Lecat, Maurice
(25.2.1935).
Erreurs de Mathématiciens des origines à
nos jours.
Bruxelles: Librairie Casteigne. Louvain: Librairie Ém.
Desbarax.
aufbereitet von Rudolf Sponsel, Erlangen
Zum Inhaltsverzeichnis. * Vorwort Französisch-Deutsch * Zum Autor Maurice Lecat. Biographie in Deutsch * Rezensionen *
TABLE DES MATIÈRES
PRÉFACE VII.
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nicht irren, weil sie sich nichts Vernünftiges vorsetzen. Goethe, 1823 Im Jahr 1886 veröffentlichte ein eher unbekannter Spanier ein Büchlein mit dem Titel „Errores en Matemáticas“ [1] (Irrtümer in der Mathematik), dessen Gegenstand es war, den Eingang von Fehlern in die Wissenschaft zusammenzutragen, wie es im Vorwort heißt: (Aus dem Spanischen: „Wir glauben, daß ein Buch sehr wohl von Nutzen wäre, worin man die Irrtümer, welche Eingang in die Wissenschaft gefunden hatten, verzeichnen könnte ...“). Dieses Werk jedoch ist nur Produkt weitschweifiger Allgemeinbetrachtungen über ein paar angebliche Irrtümer oder Absurditäten, zum Beispiel über die Verwendung der Imaginärzahlen in der Mathematik. Vier oder fünf Autoren werden dort zitiert, aber nicht eine einzige bibliographische Belegstelle lässt sich da finden. 1904 äußerte ein gelehrter französischer Ingenieur, Herr Ed. MAILLET, Herausgeber des „Intermédiaire des Mathémaciens“ (auf deutsch etwa: der „Mitteilungen aus der Mathematik“) den Wunsch [2], dass in dieser Zeitschrift „... eine Sammlung von Irrtümern angesehener Mathematiker (klar fehlerhaft definierte Eigenschaften, verkehrte Beweise, Rechenfehler, usw.) oder von ihren in sich widersprüchlichen Meinungen ...“ aufzustellen sei. Und Herr MAILLET gab bei dieser Gelegenheit fünf bis sechs typische Beispiele dazu. Im Laufe der folgenden Jahre brachten diverse Mitarbeiter des „Intermédiaire“ mehrere Listen. Der Autor des vorliegenden Bandes veröffentlichte auch eine gewisse Anzahl aus Anlass seiner Forschung über die höheren Determinanten und vor allem anlässlich seiner Mitarbeit an der „Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften“, besonders hinsichtlich der Variationsrechnung und der trigonometrischen Reihen. Die Gesamtheit all dieser Verzeichnisse allerdings ist relativ schmal. Das vorliegende Werk stellt, ungeachtet aller Beschränkungen, die es mit sich bringt, - und die wir weiter unten auch offenlegen – fast 500 Irrtümer, begangen von etwa 330 Mathematikern, zusammen, von denen recht viele berühmt sind, (1) (Aus d. Span.) Irrtümer
in der Mathematik von D. Luciano NAVARRO, Doktor der Wissenschaften und
Studienrat für Mathematik in Salamanca. – Salamanca 1886 (ab hier
aus d. Frz.) [1887 auf dem Einband], 103 Seiten (13 x 21), mit 15 Abb.
auf zwei Tafeln. Die Nationalbibliothek von Madrid besitzt dieses ziemlich
seltene Werk.
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als da wären: Abel, Cauchy, Cayley, Chasles, Descartes, Euler,
Fermat, Galilei, Gauss, Hermite, Jacobi, Lagrange, Laplace, Legendre, Leibniz,
Newton, Poincaré und Sylvester.
Allgemein kann man sagen, je bedeutender ein Mathematiker, um so produktiver ist er und desto schwerer lastet ein Fehler auf seinem Gewissen. Stoff für Skandale gibt es nicht. Wenn das Werk beispielsweise – wie es bei Euler der Fall ist – sich auf etwa 60 volle Quartbände erstreckt, so versteht man leicht, dass dabei ein paar Mal ein Versehen hatte unterlaufen können. Wie es schon bei Goethe heißt: Diejenigen, welche sich nichts Vernünftiges vorsetzen, haben es allzu leicht, wenn sie sich gar nicht irren. Jedoch gibt es geniale Mathematiker, die sich nie geirrt haben, der berühmteste unter ihnen ist unbestritten Galois – dessen Leben so kurz wie von Unruhe gehetzt war. Ihm zur Ehre und zu seinem Gedenken widmen wir eine Seite mit seiner Kurzbiographie. Das Hauptnachschlagewerk ist so sortiert, indem es in alphabetischer Anordnung über die (Namen der) Irrtumsurheber vorgeht. Wir geben für jeden recht knapp die wichtigsten Hinweise auf seine Lebensgeschichte. Die Kurzdarstellung der Irrtümer und deren Korrektur teilt sich auf vier Spalten auf. In der ersten Spalte erfolgt die Angabe des Stoffes der Abhandlung und in der zweiten der Beleg dazu aus dem Schrifttum; die dritte Spalte hält fest, welcher oder welche Autoren den Irrtum aufgedeckt oder berichtigt haben, wobei wir dessen Art deutlich machen; dazu steht in der letzen Spalte der Hinweis auf das Schrifttum. In diesem Hauptnachschlagewerk, das drei Viertel der Sammlung beansprucht, werden die Irrtümer numeriert (siehe erste Spalte, zwischen fettgedruckten eckigen Klammern). Anschließend kommen im Buch: Ein ausführliches Verzeichnis nach Sachgebieten, dann, abwechselnd zu den Fehlern und zu den Korrekturen, Listen, die drei Sortierkriterien entsprechend vorgehen: die eine nach Zeitschriften, die zweite nach Jahreszahlen und die dritte nach Autoren. Dank der Numerierung (Anm.: der Irrtümer) beziehen sie sich alle auf das Hauptnachschlagewerk. (1) Journal des Sçavans für 1693, Neuauflage, Paris 1729, S. 100. |
Nun noch ein paar Worte zu dem, was genau Gegenstand
dieser Sammlung ist und worin wir uns dabei Beschränkungen auferlegt
haben. Ihrem Wesen nach ist sie ein Verzeichnis von Irrtümern mit
dem Zweck ihrer Korrektur. Das (von uns) verfolgte Ziel ist nicht so sehr
von historischer Art. Prinzipiell in die Sammlung aufgenommen sind nur
die logischen Irrtümer, welche – mehr oder weniger – immer noch üblich
sind, ausgenommen solche, die jedermann wohl schon erkannt und aufgegeben
hat. Und darum lässt die Sammlung die Beweise zum Postulat des Euklid
außer Acht, welche so zahllos wie unvermeidlich falsch sind, wie
auch jede Konstruktion zur sogenannten Quadratur des Kreises. Die Einbeziehung
– wir sind versucht, zu sagen: der aufdringliche Zustrom – all dieser Fehler
hätte das Anschwellen der Sammlung auf das Fünf- oder gar das
Zehnfache zur Folge gehabt. Grundsätzlich erst recht haben wir auch
nicht in Betracht gezogen die Spekulationen mit Zahlenmystik und ähnlichem;
sonst hätten wir uns gezwungen gesehen, in das Verzeichnis den Inhalt
jeden Buches über Astrologie und sonstige Geheimwissenschaften aufzunehmen,
die sogar von Gelehrten ersten Ranges wie Cardano und Kepler (einst) praktiziert
worden waren.
Allerdings wurden diese Grundsätze nicht unumschränkt befolgt und in einigen Sonderfällen haben wir uns darüber entschlossen hinweggesetzt, wenn das von besonderem Interesse war, dazu beizutragen, einen Aspekt aus den Charakterzügen gewisser Autoren festzuhalten. Auch bezüglich anderer Gesichtspunkte erfolgte eine Einschränkung. Der überwiegende Teil der Forschung zur Variationsrechnung vor 1870 beruht auf ungenauen oder unzulänglichen Methoden. Eine vollständige Liste der dort begangenen Fehler aufzustellen, liefe beinahe darauf hinaus, eine kritische Geschichte der mühseligen Entwicklung dieser verzwickten Disziplin zu verfassen [1]. Also mussten wir eine Auswahl typischer Fehler treffen, ohne Beachtung derjenigen von wissenschaftlich kaum namhaften Autoren. Das gilt gleichfalls für die höheren Determinanten, d. h. für die mehr als n-ter Ordnung [2]. Das große und letzte Fermatsche Theorem hat Anlass zu ungeheuer vielen und oberflächlichen Versuchen eines allgemeinen Beweises gegeben [3]. Dazu haben wir nur eine kleine – sorgfältig ausgewählte – Anzahl festgehalten. (1) Siehe unseren Aufsatz Variationsrechnung in der Enzyklopädie der Mathematik (oder der mathematischen Wissenschaften). II. Buch, Band 6, Leipzig, Teubner, 1913 und 1916, Seiten 1 – 288. (2) Dazu kann man in unseren Werken nachschlagen, insbesondere in der Theorie der höheren Determinanten – ein Überblick, Brüssel, 1927. (3) W. LIETZMANN [Der Phytagorische Lehrsatz, mit einem Ausblick auf das Fermatsche Problem, Leipzig, 1912, 63 Seiten] zufolge wurden über tausend falsche und in jeder Hinsicht wertlose Beweise im Laufe dreier Jahre veröffentlicht, die der Auslobung des großen Preises – immerhin 100 000 Goldmark – 1908 durch P. Wolfskehl in den Mitteilungen der Königlichen Gesellschaft für Wissenschaft in Göttingen gefolgt warten. Hinzuziehen kann man zu dieser Fragestellung auch das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. |
Bis auf einige Ausnahmen ließen wir – stets aus den gleichen
Gründen – die Fehler historischer Art außer Acht. Einen dicken
Band könnte man erstellen mit nichts anderem als den Irrtümern,
die Cantor in seinen vorzüglichen „Vorlesungen über die Geschichte
der Mathematik“[1] aufgedeckt hat.
Das gewaltige Interesse indessen, das sich auf das allgemeine Gravitationsgesetz heftet, hat uns (schon immer) daran gehindert, mit Stillschweigen „die kühnste Hochstapelei, die jemals angezettelt wurde“ – um Sir D. Brewsters Ausdruck zu gebrauchen – zu übergehen. Denn eine ganze Reihe großer Mathematiker – darunter in erster Linie PASCAL und NEWTON – mussten sich darin verwickelt finden. Wir meinen damit den Schwindel, dessen Opfer CHASLES und die Pariser „Akademie der Wissenschaften“ [2] in den Jahren 1867 bis 1869 waren. *
Wir wären jedem Leser dankbar, der freundlicherweise Verbesserungen
beiträgt, besonders, wenn er damit eine echte Lücke schließt.
Hérent-Louvain
Maurice LECAT
15. Februar 1935
(1) Festgehalten sind diese Fehler in der Bibliotheca mathematica unter der Rubrik Kleine Bemerkungen. Um 1900 noch enthielt ein Band lediglich an die 25 Seiten der dortigen Anmerkungen zum reichhaltigen Werk Cantors, aber schon 1908 erreicht man 100 Seiten pro Band. Unter den maßgeblichen Autoren hier weisen wir auf folgende hin: A. v. Braunmühl, M. Curtze, A. Favaro, C. Grönblad, F. Müller, F. Rudio, A. Sturm, H. Suter, P. Tannery, G. Wertheim H. G. Zeuthen und vor allem G. ENESTRÖM, den Herausgeber der Bibliotheca mathematica. (2) Die Akademie hatte die Sache für so interessant erachtet, dass sie zirka 30 Mal entschlossen gegen ihre eigene Vorschrift hinsichtlich der in ihren Wissenschaftlichen Berichten aufgenommenen Mitteilungen verstieß. Mit dem Platz, den diese da insgesamt einnehmen, erreichen sie bis zu tausend Seiten. |
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Zum Autor Maurice Lecat:
> Übersetzung biographische Angaben aus Le Dictionnaire des Belges.
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Übersetzung
biographische Angaben aus Le Dictionnaire des Belges von F. Hilbert
Lecat, Maurice (Saint-Josse-ten-Noode, 1884 - 1951).
Mathematiker und Chemiker.
Docteur en sciences naturelles: Doktor der Naturwissenschaften (d. h.
der Zoologie, Botanik, Geologie; Titel meist für Lehrfach Biologie)
Docteur en sciences physiques et mathématiques: (Titel für
Physik, Chemie und / oder Mathematik)
Unbestrittener Meister auf dem Gebiet der höheren Determinanten.
Intensive Beschäftigung mit der Psychologie der Mathematik. Leistete
einen wichtigen Beitrag zur physikalisch-chemischen Forschung unter dem
Titel Azeotropismus. Autor des „Calcul des variations depuis 1850.“ (Die
Variationsrechnung seit 1850), preisgekrönt von der Akademie. Dreijahrespreis
der mathematischen Wissenschaften für seine „Théorie des déterminants
supérieurs.“ (Theorie der höheren Determinanten). Veröffentlichte
überaus zahlreiche Arbeiten, unter ihnen auch:
„De la relativité.“ | „Zur Relativitätstheorie.“ |
„Leçons sur la théorie des déterminants à n dimensions. | „Lehrbuch zur Theorie der n-dimensionalen Determinanten.“ |
„Distillation d’un système binaire.“ | „Destillation eines binären Systems.“ |
„Erreurs des Mathématiciens des origines à nos jours.“ | Irrtümer bei Mathematikern – von den Anfängen bis in unsere Tage hinein.“ |
etc. | etc. |
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end-korrigiert: 28.12.09 irs