Beweis und beweisen bei Karl
Bühler
Allgemeines Beweisregister Psychologie
besonders zu Erleben und Erlebnis
Dissertation 1903 * Krise der Psychologie 1926 (Kant-Sudien) * Denkvorgänge * Sprachtheorie *
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Editorial
Karl Bühler gilt wahrscheinlich zu Recht als bedeutender Psychologe
- vermutlich in einer Reihe von Wundt und anderen PionierInnen -
mit dessen Arbeiten (Denkpsychologie/Würzburger
Schule, Krise der Psychologie, Sprachtheorie) man sich bis heute -
oder heute gerade wieder - auseinandersetzt (Friedrich). Ich habe ziemlich
viele Beweisthemen bei Bühler gefunden und meine Checkliste
beweisen auf seine Arbeit Die Krise der Psychologie in
den Kant-Studien 1926 angewandt - mit sehr ernüchterndem und für
mich überraschendem Ergebnis. Zum Ausgkeich sehr positiv hingegen
die Psychologie der Denkvorgänge: Denkpsychologie
vom feinsten. Während der Auswertung Karl Bühlers kam mir - heute,
11.4.23 - erstmals die (Beweis ;-) Idee, wie man den
fürchterlichen
wissenschaftlichen Zustand der Psychologie erklären könnte.
ZBKD0: Fundstellen: beweis 0, bewies 2 (experimentell bewiesen), zeig 3(von 5, 2 Pseudo), Satz 18 (10 Proportionalitätssatz, 1 Satz für Empfindungen, 4 Persistenzssatz, 1 Satz auf alle Umstimmungen, 1 Fechner-Helmholtzscher Satz, 1 Helmholtzscher Satz), Gesetz 1 (Gesetzmäßigkeit, von 9 mit 8 Pseudos wie z.B. fortgesetzt); wider 2 (widerlegen, Widerspruch), ableit 0, abgeleit 1, Annahme 11, vorausge 1, vorauss 0.
ZBKD1: Obwohl das zentrale Wort "beweis" nicht vorkommt, spielen Beweisthemen in der Dissertation Karl Bühlers eine große Rolle, wie man den Fundstellen der Beweissuchkürzel erntnehmen kann. Hier könnte sich das volle Programm der - inzwischen 74 - Beweisthemasuchkürzel lohnen.
ZBKD-Fazit: Die Dissertation Karl Bühlers zur Umstimmung des Sehorgans ist eine Fundgrube für Beweisthemen, hier in der Physiologie des Auges.
Ende der Zusammenfassung Dissertation
Bühler 1903
_
5: "Zur Lösung des ersteren Problems verwertete v. Kries die
überaus übersichtliche Konstruktion der Newtonschen Farbentafel
diese Anwendung setzte aber die Gültigkeit
zweier allgemeiner
Sätze voraus, die er als den
Persistenz-
und
den
Proportionalitätssatz bezeichnet
hat.
Der erstere besagt: «Wenn zwei Lichtgemische
dem
neutral gestimmten Sehorgan gleich erscheinen, so erscheinen
sie auch dein irgendwie umgestimmten gleich», also : «optische
Gleichungen sind von der Stimmung, in der sie gelten, unab-
[>6]
hängig». Er wurde schon
im Jahre 1878 von Herrn v. Kries als
Konsequenz aus der Joung-Helmholtzschen Theorie
abgeleitet
und auch experimentell bewiesen.
Erst viel später zeigte es sich, daß
der Satz für Empfindungen
der Netzhautperipherie bei Adaptationsänderungen des Auges
bei Trichromaten nicht strenge,
bei Dichromaten nicht einmal
annähernd gültig blieb
; eine Tatsache, die durch die Annahme
der Einmischung des Dunkelapparats ihre befriedigende Erklärung
fand. Da wir nun seitdem in dem Helmholtzschen Spektralappara-
rat, besonders bei Einschaltung des Lummerschen Würfels,
einen viel vollkommeneren und bequemeren Apparat zur Herstellung
von Farbengleichungen erhalten haben,
so erschien es
wünschenswert, den Persistenzsatz wegen seiner für
die Um-
stimmungserscheinungen grundlegenden Bedeutung systematisch
und mit Ausschluß der Bedingungen,
die ihn ungültig machen,
nachzuuntersuchen. Diese Arbeit habe ich auf Veranlassung
des Herrn Geheimrats v. Kries im Sommer 1902 im hiesigen
physiologischen Institut durchgeführt.
1) Vergl. J. v. Kries, Theoret. Studien
über die Umstimmung des
Sehorgans (Festschrift der Univ. Freiburg zum 50jähr.
Regierungsjubiläum
des Grofsh. v. Baden, S. 145 ff.).
Bühler, Karl (1927) Die Krise der Psychologie. Jena: Fischer [223 Seiten] |
Fundstellen: beweis 43, bewies 8, gesetz 110 (ungesichtet), wider 27 (37 - 8 Widerstand - 1 widerfahren - 1 widerstreb), Annahm 39, behaupt 23. Nach erster grober Sichtung am 13.4.23 habe ich keine Verbesserung des Beweisens gefunden. Der Umweg über Wundt und Darwin klärt und hilft auch hier nicht.
Bühler, Karl (1926) Die Krise der Psychologie. Kant-Studien 31, 1-3, [72 Seiten] |
ZBKLK-Zusammenfassung-Karl-Bühler-Krise der Psychologie1926 (Kant-Studien, 72 Seiten)
ZBKLK0: Fundstellen: beweis 16, bewies 4, gesetz 59 (davon ein paar Pseudos wie "eingesetzt"), wider 9 (von 12 mit drei Pseudos wie "widerfahren"), Annahm 20, behaupt 10.
Es werden folgende Beweisthemen erörtert und zusammengefasst:
__________
ZBKLK1: Einheit der
Psychologie (Interpretation)
Ende Zusammenfassung Krise der Psychologie nach den Kant-Studien 1926 (72 Seiten)
_________
Textbelege unklarer Beweis von Bühler
466-468
"beweis" wird erwähnt S. 456 (2), 462, aber erst S. 466 mit eigenem
inhaltlichen Anspruch. Ich habe diese erste Gelegenheit genutzt, um den
von Bühler S.466 erwähnten Beweis, nachzuvollziehen. Dies sei
im folgenden dokumentiert mit folgendem Ergebnis:
666-FN1 W. Wundt, Die Sprache II,
2, S. 635f. Die anderen Zitate auf den
darauffolgenden Seiten.
überhaupt gilt, das gilt auch von den Ausdrucksbewegungen,
die zu jenen
als ihre natürlichen Komplemente gehören, und
die Sprache ist demnach
nichts anderes als diejenige Gestaltung der Ausdrucksbewegungen,
die der
Entwicklungsstufe des menschlichen Bewußtseins
adäquat ist. Dieses menschliche
Bewußtsein läßt sich ohne Sprache gerade
so wenig denken, wie sich
Sprache ohne menschliches Bewußtsein denken läßt.
Darum sind beide miteinander
und durcheinander geworden, und die Frage, ob die Vernunft
oder
die Sprache das Frühere sei, hat ebensowenig einen
Sinn wie die berühmte
Streitfrage, ob das Ei oder die Henne früher sei."
Man erkennt in diesen Sätzen eine einfache
und klar aufgebaute
Axiomatik, die streng formuliert in drei Schritten
zu entwickeln wäre.
Obenan steht das Parallelenaxiom von der durchgehenden Bindung
wahrnehmbarer
Körperbewegungen an alle seelischen Regungen. Im zweiten
Schritt wird der Entwicklungsgedanke
aufgenommen und die Konsequenz
gezogen, daß uns die ganze Mannigfaltigkeit des Seelischen vom
niedersten
Tier bis zum Menschen an der wahrnehmbaren Mannigfaltigkeit
der Ausdrucksbewegungen lesbar vor Augen steht. Der dritte
Schritt
endlich wird vorbereitet durch die noch nicht zitierte Annahme,
daß aus
dem Ganzen der Ausdrucksbewegungen die Lautsprache als ein relativ
selbständiger Sektor hervorgeht. "Hiernach dürfen wir annehmen,
daß
sich die Lautsprache ursprünglich mit und an der Gebärdensprache
entwickelt
und daß sie sich erst allmählich unter dem Einfluß
dauernden
Zusammenlebens von ihr gelöst und verselbständigt hat." Also
nur im
Vorbeigehen sozusagen und um die relative Verselbständigung der
Lautsprache
zu erklären, wird der Einfluß der Gemeinschaft in die Sprachtheorie
eingeführt. Dann wird die Menschensprache in toto ausdrücklich
noch einmal unter das Parallelenaxiom gestellt. Auch in ihrer höchsten
Ausgestaltung ist und bleibt sie, was sie war, nämlich ein gesetzmäßiger
Ausfluß und damit, wenn man so will, ein Halt und eine Stütze
des individuellen
Seelenlebens.
Dies letztere steht freilich nicht gerade im besten
Einklang mit Wundts
Auffassung von der "Volksseele" und der ausdrücklichen Abhebung
der
Völkerpsychologie von der Individualpsychologie. Allein bei genauerem
Zusehen ergibt sich, daß diese Unterscheidung nicht reinlich
zu Ende
gedacht ist. Der wunderliche Begriff einer Gemeinschaftsseele tritt
wie
anderwärts der "Gesamtwille" und die "Gesamtpersönlichkeit"
nur im
Programm, nur in der Einleitung zur Völkerpsychologie auf, um
bei der
Ausführung so gut wie vollkommen ohne Verwendung zu bleiben. Wundt
ist faktisch nicht über die Erlebnispsychologie hinausgekommen;
das geht
im Grunde schon aus der Tatsache hervor, daß er genau nach dem
Muster
der Einzelseele einen Träger für die "gemeinsamen geistigen
Erzeugnisse"
sucht, um sie dann doch wieder restlos in die Einzelobjekte einzubetten.
Es wird ein Kriterium für den Fortschritt in den konstituierenden
Begriffen sein, daß solche zweifelhaften Konzeptionen wie die
Volksseele [>668]
Zögernd nur da und dort einmal, aber ohne rechten Ernst und rechtes
Vertrauen auf die Beantwortbarkeit, hat man zu Wundts Zeiten die
Frage nach dem Sinn eines Ganzen gestellt. Hier wäre sie durchaus
am
Platze gewesen; denn solch ein konstitutives Axiom wie das von der
durchgehenden Bindung alles Seelischen an wahrnehmbare Ausdrucksbewegungen
müßte sich vor der Frage: wozu das Ganze? verantworten
lassen. Man beachte scharf, daß nicht etwa von der Hypothese
des
psycho-physischen Parallelismus, sondern von einer viel weiter gehenden
und spezielleren Bindung des Seelischen an körperliche Vorgänge
die
Rede ist. Dem psychophysischen Parallelenaxiom wäre ja durch äußerlich
unwahrnehmbare Vorgänge im Nervensystem oder sonstwo im Körper
genau so gut wie durch wahrnehmbare Genüge geleistet. Nein, man
müßte schon beide Begriffsmomente, das von der Wahrnehmbarkeit
und
das von der Ausdrucksfunktion der Körperbewegungen bis zur Unbrauchbarkeit
des ganzen Begriffs verallgemeinern, verwässern, um das konstitutive
Axiom der Wundtschen Sprachtheorie als eine Konsequenz
der psychophysischen Parallelitätsannahme zu begreifen. "Vorgänge
des
Bewußtseins nach außen kundgeben" - wem kundgeben? Doch
wohl
nicht nur dem forschenden Psychologen, der mit raffiniert erdachten
Instrumenten beobachtet, sondern allen Artgenossen, die darauf vorbereitet
und dafür ausgerüstet sind, von den Kundgaben Notiz zu nehmen.
Und hier liegt der Angelpunkt einer fruchtbaren Kritik. Zu einer Kundgabe
im spezifischen und einzig brauchbaren Sinn des Wortes wird
irgendeine Körperbewegung erst in Relation zu einem wirklich vorhandenen
oder mindestens fingierten Kundnehmer; Kundgabe und Kundnahme
sind nur als korrelative Begriffe definierbar. Wer Pointen
liebt, könnte die These vertreten, daß Wundts und vor ihm
Darwins
Theorie der Ausdrucksbewegungen unabgeschlossen und unbefriedigend
bleiben mußten aus mangelnder Einsicht in diesen logischen Sachverhalt.
Verstöße gegen die Logik aber sind in der Regel sachlich
begründet,
und in unserem Falle liegen die Dinge so, daß man mit den Mitteln
einer
Betrachtungsweise nur vom Individuum aus etwas leisten wollte, was
sie
grundsätzlich nicht zu leisten vermag .
2. Obwohl es hier nur darauf ankommt, diesen allgemeinen
Satz an
einem exemplarischen Falle einsichtig zu machen, so sei es mir doch
gestattet, in abstraktem Beweisgang zu zeigen, wie auch Darwin nach
einer
vielversprechenden Problemstellung auf dieselbe Sandbank geraten ist.
Der Anfang ist einwandfrei. Denn wenn irgendein erster, allgemeiner
Satz.
über die Körperbewegungen der Tiere und des Menschen schlechthin
[>669]
Die nächste Möglichkeit, einen Beweis zu prüfen,
bietet Bühler S. 477:
__________
Beweis der Unzulänglichkeit der Sprachtheorie
Wichtig erscheinende Beweisbegriffe 14pt-fett-kursiv hervorgehoben.
ZBKKa-Sprachtheorie
BKKa477: ".... Es erhebt sich die Frage,
welche Konsequenzen sich daraus für die Psychologie der Sprache
ergeben.
Ich beantworte sie dahin, daß noch einmal ein neuer Ansatz möglich
und nötig wird und bringe dazu vorerst nur den kritischen Teil
des Beweises
von der Unzulänglichkeit jeder Sprachtheorie, die ohne ihn auszukommen
versucht. "
...
BKKa478: ".... Nach den Gesetzen der Logik ist
es keineswegs
ausgeschlossen, daß man beim Fortschritt der theoretischen Bewältigung
eines Gesamtgebietes an bestimmter Stelle zur Aufnahme
neuer Axiome gezwungen ist. Ich
behaupte,
dies trifft für die Sprachtheorie
zu. Vorsichtiger und logisch exakter formuliert, wir können nur
beweisen, daß die bis hierher
entwickelte Axiomatik für die Menschensprache
nicht ausreicht. Ob und wie weit etwa die Verhaftung an die
Logik, die wir in der Menschensprache antreffen, auch in die vormenschlichen
semantischen Einrichtungen hinabreicht, mag als eine
offene Frage bestehen bleiben.
Überblicken wir noch einmal den ersten und
den zweiten Schritt unserer
eigenen Theorie. Erstens: wo immer ein echtes,
d. h. sich selbst regulierendes
Gemeinschaftsleben besteht, muß
es eine Steuerung des sinnvollen
Benehmens der Gemeinschaftsglieder
geben. Zweitens: wo die Richtpunkte
der Steuerung nicht in der gemeinsamen Wahrnehmungssituation
zu finden
sind, müssen sie durch einen Kontakt höherer
Ordnung vermittelt werden. [>478]"
Ich übergehe die Inhalte (Bienen, Ameisen) Seiten 479f und zitiere
nun einige andere Beweisthemen
und Beweisbegriffe:
BKKa480f: "Noch einmal beides zusammengehalten,
die Entstofflichung der Verkehrsmittel,
genauer gesagt der Schritt von der Stoffprobe zum echten Zeichen
und eine prinzipielle Ablösbarkeit von den Dingen, als deren Zeichen
es
fungiert. Erst beide in eins böten die Gewähr dafür,
daß eine gegebene
Semantik, die wir nur von außen her beurteilen können, auf
unserer dritten
Entwicklungsstufe steht. Weder die Ablösung allein, wenn der Charakter
[>481]
einer Stoffprobe erhalten bleibt, noch die Selbsterzeugung allein,
wenn die
prinzipielle Ablösbarkeit fehlt, beweisen,
daß Zeichen von der Dignität
unserer Namen vorliegen, beweisen, daß zwischen Sender und Empfänger
rein ideelle, d. h. kraft reiner Zuordnung fungierende Gegenstandszeichen
ausgetauscht werden oder ausgetauscht werden könnten. Auf diese
Möglichkeit
kommt es an. Das eingeschlagene Beweisverfahren
ist ein Indizienbeweis,
der wie jeder andere seiner Art geschlossen sein
muß, um bündig
zu
sein; der Arzt kennt aus seinem Erfahrungsbereich analoge Fälle,
wo zwei
Symptome nur kombiniert eine Beweiskraft
besitzen. Was die Sache angeht,
so kann man sagen: wo beide Symptome vorliegen, da ist ein Entwicklungsschritt
vollzogen, der mit dem Ubergang vom primitiven Tauschverkehr der
Sachgüter zum Papiergeld verglichen werden darf. Oder noch einmal
anders
ausgedrückt, G. Simmel hat einmal, um ganz allgemein die Eigenart
der
menschlich geistigen Stufe im biologischen Entwicklungsgang zu charakterisieren,
von der Wendung zur Idee gesprochen. Damit ist ziemlich exakt
das tertium unseres Vergleiches getroffen. Die Zuordnung der Namen
zum
Genannten ist ebenso wie die Zuordnung der Assignaten zu ihren ökonomischen
Werten eine rein ideelle Relation, während man bei der Goldmünze,
richtiger beim Goldbarren, wie beim reellen Duftaustausch der Bienen
trotz
ihrer semantischen Funktion vom Stoffwert des Kommunikationsmittels
noch nicht derart frei geworden ist, daß seine Ersatzmöglichkeit
durch ein,
kraft reiner Zuordnung, in Kurs gesetztes Zeichen für dieselbe
Gemeinschaft
garantiert erscheint."
BKKa492: "... So unentbehrlich die geometrischen
Konzeptionen
Keplers gewesen sein mögen, der Beweis für
die Gültigkeit der Bewegungsgesetze
der Planeten mußte durch die astronomische
Induktion erbracht
werden, und auch die Leistung Newtons hat daran prinzipiell nichts
geändert.
Kein moderner Erkenntnistheoretiker verwechselt die an glücklich
erdachten Modellen abgelesenen Strukturgesetze
mit den induktiv [>493]
bewiesenen Sätzen der Physik.
Ich behaupte, für die Psychologie
gelte
dasselbe."
__________
Sinnbegriff mit eigenenm Bürgerrecht
in der Psychologie
BKKa501: "5. Der Begriff
der Steuerung ist mir selbst aus der Sprachtheorie erwachsen;
ich will versuchen, mit seiner Hilfe logisch klarzulegen,
daß
und warum der Sinnbegriff sein eigenes Bürgerrecht
in der Psychologie
besitzt, daß und warum die Zweckprobleme
durch Strukturannahmen allein
nicht zu lösen sind. Diese
Überlegungen richten sich gegen den Physikalismus
jüngsten Gepräges in der Psychologie. Tatsachenmaterial zu
unserem Beweisverfahren könnte
aus allen Distrikten der Psychologie
erbracht werden. Wer z. B. über
den von Jennings bündig gemachten
Nachweis, daß das einfache
physikalische
Modell der Tropismentheorie
nicht einmal das Verhalten der Amöben, geschweige denn das der
höheren
Tiere zu erklären vermag, nachdenkt,
wird
schon von hier aus auf die entscheidenden
Punkte hingelenkt. Wenn ein mit
menschlichen Ruderern
besetztes Boot einem Ziel entgegenfährt, geschieht das entweder
ohne oder
mit einem eigenen Steuermann, ohne oder mit einer reinlichen Zerlegung
der Gesamttätigkeit in die zwei Komponenten eines Gesteuerten
und
eines steuernden Geschehens, das von einer Zentralstelle ausgeht. Aber
vorhanden und wirksam ist unter allen Umständen
die Führung [RS: auch ohne Steuermann?], das
zentrale Steuerungsmoment. Auch das Benehmen der Tiere erweist sich
fast durchgehend als zentral gesteuert
und zeigt so viele Freiheitsgrade,
daß zwischen Zielsetzung ( Zielaufnahme) und Ausführung
von vornherein
theoretisch unterschieden werden muß [RS: wieso nur theoretisch?].
Doch ist es methodisch richtiger,
in dieser Angelegenheit vom Menschen auszugehen,
sei es vom Einzelnen
und seinen Zielen, sei es von Gemeinschaftszielen
und wie sie gesetzt
werden."
__________
Begriff der Struktur
BKKa514: "... Dabei muß der Begriff
Struktur in dem
weitesten Sinn genommen werden, weil ein allgemeiner
Beweis intendiert
ist. Was für die Struktur als
solche unmöglich ist, ist es auch
für Sinn- und
Wertstrukturen. Es liegt zunächst
nichts als die unbestimmte Anweisung
[RS: mit Unbestimmtem und Ungefährem kann man nichts beweisen]
vor, zwei in eins zu denken, zwei
Kategorien
auf dasselbe Verhältnis
anzuwenden, ungefähr so, wie
wenn die Sprache ein Kompositum
"Strukturwechselwirkung" oder "Wechselwirkungsstruktur"
bildet
und
es der Deutung des Verstehenden,
der die Sachen kennt, überläßt, wie
er die Bedeutungskomplexionvollziehen
will."
__________
Beweiserwähnung dass die verschiedenen Richtungen
aufeinander angewiesen sind
BKKa520: "Es ist wahr, man tut das in verschiedener
Art, die
Engländer Stout, Shand, Mc Dougall als Erlebnispsychologen,
Lloyd Morgan
und die Behavioristen mehr im Gedankenzuge der
Psychophysik,
ich habe in einem Sammelreferat versucht zu beweisen,
daß sie gegenseitig
aufeinander angewiesen sind, und
wüßte auch für das, was Spranger
vorschwebt, noch einen Platz im
System anzugeben. "
Bühler, Karl (1907) Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. Über Gedanken. Archiv für die gesamte Psychologie, 9, 297-365. Kürzel: BKPD |
ZBKPD-Zusammenfassung Psychologie der Denkvorgänge
ZBKPD0: Fundstellen: beweis 7; bewies 0; zeig 29 (ungesichtet); behaupt 4; wider 5 ( mit 4 Pseudo wie z.B. erwidern); 5 gesetz (20 mit 10 Pseudos und 5 grammatische Gesetze): Naturgesetz., Kontiguitätgesetz, Erinnerungsgesetze, 2 Assoziationsgesetze; ableit 2; widerleg 3.
ZBKPD1 Faden verloren: Mit einem Gedanken nichts
anfangen könne beweist, den Faden verloren zu haben.
ZBKPD2 Aha-Beweiserlebnis: plötzlicher Einfall
und Einsicht, wie ein Beweis geht.
ZBKPD3 Beweisbehauptung, dass die Versuchsreihe
keinen Einfluss auf den Einzelversuch hat.
ZBKPD4 Beweiskraft erhalten durch Verbergen des
Versuchszweckes.
ZBKPD5 Beweis, den Grund für ein Ausgangsmoment
woanders zu suchen.
ZBKPD6 Direkter Beweis für das Einfallen
von Gedanken.
ZBKPD7 Beweis, dass Einfallen nichts Selbstverständliches
ist, durch die Fälle, wo Einfallen nicht eintritt
BKPD-Fazit: (1) Beweis und Beweisthemen werden in dieser Arbeit zwar oft Denkerlebnissen zugeordnet, aber nicht eigens erklärt oder erörtert, spielen aber implizit eine beachtliche Rolle. (2) Insgesamt bietet Bühler hier für die Denkpsychologie wichtige und auch sehr originelle Beweisideen. (3) Ein tieferes und besseres Verständnis dieser denkpsychologischen Arbeit erfordert weitere Auseinandersetzung.
_________________________
Fundstellen im Textkontext
ZBKPD1 Faden verloren: Mit einem Gedanken nichts
anfangen könne beweist, den Faden verloren zu haben.
BKPD8 "... Es garantiert die Einheitlichkeit des Denkprozesses
und
ist der Ausdruck einer Kontrolle, die der Denkende selbst ausübt
über das, was in ihm vorgeht.
Wenn sie gänzlich fehlen, hat der Denkende die Orientierung verloren;
er steht bei einem einzelnen
Gedanken ohne zu wissen, was der eigentlich hier leisten soll. »Was
soll mir das?« »Wie komme
ich doch darauf?« Das sind Fragen, die nicht nur einem zerstreuten
Redner, sondern auch bei
verhältnismäßig kurzen Denkprozessen vorkommen können
und dann beweisen, daß man den
Faden verloren hat. Der »Faden« ist eben nichts anderes
als die Gesamtheit jener
Bewußtseinsinhalte. ..."
_______
ZBKPD2 Aha-Beweiserlebnis: plötzlicher
Einfall und Einsicht, wie ein Beweis geht
BKPD13: "Es muß wohl in die Augen springen, daß diese Beschreibungen
typisch sind für sehr viele
Fälle unseres gewöhnlichen Denkens. Man trifft auf einen
etwas schwierigeren fremden Gedanken,
stutzt ein wenig und plötzlich geht einem das Verständnis
auf wie durch eine Erleuchtung. Man darf
dabei nicht übersehen, daß hier nicht das schlichte Vorhandensein
eines allgemeineren Gedankens
das ganze Erlebnis ausmacht; nein, erst die bewußte Beziehung
desselben zu dem zu
verstehenden bringt diesem jene »neue Beleuchtung «, die
»eigene Färbung«, von der
die Vp. häufig berichten und mit der sie das Charakteristikum
des verstandenen Satzes gegenüber
dem unverstandenen treffen wollen. Wenn der Prozeß durch irgendwelche
Umstände in die Länge
gezogen wird, kommt diese Beziehung in einem besonderen Akt zum Bewußtsein:
»ich wußte, daß
ich ihn daraus ableiten könnte«,
oder »daß ich es damit beweisen
könnte«, »ich wandte das auf
unseren Gedanken an« oder schlicht »ich kehrte damit zu
unserem Gedanken zurück«.
D. N66. »… da kam plötzlich der Begriff
einseitige Wahrheiten (innerlich gesprochen) u n d i c h w
u ß t e ,
d a ß i c h d e n S a tz d a m i t
b
e w e i s e n k ö n n t e .«
_______
ZBKPD3 Beweisbehauptung, dass die Versuchsreihe
keinen Einfluss auf den Einzelversuch hat
BKPD34 "Wenn wir nun eine geordnete Zusammenstellung der Ergebnisse
unserer Versuche zu bieten
unternehmen, so bleiben wir zunächst noch im Rahmen dieser Versuche
selbst, wir geben eine
Beschreibung des Versuchsverlaufs, haben aber dabei schon das Ziel
im Auge, aus ihr das Material
für eine Differenzierung und gesetzliche
Bestimmung der realen Gedankenzusammenhänge zu
gewinnen. Die Einheit, die wir dabei analysieren, ist stets nur der
Einzelversuch, die Versuchsreihe,
der Verband der Einzelversuche einer Sitzung, interessiert uns als
solche nicht weiter. Diese
Isolierung des Einzelversuchs aus seiner zeitlichen Umgebung bedarf
natürlich eines
Berechtigungsnachweises, der darin
besteht, daß man zeigt, daß diese Umgebung keinen
wesentlichen Einfluß auf den Einzelversuch selbst ausübt.
Das ist in der Tat so, aber wenn wir es
hier erst beweisen wollten, müßten
wir die ganzen Ergebnisse schon vorausnehmen. Wir
beschränken uns also hier auf die Aufstellung dieser Behauptung,
ihre Richtigkeit müssen die
Erörterungen selbst erst erweisen."
_______
ZBKPD4 Beweiskraft erhalten durch Verbergen
des Versuchszweckes
BKPD39 "Es ist ganz selbstverständlich, daß die Vp. nichts
von dem Versuchszweck wissen durfte und
von diesen Beispielen überrascht werden mußten, wenn sie
irgendeine Beweiskraft haben sollten;
ich hatte sie in gewöhnliche Analogiereihen eingestellt. Doch
das nur nebenbei. [54]"
_______
ZBKPD5 Beweis, den Grund für ein
Ausgangsmoment woanders zu suchen
BKPD44 ".... Wir fragen jetzt nur: Trägt das
Ausgangserlebnis einen besonderen Erlebnischarakter an sich ? Die Antwort
lautet:
nein, an sich kann man es einem Erlebnis nicht ansehen, ob es zum Ausgang
einer Erinnerung
werden kann, oder wenn diese schon eingetreten ist, warum es das wurde.
Man könnte vermuten,
ein Inhalt werde durch eine besondere Beachtung zum Ausgangsmoment
und wir haben ja in den
zitierten Protokollen tatsächlich häufig gefunden, daß
das Ausgangsmoment besonders
hervorgehoben, isoliert wurde oder daß es sich aufdrängte.
Aber diesen Fällen gegenüber könnten [>44]
wir auch andere anführen, wo das, was als Ausgangsmoment zu betrachten
ist, gar nicht besonders
hervorgehoben, ja nicht einmal besonders beachtet wurde, wo daher auch
die Vp. nachträglich gar
nicht mehr angeben kann, was nun eigentlich den Anstoß zu der
Erinnerung gegeben hat. Das
beweist, daß wir den Grund,
warum ein Inhalt als Ausgangsmoment fungiert, wo anders zu suchen
haben. Wo, können wir vorläufig nur noch einmal mit dem Begriff
Richtung des Gedanken[
61]fortschritts andeuten. Was wir als Aufmerksamkeit bezeichnen, das
kann wohl in den Dienst
dieser Richtung treten, braucht es aber nicht. Die Aufgabe kann, symbolisch
gesprochen, auch ohne
diesen Dienst ihr Ziel erreichen."
_______
ZBKPD6 Direkter Beweis für das Einfallen
von Gedanken
BKPD51: "Einen direkten Beweis für
das Einfallen von Gedanken würden natürlich am besten Fälle
zu
bieten vermögen, in denen ein Gedanke sich aufdrängte ohne
Worte. Es scheint aber nun gerade
eine Eigentümlichkeit der sich aufdrängenden Gedanken zu
sein, daß sie fast stets von Worten [>52]
begleitet sind. Es sind nur ganz wenige Beobachtungen, die ich glaube
in dem angegebenen Sinne
deuten zu dürfen."
_______
ZBKPD7 Beweis, dass Einfallen nichts Selbstverständliches
ist, durch die Fälle, wo Einfallen nicht eintritt
BKPD61: "Daß das was hier als »einfallen« beschrieben
wird, nicht etwas Selbstverständliches ist, etwas,
ohne das man überhaupt nicht zu den Worten kommen kann, das beweisen
deutlich die Fälle, in
denen es nicht eintritt, in denen die Vp. sich bewußt ist: die
Worte, die ich jetzt ausgesprochen habe,
habe ich selbst gewählt. Zu den schon oben S. 63 angeführten
und auch in anderen Protokollen
schon mitgegebenen zerstreuten Belegen dafür seien hier noch folgende
gefügt:
D. P10. – Ja (6''). – (Das Nomadenideal.)
– »Ich hatte zuerst das Bewußtsein: etwas Gegensätzliches;
dann
bestimmter, was. Und dann habe ich das ausgedrückt.
O b d a s Wo r t g e n a u s o ge l a u t e t
h a t , w e i ß i c h
n i c h t .«"
Bühler, Karl (1933) Ausdruckstheorie. Das System an der Geschichte aufgezeigt. Jena: Fischer. [Online] |
Fundstellen: beweis 27, bewies 6, gesetz 10, zeigt 40, ableit 8, wider 43 (mit einigen Pseudos wie z.B. unwiderstehlich), demnach 4, Folgerung 2, folgt
Bühler, Karl (1934) Sprachtheorie. Jena: Fischer. 1965 Ullstein: [Online] |
Fundstellen: "beweis" 77, bewies 9, verifi 22, zeig 723 (ungesichtet), behaupt 68, ableit 18.
Über Karl Bühler (Auswahl):
Allein äußerliche Analogien in der Reaktion auf physikalische
bzw. chemische Reize veranlassten Loeb, bei Pflanzen und Tieren gleichartige
Regulationsvorgänge auf Reize zu postulieren sowie die Funktion des
Nervensystems bei Tieren zu negieren. Die mit der Tropismenlehre vertretene
Auffassung, dass Verhalten und Orientierung der Tiere aus Tropismen als
reizbestimmten, zwangsmäßig ablaufenden automatischen Reaktionen
bestehe, ist nicht nur theoretisch unhaltbar, sondern auch experimentell
widerlegt.
Heute versteht man unter Tropismus die Bewegungen der Pflanzen bzw.
ihrer Organe, die in einer bestimmten Beziehung zur Richtung der einwirkenden
Reize stehen. Sie sind von den Nastien als strukturbedingte, von der Richtung
der Reizeinwirkung unabhängige Bewegungen der Pflanzen einerseits
und von den Taxien freibeweglicher einzelner Organismen andererseits zu
unterscheiden.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site:www.sgipt.org. |
Copyright & Nutzungsrechte
Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen
Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht inhaltlich
verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle
benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten
oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen.
Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden.
Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um
Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht,
sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
korrigiert:
[interne Hilfen:
Behauptung:
Beweisidee:
Beweisskizze:
Beweisvoraussetzungen:
Beweisbegriffsbasis:
Beweisdurchführung:]