Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=00.12.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
    E-Mail: sekretariat@sgipt.org  _ Zitierung  &  Copyright
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich Erleben, und hier speziell zum Thema:

    Erlebnisregister
    Zukunftserleben bei Rudolf Bergius (1914-2004)

    Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen


    Haupt- und Verteilerseite Erlebnisregister * Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
    Methode der Fundstellen-Textanalyse.  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis* Signierungssystem* Zusammenfassung Hauptseite * Begriffscontainer (Containerbegriff)  * BegriffsVerschiebebahnhof  * Wissenschaftliches Arbeiten: Grundregeln Begriffe * Aristoteles zum Geleit * Sprachkritik: Sch^3-Syndrom *

    Editorial.
    Zusammenfassung.
    Erlebnispsychologische Analyse Zukunftserleben.
    Textfundstellen.
    Literatur, Links, Glossar, Anmerkungen und Endnoten, Querverweise, Copyright und Zitierung, Änderungen


    Editorial
    Erleben von etwas, das sich noch gar nicht ereignet hat - Zukunftserleben - ist ein spannendes Thema, dem sich nicht viele ForscherInnen zugewandt haben. Insofern ist klar, dass Bergius' Habil-Arbeit erfasst, vorgestellt und erörtert werden muss. Bergius promovierte bei Hans Keller, der 1931 die Arbeit Die Psychologie des Zukunftserlebens verfasste, der er sich auch verpflichtet fühlte. Leider hat Bergius keine Ahnung von Erlebnispsychologie und dem Begriff des Erlebens: so verwechselt er grundlegend den Begriff des Zukunftserlebens mit dem Begriff der Zukunftsprognose. Wieder einmal muss auf Aristoteles Zum Geleit verwiesen werden.


    Zusammenfassung

    ZB1-Zukunftserleben: Erleben von etwas, das sich noch gar nicht ereignet hat - Zukunftserleben - ist ein spannendes Thema, dem sich nicht viele ForscherInnen zugewandt haben. Insofern ist klar, dass Bergius' Habil-Arbeit erfasst, vorgestellt und erörtert werden muss. Bergius promovierte bei Hans Keller, der 1932 die Arbeit Die Psychologie des Zukunftserlebens verfasste und in der Zeitschriftfür Psychologie veröffentlichte, der er sich auch verpflichtet fühlte wie er im Vorwort ausführt

    ZB2-Begriffsklärungen: "Erleben, erlebt, Zukunftserleben, Erlebnis" werden die ersten 17 Seiten im ersten Teil Arbeitshypothese - Bisherige Untersuchungen zwar 46x erwähnt, aber nicht näher erklärt, auch nicht durch Querverweis, Anmerkung, Fußnote oder Literaturhinweis, so dass anzunehmen ist, dass Bergius die Begriffe Erleben und Zukunftserleben fälschlich für nicht näher erklärungs- oder begründungsbedürftig, sondern für allgemeinverständlich hält. Ich gehe nach den Grundregeln für wichtigere Begriffe  jedenfalls davon aus, wenn bei 46 Erwähungen auf den ersten 17 Seiten keine Erklärung erfolgt, dass sie dann auch späterhin nicht zu erwarten ist. Auch viele Bezugnahmen auf die zugrundegelegte Literatur, z.B.  Lersch, N. Hartmann, Spranger, Jaspers, Heidegger, L. Binswanger, Bollnow, Krueger, Husserl lassen nicht auf Begriffsklarheit hoffen. Wichtige Autoren der Erlebenspsychologie wie Brentano, Dilthey oder Theodor Lipps, erwähnt Bergius in seinem Literaturverzeichnis nicht.

    ZB3-VersuchteilnehmerInnen. Sie werden ausführlich ausgewiesen, S. 74:
        "Die Teilnehmer an den Einzelversuchen waren :
    1. 34 arbeitslose westberliner Männer und Frauen mit einem durchschnittlichen
    Alter von 37 ; 5 Jahren (von 18;0 bis 58; 0). Sie waren durchschnittlich
    bereits 2 Jahre arbeitslos.
    2. 19 Studierende der Psychologie mit einem Durchschnittsalter von 22 ; 9
    Jahren (von 19;0 bis 25; 0).
    3. 6 Ratsuchende, die in die Erziehungsberatungsstelle des Psychologischen
    Instituts kamen; Durchschnittsalter 22; 8 Jahre (von 18;0 bis 43 ; 0).

        An den Gruppenversuchen nahmen teil:
    1. 130 Berufsschüler mit einem durchschnittlichen Alter von 18; 5 Jahren
    (von 17 ; 0 bis 21 ; 7), davon 54 Mechaniker-, 25 Feinmechaniker- und 51 Bäckerlehrlinge,
    die alle im 3. Lehrjahr standen.
    2. 21 Studierende der Psychologie mit einem Durchschnittsalter von 27 ; 3
    Jahren (von 21; 0 bis 39 ; 0 - hier als jüngere Studierende bezeichnet).
    3. 26 Teilnehmer an dem neueingerichteten Abendstudium der Freien Universität
    mit einem durchschnittlichen Alter von 37 ; 3 Jahren (von 24; 0 bis
    58;0 - ältere Studierende)."

    ZB4-Aufgaben. Es wurden 8 Denkaufgaben und 6 Fragebogenfragen ausgearbeitet und in Einzel und Gruppenversuchen angwendet:. An keiner Stelle wird klar, worin der Erlebensaspekt liegen soll. Es geht nicht um Zukunftserleben, sondern um Zukunftsprognosen. Bei den 8 Denkaufgaben geht es um die kurzfristige Prognose lösbar oder nicht, bei den Fragebogenfragen geht es um langfristige Prognosen.
        Aufgabe kurzfristige Prognose zu Aufgaben ob jeweils lösbar oder nicht (eine jeweils lösbar, die andere nicht):

    • Q1  Abb 1 nachzeichnen in einem Zug (S.68)
    • Q2  Abb 2 nachzeichnen in einem Zug (S.68)
    • Abb 3 E und S welche E und S können ohne Kreuzung verbunden werden (S.68f)
    • Abb 4 E und S welche E und S können ohne Kreuzung verbunden werden (S.68f)
    • L1 Abb 5 nachzeichnen in einem Zug ohne Kreuzungen oder Wiederholungen  (S.68f)
    • L2 Abb 6 nachzeichnen in einem Zug ohne Kreuzungen oder Wiederholungen (S.68f)
    • N1 Abb 7 nachzeichnen in einem Zug ohne Kreuzungen oder Wiederholungen (S.68f)
    • N2 Abb 8 nachzeichnen in einem Zug ohne Kreuzungen oder Wiederholungen (S.68f)
        Bergius erfragt langfristige Meinungs-Prognosen zu:
    • Ia. Künstlicher Mond (Satelit) als Absprungbasis für den Weltraumflug
    • Ib. Wird Flug zum Monder oder Mars gelingen?
    • IIa. Genaues Wissen was Leben ist und unbegrenzt lange leben können?
    • IIb. Alle Erreger ansteckender Krankheiten kenn und dass man sie erfolgreich bekämpfen kann?
    • IIIa. Können Kriege künftig durch die Verbreitung psychologischen und pädagogischen Wissens vermieden und der Weltfrieden auf diese Weise erreicht werden?
    • IIIb. Glauben Sie, das der Weltfrieden mit anderen MItteln als der Verbreitung psychologischer und pädagogischer Erkenntnisse erreicht werden kann?


    ZB4-Hypothesen. Die Hypothesen sind weitgehend unklar:

      S. 67: "Unsere Hypothese besagt, daß der Aufweis relativ konstanter Formen des
      Zukunftserlebens in verschiedenen Situationen möglich sein muß. Daraus ergeben
      sich folgende Einzelfragen, die experimentell zu prüfen sind: ..." Es werden 5 aufgezählt:
    Die Hypthesenprüfung leidet unter der Unklar- und Unbestimmtheit des Begriffes Zukunftserleben, der von Bergius nirgendwo definiert oder auch nur näher erläutert wird. Aus der Untersuchung selbst ergibt sich aber, dass es gar nicht um Zukunftserleben, sondern um Zukunftsprognosen geht. Und dann sollte bei den Hypothesen natürlich klar und operational gesagt werden, was unter welchen Bedingungen zu geschehen hat, um sie anzunehmen, beizubehalten oder zu verwerfen.
     

    ZB-Fazit: Leider hat Bergius keine Ahnung von Erlebnispsychologie und dem Begriff des Erlebens: so verwechselt er grundlegend den Begriff des Zukunftserlebens mit dem Begriff der Zukunftsprognose, wie die dankenswerter Weise mitgeteilten Instruktionen zu den und die Fragebögen selbst belegen. Er cerklärt bei seinen 46 Erwähnungen auf den ersten 17 Seiten an keiner Stelle, was er unter Erleben oder Zukunftserleben versteht. Damit ist die Arbeit wissenschaftlich nicht zu gebrauchen. Wieder einmal muss auf Aristoteles Zum Geleit verwiesen werden. Vorschläge, wie er das Erleben bei seinen Prognosefragen hätte erkunden können, finden Sie hier.


    Erlebnispsychologische Analyse Zukunftserleben
    Geht es um die Zukunft, so sind besonders die elementaren Dimensionen des Erlebens Denken (I07), Geschehen (I27), Phantasie (I09), Prognose (I23), Vorstellen (I13), Wissen (I06) berührt als Basis des Erlebens.

    Im Kern geht es  um eine Zukunftsvorstellung oder Zukunftsphantasie, Erlebengk, das möglicherweise von weiterem Erleben_ begleitet wird, z.B. erlebena und was eben zu erforschen wäre, wenn man den Ausdruck Zukunftserleben ernst und beim Wort nimmt.

    Vorschläge: Bei den Fragen ist kein Erlebensaspekt erkennbar. Bergius hätte, nach Erklärung, war unter  Erleben_ versteht, hinzufragen müssen, z.B.: Wenn Sie sich das vorstellen, dass es gelingt, einen Sateliten in die Erdumlaufbahn zu befördern, was erleben Sie dabei, wie geht es iIhnen dabei, was geht da in Ihnen vor? Oder: Wenn sie sich vorstellen, dass Sie unbegrenzt lange leben könne, wie geht es Ihnen dabei, wie erleben Sie diese Vorstellung? Mögliche Kandidaten z.B.: Hoffnung, Sorge, Angst, Lust, Freude, froh, Optimistisch, pessimistisch, ratlos, unsicher, positiv, negativ.



    Textfundstellen (Auswahl, Beispiele)
    Erleben 459, erlebt 72, Erlebnis 53.
    1 im Titel
    2 im Vorwort
    8 im Inhaltsverzeichnis
      Einleitung S. 1-10.
      Erster Teil Arbeitshypothese S.11-
    Das Werk hat kein Register.

    Im Titel, Vorwort und Inhaltsverzeichnis sind keine Begriffserlärungen zu erwarten, aber in der Einleitung sollte, Erklärungen oder Querverweise, Anmerkungen, Fußnoten oder Literaturhinweise erfolgen.  Im folgenden wird belegt und gezeigt, dass Bergius auf den ersten 17 Seiten bei jeder seiner 46 Erwähnen keine nähere Erklärung gibt, was er unter Erleben oder Zukunftserleben versteht.

        S.1f: ".... Wenn
    auch der „Sinn" der Welt als etwas von jeher Daseiendes und in aller Zukunft
    Bestehendes gedacht wird, scheint sich der Sinn des persönlichen Lebens erst
    Er wird im unkritischen 1Erleben meist mit  dem Ziel des Lebens gleichgesetzt,
    dem Ziel des Lebens gleichgesetzt, und nur unter seiner Wirkung entwirft sich
    der Mensch in die Zukunft. Die 2erlebte Unsicherheit und die Sinnlosigkeit
    des Daseins in der Gegenwart treiben deshalb auch jene Erscheinungen hervor,
    die als Ausdruck eines gestörten 3Zukunftserlebens angesehen werden müssen.
    Das 4Zukunftserleben - im Alltag sonst unbeachtet - wird infolge der Störung,
    die es erleidet, auffällig. So kommt es, daß in Krisenzeiten auch Literatur und
     

      1 PH. LERSCH, Aufbau der Person. 7. Aufl. München 1956, S. 250f.
      2 Wir verweisen hier schon auf N. HARTMANN (Teleologisches Denken, Berlin 1951),
      mit dessen Versuch, die Motive des teleologischen Denkens aufzuzeigen, wir uns weiter
      unten noch auseinandersetzen müssen. — S. auch E. SPRANGER, Magie der Seele. Berlin
      1947, S. 64ff.
    [>2]

    Wissenschaft sich mit ihm beschäftigen : es hebt sich als Gestalt von einem
    Grunde des 5Erlebens ab."

    S.2 "Sowenig M. HEIDEGGERS Analyse und Komposition sprachlicher Metaphern
    als Psychologie gelten will und kann, so sicher ist es, daß durch sie auch psychologische
    Wahrheiten aufgedeckt werden; denn in der Sprache, mit deren Hilfe
    das 6Erleben objektiviert wird, ist ein zwar transformiertes, aber doch ursprüng-
    lich echtes psychologisches Erkenntnisgut enthalten.  ..."

    S.4: "Uns beschäftigt hier jedoch nicht das 7Erleben der Zeit als solcher, das
    Zeitbewußtsein also, das in verschiedenen gehobenen Stimmungen und im
    künstlichen Rausch charakteristisch verändert ist; ein bewußtes Verhältnis
    zum Ablauf der Zeit ist ja relativ selten im Mittelpunkt des 8Erlebens festzustellen:
    Was BOLLNows Untersuchung für unsere Fragestellung wichtig
    macht, ist die Gegenüberstellung der Geworfenheit und der Getragenheit2.
        ...
        Von dem formalen Verhältnis zur Zeitlichkeit führen so BOLLNOWS
    Überlegungen zu der funktionalen Bedeutung, die die gehobene Stimmung für das
    9Erleben zukünftigen Geschehens hat. Der Philosoph und geisteswissenschaft-
    liche Psychologe erschließt mit schöner Einfühlung in objektivierte Selbst-
    beobachtungen von Experimentatoren, Dichtern und Philosophen vielfältige
    und beziehungsreiche seelische Zusammenhänge, die der experimentell arbei-
    tende Psychologe nie in annähernder Vollständigkeit und erst recht nicht in
    einer ebensolchen farbigen, fast dichterischen Sprache darstellen kann."

        S.4f: 2. Der Experimentalpsychologe wird, wenn er sich dem Problem des  10Zu-[>5]
    unftserlebens zuwendet, nicht als Kulturhistoriker, Philosoph oder Theologe
    dilettieren wollen, sondern sich einerexperimentalpsychologischen Methode
    bedienen, die phänomenologische Erhellung einschließt.
        Innerhalb des Denk- und Erkenntnisgebildes, das in einer bestimmten
    anthropologischen oder ontologischen Konzeption vom Wesen des Menschen
    vorliegt, mögen die philosophischen Aussagen über die Zeitbezogenheit des
    menschlichen 11Erlebens schlüssig und evident sein'.

        S.6: "Die experimentelle Erforschung des 12Zukunftserlebens hat zunächst die Aufgabe,
    Material zur Beschreibung des Phänomens zu sammeln. "

        S.7: "Wenn wir uns in den folgenden Untersuchungen auch auf empirische Daten
    stützen, so geschieht das niemals ausschließlich in der Absicht, lediglich Phäno-
    mene zu sammeln und zu beschreiben. Wir versuchen vielmehr, die empirisch
    gefundenen Tatsachen unter einem bestimmten Aspekt zu beschreiben, dem der
    Zukunftsbezogenheit des 13Erlebens. Damit legen wir einen „Maßstab" an, der
    geeignet ist, Bedeutungsunterschiede herauszuarbeiten. Ein derartiges Vor-
    gehen wird - so hoffen wir - nicht zu bloß „relativ wahren" Aussagen führen,
    die den Gegenstand selbst nicht treffen, sondern zu Aussagen, die mit der
    Wirklichkeit in Übereinstimmung sind, wenn sie auch nicht den Anspruch er-
    heben, die ganze Wirklichkeit zu treffen'.
        3. Im folgenden werden wir uns also, die mehr philosophischen Bemühungen
    um die Klärung des Zeitbezugs im 14Erleben verlassend, der einzelwissenschaft-
    lichen Forschung zuwenden. Die philosophischen wie auch die „anthropologi-
    schen" Forschungen haben auch im vorliegenden Falle die Richtung gezeigt,
    in der die psychologische Forschung weitergehen muß. "

        S.8: "Der Zeitbezug des 15Erlebens ist nicht unmittelbar aus der Erfahrung ableitbar.
    Die experimentalpsychologischen Forschungen, die hinsichtlich des Zeitbezugs
    relevante Ergebnisse erbracht haben, sind auch nicht alle zu dem Zweck angestellt
    worden, ihn zu erweisen. Insofern ist unsere Hypothese etwas durchaus
    überempirisches : Alles 16Erleben ist - so wird in der Hypothese behauptet -
    durch seinen Zeitbezug, durch seine Beziehung zu dem vergangenen, gegenwärtigen
    und zukünftigen inneren Geschehen qualitativ bestimmt. Daß jedes
    aktuelle 17Erleben einen Bezug zum Vergangenen hat, ist eine Aussage, die
    implizite mit jeder sogenannten empiristischen Theorie in der Psychologie
    gemacht wird; wer von der Ganzheit des Psychophysischen überzeugt ist, und
    wer die Vergangenheitsbezogenheit des 18Erlebens genügend weit faßt, wird aber
    auch in den nativistischen Theorien den Vergangenheitsbezug des aktuellen
    19Erlebens nicht übersehen können. Der Gegenwartsbezug des 20Erlebens ist so
    selbstverständlich, daß über ihn kein Wort zu verlieren ist. Daß aber prinzipiell
    in jedem aktuellen psychischen Geschehen auch das 21Erleben des Zukünftigen
    eine Rolle spielt oder spielen kann, ist nur selten mit dieser Eindeutigkeit
    ausgesprochen worden. Welche Rolle dem Bezug auf das Zukünftige zukommt,
    und mit welchem Gewicht das Zukünftige „wirksam." wird, sind Fragen, zu
    deren Klärung die folgenden Untersuchungen einen Beitrag liefern sollen.
        Die Annahme der Zeitbezogenheit des aktuellen 22Erlebens ist allerdings in
    dieser Form noch zu vage, als daß sie als Hypothese angesehen werden könnte.
    Die Bezogenheit auf das 23Erleben des Vergangenen und die auf das gegenwärtige
    24Erleben haben bereits ihre Bearbeitungen erfahren, und die Ordnung der Erfahrungsdaten
    ist mit Hilfe von Theorien erfolgt (z. B. Theorie des Gedächtnisses
    und Theorie der Wahrnehmung), die hier nicht zur Diskussion stehen." [9]

        S.9: "Hinsichtlich des 25Zukunftserlebens sind jedoch erst die Leitlinien heraus-
    zuarbeiten, die den Gehalt der zugrunde zu legenden Arbeitshypothese für die
    empirische Forschung ausmachen sollen.
    ...
        "Es hängt sicher auch mit der eingangs erörterten Zuwendung zu Fragen
    des 26Zukunftserlebens in Krisenzeiten zusammen, wenn H. KELLER'- im Jahre
    1931 die Aufmerksamkeit der Psychologen auf das Problem des Zukunftsbewußtseins
    lenkte, und wenn seitdem eine Reihe psychologischer Arbeiten
    mit engverwandten Fragen beschäftigt war.
        W. STERNS personalistische Psychologie hat besonders in ihrer letzten Fassung2
    mit dem Gedanken der Zeitbezogenheit alles Psychischen im Sinne des
    prospektiven und propulsiven 27Erlebens und Tuns Ernst gemacht, nachdem
    die retrospektive Seite des psychischen Geschehens die vorwiegende Beachtung
    der Psychologen gefunden hatte3. PH. LERSCH geht nicht vorbei an dem Zeitbezug
    des Lebens4 und des 28Erlebens5, und H. THOMAES phänomenologische
    Analyse der menschlichen Antriebsstruktur führt immer wieder auf die Gegebenheit
    der Antizipation, einer vitalen Urkategorie, wie er sie nennt, und
    auf das „Lageschema", in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in [>10]
    einem handlungsnäheren Sinn, als es das bloße Ergreifen im Erkenntnisakt
    bedeutet, wirksam werden'.

        S.10: "Freilich setzen „Lageschema" und Zeitbezug des 29Erlebens der experimentellen
    Forschung einige Schwierigkeiten entgegen. Daran mag es liegen, daß bei
    der allgemeinen Vernachlässigung der experimentellen Forschung die empirische
    Bearbeitung des so aufdringlichen Phänomens für die genannten Psychologen
    noch kaum eine Rolle spielen konnte.
        Wir wollen es deshalb unternehmen, zunächst die theoretische Leitlinie zu
    zeichnen, an der entlang die Phänomene der Zeitbezogenheit des Psychischen
    aufgesucht werden müssen. Unsere erste Aufgabe ist es zu zeigen, daß die
    Zeitbezogenheit des 30 Erlebens nicht etwa eine Umschreibung zweier Determi-
    nationsformen, der Kausalität und der Finalität, ist, sondern daß sie sowohl
    eine qualitativ charakterisierbare Eigentümlichkeit erlebter Inhalte, also eine
    Aussage über die 31Erlebnisganzheit, als auch ein strukturierendes Moment des
    psychischen Geschehens ist (s. Erster Teil, Kap. I).
    ...
         .... Die durchgeführte experimentelle
    Untersuchung hat das Ziel, vorkommende Formen und Tendenzen
    des 32Zukunftserlebens so weit zu charakterisieren, wie sie in dem vorwegnehmenden
    Urteil über unmittelbar bevorstehendes und in ferner Zukunft liegendes Geschehen
    wirksam werden. Außerdem sind die regelhaften Beziehungen bestimmter
    Formen und Tendenzen des 33Zukunftserlebens zum aktuellen Handeln deutlich
    zu machen.

     [In Überschriften sind keine Klärungen zu erwarten, daher keine Zählung]

        S.11: "                           ERSTER TEIL
                      Arbeitshypothese — Bisherige Untersuchungen
                              zum zukunftsbezogenen Erleben"

        S.12: "                  I. Theoretische Grundlegung
              1. Das Zukunftserleben als „Unterganzes" der Erlebnisganzheit
                                   und als strukturierendes Moment
    ...
        Die Forscher, die sich im Zuge des weiteren Ausbaus der Psychologie der
    Clutrakterologie zuwendeten, versuchten solche aus der Einheit der Persönlichkeit
    verständliche Gegebenheiten des personalen Zeitbezugs in Wesensbegriffen zu
    fassen, die eine besondere Qualität des 34Erlebens und Handelns bezeichnen sollen.
        Der enge Zusammenhang des gegenwärtigen 35Erlebens, der Handlungen und
    des Denkens, das Handlungen vorbereitet, der Anmutungen und der Gestimmtheit
    mit dem 36Erleben in der Vergangenheit, die Geschichtlichkeit des Psychischen
    also, wird von keinem Psychologen geleugnet. Die einen sehen aber mehr
    die Erfahrung und das Lernen als Quellgrund des psychischen Geschehens, die
    anderen mehr die Reifung und die potentielle Spontaneität des Psychischen.
    Die Ganzheitlichkeit des psychischen Geschehens, die sich nicht in der Integration
    des Gegenwärtigen erschöpft, wird von keinem Forscher mehr angezweifelt
    werden. Eine weitere Konsequenz ist aber, daß auch die Vorwegnahme
    des Zukünftigen in das gegenwärtige Geschehen ganzheitlich verwoben ist und
    daß alles subjektive 37Erleben des Zukünftigen ebenso ganzheitlich mit dem
    früheren Tun und Erleiden, mit erlebten Erfolgen und Mißerfolgen verbunden
    ist und durch Fähigkeiten, Können, endothyme Gestimmtheit und vitale Dyna-
    mik Formung und Richtung erhält.
        Es scheint jedoch, daß die Ganzheit des 38Erlebens noch nicht ausdrücklich
    in dem Sinne aufgefaßt worden ist, daß, je nachdem ob Vergangenes, Gegen-
    wärtiges oder Zukünftiges in einem psychischen Ablauf akzentuiert ist, das
    psychische Geschehen jeweils phänomenal und wirkungsmäßig anders zu charakterisieren
    ist. Besonders wenn ein Akt vollzogen wird, in dem rückblickend
    Vergangenes zurVergegenwärtigung gelangt, wird leicht übersehen, daß auch
    hier der Zukunftsbezug nicht verlorengegangen ist'

        S.13: "Die wechselseitige Verflechtung der mutmaßlichen Determinanten des
    39Zukunftserlebens ist aber alles andere als ein Dilemma, in dem sich der auf
    Überschaubarkeit zielende Psychologe befindet. Sie weist vielmehr nachdrücklich
    darauf hin, daß das 40Zukunftserleben eine Einheit ist, die der Erkenntnis in
    zweifacher Weise zugänglich gemacht werden muß: Es ist einerseits als
    Unterganzes des 41Erlebens (der 42Erlebnisganzheit) aufzufassen und
    andererseits als strukturierendes Moment in dem dynamischen Ganzen des
    Psychischen, das in einem noch näher zu bestimmenden Sinne als die psychische
    Struktur aufgefaßt werden muß."

      Kommentar13: Die wichtigen gebrauchten Begriffe Zukunftserleben,
      Unterganzes des Erlebens der Erlebnisganzheit,  werden nicht erklärt,
      auch nicht durch Querverweis, Anmerkung, Fußnote oder Literaturhinweis.
      Abstrakt-allgemeinen meinen. >Zum Geleit.


    S.14: "Wenn wir davon sprechen, daß die Zeitbezogenheit des Psychischen,
    die seine Zukunftsbezogenheit einschließt, ein strukturierendes Moment darstelle,
    dann meinen wir damit, daß die den 43Erlebnissen zugrunde liegenden
    dynamischen Systeme durch das „Zeitgerüst“ strukturiert sind. Der Stellenwert
    einzelner Inhalte in bezug auf das immanente Zeitsystem ist für sie charakteristisch
    und modifiziert ihre Wirksamkeit. Das Gefälle im Zeitbezugssystem ist also ein
    Bestimmungsstück der Dynamik.
        Ein Bezugssystem gibt aber nicht nur dem psychischen Geschehen Struktur,
    es ist auch selbst strukturiert . Als strukturierte Ganzheit kann es 44erlebnismäßig
    in Erscheinung treten, wenn es auch meist „unscheinbar“ (W. METZGER) und
    nach neueren Untersuchungen im Wahrnehmungsfeld (MALHOTRA) um so
    wirksamer ist, je weniger abgehoben es ist.
    — Die Dimensionen des Zeitbezugssystems - früher-später, vergangen-gegenwärtig-zukünftig —
    schließen Qualitätsunterschiede des 45Erlebens ein, wie z. B. unabänderlich,
    erwünscht, befürchtet, real, wahrscheinlich und unwahrscheinlich. Das Gefälle, das
    innerhalb des Zeitgerüstes für die psychischen Inhalte entsteht, ist ein Moment der
    dynamischen Struktur des Psychischen. Nur in diesem Sinne strukturiert das
    Zeitbezugssystem das psychische Geschehen. Für sich betrachtet hat es aber
    selbst Struktur und insofern ist das Zukunftserleben als „Unterganzes“ oder
    Teilstruktur des Systems aufzufassen."

      Kommentar14: Hier gibt Bergius Beispiele für die Dimensionen des
      Zukunftserlebens an: "unabänderlich, erwünscht, befürchtet, real,
      wahrscheinlich und unwahrscheinlich"


    S.17: "Es gehört zum Wesen des Psychischen, daß Vergangenes, Gegenwärtiges und
    Zukünftiges in einer ganzheitlichen Wirkungseinheit gleichzeitig gegenwärtig sein kann:
    Insofern hat es einen Sinn, z. B. von der „Zeitunabhängigkeit“ des Geistigen zu sprechen.
    Unter einem anderen, psychologischen Gesichtspunkt jedoch bleibt vergegenwärtigtes
    Vergangenes dank einer ganz spezifischen Qualität des Vergegenwärtigten tatsächlich
    Vergangenes, und ebenso wird Zukünftiges, das im 46Erleben aktualisiert und
    wirkungsmächtig wird, zwar gegenwärtig wirksam, aber trotzdem bleibt es als Zukünftiges
    qualitativ charakterisiert. Es wird deutlich, daß man infolgedessen mit gutem Recht die
    psychische Wirklichkeit der zeitlichen Dimensionen - vergangen, gegenwärtig und
    zukünftig - annehmen kann."

      Kommentar17: Die Behauptung "Es gehört zum Wesen des Psychischen, daß
      Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges in einer ganzheitlichen Wirkungseinheit
      gleichzeitig gegenwärtig sein kann"  mutet abenteuerlich an; sie wird auch nicht belegt.
      Kein Beispiel, nichts Konkretes, dafür allgemin-abstrakte Asuführungen. Die
      Behauptung "Es wird deutlich, daß man infolgedessen mit gutem Recht die psychische
      Wirklichkeit der zeitlichen Dimensionen - vergangen, gegenwärtig und zukünftig -
      annehmen kann." bleibt im Dunkeln.


    Instruktionen der Versuchspersonen

    Einleitung zum Gespräch über die Fragen la und Ib (z. Text S. 72) S. 243
    Einleitung zum Gespräch über die Fragen IIa und IIb (z. Text S. 72) S. 244
    Einleitung zum Gespräch über die Fragen IIIa und IIIb (z. Text S. 72) S. 245
     





    Literatur (Auswahl)
    • Bergius, Rudolf (1957) Formen des Zukunftserlebens. Eine experimentelle Untersuchung zurt Motivations- und Denkpsychologie.  (Habilschrift  1954/55). München: Barth.
    • Bergius, Rudolf (    mit Kripal Singh Sodhi: Nationale Vorurteile. Eine sozialpsychologische Untersuchung an 881 Personen (= Forschungen zur Sozialpsychologie und Ethnologie. Bd. 1). Duncker & Humblot, Berlin 1953.
    • Bergius, Rudolf (    Formen des Zukunftserlebens. Eine experimentelle Untersuchung zur Motivations- und Denkpsychologie. J. A. Barth, München 1957.
    • Bergius, Rudolf (    Allgemeine Psychologie, Hogrefe, Göttingen 1964 (Handbuch der Psychologie, Band 1).
    • Bergius, Rudolf (    Psychologie des Lernens. Einführung in die moderne Forschung. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1971.
    • Bergius, Rudolf (    Sozialpsychologie (= Kritische Wissenschaft). Hoffmann und Campe, Hamburg 1976, ISBN 3-455-09203-9.
    •   Sozialpsychologisches Verhaltensmodell Stuttgart : IKE, 1982
    •   Entwicklungspsychologie

    • Göttingen : Verlag für Psychologie Hogrefe, 1972, 2., unveränd. Aufl., 10. - 11. Tsd.  Vorhanden in Frankfurt
      Bücher  4  Aufwachsen und Erziehung als Gegenstände verschiedener Wissenschaften / T. 2. Psychologie und Soziologie
      1971
        Die Ablenkung von der Arbeit durch Lärm und Musik und ihre strukturtypologischen Zusammenhänge
      Bergius, Rudolf. - Neustadt i. Sa., (1940)
    • Keller, Hans (1932) Die Psychologie des Zukunftserlebens. Zschr Psychol 124, 1932




    Links(Auswahl: beachte)



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    ___
    konativ
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Zukunftserleben bei Rudolf Bergius  Erlebnisregister. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/Erlebnisregister/Bergius.htm

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    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    06.09.23    Ausgewertet.
    05.09.23    Angelegt.
     
       


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