die experimentalpsychologischen Forschungen, die hinsichtlich des Zeitbezugs
relevante Ergebnisse erbracht haben, sind auch nicht alle zu dem Zweck
angestellt
worden, ihn zu erweisen. Insofern ist unsere Hypothese etwas durchaus
überempirisches : Alles 16Erleben
ist - so wird in der Hypothese
behauptet -
durch seinen Zeitbezug, durch seine Beziehung zu dem vergangenen, gegenwärtigen
und zukünftigen inneren Geschehen qualitativ bestimmt. Daß
jedes
aktuelle 17Erleben
einen Bezug zum Vergangenen hat, ist eine Aussage, die
implizite mit jeder sogenannten empiristischen Theorie in der Psychologie
gemacht wird; wer von der Ganzheit des Psychophysischen überzeugt
ist, und
wer die Vergangenheitsbezogenheit des 18Erlebens
genügend weit faßt, wird aber
auch in den nativistischen Theorien den Vergangenheitsbezug des aktuellen
19Erlebens nicht übersehen
können. Der Gegenwartsbezug des 20Erlebens
ist so
selbstverständlich, daß über ihn kein Wort zu verlieren
ist. Daß aber prinzipiell
in jedem aktuellen psychischen Geschehen auch das
21Erleben
des Zukünftigen
eine Rolle spielt oder spielen kann, ist nur selten mit dieser Eindeutigkeit
ausgesprochen worden. Welche Rolle dem Bezug auf das Zukünftige
zukommt,
und mit welchem Gewicht das Zukünftige „wirksam." wird, sind Fragen,
zu
deren Klärung die folgenden Untersuchungen einen Beitrag liefern
sollen.
Die Annahme der Zeitbezogenheit
des aktuellen 22Erlebens
ist allerdings in
dieser Form noch zu vage, als daß sie als Hypothese
angesehen werden könnte.
Die Bezogenheit auf das 23Erleben des
Vergangenen und die auf das gegenwärtige
24Erleben haben bereits
ihre Bearbeitungen erfahren, und die Ordnung der Erfahrungsdaten
ist mit Hilfe von Theorien erfolgt (z. B. Theorie des Gedächtnisses
und Theorie der Wahrnehmung), die hier nicht zur Diskussion stehen."
[9]
S.9: "Hinsichtlich des 25Zukunftserlebens
sind jedoch erst die Leitlinien heraus-
zuarbeiten, die den Gehalt der zugrunde zu legenden Arbeitshypothese
für die
empirische Forschung ausmachen sollen.
...
"Es hängt sicher auch mit der eingangs erörterten
Zuwendung zu Fragen
des 26Zukunftserlebens
in Krisenzeiten zusammen, wenn H. KELLER'- im Jahre
1931 die Aufmerksamkeit der Psychologen auf das Problem des Zukunftsbewußtseins
lenkte, und wenn seitdem eine Reihe psychologischer Arbeiten
mit engverwandten Fragen beschäftigt war.
W. STERNS personalistische Psychologie hat besonders
in ihrer letzten Fassung2
mit dem Gedanken der Zeitbezogenheit alles Psychischen im Sinne des
prospektiven und propulsiven 27Erlebens
und
Tuns Ernst gemacht, nachdem
die retrospektive Seite des psychischen Geschehens die vorwiegende
Beachtung
der Psychologen gefunden hatte3. PH. LERSCH geht nicht vorbei an dem
Zeitbezug
des Lebens4 und des 28Erlebens5,
und H. THOMAES phänomenologische
Analyse der menschlichen Antriebsstruktur führt immer wieder auf
die Gegebenheit
der Antizipation, einer vitalen Urkategorie, wie er sie nennt, und
auf das „Lageschema", in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in
[>10]
einem handlungsnäheren Sinn, als es das bloße Ergreifen
im Erkenntnisakt
bedeutet, wirksam werden'.
S.10: "Freilich setzen „Lageschema" und Zeitbezug
des 29Erlebens
der experimentellen
Forschung einige Schwierigkeiten entgegen. Daran mag es liegen, daß
bei
der allgemeinen Vernachlässigung der experimentellen Forschung
die empirische
Bearbeitung des so aufdringlichen Phänomens für die genannten
Psychologen
noch kaum eine Rolle spielen konnte.
Wir wollen es deshalb unternehmen, zunächst
die theoretische Leitlinie zu
zeichnen, an der entlang die Phänomene der Zeitbezogenheit des
Psychischen
aufgesucht werden müssen. Unsere erste Aufgabe ist es zu zeigen,
daß die
Zeitbezogenheit des 30 Erlebens
nicht etwa eine Umschreibung zweier Determi-
nationsformen, der Kausalität und der Finalität, ist, sondern
daß sie sowohl
eine qualitativ charakterisierbare Eigentümlichkeit erlebter Inhalte,
also eine
Aussage über die 31Erlebnisganzheit,
als auch ein strukturierendes Moment des
psychischen Geschehens ist (s. Erster Teil, Kap. I).
...
.... Die durchgeführte experimentelle
Untersuchung hat das Ziel, vorkommende Formen und Tendenzen
des 32Zukunftserlebens
so weit zu charakterisieren, wie sie in dem vorwegnehmenden
Urteil über unmittelbar bevorstehendes und in ferner Zukunft liegendes
Geschehen
wirksam werden. Außerdem sind die regelhaften Beziehungen bestimmter
Formen und Tendenzen des 33Zukunftserlebens
zum aktuellen Handeln deutlich
zu machen.
[In Überschriften sind keine Klärungen zu erwarten, daher keine Zählung]
S.11: "
ERSTER TEIL
Arbeitshypothese — Bisherige Untersuchungen
zum zukunftsbezogenen Erleben"
S.12: "
I. Theoretische Grundlegung
1. Das Zukunftserleben
als „Unterganzes" der Erlebnisganzheit
und als strukturierendes Moment
...
Die Forscher, die sich im Zuge des weiteren Ausbaus
der Psychologie der
Clutrakterologie zuwendeten, versuchten solche aus der Einheit der
Persönlichkeit
verständliche Gegebenheiten des personalen Zeitbezugs in Wesensbegriffen
zu
fassen, die eine besondere Qualität des 34Erlebens
und Handelns bezeichnen sollen.
Der enge Zusammenhang des gegenwärtigen
35Erlebens,
der Handlungen und
des Denkens, das Handlungen vorbereitet, der Anmutungen und der Gestimmtheit
mit dem 36Erleben in der Vergangenheit,
die Geschichtlichkeit des Psychischen
also, wird von keinem Psychologen geleugnet. Die einen sehen aber mehr
die Erfahrung und das Lernen als Quellgrund des psychischen Geschehens,
die
anderen mehr die Reifung und die potentielle Spontaneität des
Psychischen.
Die Ganzheitlichkeit des psychischen Geschehens, die sich nicht in
der Integration
des Gegenwärtigen erschöpft, wird von keinem Forscher mehr
angezweifelt
werden. Eine weitere Konsequenz ist aber, daß auch die Vorwegnahme
des Zukünftigen in das gegenwärtige Geschehen ganzheitlich
verwoben ist und
daß alles subjektive 37Erleben
des Zukünftigen ebenso ganzheitlich mit dem
früheren Tun und Erleiden, mit erlebten Erfolgen und Mißerfolgen
verbunden
ist und durch Fähigkeiten, Können, endothyme Gestimmtheit
und vitale Dyna-
mik Formung und Richtung erhält.
Es scheint jedoch, daß die Ganzheit
des 38Erlebens
noch nicht ausdrücklich
in dem Sinne aufgefaßt worden ist, daß, je nachdem ob Vergangenes,
Gegen-
wärtiges oder Zukünftiges in einem psychischen Ablauf akzentuiert
ist, das
psychische Geschehen jeweils phänomenal und wirkungsmäßig
anders zu charakterisieren
ist. Besonders wenn ein Akt vollzogen wird, in dem rückblickend
Vergangenes zurVergegenwärtigung gelangt, wird leicht übersehen,
daß auch
hier der Zukunftsbezug nicht verlorengegangen ist'
S.13: "Die wechselseitige Verflechtung der mutmaßlichen
Determinanten des
39Zukunftserlebens ist
aber alles andere als ein Dilemma, in dem sich der auf
Überschaubarkeit zielende Psychologe befindet. Sie weist vielmehr
nachdrücklich
darauf hin, daß das 40Zukunftserleben
eine Einheit ist, die der Erkenntnis in
zweifacher Weise zugänglich gemacht werden muß: Es ist einerseits
als
Unterganzes des 41Erlebens
(der 42Erlebnisganzheit)
aufzufassen und
andererseits als strukturierendes Moment in dem dynamischen Ganzen
des
Psychischen, das in einem noch näher zu bestimmenden Sinne als
die psychische
Struktur aufgefaßt werden muß."
S.14: "Wenn wir davon sprechen, daß die Zeitbezogenheit des
Psychischen,
die seine Zukunftsbezogenheit einschließt, ein strukturierendes
Moment darstelle,
dann meinen wir damit, daß die den 43Erlebnissen
zugrunde liegenden
dynamischen Systeme durch das „Zeitgerüst“ strukturiert sind.
Der Stellenwert
einzelner Inhalte in bezug auf das immanente Zeitsystem ist für
sie charakteristisch
und modifiziert ihre Wirksamkeit. Das Gefälle im Zeitbezugssystem
ist also ein
Bestimmungsstück der Dynamik.
Ein Bezugssystem gibt aber nicht nur dem psychischen
Geschehen Struktur,
es ist auch selbst strukturiert . Als strukturierte Ganzheit kann es
44erlebnismäßig
in Erscheinung treten, wenn es auch meist „unscheinbar“ (W. METZGER)
und
nach neueren Untersuchungen im Wahrnehmungsfeld (MALHOTRA) um so
wirksamer ist, je weniger abgehoben es ist.
— Die Dimensionen des Zeitbezugssystems - früher-später,
vergangen-gegenwärtig-zukünftig —
schließen Qualitätsunterschiede des
45Erlebens
ein, wie z. B. unabänderlich,
erwünscht, befürchtet, real, wahrscheinlich und unwahrscheinlich.
Das Gefälle, das
innerhalb des Zeitgerüstes für die psychischen Inhalte entsteht,
ist ein Moment der
dynamischen Struktur des Psychischen. Nur in diesem Sinne strukturiert
das
Zeitbezugssystem das psychische Geschehen. Für sich betrachtet
hat es aber
selbst Struktur und insofern ist das Zukunftserleben als „Unterganzes“
oder
Teilstruktur des Systems aufzufassen."
S.17: "Es gehört zum Wesen des Psychischen, daß Vergangenes,
Gegenwärtiges und
Zukünftiges in einer ganzheitlichen Wirkungseinheit gleichzeitig
gegenwärtig sein kann:
Insofern hat es einen Sinn, z. B. von der „Zeitunabhängigkeit“
des Geistigen zu sprechen.
Unter einem anderen, psychologischen Gesichtspunkt jedoch bleibt vergegenwärtigtes
Vergangenes dank einer ganz spezifischen Qualität des Vergegenwärtigten
tatsächlich
Vergangenes, und ebenso wird Zukünftiges, das im 46Erleben
aktualisiert und
wirkungsmächtig wird, zwar gegenwärtig wirksam, aber trotzdem
bleibt es als Zukünftiges
qualitativ charakterisiert. Es wird deutlich, daß man infolgedessen
mit gutem Recht die
psychische Wirklichkeit der zeitlichen Dimensionen - vergangen, gegenwärtig
und
zukünftig - annehmen kann."
Einleitung zum Gespräch über die Fragen la und Ib (z. Text
S. 72) S. 243
Einleitung zum Gespräch über die Fragen IIa und IIb (z. Text
S. 72) S. 244
Einleitung zum Gespräch über die Fragen IIIa und IIIb (z.
Text S. 72) S. 245
Suchen in der IP-GIPT,
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