Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=09.05.2005 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 31.01.20
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Stubenlohstr. 20     D-91052 Erlangen * Mail:_sekretariat@sgipt.org_
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    Willkommen in unserer Abteilung Differentielle Psychologie der Persönlichkeit (Persönlichkeitspsychologie, Typen, Charaktere), hier zum Thema aus unserer Reihe

    Studien zur Psychologie und Psychopathologie der HochstaplerIn

    Potemkin
    War Potemkin ein Hochstapler?
    Gab es die potemkinschen Dörfer wirklich?


    Katharina II,  die Große [dhm: groß]  und Potemkin  *  Palastbildquelle*

    von Rudolf Sponsel, Erlangen
    Querverweise - Historischer Hintergrund.

    Semper aliquid haeret - Es bleibt immer etwas hängen

      Überblick
    • Zusammenfassung - Abstrakt:
    • Psychopathographischer Einstieg: Psychogramm I.: Potemkin im Lexikon der Sonderlinge.
    • Psychogramm II. Potemkin als Organisator 'Neurusslands': Detlev Jena über Potemkin.
    • Die Reise 1787 in den Süden zur Krim mit Reiseführer Potemkin.
      • Die Reiseroute von Petersburg nach Sewastopol (Krim) mit Karte.
      • Reisebeschreibungen aus der Katharina- und Potemkin- Literatur.
        • Neumann-Hoditz in seiner Rowohlt-Biographie über Katharina II.
        • Die Reisevorbereitungen in den Süden zur Krim nach Detlef Jena.
        • Äußerungen des französischen Gesandten nach Detlef Jena.
    • Gab es die potemkinschen Dörfer oder handelt es sich hier um eine Ente?.
      • Soloveytchik in seiner VORREDE ZUR DEUTSCHEN AUSGABE.
      • Kritische Anmerkung zu Soloveytchiks Potemkin.
      • Wörter unter der Lupe: Potemkinsche Dörfer.
      • Wolfgang Elsner berichtet in seinem Buch "Irrtum!".
      • Walter Krämer und Götz Trenkler in Populäre Irrtümer.
      • Kritische Anmerkung zu Prause, Elsner und Krämer.
      • Rekonstruktion der Entstehung des Gerüchtes von den potemkischen Dörfern. Zur politischen Sozialpsychologie von Gerüchten.
      • Einige wichtige eingeladene Gäste und Gesandte auf der Reise in den Süden.
    • Literatur (Auswahl).
    • Links (Auswahl).
    • Anmerkungen und Endnoten.
      • Katharina II.
    • Querverweise.
    _
    Zusammenfassung - Abstrakt: Potemkin (1739-1791) ist eine psychopathographisch außerordentlich interessante Persönlichkeit, besonders auch im Hinblick auf die Frage, ob er ein Hochstapler war oder nicht. Heute ist die - mich noch nicht überzeugende - Mehrheits-Meinung seit der - problematischen und nicht überzeugenden  - Veröffentlichung Soloveytchiks (1953), daß die berüchtigten Potemkinschen Dörfer nur eine Ente, ein diffamierendes Gerücht waren - in die Welt gesetzt von dem sächsischen Diplomaten von Helbig -  und es sie nicht wirklich gegeben hat. Die Reise - sicher eine große organisatorische Leistung Potemkins - war ziemlich pompös und perfekt organisiert und inszeniert, was bei Herrschern und Staatsoberhäuptern aber nicht ungewöhnlich, sondern üblich ist. Wegen der sog. potemkinschen Dörfer dürfte man ihn demnach gar nicht als Hochstapler bezeichnen. Doch selbst, wenn es denn gestimmt hätte oder stimmt, die Sache mit den Potemkinschen Dörfern, wäre das wirklich Hochstapelei? Schließlich hätte er nicht sich selbst erhöht und in ein falsches Licht gesetzt, sondern Land und Leute auf Katharinas II. großer Reise mit großem Gefolge an die Krim - ausführlich unten - , um seine heißgeliebte und hochverehrte Kaiserin damit zu erbauen. Damit wäre die eine interessante Frage zum Problem der Hochstapelei fast schon entschieden. Und das zweite Argument ergibt sich schlicht aus dem Sachverhalt, daß Potemkin - mag er eine auch noch so extreme und psychopathologisch auffällige Persönlichkeit gewesen sein - unzweifelhaft eine sehr bedeutende Stellung einnahm und auf vielen Gebieten auch etwas geleistet hat - wenn auch etwas, was sich ein aufgeklärter Menschenrechtsvertreter nicht wünscht -, also geradezu das Gegenteil von einem Blender und Hochstapler vorstellt. Dies wirft das interessante Grundsatzproblem auf: kann jemand, der eine bedeutende Position einnimmt oder Bedeutsames geleistet hat, überhaupt ein Hochstapler sein? Diese zwei Fragen sind zwei gute Gründe, sich einmal gründlich mit Potemkin z.B. in einer Studie zur Hochstapelei zu befassen. Potemkin war eine widerspruchsvolle und extreme Persönlichkeit, aber ziemlich sicher kein Hochstapler. Heute würde man ihn wahrscheinlich mit einer Persönlichkeitsstörung diagnostizieren. Doch damit ist er weder in der Weltgeschichte noch in der politischen Gegenwart alleine, ja, viele, wenn nicht sogar die meisten HerrscherInnen und Führerpersönlichkeiten zeigen psycho- oder soziopathische Züge.

    Psychopathographischer Einstieg: Psychogramm I.

    Im interessanten Lexikon der Sonderlinge von Bechtel & Carrière wird drastisch ausgeführt (S. 238 ff):
     

          "Grigori Alexandrowitsch Potemkin frappiert zunächst durch seine äußerliche Erscheinung: Er ist enorm groß und bald auch wohlbeleibt, denn er ißt für vier. Bei einer Schlägerei hat er ein Auge eingebüßt. Am Hof nennen sie ihn den 'Zyklopen'. In diesem riesigen Leib kämpfen tausend unverträgliche Lüste und Leidenschaften miteinander, alle heftig, unbezwingbar und nicht zu stillen. Sehr früh zögert Potemkin, ob er Gott und nur Gott allein dienen solle oder der weltlichen Macht, dem heiligen Rußland. Er schwankt zwischen Tatendrang und Heiligkeit. Entscheiden wird er sich nie, sondern das eine wie das andere in zweifacher Maßlosigkeit betreiben. [> 239]
          Er ist absolut fromm und zugleich ein Schürzenjäger. Mal zieht er sich wochenlang ins Kloster zurück, dann wieder kann man ihn nur mit Mühe aus dem Bordell zerren. Mal brüllt er tagelang herum, dann wieder sagt er lange Zeit kein Wort. ...
          Er ist ein unbegreifliches, weil zu absolutes Genie. Er bleibt sehr religiös und hat zum Beispiel eine Leidenschaft für die Theologie. Man nennt ihn den 'größten Fragesteller der Welt'. Es macht ihm Vergnügen, stundenlang über die Wunder des Christentums zu diskutieren. Wenn er auf einem Feldzug ist und wie üblich bis zum Abend eine überquellende Aktivität an den Tag gelegt hat, ißt er rasch, erledigt seine Post, gibt noch ein paar Anweisungen und läßt dann von seinen Soldaten zwei oder drei Dorfpopen aus dem Schlaf reißen, die mit ihm bis zum Morgengrauen über irgendein subtiles Problem bezüglich des heiligen Thomas oder der Konzile disputieren müssen.
          Mehrmals will er alles hinwerfen, Mönch werden, sich aus der [>240] Welt zurückziehen und asketisch leben. Diese Krisen können drei Tage dauern oder auch drei Wochen; in solchen Zeiten enthält er sich völlig aller Güter dieser Welt. Manchmal steigert er sich in mystische Wahnzustände hinein.
          Aber es gibt auch die andere Seite. Er ißt und trinkt über jede Vernunft hinaus, er praßt geradezu. Er singt herum oder ist in Tränen aufgelöst. Zu jeder Tages- und Nachtstunde läßt er herbeizitieren, wen er möchte, immer unter dem Vorwand, es ginge um das Wohl Rußlands. Man eilt herbei und kann nie wissen, ob er gerade die Füße einer Muttergottesstatue küßt oder in den Armen seiner geliebten polnischen Huren liegt. Manchmal ist er auch schon abgefahren und hat die Verabredung völlig vergessen.
          Er kaut an den Nägeln bis Blut kommt, und beschläft nacheinander seine fünf Nichten, die alle viel jünger sind als er. Als guter Onkel arrangiert er ihnen später reiche Hochzeiten. Man nennt ihn einen Heiligen und einen Wüstling. Er ist unnahbar und hochmütig, wenn nicht gerade einen Abend lang guter Wein geflossen ist und er sich schlicht und bescheiden zeigt wie ein barfüßiger Karmelitermönch, demütig sogar, so demütig, daß er verbietet, daß ihn jemand an Demut übertrumpft. Gelegentlich trägt er untadelige Uniformen, meist aber einen alten, stinkenden Morgenrock, der immerhin mit diamantenbesetzten Plättchen versehen ist. In diesem Aufzug empfängt er die höchsten Herrschaften. Der Morgenrock steht halb offen, und Potemkin trägt keine Unterhosen."


        Diese psychopathographische Charakterisierung schildert eine maßlose, zwischen Exzessen und Extremen hin- und herschwankende, launische Persönlichkeit.

    Psychogramm II. Potemkin als Organisator 'Neurusslands'.

    Ein teilweise ganz anderes und differenziertes Bild zeichnet Detlef Jena (2001) in seiner Potemkin-Biographie, hier eingebettet in die bevorstehende, uns besonders interessierende Krimreise -  mit den fraglichen potemkinschen Dörfern; er führt (S. 264f) aus:
     

      "... Die Annexion der Krim lieferte dafür einen besonders markanten Beleg. Militärbefehlshaber spielten die entscheidende Rolle und bestimmten den Verlauf der Kolonisierung. Feldmarschall Fürst Potemkin lebte ihnen den Inhalt und den Stil der Reichspolitik zur Eroberung des Südens vor. Er hatte im Jahre 1775 mit seiner Kaiserin die Gouvernementsordnung erdacht. Was lag näher, als diese jetzt auch den südlichen Provinzen überzustülpen, obwohl diese sich in keiner Hinsicht auf die Ordnung vorbereiten konnten. Die Folge bestand vor allem in einem weiteren Auswuchern von Bürokratie, Machtmissbrauch und staatlich gelenkter Willkür.
          Alle diese höchst widersprüchlichen Vorgänge fanden in der Persönlichkeit Potemkins ihren Niederschlag. Er fühlte und handelte, wie man es allgemein von einem russischen Herrscher moskowitischer Tradition erwartete. Es ist ein russisches Phänomen, dass ihm gerade diese Seite seines Wesens die Achtung durch das einfache Volk einbrachte. Abscheu erregte dagegen bei den einfachen Menschen seine Arroganz, seine Art, den blasierten Gutsbesitzer zu spielen. Sympathie und Antipathie bei den Höflingen, Politikern und Diplomaten folgten dagegen anderen Motiven. Potemkin besaß eine Vision und hatte ein Ziel. Der Preis, den das Volk dafür zu zahlen hatte, war ihm relativ gleichgültig. Darin glich er Peter I. Außerdem zeichnete sich Potemkin im täglichen Umgang tatsächlich durch Launenhaftigkeit aus. Im Grunde genommen verband er in seinem Wesen die patriarchalischen moskowiter Herrschaftsmethoden mit dem nach Modernität strebenden zentralisierten europäischen Staatswesen. Das blieb ein Widerspruch, an dem Russland stets gekrankt hat, mit dem es letztendlich aber auch den Weg in das moderne Europa gefunden hat. [<264]
      ...
      Über den Fürsten Potemkin hat die Nachwelt ein Bild geformt, das dem des Barons Münchhausen bisweilen nicht fern steht. Selbst in diesem Vergleich werden die charakteristischen Merkmale der aufgeklärten Epoche deutlich sichtbar. Die Geschichten des Barons Münchhausen sind nur für diese Zeit denkbar gewesen. Sie galten als Synonym für den Glauben an den schöpferischen und phantasiebegabten Menschen, dessen Tatkraft keinerlei Grenzen kennt. Die Tatsache, dass Münchhausens russische Episode direkt mit dem Petersburger Hof, mit Potemkin und dem russisch-türkischen Krieg verbunden wurde, spricht für sich.
          Potemkins Leistungen in »Neurussland« haben mit einer kunstvoll erdachten und unglaublichen Münchhauseniade nichts gemeinsam. Potemkin erfüllte seine Aufgaben mit Akribie, Geist und ungewöhnlichem Organisationstalent. Er war alles andere als ein von der Lust am Abenteuer getriebener Tausendsassa. In allen Fragen, mit denen er sich beschäftigte, legte er ungewöhnliche Ernsthaftigkeit an den Tag. Es sind Aufzeichnungen zur Geschichte und Kultur der Krim und ganz »Neurusslands« überliefert, die einen wissenschaftlichen Duktus des Autors bezeugen. Trotz aller notwendigen militärischen Konsequenz: Langsam, vorsichtig und bisweilen sogar ängstlich betrieb der Fürst die Siedlungspolitik, die Umsetzung ganzer Volksgruppen, peinlich bemüht, jeden Anflug einer Zwangsmaßnahme - die es natürlich gewesen ist - zu vermeiden. Über allen Handlungen stand als Leitmotiv das Bemühen, dem Vaterland zu dienen. Das Vaterland war für Potemkin die Kaiserin Katharina und es galt für ihn, sich sowohl ihrem Ruhm als auch ihrer Gunst zu unterwerfen bzw. würdig zu erweisen. [<265]
          Das Jahr 1787 markierte den Höhepunkt ihrer Beziehungen: Die große politische Reise Katharinas in den Süden, nach »Neurussland« und auf die Krim. Die politische Demonstration und der Wunsch, gegenüber der Türkei und Europa jenes politische Ziel zu erreichen, das Peter der Große einst den Schweden im Norden abgerungen hatte: das Tor zum Mittelmeer ebenso aufzustoßen wie zu dem noch in vager Ferne liegenden Schlag gegen Konstantinopel zu rüsten. Für die Erfüllung dieser Aufgabe blieb Potemkin, dem sich die Kaiserin menschlich und freundschaftlich nach wie vor verbunden fühlte, den sie weiterhin liebte, ein unentbehrlicher und meisterlicher Erfüllungsgehilfe.
          Katharina schrieb auf dem Rückweg von der Krim im Spätsommer 1787 an Potemkin: »Deine eigenen Gedanken und Gefühle sind mir um so lieber, weil ich Dich und Deinen Dienst, der aus reinem Eifer entspringt, sehr, sehr liebe und Du selbst unschätzbar bist. Dies sage und denke ich täglich.« Sie fasste ihre Gedanken noch präziser, wenn sie ihm mitteilte: »Zwischen Dir und mir, mein Freund, ist die Sache in kurzen Worten: Du dienst mir und ich bin dankbar, das ist alles.« Nichts mehr von schwülen Liebesschwüren zwischen nachtfeuchten Laken!"


    Jenas Darstellung schildert zwar auch eine widersprüchliche, arrogante, blasierte und launische Persönlichkeit. Aber, Potemkin habe eine Vision und ein Ziel gehabt, seine Arbeit hätte mit Münchhausen - der ja zu seiner Zeit und auch in Petersburg spielt - nichts gemein; mit großer Ernsthaftigkeit sei er an alles, was ihn interessierte, herangegangen; akribisch, geistvoll und mit ungeheurem Organisationstalent habe er Neurussland geformt und integriert. Umsichtig und geradezu vorsichtig habe er seine Umsiedlungspolitik betrieben, peinlich bemüht, jeden Zwangseindruck zu vermeiden.


    Die Reise 1787 in den Süden zur Krim mit Reiseführer Potemkin

    Die Reiseroute: Start am 18.1.1787 in Petersburg (Zarskoje Selo) im hohen Norden mit 14 großen, 124 kleinen und 40 Reserveschlitten, an jeder Station 560 Ersatzpferde über Smolensk nach Kiew (9.2.-1.5), mit 7 Galeeren und 80 Schiffen den Dnjepr abwärts bis Sewastopol (Krim).


    Karte aus dem Brockhaus von 1895.  - Markierungsmontage Petersburg-Smolensk-Kiew-Sewastopol. R. Sponsel.
     

    Reisebeschreibungen aus der Katharina- und Potemkin- Literatur

    Der Katharina die Große Biograph Reinhold Neumann-Hoditz berichtet in seiner Rowohlt-Biographie (1998 S. 104ff)
    [Zielmarken, in denen die potemkinschen Dörfer thematisiert werden: RS_01, RS_02, RS_03, RS_04, RS_05,]:
     

          "Die Reise in den Süden, die Katharina II. 1787, im Jahr ihres 25. Thronjubiläums, unternahm, war eine politische Demonstration. Die Kaiserin wollte der Welt zeigen, welche Kräfte in Rußland steckten, über welche Machtmittel das Zarenreich verfügte. Deshalb lud sie die Gesandten Englands, Frankreichs und Österreichs ein, an der Besichtigungsfahrt teilzunehmen, und schlug Joseph II., dem römisch-deutschen Kaiser in Wien, ein Treffen auf neurussischem Boden vor.
          In Kiew lagen sieben Luxusgaleeren und zahllose Begleitboote bereit, die Reisenden samt Katharinas umfänglicher Hofhaltung den Dnjepr abwärts zu befördern. Auf den seit einigen Jahren geplanten kaiserlichen [>105] Besuch hatte sich Potjomkin bestens vorbereitet. Die Siedlungen an den Ufern des Flusses waren - vom Bord der Schiffe aus - höchst respektabel anzusehen: geschmückte Häuser mit neuen soliden Fassaden, winkende gut gekleidete Menschen, keine Spur von Resignation oder Verfall, denen man gerade in Kiew begegnet war. Die "gezähmten" Kosaken führten Reiterspiele vor; Soldaten paradierten in neuen Uniformen. Am fol[>106]genden Tag die gleichen Bilder Das war die erste Begegnung mit den "Potjomkinschen Dörfern" [RS_01] [FN142]. Ärmliche, verwahrloste Häuser und Bauernhütten hatte der Statthalter durch bemalte Holzkulissen verdeckt; Jubelbauern und Soldaten wurden über Nacht an den nächsten Ort ihres "Einsatzes" verlegt. Die Zarin zeigte sich beeindruckt, obgleich sie die Täuschung sicherlich durchschaute.
          Während der Reise vernachlässigte Katharina die Staatsgeschäfte nicht. Ein Handelsvertrag mit Frankreich kam zustande, um den sich der Versailler Gesandte de Ségur bemüht hatte. (Das westliche Rußland-Geschäft war englisches Monopol.) Der König von Polen hielt es für angebracht, die russischen politischen Touristen an der Grenze seines Landes zu begrüßen. Die Kaiserin dinierte mit Stanislaw II. August auf ihrem Dnjeprschiff. Fast 30 Jahre waren vergangen, seit Katharina ihren ehemaligen Geliebten zuletzt sah, den sie, zu Poniatowskis großem Kummer, allzu schnell abgeschüttelt hatte. ("Man liebt nicht zweimal im Leben so, wie ich Dich liebe", schrieb der enttäuschte Graf damals seiner "Sophie". [FN_143] Es war, auch angesichts der russisch-polnischen Spannungen, ein kühles Wiedersehen. Den Besucher aus Wien nannte die Zarin dagegen ihren besten Freund [FN_l44], denn Österreich und Rußland verband die Feindschaft gegen die Türkei. Gemeinsam besichtigten der Kaiser und die Kaiserin die Baustelle Jekaterinoslaw und dann Cherson. Über diese Stadt nahe der Dnjepr Mündung äußerte sich Katharina begeistert: Cherson war vor acht Jahren noch nicht, und heute kann es als eine der schönsten Städte des Reiches gelten . . . Die Anstrengungen des Fürsten Potjomkin haben diese Gegend in ein blühendes Land verwandelt. [FN145] Joseph II. war von der Geringschätzung menschlichen Lebens, der Arbeitssklaven, die Katharina und Potjomkin rücksichtslos ausbeuteten, tief betroffen (s. die Zeugnisse). Er stimmte mit Ségur darin überein, daß den Reisenden viele "Illusionen" [RS_02] vorgeführt wurden. Der französische Diplomat, dessen Regierung in der orientalischen Frage die Türkei unterstützte, sagte im vertraulichen Gespräch mit dem Kaiser: "Hier hat alles mehr äußeren Glanz als wirklichen Wert. Der Fürst Potjomkin gibt regelmäßig wieder auf, was er mit Eifer begonnen. Keines seiner Projekte ist ausgereift . . . Für die Gründung dieser neuen Katharinenstadt [Jekaterinoslaw] hat er einen Berg gewählt, von dem man eine schöne Aussicht genießt, wo es aber kein Wasser gibt. Cherson, schlecht placiert, hat 20 000 Menschenleben gekostet. Diese Stadt ist von pestbringenden Sümpfen umgeben. Befrachtete Schiffe können in ihren Hafen gar nicht einfahren . . . Einzig Sewastopol ist schon imposant . . . Wenn Katharina wieder abgereist ist, wird all diese Herrlichkeit, die Ausschmückung, die Verschönerungen, verschwinden. Potjomkins Theatercoup [RS_03]  ist dann zu Ende, und er wird sich mit anderen Szenerien befassen, sei es in Polen oder in der Türkei . " [FN_146]
          Ein Besuch der Krim schloß sich an. Die Kaiserin residierte einige Tage [>107] im ehemaligen Khanspalast zu Bachtschisarai (Ende Mai 1787). Sie war nicht nur von der märchenhaften südlichen Landschaft und Vegetation überwältigt. Die Zarin des russischen Imperiums genoß vor allem den geschichtlichen Triumph, der darin bestand, daß sie nun den Platz jener einnahm, unter deren Raubzügen die Russen immer wieder, noch in der jüngsten Vergangenheit, gelitten hatten. Für die religiöse Inbrunst ihrer neuen muslimischen Untertanen zeigte die christliche Herrscherin wenig Verständnis: ..."


    FN142: "Urheber des sprichwörtlichen Ausdrucks 'Potjomkinsche Dörfer' war möglicherweise der Fürst Charles de Ligne (1735-1814), der als Begleiter Josephs II. die Reise mitmachte. Er berichtete von den leeren Hausfassaden , die er, abseits der Straße, bei Fahrten über Land bemerkte."
     

        Die Reisevorbereitungen in den Süden zur Krim beschreibt Detlef Jena (S. 270f) wie folgt:
     

          "Die Reisepläne initiierten an der vorgesehenen Route ein gigantisches Neubau- und Sanierungsprogramm, das akribisch geplant und ausgestaltet werden musste. Paläste und Häuser entstanden, schattige Baumalleen säumten die Straßen, Stationen für die Pferdewechsel schossen wie Pilze aus dem Boden, Depots sicherten den Verpflegungsnachschub. Luxuriöse Feste, Empfänge und Feuerwerke sollten für die notwendige Kurzweil nach langen Reisetagen auf staubigen Straßen, in harten Kutschen sorgen usw. Potemkin kümmerte sich selbst um das kleinste Detail persönlich: Die Reise sollte eine politische Demonstration werden. Vor allem aber ein politischer Erfolg für die Kaiserin, das Reich und den Urheber des Werkes! Da zählten nur Fakten und Tatsachen."
       
      Die Reise sollte eine politische Demonstration der Macht und Stärke Russlands werden - perfekt und akribisch vorbereitet mit gedruckten Reiseführer und eigener Reisehymne.

          "Am Dnjepr hatte Potemkin neue Werften zum Bau von Kriegsschiffen errichten lassen. Die Schiffszimmerer, Segelmacher und vielen anderen Handwerker schufen eine ganze Flotte prächtiger Galeeren, mit denen die Kaiserin und ihr Gefolge in den Süden reisen sollte. Im Herbst 1784 stand die Konzeption für das Unternehmen fest! Potemkin beherrschte moderne Methoden des Managements und Marketings. Er ließ für die Kaiserin einen Reiseführer drucken, aus dem sie einen exakten Überblick über alle zu besuchenden Regionen, Städte und Dörfer mit genauen und notwendigen Informationen über jedes noch so kleine Detail erhielt. Ein zusätzliches Informationsblatt konnte die auflaufenden Veränderungen und Neuigkeiten ergänzen. 1786 erschien das Buch im Druck. Die Kaiserin konnte mit dem Werk jeden Tag ihrer Reise exakt vorbereiten. Sie wusste, welche Entfernungen und Wege zurückgelegt werden sollten, welche Verkehrsmittel benutzt werden würden und welche Veranstaltungen ihrer harrten.
          Im Sommer des gleichen Jahres lud sie Joseph II. offiziell ein, auf der Reise zu ihr zu stoßen, damit sie gemeinsam die Größe Russlands genießen und politische Einmütigkeit in der Orientfrage demonstrieren konnten. Der Gedanke schien dem öster[<270]reichischen Hof nicht ganz geheuer. Katharinas Einladung missfiel dem Kaiser Joseph II.: angeblich wegen seiner laxen Form - bei der Potemkin offenbar seine Hand im Spiele gehabt hatte. Aber der kluge österreichische Kanzler Kaunitz glättete die Wogen und Joseph II. sagte seine Teilnahme an dem politischen Schauspiel zu. Die Neugier darauf, was Mütterchen Russland aus dem Boden gestampft haben könnte, erfasste auch die anderen europäischen Mächte. Niemand wollte die bevorstehende grandiose Show verpassen. Potemkin hatte sogar von einem italienischen Musiker eigens eine Reisehymne komponieren lassen.
          Natürlich erhielten die lokalen Würdenträger von Staat, Verwaltung und Kirche genaue Vorschriften, welchen Text sie jeweils zur Begrüßung Ihrer Kaiserlichen Majestät aufsagen durften. Ende 1786 reiste Potemkin noch einmal in den Süden und kontrollierte akribisch jede wichtige Station und den Stand der Vorbereitungen für alle wesentlichen politischen Demonstrationen auf dem Reiseweg."
       

      18. Januar 1787 Aufbruch in Potemkins "Wunderland", in den sonnigen Süden - eine sorgfältig geplante Inszenierung u. Einbeziehung eines zeitgemäßen Mediamarketings.

          "Kaiserin Katharina II. sah der Reise mit gespannter Erwartung entgegen. Sie konnte vollkommen sicher sein, dass Potemkin das große Fest ganz im Sinne ihrer politischen und geistigen Ideale vorbereitet hatte. Der kaiserliche Neujahrsempfang 1787 stand bereits im Zeichen der Reise. Anschließend begab sie sich nach Zarskoje Selo. Am 18. Januar 1787, mitten im kalten nördlichen Winter, erfolgte der Aufbruch in den sonnigen Süden - in das Wunderland Potemkins, in die Nähe des künftigen Kriegsgegners.
          Vierzehn große, einhundertvierundzwanzig kleine und vierzig Reserveschlitten bildeten die glanzvolle Kavalkade. An jeder Haltestation warteten fünfhundertsechzig Ersatzpferde und ganze Kolonnen von Handwerkern, die jede, auch die kleinste und komplizierteste Reparatur ausführen konnten. Der Schlitten der Kaiserin demonstrierte imperiale Größe. Groß wie ein Wohnhaus, zogen ihn dreißig Pferde durch den tiefen Schnee. Die vier Räume (Arbeitszimmer, Bibliothek, Schlafgemach und Ankleideraum) teilte sich die Kaiserin mit [<271] ihrer Hofdame, dem Fräulein Protassow, und dem damaligen Geliebten Mamonow. Alle wichtigen Hofleute, Politiker und Diplomaten begleiteten die Kaiserin. Sie reisten ebenfalls in prächtigen Schlitten.
          Unter den ausländischen Gästen fanden die Vertreter Englands, Frankreichs und Österreichs besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Sie galten nicht nur als unterhaltsame und gebildete Leute. Die Gesandten verstanden es, die Kaiserin zu erheitern. Ihre vorrangige Aufgabe bestand jedoch in der sofortigen und umfangreichen Information der jeweiligen Regierungen über alle Erlebnisse auf dem Trail durch das Russische Reich. Außerdem gehörte es zum Lebensstil eines jeden angesehenen Menschen, mit aller Welt zu korrespondieren - und das sollten sie ausgiebig tun: Ganz Europa musste so schnell wie möglich erfahren, dass Katharinas Reich zum Besten gehörte, was der Kontinent zu bieten hatte.
          Die Kaiserin tat ein Übriges. Sie versorgte die Diplomaten persönlich mit jenen Themen und Informationen, die ihr besonders angenehm und wichtig erschienen: alles über die gute Kaiserin! Schließlich sollte die Welt nicht nur Russlands starke Seiten kennen lernen. Die Kaiserin war felsenfest überzeugt von ihrer überragenden Rolle im mächtigen Russland. Nichts anderes als dieses von ihr geprägte Russland galt es an allen Orten darzustellen."
       

    Der französische Gesandte äußert sich nach Detlef Jena (2001, S. 275ff) wie folgt:
       
      Im Morgenrock halbnackt launisch auf dem Diwan fletzen

          "Abermals beschrieb der französische Gesandte Ségur die Szenerie mit eindrucksvollen, aber ein wenig eitlen und unbedachten Worten: »Nachdem er ein oder zwei Mal in voller Marschallsuniform mit Auszeichnungen und Diamanten, Litzen und Stickereien, gelockt und gepudert wie einer unserer ältesten Höflinge, erschienen war, trug dieser mächtige, launenhafte Günstling Katharinas, aus angeborener Trägheit oder auf Grund klug eingesetzter Arroganz, gewöhnlich einen Morgenrock; sein Hals blieb frei, seine Beine waren halbnackt und [<275] seine Füße staken in großen Pantoffeln, während sein Haar flach lag und schlecht gekämmt war. Er faulenzte auf einem breiten Diwan, umgeben von einer Menge von Offizieren und den höchsten Persönlichkeiten des Reiches. Selten forderte er einen von ihnen auf, Platz zu nehmen, und stets gab er vor, zu sehr mit dem Schachspiel beschäftigt zu sein, als daß er von den Russen und Ausländern, die in seinem Salon erschienen, hätte Notiz nehmen können.
          Mir waren seine Besonderheiten alle bekannt, da aber kaum jemand über die intimen Beziehungen unterrichtet war, die sich zwischen diesem seltsamen Minister und mir ergeben hatten, muß ich zugeben, daß es mir etwas gegen mein Ehrgefühl ging, als ich daran dachte, daß so viele Ausländer Zeuge davon sein würden, wie der Gesandte des Königs von Frankreich, wie jeder andere seinem Hochmut und seinen Launen ausgesetzt war.
          Um nicht mißverstanden zu werden, verhielt ich mich folgendermaßen: Als ich im Kloster ankam und mein Besuch angekündigt worden war, ging ich, als ich sah, daß der Fürst keinerlei Notiz davon nahm und seine Augen nicht vom Schachbrett abwandte, direkt auf ihn zu, umfaßte seinen Kopf mit beiden Händen, umarmte ihn herzlich und nahm ohne weitere Umstände neben ihm auf dem Diwan Platz. Diese Vertraulichkeit setzte die Zuschauer etwas in Erstaunen, da es aber nicht gekünstelt schien, war damit alles erklärt. An den Tagen, an denen Fürst Potemkin in seinem Kloster keine öffentlichen Audienzen gewährte oder, wie man sagen könnte, nicht asiatischen Hof hielt, besuchte ich ihn privat mit mehr Vergnügen, da er von seinen hübschen Nichten und wenigen Freunden umgeben war. In jenen Augenblicken war er ein vollkommen anderer Mensch; stets originell, witzig und in der Lage, jeder Art von Unterhaltung, so verschieden sie auch sein mochte, eine interessante Note zu verleihen.« ..."
       

      Am 1. Mai 1787 Abschied von Kiew und mit einer Armada gen Süden

          "Sieben Galeeren, ganz in Gold und Rot gehalten, paradierten an der Spitze einer Armada von achtzig Schiffen. Dreitausend Matrosen ruderten zum Ruhme ihrer Kaiserin. An der Spitze regierte Katharina selbst ein Schiff. Auf dem folgenden Boot machten es sich der österreichische und der englische Gesandte bequem. Erst in deren Kiellinie folgte die Galeere mit dem Gesandten Ségur und dem Fürsten von Ligne. Besonders pikant war der Umstand, dass die vierte Galeere den Fürsten Potemkin mit seinen hübschen Nichten beherbergte.
          Die Flotte war so prächtig herausstaffiert und ihr eilte ein derart wundersamer Ruf voraus, dass es keinerlei Zwang bedurfte, staunende Menschenmassen mit offenen Mäulern an den Ufern zu versammeln. Um nicht den Eindruck zu erwecken, es gäbe noch nichts zu besichtigen, legten die Schiffe so oft sie konnten am Ufer an. Der französische Gesandte vermerkte mit höflicher und diplomatischer Überschwänglichkeit: »Städte und Dörfer, Landsitze und Bauernhütten waren so mit Blumengebinden und eleganten architektonischen Verzierungen verschönt und herausgeputzt, daß sie den herrlichen Eindruck gleichsam über Nacht errichteter Paläste und von Feenhand hervorgebrachter Parks erweckten.«"
       

      Es gab keine potemkinschen Dörfer wie die Nachwelt phantasiert - Katharina dementiert
          "Der damalige Staatsbesuch unterschied sich nicht von den protokollarischen Gepflogenheiten bei ähnlichen Gelegenheiten nachfolgender Generationen. Auch die Tatsache, dass in der Nähe größerer Städte Truppen paradierten, entsprach dem realen Zweck der Reise. Es gab weder Scheindörfer noch Gipspaläste. Es bestand auch keine zwingende Notwendigkeit, Massen leibeigener Bauern verkleidet an die Protokollstrecke zu treiben. Wann aber hat es in der Geschichte je ein Beispiel gegeben, dass bei offiziellen Staatsbesuchen nicht die besseren Seiten des Lebens präsentiert worden wären! [RS_04] Es gab keine "potemkinschen Dörfer", zumindest nicht in dem Sinne, den die [<278] Nachwelt unterstellt. Den Gegnern des Fürsten ist es nicht gelungen, ihn auf diese Weise zu diskreditieren. Sie haben es nicht einmal gewagt, diese böswillige Legende zu seinen Lebzeiten in Europa in Umlauf zu bringen. Im Leben ist es jedoch leider so, dass der Verleumdung eher geglaubt wird als der Wahrheit.
      ...
          Nach ihrer Rückkehr aus dem Süden griff Katharina darum zur Feder und schrieb den Verleumdern ironisch ins Stammbuch: »Die Städte Moskau und Petersburg und noch mehr die ausländischen Journalisten haben während unserer Reise viel erfunden. Jetzt sind wir an der Reihe: Wenn man von weit hergereist kommt, ist es leicht zu lügen. Hier ist eine Aufzählung dessen, was ich den Leuten sagen werde. Ich halte es für notwendig, jene davon zu informieren, die mit mir reisten, nicht nur um ihre Zustimmung zu erhalten, sondern auch, um sie aufzufordern, mir ihre eigenen Ansichten mitzuteilen.
          Zunächst habe ich, die ich zu Euch spreche, gesehen, wie das Taurusgebirge mit schwerem Gang auf uns zukam und mit schmachtender Miene vor uns eine Verbeugung machte. Mögen jene, die es nicht glauben, hingehen und sich die neuen Straßen ansehen, die dort gebaut wurden; sie werden feststellen, daß steile Hänge in leicht zu begehende Hügel verwandelt worden sind.« Die Ironie geriet der Kaiserin ein wenig gekünstelt und der verbale Schutzwall für Potemkin etwas brüchig. Katharina ist trotz der Berge von ihr beschriebenen Papiers keine exzellente Meisterin der Feder gewesen. Aber sie sagte an dieser Stelle im Kern die Wahrheit." [<279]


    Der französische Gesandte zitiert nun einen Franzosen, der seit drei Jahren in der Gegend lebte (S. 281):

       
      Zeitzeuge: Eine gewaltige Kolonisationsleistung. "Kein Wort von Pappdörfern!"

          "Weiter ging die Fahrt, den Dnjepr abwärts. Man erreichte in Krementschuk eines der Stabsquartiere Potemkins. In waghalsiger Fahrt bezwang die Flottille bei Kaidak die erste der Dnjepr-Stromschnellen. Wieder schwärmte der französische Gesandte von singenden Bauern und vergaß dennoch nicht die Wirklichkeit: »... bei der Übernahme dieser ungeheuer großen Provinz durch Rußland (1774) lebten dort lediglich 204 000 Einwohner; unter seiner Verwaltung ist die Bevölkerung in wenigen Jahren auf 800 000 angewachsen ... Ein Franzose, der seit drei Jahren hier lebt, hat mir berichtet, daß er bei seinen alljährlichen Reisen durch die Provinz blühende Dörfer an Orten vorfand, die er als wüst und leer kennengelernt hatte. So erstreckt sich zwischen Kaidak und Cherson eine ungeheure grüne Fläche, auf der Rinder-, Pferde-  und Schafherden weiden.« [RS_05] Kein Wort von Pappdörfern!
      ...

      Der Höhepunkt der Reise: "Das Glanzstück lieferte Sewastopol."

         "Die Gesellschaft fuhr nach Inkerman, an den schroffen Abhängen des westlichen Ufers der Krim gelegen. Potemkin hatte einen neuen Palast in Inkerman errichten lassen. Dort fand ein großes Festessen statt. Auf einen Wink des Fürsten zog man die Fenstervorhänge zur Seite. Sie gaben den Blick auf die Bucht von Sewastopol frei. Vierzig gewaltige Kriegsschiffe paradierten unter vollen Segeln und in Kiellinie. Sie feuerten ihre Kanonen zu Ehren der Kaiserin ab. Russlands Stolz und Ruhm auf dem Schwarzen Meer! Katharina II. hatte das Ziel ihrer Reise erreicht. Noch verharrte man in andächtigem Staunen, da marschierten bunt gekleidete Tatarenregimenter vor dem Palast auf und huldigten der Kaiserin. Potemkin hatte das Land nicht nur kolonisiert. Er hatte es seiner Herrscherin untertan gemacht. Im ersten Türkenkrieg hatten die Tataren gegen Russland gekämpft. Jetzt konnte man ihre Soldaten sogar unter Waffen gefahrlos vor der Kaiserin aufmarschieren lassen. Das erschien der Kaiserin als wahrhaft historischer Erfolg."
       

      Der Festungshafen Sewastopol und die Schwarzmeerflotte im Aufbau existierte wirklich 

          "Potemkin führte die Reisegesellschaft an Bord eines Kriegsschiffs und die Kaiserin nahm gemeinsam mit Joseph II. die Pa[<284]rade der russischen Schwarzmeerflotte ab. Joseph II. und Ségur wurden nachdenklich, als russische Matrosen auf den Linienschiffen und auf den Fregatten präzise Segel setzten und Kanonen bedienten. Die Besichtigung des Hafens, der Magazine und Versorgungseinrichtungen festigte ihre Erkenntnis: Die russische Schwarzmeerflotte steckte noch in den Kinderschuhen, aber sie existierte und zeigte sich - zunächst bei einer Parade einsatzbereit. Auf den Meereswellen wiegten sich keine Schaumgebilde. Das böse Gerücht, das nicht verstummte, Potemkin habe der Zarin in der Steppe bemalte Pappwände als respektable Dörfer vorgegaukelt, und die Bauern, die der Kaiserin zujubelten, seien stets schnell von einem Dorf zum anderen geschickt worden, erwies sich angesichts der segelgeschwellten Armada erst recht als wenig glaubhaft." (S. 284f).


     
    Bringt George Soloveytchik wirklich die potemkinsche Wahrheit ans Licht? 

    Gab es die potemkinschen Dörfer oder handelt es sich hier um eine Ente ?

    Von besonderer Bedeutung zur Rolle Potemkins für die russische Geschichte unter Katharina II. und besonders auch, was die Frage der sog. potemkinschen Dörfer betrifft, ist das Buch "Potemkin" des Russen Soloveytchik (Biographie), das 1951 erstmal auch in dt. Sprache erschien (2.A. 1953; Originalausgabe - 1. A. 1938? - 1947 in englisch). Dort wird ausgeführt:

    "VORREDE ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
     

      Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß eine Persönlichkeit wie Potemkin, der 17 Jahre lang der mächtigste Mann in Rußland — und damit einer der mächtigsten Männer in Europa — war, von den Fachhistorikern bisher so wenig beachtet worden ist.
          Er galt einfach als einer der vielen Günstlinge der Kaiserin Katharina und obendrein als eine recht fragwürdige Persönlichkeit; als ein Gauner, der die Kaiserin auf ihrer Reise nach der Krim grob beschwindelte, indem er entlang der von ihr befahrenen Straße Häuser aus Pappe aufhaute und diese Pappdörfer mit Tausenden von verschleppten Leibeigenen nebst ihren Geräten und ihrem Vieh bevölkerte, um der Kaiserin einen blühenden Wohlstand vorzutäuschen.
          All diese Geschichten lassen sich auf eine anonym erschienene Biographie zurückführen, als deren Verfasser später der sächsische Diplomat Helbig festgestellt wurde; diese Biographie erschien in der Hamburger Zeitschrift "Minerva" in den Jahren 1797 — 1799 [RS: 1-20, 21-34] und wurde dann ins Französische (1808), ins Englische (1811 und 1813) und in verschiedene andere Sprachen übersetzt. Abgesehen von gelegentlichen Ausschmückungen und Abänderungen enthalten diese Übersetzungen, die durchweg anonym erschienen, alle groben Erfindungen Helbigs.
          Die beste englische Autorität für diese Periode der russischen Geschichte, der verstorbene Robert Nisbett Bain, bezeichnet alle diese Darstellungen als "völlig wertlos" (absolutely worthless).
          Vor kurzem (Mitte der 1930er Jahre) erschien nun ein deutsches Buch mit dem charakteristischen Titel »Yom Hanswurst zum Ersten Mann im Staate", angeblich eine neue Potemkin-Biographie. Der Verfasser dieses Buches hält sich sehr genau [<5] an die französische Ausgabe von Helbigs Machwerk und wiederholt nicht nur die darin enthaltenen Ungereimtheiten, sondern bezieht sich sogar auf Potemkins eigene Memoiren oder Erinnerungen — offenbar weil er ein französisches Wort falsch verstanden hat.
          Tatsächlich hat Potemkin selbst keinerlei schriftliche Erinnerungen hinterlassen; wohl aber haben dies viele seiner russischen und ausländischen Zeitgenossen getan.
          Und diese Dokumente, zusammenn mit den sehr zahlreichen amtlichen diplomatischen und privaten Aufzeichnungen, die sich auf die Regierung der Kaiserin Katharina beziehen und im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts in Rußland und außerhalb Rußlands veröffentlicht wurden, lassen die Persönlichkeit unseres Helden in einem wesentlich anderen Lichte erscheinen. Die neueren Historiker,.die sich seitdem mit dieser Geschichtsperiode befaßt haben und noch befassen, haben auf Grund dieses Materlals die frühere Beurteilung Potemkins erheblich revidieren müssen; sie mußten seine zweifellos große Begabung anerkennen, wenn auch seine Fehler und Überspanntheiten weit mehr Beachtung fanden als seine positiven Leistungen. Waliszewsky gibt in seinem glänzend geschriebenen, aber oberflächlichen Buch "Autour d'un trône" (Paris, 1894) ein interessantes Charakterbild Potemkins. Aber merkwürdigerweise hat bisher kein Historiker von Beruf und Ruf es der Mühe wert gehalten, eine umfassende Darstellung von Potemkins Leben unter Benutzung des nunmehr vorliegenden reichen dokumentarischen Materials zu veröffentlichen. Nahezu das gleiche gilt für die Kaiserin selbst: die Zahl ihrer Biographen ist Legion, aber kein anerkannter Historiker hat bisher eine wissenschafzlich ausgearbeitete Darstellung ihrer gesamten Regierungszeit veröffentlicht, die die Unmenge der inzwischen ans Licht gekommenen Tatsachen verwertet. Wenn es ein solches Buch gäbe, würde Potemkins große geschichtliche Bedeutung schon längst allgemein anerkannt sein.
          Meine eigenen Bemühungen, eine Lebensgeschichte Potemkins zu schreiben, waren dadurch sehr erschwert, daß ich keinen direkten Zugang zu den russischen Bibliotheken und Archiven [<6] hatte. Zu meiner angenehmsten Überraschung fand ich jedoch in Paris und London höchst wertvolles Material. Während einer längeren Reise (1934—1937) in Polen, den Ostseeprovinzen und Finnland — Länder, die früher alle zum russischen Reich gehörten — konnte ich meine Quellenforschungen noch weiter ausdehnen. Und schließlich fand ich in Schweden sehr viel Material, das meine vorliegende Arbeit entscheidend beeinflußt hat. Ich möchte nicht verfehlen, an dieser Stelle Herrn Walter Singer in Stockholm meinen besonderen Dank auszusprechen für die Hilfe bei der Auswertung teilweise noch unveröffentlichter schwedischer Quellen. Ich bin auch anderen Freunden zu Dank verpflichtet, die mir ihre Bibliotheken und ihren sachkundigen Rat zur Verfügung stellten.
         Alles was ich in meinem Buch sage, beruht auf tatsächlich vorliegendem Dokumentenmaterial. Wo die Quellen einander widersprachen, habe ich natürlich die Tatsachen benutzt, die mit meiner eigenen Bewertung der in Frage kommenden Personen und Ereignisse im Einklang standen. Um Fußnoten zu vermeiden, die den Leser stören könnten, habe ich gelegentlich ein paar erklärende Worte in ( ) beigefügt. Ich glaubte ferner, eine allgemeine Darstellung der russischen Szene geben zu sollen, auf der sich Potemkins und Katharinas Handlungen abspielen, weil ich überzeugt war, daß mangels eines solchen Hintergrundes die Personen und ihre Handlungen nicht genügend klar hervortreten würden.
          Voltaire hat einmal gesagt, daß die Autoren glücklich zu preisen seien, die später einmal die Geschichte der Großen Katharina schreiben würden; an dieses Wort mußte ich während meiner Arbeit oft denken. Vielleicht war eine weitere Ursache meiner Freude an diesem Werk die Erinnerung an meine glückliche Jugend in St. Petersburg und Zarskoe Selo, den Stätten, wo seinerzeit Katharina in ihrem größten Glanze herrschte; Als ich vor vielen Jahren einmal mit meinem Vater im Park von Zarskoe Selo spazieren ging, in dem herrlichen Park, der Katharinas Namen trägt, sagte mein Vater zu mir: "Eines schönen Tages sollst du russische Geschichte schreiben!" Soweit ist mein Ehrgeiz nicht gegangen; aber wenn mein Vater heute [<7] noch am Leben wäre und mein Buch lesen könnte, so würde er, denke ich, anerkennen, daß ich die darstellenswerten Tatsachen nicht verfälscht habe.
          Ich habe mich bemüht zu zeigen, daß Potemkin kein betrügerischer Marktschreier war, sondern einer der großen Staatsmänner Europas im 18. Jahrhundert, und daß vieles von dem, was er aufgebaut hat, noch heute besteht. Ein Deutscher war es, der das bösartige Wort "Potemkinsche Dörfer'' geprägt hat. Ich würde mich freuen, wenn dieses mein Buch, das vor dem Weltkrieg in England erschienen und in mehrere fremde Sprachen übersetzt worden ist, in der nunmehr vorliegenden deutschen Ausgabe dazu beitragen würde, das unzutreffende geflügelte Wort von den "Potemkinschen Dörfern« auch im deutschen Sprachgebiet außer Kurs zu setzen.
      London, Sommer 1951 George Soloveytchik"


    Kritische Anmerkung zu Soloveytchiks Potemkin
    Es wundert mich, daß ein Geschichtswerk, das das Bild Potemkins, das sich bis ca. von 1800 bis 1935 etabliert hat, grundlegend korrigieren und Potemkin auch rehabilitieren will, keinen wissenschaftlichen Apparat, in der deutschen Veröffentlichung noch nicht einmal eine Quellen- und Literaturliste beigibt. Nachdem ich es für möglich hielt,
     
    weil man nach dem Kriege (Seiten) sparen mußte,  z.B. am Literaturverzeichnis oder wissenschaftlichen Belegapparat [Anmerkungen]), beschaffte ich mir über Fernleihe ein Exempolar der englischen Ausgabe von 1947: Aber auch in dieser Ausgabe findet sich weder ein Literatur- und Quellenverzeichnis noch ein wissenschaftlicher Apparat mit entsprechenden Belegen. Das englische Inhaltsverzeichnis entspricht genau dem deutschen. 

    Wörter unter der Lupe: Potemkinsche Dörfer.

      Nach Franziska Schröder. Wörter unter der Lupe: "Potemkinsche Dörfer. Werden uns potemkinsche Dörfer gezeigt, dann spiegelt uns jemand falsche Tatsachen vor, diese Dörfer sind ein Sinnbild für Lug und Trug. Angeblich soll einst der russische Fürst Potemkin (1739-1791) Zarin Katharina auf einer Inspektionsreise durch die Krim nur blühende Dorfattrappen gezeigt haben. In Wirklichkeit beruht diese Geschichte aber auf bösartigem Hofklatsch in St. Petersburg, den dort niemand glaubte. Erst ein sächsischer Diplomat namens Helbig brachte diese Geschichte durch seine Memoiren nach Deutschland und sogar in unsere Geschichtsbücher. Armer Potemkin. Seine Dörfer waren also nicht von Pappe."


    Wolfgang Elsner berichtet in seinem Buch "Irrtum!" (1998, S. 220f):
     

      "Die Potemkinschen Dörfer waren aus Pappe
      Diese Lüge war eine von vielen, die der sächsische Diplomat Helbig zwischen 1797 und 1799 mittels zahlreicher Artikel in die Welt setzte. Er behauptete, der russische Fürst Grigorij Aleksandrowitsch Potemkin (1739-1791) habe Hunderttausende Leibeigene in den Tod getrieben und drei Millionen Rubel veruntreut und anläßlich eines Besuchs von Katharina II. von Rußland auf der Krim den Befehl gegeben, Dorfattrappen zu [<220] errichten, um der Zarin Wohlstand und Fortschrittlichkeit dieser Region vorzuspiegeln. An all diesen Geschichten ist kein Wort wahr, vielmehr gehörte der Fürst zu den großen Staatsmännern des 18. Jahrhunderts, der mit seinen Reformen und Städtegründungen (u. a. Sewastopol und Nikolajew) im In- und Ausland großen Eindruck machte. Doch weil Potemkin der Liebhaber Katharinas - vielleicht sogar ihr angetrauter Ehemann  war, hatte er eine Menge Neider, die für die Entstehung der »Potemkinschen Dörfer« sorgten. Zunächst wurden die Geschichten nur hinter vorgehaltener Hand erzählt, dann brachte Helbig sie zu Papier. Erst anderthalb Jahrhunderte später wies der Russe George Soloveytchik in seiner Potemkin-Biographie nach, daß die Geschichte von den Papp-Dörfern eine bösartige Erfindung war."
          Quelle: Gerhard Prause: Niemand hat Kolumbus ausgelacht, Düsseldorf 1978


    Auch Walter Krämer und Götz Trenkler äußern sich in ihrem "Lexikon der populären Irrtümer" unter Berufung auf die gleiche Quelle ähnlich (1998, S. 286):
     

      "Potemkinsche Dörfer
      Dieses Sinnbild für Lug und Trug tut dem russischen Fürsten Gregor Alexandrowitsch Potemkin (1739-1791), Feldmarschall aller russischen Streitkräfte, Großadmiral des Schwarzen Meeres und wichtigster Berater der Zarin Katharina, großes Unrecht an. Auf einer Inspektionsreise durch die Krim soll Potemkin, so heißt es, seiner Zarin blühende Kulissendörfer, wie man sie beim Film verwendet, als echte Siedlungen vorgeführt haben. Dieser Hofklatsch wurde von Feinden Potemkins in St. Petersburg verbreitet. Weder die Zarin selbst, die viel zu clever war, um sich auf so plumpe Weise betrügen zu lassen, noch andere Zeitgenossen haben jemals daran geglaubt. Erst als ein sächsischer Diplomat namens Helbig in seinen 1797 veröffentlichten Memoiren davon als einer tatsächlichen Begebenheit sprach, hat diese Anekdote ihren Weg auch in seriöse Geschichtsbücher gefunden.
          Literatur Gerhard Prause: Tratschkes Lexikon für Besserwisser, München, 1986 (besonders der Abschnitt »Potemkin: Seine Dörfer waren keineswegs aus Pappe«; Stichwort »Potemkin« in Das Große Personenlexikon, Dortmund 1988."


    Kritische Anmerkung zu Prause, Elsner und Krämer:
    Sieht man sich Soloveytchiks Buch auch nur oberflächlich an, so fällt auf, daß er keinerlei Belege und nachprüfbare Quellen angibt. So gesehen verwundert es, daß so kritische und kundige Köpfe wie Prause, Elsner und Krämer den Standpunkt Soloveytchiks einfach unhinterfragt übernehmen.


    Rekonstruktion der Entstehung des Gerüchtes von den potemkischen Dörfern
    Zur politischen Sozialpsychologie von Gerüchten

    Gerüchte in die Welt setzen, intrigieren, denunzieren und schlecht machen gehören zur Politik und den Medien wie das Amen in der Kirche, die Luft zum Atmen, der Sauerstoff zum Leben - getreu dem alten Motto: Semper aliquid haeret - Es bleibt immer etwas hängen. Wie könnte eine solche Weisheit in ein Sprichwort münden, wenn dieses Verhalten nicht so weit verbreitet wäre?

    Einige wichtige eingeladene Gäste und Gesandte auf der Reise in den Süden
    Aus dem Kreis der folgend Genannten dürften die Gerüchte herrühren:

    • Kaiser Joseph II. (1741-1791) von Österreich
    • Graf Johann Ludwig von Cobenzl (1735-1809), Gesandter Österreichs in St. Petersburg
    • Graf Louis Philippe de Ségur (1753-1830), der Gesandte Frankreichs
    • Sir Robert Gunning (1731-1816), britischer Botschafter in St. Petersburg
    • G.A.W. von Helbig ( -1813), Resident des sächsischen Kurfürsten in St. Petersburg 1782-1796.
    • C. J. F. L.A. Reichsfürst von Ligne (1735-1814), österreichischer Feldmarschall
    • Fürst von Nassau-Siegen


    wird fortgesetzt.



    Literatur (Auswahl)
  • Adamczyk, Theresia  (1936).  Fürst G.A. Potemkin. Untersuchungen zu seiner Lebensgeschichte. Emsdetten: Lechte.
  • Castera, J. H. de (1798). Katharina II.  Geheime Lebens- und Regierungsgeschichte Katharinens der Zweyten, Kaiserin von Rußland. Aus dem Französischen. 2 in einem Band. 2. verb. Ausgabe. Paris, ohne Drucker (d. i. Altenburg, Richter), 1798. 8°. Mit 6 Portraits VIII, 224 S. "Seltene, anonym erschienene Biographie Katharinas II. Die Bibliographien verzeichnen zumeist die 4-teilige Ausgabe, gleichfalls bei Richter in Altenburg mit der fingierten Angabe 'Paris' gedruckt. Vorliegende zweite dt. Ausgabe erschien gleichzeitig mit der ersten Ausgabe (die franz. Ausgabe war unmittelbar nach dem Tod der Kaiserin erschienen). Das Werk enthält eine kritische Geschichte der russischen Innen- u. Außenpolitik der Jahre 1762-1796. Die 6 kl. Portr. auf dem Frontisp. zeigen u.a. Potemkin und Orloff." (Quelle: Grazer Buch- und Kunstantiquariat im ZVAB).
  • Crusenstolpe, Magnus J. von (1917, 1923, ). Russische Hofgeschichten. Unter Nutzung zeitgenössischer Originaldokumente bearbeitet, eingeleitet und mit zahlreichen Anmerkungen herausgegeben von Joachim Delbrück. Mit 33 Bildbeigaben. Drei Bände.
  • Helbig, G.A.W. v. (1797-1800).  Potemkin. Der Taurier. In: Minerva. Die einzelnen Teile: 1-20, 21-34.
  • Helbig, G.A.W.v. (1883). Russische Günstlinge. Abdruck d. Orig. - Ausgabe v. 1809. M. 1 Portr. d. Kaiserin Katharina II. n. Daniel Chodowiecki. Stuttgart: Cotta. [v. Helbig wird von Soloveytchik als Erfinder der potemkinschen Dörfer und damit als Denunziant Potemkins bezeichnet, aber.]
  • Helbig, G.A.W.v. (1917).  Russische Günstlinge. Unter Benutzung von neuen Quellenwerken bearbeitet, eigeleitet u. mit zahlr. Anmerkungen herausgegeben von Max Bauer. München und Berlin:  Georg Müller Verlag. [468 Seiten u. 34 Bildtafeln].
  • Jena , Detlef (2001).  Potemkin. Favorit und Feldmarschall Katharinas der Großen. München: Langen Müller.

  • Michel, Robert (1935). Vom Hanswurst zum ersten Mann im Staat. Lieben und Leben des Fürsten Potemkin. Berlin: Verlag f. Kulturpolitik. [wird von Soloveytchik als weitgehende Abschrift Helbigs kritisiert]
  • Neumann-Hoditz, Reinhold (1988 ff). Katharina die Große. Reinbek: Rowohlt.
  • Prause, Gerhard (1966). Fürst Potemkins Dörfer waren nicht von Pappe. In: Niemand hat Kolumbus ausgelacht, 193-226.[stützt sich im wesentlichen auf  Soloveytchik, ohne dessen mangelnden Quellennachweis kritisch zu hinterfragen]
  • Soloveytchik, George   (1953). Potemkin. Soldat, Staatsmann, Liebhaber und Gemahl der Kaiserin Katharina der Großen.  Stuttgarter Hausbücherei.
  • Völkel,  Werner (1940).  Potemkin. Berlin:  Frommhagen. [ Ein historischer Roman um die Frage ob Potemkin Scharlatan oder Genie war]


  • Links (Auswahl)
    Veränderte URLs ohne Weiterleitung entlinkt.

    • Biographien Potemkin [1,2,3,4,5,]
    • Katharina die Große: [1,2,3,]
    • Aufklärung in Rußland: [1,2,3,]
    • Russland im Zeitalter des Absolutismus [1,2,3,]
    • Zarenresidenz Lomonossow: [1,2,3]




    Anmerkungen und Endnoten
    ___
    Katharina II. (Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst), 1729-1796. Psychopathographisch dürfte die russische Zarin aus Deutschland Potemkin in nichts nachstehen. Zwar fällt Katharina II. in das Zeitalter der Aufklärung, aber sie war alles andere als eine Vertreterin der großen europäischen Aufklärung. Sie war auch keine Zarin, die den Beinamen "die Große" verdiente, hierzu war sie viel zu einseitig, groß war sie in erster Linie in ihrem hemmungs- und rücksichtslosen Streben, Rußland zu einer Großmacht zu machen und groß war sie sicher auch als Egozentrikerin und Narzißtin, der das russische Volk ebenso gleichgültig war wie andere Menschen oder die Werte und Ideale der Menschenrechte und Aufklärung. Wie es wirklich zuging im vermeintlich "aufgeklärten Absolutismus" vermittelt in erschütternder und aufrührender Weise das erste Kapitel "Leben und Treiben in Rußland" des Potemkin-Biographen  Soloveytchiks, Bakunins Reader, Kaisers Beschreibung der Justiz zur Zeit Katharinas II. oder  Radischtschews Reise von Petersburg nach Moskau des größten russischen Aufklärers zu Katharinas Zeiten, den die "aufgeklärte" Zarin sehr aufklärend zum Tode verurteilte und später zu 10 Jahren Verbannung "begnadigte".
        Anmerkung zu Biographien: Es gibt zu Katharina II. unübersehbar viel Literatur; vielfach einseitig hagiographisch und unkritisch, wie so oft, wenn HerrscherInnen den Beinamen der oder die "Große" tragen (Beispiel Alexander, der "Große".).
    ___
    Nachlaß Prof. Dr. Helbig, Katharina II. und Potemkin Kenner.
    https://www.allianz-kulturstiftung.de/allianz_dt/theater/rueckblick/theater_haupt_rueck.htm
    "Prof. Dr. Helbig, zur Zeit des Kalten Krieges außenpolitischer Berater Konrad Adenauers, war nicht nur für sein Spezialwissen über Katharina die Große und Grigori Potemkin bekannt, sondern auch für seine Schifffahrten auf dem Rhein. Auf diesen meist mehrstündigen Fahrten mit seinen Gästen aus CDU-Parteiprominenz und Showbusiness vermochte Prof. Dr. Helbig den Anschein zu erwecken, es sei ein Kinderspiel, historische Persönlichkeiten wie den Prince de Ligne, Potemkin, Diderot, ja die Zarin selbst wieder zum Leben zu erwecken, und eine ganze Reihe Potemkinscher Dörfer am nebligen Rheinufer wenn nicht Wirklichkeit, so doch Illusion werden zu lassen. Kurz vor seinem Tod entschloss sich Prof. Dr. Helbig, seinen gesamten Nachlass der Potemkin Stiftung in Dnjepropetrowsk zu vermachen, nachdem er sich vergeblich darum bemüht hatte, Räumlichkeiten bzw. ein Museum für seine einmalige Sammlung an Potemkiana zu finden. Trotzdem blieb Helbigs Nachlass noch jahrelang in seinem Bootshaus am Rhein liegen und wurde von jährlich wiederkehrenden Hochwassern in Mitleidenschaft gezogen. Dank der Zusammenarbeit der Helbig Gesellschaft und der Potemkin Stiftung Dnjepropetrowsk ist es jetzt möglich, Helbigs Nachlass erstmals der deutschen Öffentlichkeit vorzustellen. Im Rahmen des Festivals "Theater der Welt 2002", das vom 21. bis zum 30. Juni in gleich vier großen Städten des Rheinlandes stattfindet, werden die memorablen Bootsausflüge auf dem Rhein von Hans-Peter Litscher erneut veranstaltet."
    ___
    Soloveytchik, George (1902-1982). Kurzbiographie unter Britische Bibliothek der politischen und Wirtschaftswissenschaft. Hiernach: Soloveytchik wurde in Str. Petersburg, der Sohn des geschäftsführenden Geschäftsführers der sibirischen Bank des Handels geboren. In Petrograd, Rußland, aufgewachsen, zur Schule gegangen und erzogen. Er studierte auch in Oxford, Paris und an der Berlin. Soloveytchik flüchtete vor dem sowjetischem Rußland nach England 1918 und fing an, während noch in Oxford zu schreiben und zu konferieren. Er wurde ein häufiger freiberuflich tätig als Schriftsteller, Journalist, wissenschaftlicher, finanzwirtschaftlicher und politischer Berater (internationale Angelegenheiten) und Herausgeber, hielt zahlreiche Vorträge in Europa, Kanada und in den USA (Princeton, Yale). Soloveytchik war auch Direktor der Werbung an der internationalen Kolonialausstellung in Paris 1931. Von 1941 bis 1945 Berater der belgischen Regierung in London. War auch für die skandinavischen Ländern im Namen UNESCO, 1947, tätig und wirkte auch als Gastleser am graduierten Institut der internationalen Studien, Genf Univ, 1948-1956 und an der Schule der Volkswirtschaft, Str. Gallen. Lit: "The financier: the life of Ivar Kreuger" (1933); "Peace or chaos?" (1943); "Potemkin: a picture of Catherine's Russia" (1938); "Russia in perspective" (1945); "Switzerland in perspective" (1954).

    Querverweise
    Standort Studien zur Hochstapelei: Fürst Potemkin.
    *
    Zu Hintergrund und Verständnis der zeit Katahrinas II.:
    Leben und Treiben in Rußland zur Zeit Katharainas II. (Soloveytchik).
    Russische Zustände nach Michael Bakunin.
    Materialien zur Justiz in Rußland zur Zeit Katharinas II.
    Überblicks- und Verteilerseite: Hochstapelei - Psychologie und Psychopathologie der HochstaplerIn.
    Übersicht Differentielle Psychologie der Persönlichkeit in der Allgemeinen und Integrativen Psychodiagnostik, Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie.
    *

    Zitierung
    Sponsel, R. (DAS). Potemkin. War Potemkin ein Hochstapler? Gab es die potemkinschen Dörfer wirklich? Studien zur Psychologie und Psychopathologie der HochstaplerIn. Aus der Reihe Differentielle Psychologie der Persönlichkeit in der Allgemeinen und Integrativen Psychodiagnostik, Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie, hier speziell der Devianz (abweichendes Verhalten).  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/diffpsy/devianz/hochstap/stud/potemkin.htm
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    02.08.15    Linkfehler geprüft und korrigiert.