Problemfall Religion
präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
Bibliographie * Verlagsinfo * Inhaltsverzeichnis * Leseprobe * Ergebnisse * Bewertung * Autor(Innen) * Links * Literatur * Querverweise *
A - Allgemeine und übergreifende Themen 13
1 - Grundfragen der Religions- und Kirchenkritik 13
2 - Religionsbegriff, Entstehung, Arten und Funktion der Religion(en)
21
3 - Gottesglaube und Atheismus (A-Theismus) 30
4 - Zur Geschichte des Unglaubens 37
5 - Glaube, Wissenschaft, Vernunft 42
6 - Heilige Schriften 47
7 - Religiöse Ethik 50
8 - Aspekte religiöser Praxis: Gebet und Menschenopfer 54
9 - Religion, Politik und Macht 63
10 - Religiöser Fundamentalismus, Extremismus, Weltfriede 68
11 - Religion, Gewalt und Krieg 78
12 - Religions- und Kirchenstatistik, Kirchensoziologie 84
13 - Religionen als Integrationsfaktor? 92
B - Geschichte des Christentums im Überblick 97
1 - Hauptinhalte und Fundamentalkritik des Christentums 97
2 - Geschichte des Christentums: Anfänge und Schnelldurchgang
106
C - Besondere Kapitel des Christentums 133
1 - Religiöse Judenfeindschaft 133
2 - Das Böse und der freie Wille. Sünde, Gott und Teufel,
Hirnforschung 146
3 - Papsttum 155
4 - Maria 162
5 - Frauen sowie Sexualität im Allgemeinen 170
6 - Der Priesterzölibat 180
7 - Inquisition 185
8 - Hexenverfolgung 193
9 - Sklaverei 202
10 - Kirchen und Juden im Nationalsozialismus 208
11 - Katholische Kirche und moderne Diktaturen 218
11.1 Kirche als Diktatur
218
11.2 Faschistische
Diktaturen 219
11.3 Ustascha-Regime
(Kroatien): Exzesse der Grausamkeit 233
11.4 Südamerikanische
Diktaturen 239
12 - Völkermord in Ruanda und katholische Kirche 246
13 - Heiligenverehrung und Kirchenpolitik, insbesondere seit 1900 249
14 - Reformation und Protestantismus 273
15 - Bibel, Bibelwissenschaft, Bibelpraxis 284
16 - Religiöse Erziehung und ihr Missbrauch 300
17 - Christliche Ethik? 306
18 - Verhalten sich religiöse Menschen besser? Westliche Gesellschaften
im Verhaltensvergleich 315
19 - Kirche, Wahrheit, Wissenschaft 318
20 - Theologie, Amtskirche, Machterhalt 325
20.1 Theologie und
Amtskirche 325
20.2 Umgang mit Andersdenkenden
und Machterhalt 332
D - Die wichtigsten nicht christlichen Religionen 339
1 - Judentum 339
2 - Islam 349
3 - Hinduistische Religionen in Indien 361
4 - Buddhismus 368
E - Gesamtbilanz des religiösen Denkens und Handelns 377
F - Wo bleibt das Positive? 391
1 - Toleranz und Menschenrechte 391
2 - Religions- und Weltanschauungsfreiheit 394
3 - Humanismus und weltliche Ethik 399
Anmerkungen 411
Abkürzungen und Internetadressen 429
Literatur zur Religions- und Kirchenkritik 431
Sachregister 453
Personenregister 469
S. 379ff: "Nutzen der Religionen
Religion ist bekanntlich ambivalent. Zumindest europäische Theologen
streiten das nicht ab, Politologen ohnehin nicht. Buchtitel wie „Toleranz
und Gewalt" (A. Angenendt), „Gewalt als Gottesdienst" (H. G. Kippenberg)
und andere bringen das zum Ausdruck. Kirchenleute stellen naturgemäß
den individuellen und gesellschaftlichen Nutzen insbesondere der eigenen
Religion heraus. Nichtgläubige sind für sie Hauptgegner und Missionsobjekte,
für nicht wenige gar Feinde, weil sie angeblich auf der Seite des
„Bösen" stehen. Bei den Gläubigen steht die lebenspraktische
Hilfe im Vordergrund. Im Einzelnen:
Inwieweit die meisten dieser möglichen Wirkungen nicht
auch ohne Religion zu erzielen sind, sei hier nur als Frage aufgeworfen.
Den Religionen werden noch weitere positive
Aspekte zugeschrieben. So wird unter Hinweis auf Untersuchungen
behauptet, Religion mache die Menschen gesünder, glücklicher,
moralischer (zum ethischen Verhalten C 18) und friedlicher. Gegenteilige
Untersuchungen, die aber oft nicht zur Kenntnis genommen werden, bestreiten
das oder kommen zu klar gegenteiligen Ergebnissen. Das ist z. T.
eine Frage der Auftraggeber und der untersuchenden Institutionen, aber
auch der Solidität der Fragestellungen. Eine umfangreiche Datenauswertung
aus elf europäischen Ländern hat ergeben, dass sich Gläubige
nur in stark reli-[>380]giösen Ländern besser fühlen. Demnach
beruht der Wohlfühleffekt der Religion vor allem auf der Wertschätzung,
die man im sozialen Umfeld erfährt. [FN 379]
... ... ...
Bilanzierende Zusammenfassung
Religionen sind für viele Menschen hilfreich. Vielfach helfen
sie aber nur, die von ihnen selbst gesäten Übel zu mildern. Sie
verbiegen die gesunde Entwicklung des Denkens von klein an und halten die
Menschen vom vorurteilsfreien, offenen und kritischen Denken ab. Ihre Lebensweisheiten
und Verhaltensregeln stehen im günstigsten Fall auf einer Stufe mit
denen nicht religiöser Denker, sind aber nicht besser. Die Religionen
haben die Menschen nicht besser gemacht, sie belügen sich und andere
und behindern die gesellschaftliche Fortentwicklung. Soweit sie zum Seelenfrieden
beitragen, erreichen sie nicht mehr als weltliche Meditationstechniken.
Religionen beflügeln zwar, auch durch ihr Mäzenatentum, Werke
der Kunst und Literatur, aber ohne Religionen gäbe es eben eine andere
Kunst und Kultur.
In der Regel standen und stehen die Religionen bzw.
ihre Führungspersonen auf der Seite der Macht. Zwar haben Religionen
in den letzten Jahrzehnten in vielen Einzelfällen zum Völkerfrieden
beitragen können. Aber ihre Rolle in [>388] Diktaturen, bei der Kriegsentstehung
und Brutalisierung der Kriege ist schon wegen ihrer Instrumentalisierbarkeit
ungleich verhängnisvoller. Daran ändert auch nichts der Umstand,
dass die eigentlichen Kriegsursachen regelmäßig nicht religiöser
Natur sind. Die fundamentalistische religiöse Zuspitzung des jahrzehntelangen
fanatischen Kampfes um das kleine Westjordanland als „Heiliges Land" hat
die Welt mehr als andere Konflikte an den Rand des Abgrunds gebracht, wobei
einige Zehntausend fanatische und gewaltbereite jüdische Siedler eine
ernsthafte Friedenspolitik ihrer Regierung verhindern.
Auf einer Waage dürften - beim Versuch einer
„objektiven" Gewichtung der Einzelaspekte - die negativen Aspekte des Gesamtphänomens
Religion ungleich schwerer wiegen als die positiven. Aber man wird sich
darüber nicht einigen können oder wollen. Jedenfalls macht „der
Glaube" das Leben nicht unbedingt einfacher, zumal die Religionen - ernst
genommen - recht kompliziert sind. Sie leben aber von der Unwissenheit
ihrer Anhänger.
Eine Pauschalbewertung aller Religionen unter einer
weltlich-kritischen Perspektive ist nicht möglich. So viel kann man
aber sagen: die monotheistischen Religionen sind insgesamt ungleich
problematischer als die östlichen Religionen, die keinen Dogmatismus
kennen. Aber aus naturgegebenen Gründen (s. A 2) ist es offenbar nicht
möglich, Religionen abzuschaffen. Auch würden solche Versuche
nur Gewaltorgien auslösen. Zudem können undogmatische religiöse
Vorstellungen individuell durchaus hilfreich sein. Die generelle Bekämpfung
des Phänomens Religion ist daher verfehlt.
„Religiöse" Nichtgläubige?
Etwas völlig anderes als die traditionellen Religionen ist eine Haltung, die etwa „Ehrfurcht" angesichts des Kosmos empfindet. Sie könnte zwar, wie z. B. bei dem Nichtgläubigen Erich Fromm, als „religiös" bezeichnet werden. Das wäre aber reichlich missverständlich, könnte von Religionsführern instrumentalisiert werden und ist daher abzulehnen.
Konsequenzen einer religionskritischen Haltung
Das Dominanzstreben der jeweils einflussreichen Religionen ist abzublocken und ihre Forderungen sind, soweit illegitim, zurückzuweisen. Für die Staaten besteht kein Anlass, Religionen und religiöse Einrichtungen welcher Art auch immer immateriell oder materiell, indirekt oder direkt im Hinblick auf ihre religiöse Ausrichtung zu fördern. Das bedeutet nämlich stets eine Benachteiligung anderer und eine Gefährdung der Gerechtigkeit bzw. des inneren Friedens. [>389]
Man muss die Existenz von Religionen zur Kenntnis nehmen und ihre Freiheit
gewährleisten, aber ihre Aktivitäten kanalisieren, um den inneren
Frieden nicht zu gefährden. Man muss die Religionen im Rahmen einer
pluralistischen Ordnung gerecht behandeln. Dazu gehört auch, dass
man trotz aller Probleme für ihren Schutz sorgt und ihre Existenz
garantiert, denn mit der Religionsfreiheit fällt die Freiheit insgesamt.
Es gibt aber keinerlei Grund, Religionen von Staats wegen in irgendeiner
Form zu privilegieren. Vgl. dazu näher F 2.
Die Menschen sind mit und ohne Religion, wie sie
sind. Aber religiöse Strukturen bringen stets zusätzliche Gefahren
mit sich. Freilich enthalten die meisten Religionen auch beherzigenswerte
Weisheiten, Tugendkataloge und Lebensregeln, die auch heute allgemein anerkannt
werden können, etwa die Goldene Regel. Aber diese philosophisch-ethischen
Einsichten und Forderungen bedürfen keiner Religion. Die Religionen
hingegen propagieren neben den auch von Andersdenkenden anerkannten Regeln
meist auch solche, die nicht akzeptabel erscheinen, und sind dann ethisch
widersprüchlich (s. A 7, C 17 und F 3).
„Während die Irrtümer in der Philosophie
bloß lächerlich sind", sagt David Hume, „sind die Irrtümer
in der Religion gefährlich". Die Religionen verhindern das unabhängige
kritische Denken. Das Denkvermögen ist es aber, das uns aus der Tierwelt
heraushebt. Wir haben nichts anderes als unser Denken. Daher ist auch das,
was jeweils mit dem Leerbegriff „Gott" gemeint ist, zunächst nur das
Produkt unseres Denkens. Ob dem darüber hinaus auch eine Realität
entspricht, ist eine ganz andere Frage.
Es bleibt also dabei: Religion ist zwar eine individuell,
nicht aber generell vermeidbare Angelegenheit der Menschen. Aber über
Schutzgewährung und Existenzsicherung hinaus ist die öffentliche
Förderung von Religion als solcher sachlich nicht begründbar
und schädlich."
Anmerkung über dieses Werk hinaus: Der Atheismus
bräuchte auch noch ein ähnlich großes Werk positiver, eigener
Alternativen. Dass die Kirchen und die Religionen seit ihrer Entstehung
an den großen Verbrechen
der Menschheit beteiligt sind, das pfeifen inzwischen die Spatzen von den
Dächern. Auch die Geldgier
und sexuellen Missbrauchsskandale
dürften fast jedem geläufig sein.
Aber in Teilen verbiesterte, griesgrämige,
oft überalterte Atheisten - und seien sie auch noch so gescheit und
kritisch - sind einfach nicht attraktiv,
sie bieten zu wenig säkulare, echte Alternativen zur Befriedigung
der
metaphysischen
und sozialen Bedürfnisse - insbesondere für junge Menschen -
die ja so wenig an Religion gebunden sind, wie selbst die Spiritualität.
So bleibt das letzte Kapitel, F Wo bleibt das Positive?, formal
gesehen interessant mehrdeutig: bei den Kirchen und den Religiösen
oder bei uns Atheisten oder gar bei beiden? Will der Atheismus die Religionen
und Kirchen wirklich zurückdrängen, muss er sich ganz neu aufstellen,
wie es etwa Alain
de Botton macht.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
Buchpräsentation site: www.sgipt.org. |
kontrolliert: irs 01.02.2014