Hartz IV. Kritik
Heiner Geißler kritisiert Hartz IV:
“Hartz IV verletzt die Menschenwürde”
[Q1,
Q2,]
Billig
Lohn, Niedriglohn, Mindestlohn, Leiharbeit 2010.
Kontrastprogramm:
Wer
Mist macht auf höherer Ebene, wird gnadenlos belohnt * Manager
Gagen * Wachstumsraten
für Millionäre * Elite
und etilE * "Deutschland AG"
* geMEINwohl *
von Rudolf Sponsel, Erlangen
|
Probleme
und Perfidien (Gemeinheiten) zur Hartz-IV-Bedarfsberechnung.
Das Grundproblem unserer Gesellschaft ist, dass Hartz IV. einerseits
ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren und andererseits
aber so unattraktiv gegenüber Vollzeiterwerbsarbeit sein soll, dass
genügend Anreize zum Arbeiten da sind. Das geht natürlich nur,
wenn ein Mindestlohn dies
erzwingt. Ansonsten lohnt sich Arbeiten nicht und der Arbeitslose
wäre quasi blöd, wenn er sich um eine (Sklaven-) Arbeit bemüht,
die ihm nur einen Hungerlohn zahlt, mit dem er sich schlechter stellt als
wenn er Hartz IV. nimmt. Daher ist auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil
vom 9.2.1010 [1,
2]
falsch und unakzeptabel. Denn das hätte das Urteil wenigstens
fest- und sicherstellen müssen. Das BVerfG hat lediglich grobe
Zirkelschlüsse ausdrücklich untersagt, indem es verlangt, dass
für die Referenzstichprobe der EVS-Statistik Leistungsbezieher nach
Hartz IV. herauszunehmen sind, aber eben nicht die Billig-
und NiedriglöhnerInnen. Im Grunde fehlen faire und realistische
Kriterien für das Existenzminimum eines "menschenwürdigen" Lebens.
Inhalt und Substanz werden durch statistische Relativbezugsmaße ersetzt
vom Typ ProzentRANG. Das Modell besteht
darin, den Konsumverbrauch der sog. Referenzstichprobe der unteren 20%
- warum nicht 25, 30 oder 33% - Einkommen (EVS) zu bestimmen. Hierzu muss
erstens die Referenzstichprobe gebildet werden. Und zweitens die Konsumverbrauchsausgaben
nach Kriterien (welche, warum?). Diese Berechnungen müssen transparent
und nachvollziehbar sein. Nach einer ersten Sichtung der Daten (> Hartz
IV. Regelsätze), die das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales hierzu veröffentlicht hat, kann ich für mich - seit
1971 mit Statistik befasst - feststellen, dass ich die Berechnungen bislang
nicht nachvollziehen kann (bei Gelegenheit werde ich das hier näher
dokumentieren). Ein Beispiel sei aber jetzt schon mitgeteilt: In (S.
70) wird ausgeführt: "S. 70: "Aufgrund der Möglichkeit präzise
Zirkelschlusshaushalte auszuschließen, basiert der Regelungsentwurf
für die Bestimmung des Regelbedarfs bei den Einpersonenhaushalte
auf 22,3 vom Hundert der Gesamtstichprobe, von denen 8,6 % zur Vermeidung
von Zirkelschlüssen
ausgeschlossen werden. Bei den Familienhaushalten werden von der Gesamtstichprobe
21,8 % betrachtet, von denen 2,3 % zur Vermeidung von Zirkelschlüssen
ausgeschlossen wurden. Bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
2003 (Einpersonenhaushalt) waren es hingegen insgesamt 20,4 % von denen
0,5 % zur Vermeidung von Zirkelschlüssen ausgeschlossen werden konnten."
Wenn von 22,3% 8,6% ausgeschlossen werden, dann umfasst die Stichprobe
noch 13,7% = 22,3% - 8,6%. Es sollte aber das unterste Quintil (das erste
Fünftel von 100 zu deutsch), als die untersten 20%. Ich habe das BMAS
angemailt und um Aufklärung gebeten.
Arbeitsmarktsituation und Arbeitslosigkeit
Aufstocker. Ein Kandidat für
das Unwort des Jahres
Billig
Lohn, Niedriglohn, Mindestlohn, Leiharbeit 2010.
Medien zu Hartz IV.: ,
BVerfG-Urteil
9.2.10,
focus,
mdr,
moma
ARD, Tagesspiegel: 16.8.7,
Wirtschaft:
Situation und Entwicklung.
___
Aufstocker
EN 4.12.7, S. 2.
___
Bundesverfassungsgerichtsurteil
vom 9.2.2010 Pressemitteilung Nr.
5/2010 vom 9. Februar 2010 zum Urteil vom 9. Februar 2010 –
1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –
I. Sachverhalt
1. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (sog. „Hartz IV-Gesetz“) führte mit Wirkung vom 1. Januar 2005 die bisherige Arbeitslosenhilfe und die bisherige Sozialhilfe im neu geschaffenen Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Form einer einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zusammen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden, nicht erwerbsfähigen Angehörigen, insbesondere Kinder vor Vollendung des 15. Lebensjahres, Sozialgeld. Diese Leistungen setzen sich im Wesentlichen aus der in den §§ 20 und 28 SGB II bestimmten Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen. Sie werden nur gewährt, wenn ausreichende eigene Mittel, insbesondere Einkommen oder Vermögen, nicht vorhanden sind. Die Regelleistung für Alleinstehende legte das SGB II zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die alten Länder einschließlich Berlin (Ost) auf 345 Euro fest. Die Regelleistung für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt es als prozentuale Anteile davon. Danach ergaben sich zum 1. Januar 2005 für Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ein Betrag von gerundet 311 Euro (90%), für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ein Betrag von 207 Euro (60%) und für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres ein Betrag von 276 Euro (80%).
Im Vergleich zu den Regelungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wird die Regelleistung nach dem SGB II weitgehend pauschaliert; eine Erhöhung für den Alltagsbedarf ist ausgeschlossen. Einmalige Beihilfen werden nur noch in Ausnahmefällen für einen besonderen Bedarf gewährt. Zur Deckung unregelmäßig wiederkehrenden Bedarfs ist die Regelleistung erhöht worden, damit Leistungsempfänger entsprechende Mittel ansparen können.
2. a) Bei der Festsetzung der Regelleistung hat sich der Gesetzgeber an das Sozialhilferecht, das seit dem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt wird, angelehnt. Nach dem SGB XII und der vom zuständigen Bundesministerium erlassenen Regelsatzverordnung erfolgt die Bemessung der sozialhilferechtlichen Regelsätze nach einem Statistikmodell, das bereits in ähnlicher Form unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entwickelt worden war. Grundlage für die Bemessung der Regelsätze ist eine Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die vom Statistischen Bundesamt alle fünf Jahre erhoben wird. Für die Bestimmung des Eckregelsatzes, der auch für Alleinstehende gilt, sind die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben der untersten 20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte (unterstes Quintil) nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe maßgeblich. Diese Ausgaben gehen allerdings nicht vollständig, sondern als regelsatzrelevanter Verbrauch nur zu bestimmten Prozentanteilen in die Bemessung des Eckregelsatzes ein.
Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Regelsatzverordnung fußt auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 1998. Bei der Bestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung wurde die Abteilung 10 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (Bildungswesen) nicht berücksichtigt. Weiterhin erfolgten Abschläge unter anderem in der Abteilung 03 (Bekleidung und Schuhe) zum Beispiel für Pelze und Maßkleidung, in der Abteilung 04 (Wohnung etc.) bei der Ausgabenposition „Strom“, in der Abteilung 07 (Verkehr) wegen der Kosten für Kraftfahrzeuge und in der Abteilung 09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) zum Beispiel für Segelflugzeuge. Der für das Jahr 1998 errechnete Betrag wurde nach den Regelungen, die für die jährliche Anpassung der Regelleistung nach dem SGB II und der Regelsätze nach dem SGB XII gelten, entsprechend der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 68 SGB VI) auf den 1. Januar 2005 hochgerechnet.
b) Bei der Festsetzung der Regelleistung für Kinder wich der Gesetzgeber von den Prozentsätzen, die unter dem BSHG galten, ab und bildete nunmehr nur noch zwei Altersgruppen (0 bis 14 Jahre und 14 bis 18 Jahre). Eine Untersuchung des Ausgabeverhaltens von Ehepaaren mit einem Kind, wie sie unter dem BSHG erfolgt war, unterblieb zunächst.
3. Die Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2003 führte zwar zum 1. Januar 2007 zu Änderungen beim regelsatzrelevanten Verbrauch gemäß § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung, jedoch nicht zu einer Erhöhung des Eckregelsatzes und der Regelleistung für Alleinstehende. Eine erneute Sonderauswertung bezogen auf das Ausgabeverhalten von Ehepaaren mit einem Kind veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung einer dritten Alterstufe von haushaltsangehörigen Kindern im Alter von 6 Jahren bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Diese erhalten ab dem 1. Juli 2009 nach § 74 SGB II 70% der Regelleistung eines Alleinstehenden. Seit dem 1. August 2009 erhalten schulpflichtige Kinder nach Maßgabe von § 24a SGB II zudem zusätzliche Leistungen für die Schule in Höhe von 100 Euro pro Schuljahr.
4. Über eine Vorlage des Hessischen Landessozialgerichts (1 BvL 1/09) und über zwei Vorlagen des Bundessozialgerichts (1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) zu der Frage, ob die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 nach § 20 Abs. 1 bis 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 20. Oktober 2009 verhandelt. Die diesen Vorlagen zugrundeliegenden Ausgangsverfahren sind in der Pressemitteilung zur mündlichen Verhandlung (Nr. 96/2009 vom 19. August 2009) im Einzelnen dargestellt.
II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Vorschriften bleiben bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Leistungsanspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Die Konkretisierung obliegt dem Gesetzgeber, dem hierbei ein Gestaltungsspielraum zukommt.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.
b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei
der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende
Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht.
Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt,
beschränkt sich bezogen auf das Ergebnis die materielle Kontrolle
darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Innerhalb der
materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle
belässt, kann das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert
aber eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung
daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Um eine der
Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der
gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten,
müssen
die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen
und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen
sein.
Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offen zu legen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang.
2. Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von 345, 311 und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden. Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil sie zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums besonders weit ist.
Dies gilt auch für den Betrag von 311 Euro für erwachsene Partner einer Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der geringer als das Doppelte des Bedarfs eines Alleinlebenden ist.
Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich unzureichend ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dieser Betrag nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere den Ernährungsbedarf von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu decken.
3. Das Statistikmodell, das für die Bemessung der sozialhilferechtlichen Regelsätze gilt und nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Grundlage für die Bestimmung der Regelleistung bildet, ist eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende Person. Es stützt sich auch auf geeignete empirische Daten. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet in statistisch zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. Die Auswahl der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe als Referenzgruppe für die Ermittlung der Regelleistung für einen Alleinstehenden ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber konnte auch vertretbar davon ausgehen, dass die bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag.
Es ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben des untersten Quintils nicht vollständig, sondern als regelleistungsrelevanter Verbrauch nur zu einem bestimmten Prozentsatz in die Bemessung der Regelleistung einfließen. Der Gesetzgeber hat aber die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Hinsichtlich der Höhe der Kürzungen ist auch eine Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage nicht ausgeschlossen; Schätzungen „ins Blaue hinein“ stellen jedoch keine realitätsgerechte Ermittlung dar.
4. Die Regelleistung von 345 Euro ist nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt worden, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen worden ist.
a) Der in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 festgesetzte regelsatz- und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch beruht nicht auf einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998. Denn bei einzelnen Ausgabepositionen wurden prozentuale Abschläge für nicht regelleistungsrelevante Güter und Dienstleistungen (zum Beispiel Pelze, Maßkleidung und Segelflugzeuge) vorgenommen, ohne dass feststand, ob die Vergleichsgruppe (unterstes Quintil) überhaupt solche Ausgaben getätigt hat. Bei anderen Ausgabepositionen wurden Kürzungen vorgenommen, die dem Grunde nach vertretbar, in der Höhe jedoch empirisch nicht belegt waren (zum Beispiel Kürzung um 15% bei der Position Strom). Andere Ausgabepositionen, zum Beispiel die Abteilung 10 (Bildungswesen), blieben völlig unberücksichtigt, ohne dass dies begründet worden wäre.
b) Zudem stellt die Hochrechnung der für 1998 ermittelten Beträge auf das Jahr 2005 anhand der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts einen sachwidrigen Maßstabswechsel dar. Während die statistische Ermittlungsmethode auf Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten abstellt, knüpft die Fortschreibung nach dem aktuellen Rentenwert an die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter, den Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und an einen Nachhaltigkeitsfaktor an. Diese Faktoren weisen aber keinen Bezug zum Existenzminimum auf.
5. Die Ermittlung der Regelleistung in Höhe von 311 Euro für in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partner genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil sich die Mängel bei der Ermittlung der Regelleistung für Alleinstehende hier fortsetzen, denn sie wurde auf der Basis jener Regelleistung ermittelt. Allerdings beruht die Annahme, dass für die Sicherung des Existenzminimums von zwei Partnern ein Betrag in Höhe von 180 % des entsprechenden Bedarfs eines Alleinstehenden ausreicht, auf einer ausreichenden empirischen Grundlage.
6. Das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres von 207 Euro genügt nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil es von der bereits beanstandeten Regelleistung in Höhe von 345 Euro abgeleitet ist. Darüber hinaus beruht die Festlegung auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes im Alter bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Der Gesetzgeber hat jegliche Ermittlungen zum spezifischen Bedarf eines Kindes, der sich im Unterschied zum Bedarf eines Erwachsenen an kindlichen Entwicklungsphasen und einer kindgerechten Persönlichkeitsentfaltung auszurichten hat, unterlassen. Sein vorgenommener Abschlag von 40 % gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruht auf einer freihändigen Setzung ohne empirische und methodische Fundierung. Insbesondere blieben die notwendigen Aufwendungen für Schulbücher, Schulhefte, Taschenrechner etc. unberücksichtigt, die zum existentiellen Bedarf eines Kindes gehören. Denn ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen. Auch fehlt eine differenzierte Untersuchung des Bedarfs von kleineren und größeren Kindern.
7. Diese Verfassungsverstöße sind weder durch die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die Neubestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs zum 1. Januar 2007 noch durch die Mitte 2009 in Kraft getretenen §§ 74 und 24a SGB II beseitigt worden.
a) Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Änderung der Regelsatzverordnung hat wesentliche Mängel, wie zum Beispiel die Nichtberücksichtigung der in der Abteilung 10 (Bildungswesen) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben oder die Hochrechnung der für 2003 ermittelten Beträge entsprechend der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes, nicht beseitigt.
b) Das durch § 74 SGB II eingeführte Sozialgeld für Kinder ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 70 % der Regelleistung für einen Alleinstehenden genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil es sich von dieser fehlerhaft ermittelten Regelleistung ableitet. Zwar dürfte der Gesetzgeber mit der Einführung einer dritten Altersstufe und der § 74 SGB II zugrunde liegenden Bemessungsmethode einer realitätsgerechten Ermittlung der notwendigen Leistungen für Kinder im schulpflichtigen Alter näher gekommen sein. Den Anforderungen an die Ermittlung des kinderspezifischen Bedarfs ist er dennoch nicht gerecht geworden, weil die gesetzliche Regelung weiterhin an den Verbrauch für einen erwachsenen Alleinstehenden anknüpft.
c) Die Regelung des § 24a SGB II, die eine einmalige Zahlung von 100 Euro vorsieht, fügt sich methodisch nicht in das Bedarfssystem des SGB II ein. Zudem hat der Gesetzgeber den notwendigen Schulbedarf eines Kindes bei Erlass des § 24a SGB II nicht empirisch ermittelt. Der Betrag von 100 Euro pro Schuljahr wurde offensichtlich freihändig geschätzt.
8. Es ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zudem unvereinbar, dass im SGB II eine Regelung fehlt, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf erforderlich, der deswegen nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.
Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist, kann der Hilfebedürftige in der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten ist.
Da ein pauschaler Regelleistungsbetrag jedoch nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken kann, wird ein in Sonderfällen auftretender Bedarf von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gebietet allerdings, auch diesen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn es im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist. Dieser ist im SGB II bisher nicht ausnahmslos erfasst. Der Gesetzgeber hat wegen dieser Lücke in der Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums eine Härtefallregelung in Form eines Anspruchs auf Hilfeleistungen zur Deckung dieses besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzugeben. Dieser Anspruch entsteht allerdings erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Er dürfte angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen in Betracht kommen.
9. Die verfassungswidrigen Normen bleiben bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiterhin anwendbar. Wegen des gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt, aufgrund eigener Einschätzungen und Wertungen gestaltend selbst einen bestimmten Leistungsbetrag festzusetzen. Da nicht festgestellt werden kann, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident unzureichend sind, ist der Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen verpflichtet, höhere Leistungen festzusetzen. Er muss vielmehr ein Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen entsprechend den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben durchführen und dessen Ergebnis im Gesetz als Leistungsanspruch verankern.
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht dazu, die Leistungen rückwirkend neu festzusetzen. Sollte der Gesetzgeber allerdings seiner Pflicht zur Neuregelung bis zum 31. Dezember 2010 nicht nachgekommen sein, wäre ein pflichtwidrig später erlassenes Gesetz schon zum 1. Januar 2011 in Geltung zu setzen.
Der Gesetzgeber ist ferner verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstellt, dass ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf gedeckt wird. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger Bedarf vorliegt, müssen aber auch vor der Neuregelung die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Um die Gefahr einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel zu vermeiden, muss die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden.
Die Linke stellt in ihrer kleinen Anfrage
(Drucksache
17/2711–2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode) vom 23. Juli 2010
fest: "Dem Statistikmodell sind weitere Probleme immanent. Für das
Verfahren ist die tatsächliche soziale Lage der ausgewählten
Referenzgruppe unerheblich. Insbesondere ist das Statistikmodell blind
gegenüber einem Prozess der Verarmung der Referenzgruppe. Sofern die
Referenzgruppe von der Einkommensentwicklung abgekoppelt wird, wirkt sich
dies bei der Festsetzung des Existenz- und Teilhabeminimums aus. Für
einen derartigen Abkopplungsprozess gibt es in- folge der politisch forcierten
Ausweitung des Niedriglohnsektors deutliche Hinweise. So hat sich der Einkommensanteil
der ärmsten 20 Prozent der Haushalte von 10,1 Prozent (1997) bis 2006
auf 9,3 Prozent verringert (Datenreport 2008, S. 164). Gegenüber dem
Jahr 2000 hat das unterste Dezil bis 2008 durchschnittlich um knapp 9 Prozent
des realen Einkommens verloren, während Personen im obersten Dezil
entsprechende Steigerungen um fast 15 Prozent erzielten (DIW Wochenbericht
7/2010, Anmerkung 8). Die soziale Polarisierung wirkt sich demzufolge als
realer Einkommensverlust bei der sozialen Gruppe aus, die als Referenzgruppe
für die Ermittlung des Existenz- und Teilhabeminimums fungiert. Die
AG der Sozialhilfeinitiativen hat bereits 1989 vorausschauend kritisiert,
dass die Kopplung der Sozialhilferegelsätze mit den unteren Einkommensgruppen
eine Spirale nach unten eröffnet.
Schließlich ist das Statistikmodell anfällig
für zahlreiche Manipulationen. So- wohl bei der konkreten Festlegung
der Referenzgruppe (welcher Haushaltstyp, Ausschluss verdeckt Armer aus
der Referenzgruppe), bei der Festlegung der Abschläge als auch bei
der Bestimmung der sog. regelsatzrelevanten Ausgaben bestehen Möglichkeiten,
sachfremde fiskalische Kostensenkungsabsichten in die Ermittlung des Regelsatzes
einfließen zu lassen. Solche fiskalischen Gesichtspunkte haben aber
in der Sicherung des Existenz- und Teilhabeminimums nichts zu suchen, weil
die Bekämpfung von Armut durch die Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenz- und Teilhabeminimums zu den vordring- lichsten Staatsaufgaben
gehört (Rothkegel in: ZFSH/SGB 3/2010, S. 144)."
Roth schreibt: "Alles ist möglich, man muss es nur besser begründen. Als verfassungswidrig wird nur das Verfahren zur Festsetzung der Regelsätze betrachtet (Rd.Nr. 210), nicht die Höhe der Regelsätze selbst. „Schätzungen 'ins Blaue hinein' laufen … einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung zuwider und verstoßen deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG (Unantastbarkeit der Menschenwürde) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG.” (Rd.Nr. 171) Wenn die Höhe der Regelsätze dem Hohen Gericht nach verfassungsgemäß ist, muss man demnach also nur die Höhe der Regelsätze „nachvollziehbar begründen” (Rd.Nr. 171), um der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip genüge zu tun." [tacheles-sozialhilfe 13.2.10)
Jahnke analysiert (28.9.10)
scharfsinnig: "Hartz-4: Die Trickserin. Nachvollziehbar und fair
und unbestechlich soll nach von der Leyen die Berechnung der neuen Hartz-IV-Regelsätze
sein: "Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprechen eine klare Sprache".
Doch die Ministerin hat sich nicht nur an die statistischen Daten gehalten,
sondern mit diesen herumgespielt, bis das Ergebnis stimmte. Dabei handelt
es sich vor allem um dreierlei Tricks.
Erstens sollte Vergleichsmaßstab das
Ausgabenverhalten des untersten Fünftels der Einkommensbezieher sein.
Aber die Hartz-IV-Empfänger selbst dürfen laut Verfassungsgericht
nicht dabei sein, um einen Zirkelschluss zu vermeiden. Daher mußte
das Arbeitsministerium alle Bezieher von Grundsicherung herausrechnen.
Nun hätte man vom Rest das unterste Fünftel bestimmen müssen.
Doch da diesmal relativ viele Hartz-IV-Empfänger herausgerechnet werden
mußten, wäre das Ausgabenverhalten der Referenzgruppe stärker
gestiegen. Also wurden bei Einzelpersonen ohne Kinder die untersten 15
% und nicht 20 % als Referenzgruppe benutzt, also eine Gruppe mit noch
niedrigerem Ausgabenverhalten, und damit die Regelsätze entsprechend
heruntermanipuliert. Bei Kindern beließ man es dann bei den 20 %.
Zweitens wurden aus dem Ausgabenverhalten
dieser untersten Gruppe viele Ausgaben nach politischen Vorgaben herausgenommen.
Das gilt z.B. für Alkohol (auch das Gläschen Bier), Tabak, Schnittblumen,
der gelegentliche Besuch in der Kneipe für den mitmenschlichen Kontakt,
die chemische Kleiderreinigung. All das hat ein Langzeitarbeitsloser nach
von der Leyen zum Leben nicht nötig. Die Begründungen sind teilweise
ausgesprochen peinlich. So heißt es beim Ausschluß der chemischen
Reinigung: "Solche Ausgaben sind nur bei teueren Kleidungsstücken
erforderlich und stehen häufig mit einer beruflichen Tätigkeit
in Zusammenhang." Doch ein Arbeitsloser braucht offensichtlich nach Meinung
der Ministerin keinen sauberen Anzug, auch nicht zur Vorstellung für
einen Job.
Drittens fängt die Trickserei eigentlich
schon bei der mechanischen Beziehung auf den untersten Teil der Einkommensbezieher
an. Denn von der Leyen lehnt die sonst in den entwickelten Industrieländern
üblichen gesetzliche Mindestlöhne strikt ab. Damit werden in
Deutschland immer mehr Arbeitnehmer zu Niedriglöhnern. Der Anteil
an den sozialversicherungspflichtig Vollbeschäftigten stieg von 13,5
% 1992 auf 19,6 % 2007 und seitdem sicher weiter, auch wenn statistische
Daten noch nicht bekannt sind (Abb. 14914). Das unterste Fünftel der
Einkommensbezieher sinkt damit immer tiefer. So verkürzen von der
Leyen und die Bundesregierung durch Ablehnung gesetzlicher Mindestlöhne
die Bezugsgröße für die Hartz-4-Regelsätze immer weiter.
Und die CSU-bayerische Arbeits-, Sozial- und Familienministerin
Haderthauer bringt das Ganze auf die zynische Formel : "Nein, denn es gibt
hier kein Wunschkonzert". Es ist eben nur ein Konzert nach den Haushalts-
und parteipolitischen Wünschen der Bundesregierung."
Datenquelle und Basis: Materialband zum ersten Armuts- und Reichtumsbericht
der Bundesregierung S. 112, Tab. 1.65
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Prekariat/ Unterschicht.
bpb:
Abstieg - Prekarität - Ausgrenzung.
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Moral und Kultur sind nur Makulatur, wie alle Krisen, Umbruch- und Kriegszeiten zeigen - und die Tragödie und das Versagen der Guten war immer, dass sie viel zu selten schlecht genug waren, um gut genug gut sein zu können. |
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korrigiert: irs 10.12.07