Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=20.11.2019 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie IP-GIPT1, Abteilung Wissenschaft, Bereich Sprache und Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema:

    Materialien zur Dialektik aus der Perspektive des dialektischen Materialismus (DiaMat)
    Begriffsanalyse und Untersuchungen zur Dialektik
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    Zur Einführungs, Haupt- und Verteilerseite Dialektik.
         Information zu den Signierungen.
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    Originalarbeit von  Rudolf Sponsel, Erlangen
    _Aufgrund gelegentlicher Ergänzungen und Korrekturen mit F5-Taste updaten empfohlen

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    Inhaltsverzeichnis
    Dialektik aus der Perspektive des dialektischen Materialismus.

    Kritische Vorbemerkung. 
    Dialektische Kategorien im Verständnis des Dialektischen Materialismus. [s]
    Dialektik im Philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr. [ts]
    Dialektik im Woerterbuch der Logik. [m]
    Dialektischer Sprung im Philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr. [ts]
    Dialektische Kategorien nach Kopnin in Dialektik, Logik, Erkenntnistheorie. [ts]
    Havemann Dialektik ohne Dogma.  [i]
    Querverweis: Wilheim Reich Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse.

    Wissenschaftlicher Apparat:
       Literatur, Links, 
       Glossar, Endnoten, Anmerkungen: Engels' Hegel-Kritik.
       Copyright und Nutzungsrechte, Zitierung, Änderungen.
       [Interne Notizen]

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    Kritische Vorbemerkung
    Der dialektische Materialismus ist viel mehr Ideologie als Wissenschaft, wobei die Schöpfer und Begründer dies auch für gut und richtig finden (Parteilichkeitsprinzip). Für sie ist auch die Wissenschaft ein Produkt der Gesellschaft und Klassenverhältnisse. Das merkt man den Veröffentlichungen auch sehr an, mitunter bis zur Peinlichkeit: Oberflächlichkeit, Anmaßung, Polemik, keine gründlichen und ausführlichen keinerlei empirisch-experimentelle fundierte Belege für Konstrukte und Behauptungen, geringes methodologische Problembewusstsein und Niveau. Ungeachtet dessen gibt es auch im "freien", kapitalistischen, Westen genügend, wenn auch verdeckte und versteckte korrupte Parteilichkeit der "Wissenschaft"- von der Oberflächlichkeit ganz zu schweigen -, so dass die dialektischen Materialisten mit ihrer Kritik nicht gänzlich Unrecht haben. Aber eine Fehlhaltung ist keine Rechtfertigung für eine andere. Einige Ausführungen und Ideen sind aber auch plausibel (Bewegung, Materie) und interessant, einige sind dunkel bis falsch (Einheit und Kampf der Gegensätze, Widerspiegelungt). Mir persönlich ist der Materialismus und Monismus, Interpretation von Bewegung und Ruhe sympathisch, die Lehre von der Dialektik halte ich weitgehend wie die Wissenschaftsauffassung (Parteilichkeit) für falsch. Falsch sind auch die Begriffsbildungen "Positives" oder "Höheres" in der Natur. Das sind Projektionen aus dem ontologischen Bereich des Menschen. Da es aber im wesentlichen darum geht, die Positionen des dialektischen Materialismus darstellungen, habe ich auf Kritik bei den Kategorien weitgehend verzichtet. Diese Seite sollte ein repräsentatives Bild, was dialektischer Materialismus ist mit den Worten ihrer neueren Vertreter vermitteln.

    Dialektische Kategorien im Verständnis des Dialektischen Materialismus - Kurzbeschreibungen
    Die dialektisch materialistische Grundannahme ist, dass die dialektischen Erscheinungen in der objektiven Wirklichkeit, in der Natur vorkommen und keine Erfindungen des Denkens oder der Sprache sind. Kategorien dienen als Haupt- und Grundbegriffe der Einteilung und Ordnung der Welt und des Lebens. Im Prinzip gibt es so viele dialektische Kategorien wie es Kategorien  gibt, also wahrscheinlich Hunderte oder Tausende, weil man jede Kategorie auch dialektisch betrachteten kann. Kopnin 1970 hat zwar 52 Kategorien angegeben, aber nicht erklärt. Deshalb orientiert sich die  folgende Auswahl an dem Philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr, 6.A. 1969.  "Dynamik" und "Wandel" haben keinen Eintrag bei  Klaus & Buhr, 6.A. 1969.
     

    • Antithese. (DialMatanti) dialektische Negation der These ("Erhaltung des Positiven")
    • Bewegung. (DialMatbew) "Daseinsweise und inhärentes Attribut der Materie. Es gibt weder Materie ohne Bewegung noch Bewegung ohne Materie. Im allgemeinsten philosophischen Sinne bedeutet «Bewegung» Veränderung schlechthin. ... Die Bewegung ist nicht nur eine Einheit der Gegensätze des Absoluten und der Ruhe, sondern auch des Stetigen und Diskreten (-> Kontinuität und Diskontinuität), worin sich der Zusammenhang der Bewegung mit den widersprüchlichen Eigenschaften der Raum-Zeit-Beziehung ausdrückt." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)  Gegenpol > Ruhe.
    • Bewusstsein  (DialMatbws) ."Der dialektische Materialismus sieht im Bewußtsein die Gesamtheit der psychischen Tätigkeiten, d.h., das Bewußtsein ist Bewußtsein von der objektiven Welt, der Natur und der Gesellschaft, es ist Bewußtsein des Menschen von sich, also Selbstbewußtsein und damit auch Bewußtsein vom Handeln und von der eigenen psychischen Tätigkeit, wobei die Grundlage des gesamten Bewußtseins das Bewußtsein von der objektiven Welt bildet.

    •     Die dialektisch-materialistische Auffassung des Bewußtseins beruht auf der Verallgemeinerung der entsprechenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, der praktischen Erfahrungen der Menschen und der kritischen Verarbeitung der Geschichte des philosophischen Denkens. Das Bewußtsein ist das höchste Entwicklungsprodukt der Materie. «Die Materie ist das Primäre. Die Empfindung, der Gedanke, das Bewußtsein ist das höchste Produkt der in besonderer Weise organisierten Materie. Dies ist die Auffassung des Materialismus überhaupt und die Auffassung von Marx und Engels im besonderen» (LENIN 14, 47)".  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Ding (DialMatding) "Ding - relativ stabiles, materielles oder ideelles System von Qualitäten. Das Wort «Ding» wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch synonym zu «Gegenstand» und «Objekt» gebraucht. Mittels der ihm zukommenden Eigenschaften steht ein Ding in bestimmten Relationen zu anderen Dingen. ... Die marxistische Philosophie betrachtet im Einklang mit der modernen Wissenschaft die Klasse der Körper als Teilklasse der Klasse der Dinge. Es ist zwar jeder Körper ein Ding, aber bei weitem nicht jedes Ding ein Körper. Im Unterschied zur traditionellen Dingkonzeption, die «Ding» wesentlich quantitativ (durch geometrische Gestalt, Masse usw.) bestimmt, ist der dialektisch-materialistische Dingbegriff vor allem qualitativ bestimmt. Bei einer rein quantitativen Festlegung des Dingbegriffs müßte jede quantitative Änderung seiner Bestimmungsstücke von diesem Ding zu einem anderen führen, womit der Dingbegriff für die wissenschaftliche und praktische Tätigkeit unbrauchbar würde. Als System von Qualitäten aufgefaßt wird ein Ding jedoch nur dann ein anderes, wenn die quantitativen Änderungen seiner Bestimmungsstücke die Qualitäten des Dinges ändern (> Qualität und Quantität)."  Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Eigenschaften  (DialMateig)  "Eigenschaft - Bestimmung eines Dinges, durch die es sich als zu einer Klasse von Dingen zugehörig erweist. In der formalen Logik wird eine Eigenschaft durch ein einstelliges Prädikat dargestellt: P(x) bedeutet «x hat die Eigenschaft P». Die Eigenschaften eines Dinges sind die Grundlage dafür, daß die Dinge in bestimmten Relationen zueinander stehen und miteinander in Wechselwirkung treten können.  ... In der marxistischen Philosophie werden die Eigenschaften als unabhängig vom menschlichen Bewußtsein und davon, ob der Mensch sie wahrnimmt oder nicht, betrachtet; sie kommen in diesem Sinne den Dingen objektiv zu. Zugleich aber existieren sie nicht losgelöst von den Dingen, als selbständige Wesenheiten, sondern können nur gedanklich von den Dingen getrennt werden. Die Eigenschaften eines Dinges treten in seiner Wechselwirkung mit anderen Dingen in Erscheinung. Eine bestimmte Eigenschaft kommt einem Ding demnach nicht absolut, sondern nur in Relation zu anderen Dingen zu. Welche Eigenschaften ein Ding aufweist und auf welche Weise diese in Erscheinung treten, hängt sowohl von der eigenen spezifischen Beschaffenheit des Dinges als auch von der Art der Wechselwirkung mit anderen Dingen und von der Beschaffenheit dieser anderen Dinge ab. Eigenschaften eines Dinges, die sich bei einem Wechsel des Bezugssystems, d. h. im Rahmen der Wechselwirkungen mit verschiedenen anderen Dingen, nicht ändern, also invariant sind, werden wesentliche Eigenschaften oder auch Qualitäten genannt. Der Begriff der Eigenschaft ist mithin nicht identisch mit dem der Qualität; sein Umfang ist weiter, da es neben wesentlichen auch unwesentliche Eigenschaften gibt."  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Einheit und Kampf der Gegensätze. (GEuKdG) "Einheit und «Kampf» der Gegensätze - objektiv wirkendes allgemeines Grundgesetz der materialistischen Dialektik, dem zufolge die qualitative Spezifik, die Struktur, Bewegung und Entwicklung aller materiellen und ideellen Dinge, Prozesse, Systeme usw. durch die ihnen innewohnenden dialektischen Widersprüche bedingt sind. Unter den Grundgesetzen der materialistischen Dialektik nimmt das Gesetz der Einheit und des «Kampfes» der Gegensätze den zentralen Platz ein, weil es die Ursache, die Quelle und Triebkraft aller Bewegung und Entwicklung aufzeigt.

    •     Einheit und «Kampf» der Gegensätze machen zusammen das Wesen des dialektischen Widerspruchs aus. Das Gesetz der Einheit und des «Kampfes» der Gegensätze wird deshalb auch mitunter als Gesetz oder Prinzip des dialektischen Widerspruchs bezeichnet.
          Unter der Einheit der Gegensätze (GEinh) versteht man, daß die den Dingen, Prozessen, Systemen usw. innewohnenden gegensätzlichen Tendenzen nicht losgelöst und unabhängig voneinander existieren, sondern einander voraussetzen, sich gegenseitig bedingen und durchdringen, voneinander abhängen, eine nicht ohne die andere bestehen kann. «Kampf» der Gegensätze hingegen bedeutet, daß diese einander ausschließen, miteinander im Widerstreit sind, gegeneinander wirken. Die Einheit der Gegensätze ist die Grundlage für die relative Stabilität, das relative Gleichgewicht, die relativ beständige Existenz der Dinge, Systeme usw., die selbst eine wesentliche Bedingung der Entwicklung und Differenzierung der. Materie darstellt (> Ruhe).  ..." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Entwicklung (DialMatEntw) ist eine (unendlich) fortgesetzte Negation. Klaus & Buhr, 6.A. 1969: Entwicklung ist "Veränderung, Bewegung in aufsteigender Linie, Übergang von niederen zu höheren, von einfacheren zu komplizierteren Qualitäten."
    • Gegensatz. (DialMatGeg) "Gegensatz - eigtl: das Entgegengesetzte oder auch Satz, der einem anderen entgegengesetzt ist und diesen ausschließt. Im allgemeineren philosophischen Sinne bedeutet der Begriff «Gegensatz» einen der beiden Pole eines (dialektischen oder logischen) Widerspruchs, d. h. einen objektiven Sachverhalt, der zu einem anderen Sachverhalt im Verhältnis des dialektischen Widerspruchs steht (realer Gegensatz), oder einen Begriff bzw. eine Aussage, der bzw. die zu einem anderen Begriff bzw. einer anderen Aussage im Verhältnis des logischen Widerspruchs steht (logischer Gegensatz)." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)

    •     Kritik: Die Erklärung ist zirkulär und nicht zu gebrauchen.
    • Gesellschaft (DialMatGes)  "Der Gesellschaftsbegriff des historischen Materialismus ist ein wissenschaftlicher Begriff. Von Seiten vieler bürgerlicher Soziologen, die selbst unfähig sind, einen wissenschaftlich festgelegten und in theoretischer wie in praktischer Hinsicht brauchbaren Begriff der Gesellschaft zu schaffen, wird diesem Gesellschaftsbegriff vorgeworfen, er sei metaphysisch und könne nicht durch Erfahrung geprüft werden. In Wahrheit geht der historisch-materialistische Gesellschaftsbegriff von der millionenfachen Praxis des gesellschaftlichen Lebens, von empirisch konstatierbaren und wissenschaftlich nachprüfbaren Voraussetzungen und Tatsachen aus, und alle seine Implikationen sind prinzipiell der Prüfung durch die Praxis zugänglich. Dieser Gesellschaftsbegriff definiert eine reale gesellschaftliche Wirklichkeit, die von subjektivistischer Willkür unabhängig ist und die durch objektive, wissenschaftlich faßbare und überprüfbare Kriterien genau bestimmt ist. Durch diesen Gesellschaftsbegriff werden gerade alle metaphysischen Spekulationen darüber, was «die Gesellschaft» schlechthin ist oder sein sollte, ad absurdum geführt, indem das Denken auf die Untersuchung einer bestimmten Gesellschaftsformation, auf deren Systemzusammenhang und auf ihre Entwicklungstendenzen orientiert wird. Das Ausgehen vom Gesellschaftsbegriff des Marxismus-Leninismus ist eine Voraussetzung für jede gesellschaftswissenschaftliche und soziologische Theorienbildung. Hierbei seien zwei besonders wichtige Gesichtspunkte methodologischer Art, die sich aus diesem Gesellschaftsbegriff ergeben, betont:, der Gesichtspunkt der konkreten Systemanalyse und der Gesichtspunkt der konkreten historischen Analyse beliebiger gesellschaftlicher Erscheinungen. Der marxistische Gesellschaftsbegriff verweist auf die erforderliche Systemanalyse des gesellschaftlichen Lebens. Das Hauptaugenmerk gilt dabei den grundlegenden Strukturen umfassender komplexer Ganzheiten. Die verschiedenen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind in komplexe gesellschaftliche Organismen verflochten und können nur sehr bedingt, zeitweilig und in Ausnahmefällen isoliert betrachtet und untersucht werden. Gesellschaftliche Teilsysteme (Betriebe, volkswirtschaftliche Zweige, soziale Schichten usw.) sind in Systeme jeweils höherer Ordnung bis hinauf zu einer jeweiligen Gesellschaftsformation eingeordnet. Ihr Verhalten ist in das Verhalten von Systemen höherer Ordnung, einer ganzen Hierarchie von Systemen integriert, und nur zeitweilig realisieren sie ein selbständiges Verhalten. Der Gesellschaftsbegriff verweist auf das Verhalten umfassender Hierarchien sozialer Systeme. Zugleich macht dieser Gesellschaftsbegriff einen wirklichen geschichtlichen Entwicklungsprozeß sichtbar, der auf Grund objektiver Parameter wissenschaftlich fixiert und ausgewertet werden kann. Die Geschichte erscheint als objektiv determinierte Entwicklung, die sich in Gestalt der Herausbildung, des Wachstums und des Wechsels ökonomischer Gesellschaftsformationen vollzieht, der das Wechselverhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zugrunde liegt und die im praktischen Handeln der Menschen, insbesondere im Klassenkampf und in der sozialen Revolution, vor sich geht. Gleichzeitig erhalten auf diese Weise alle gesellschaftlichen Erscheinungen einen historischen Platz, eine historische Bedeutung, die genau bestimmt werden kann. Beide Gesichtspunkte, der Gesichtspunkt der Systemanalyse und der Gesichtspunkt der historischen Analyse, sind im marxistischen Gesellschaftsbegriff gewissermaßen in einer Einheit erfaßt (Einheit von Systematischem und Historischem)."  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Gesetz  (DialMatGwis)  "Gesetz - objektiver, notwendiger, allgemeiner und damit wesentlicher Zusammenhang zwischen Dingen, Sachverhalten, Prozessen usw. der Natur, der Gesellschaft oder des Denkens, der sich durch relative Beständigkeit auszeichnet und sich unter ' gleichen Bedingungen wiederholt. Wissenschaftliche Gesetze sind gedankliche Widerspiegelungen objektiv wirkender Gesetze im Bewußtsein der Menschen. Unter Gesetzmäßigkeit versteht man den Ablauf von Prozessen bzw. Zuständen gemäß den ihnen immanenten Gesetzen. Eine Gesetzmäßigkeit umfaßt stets eine gewisse Gesamtheit von Gesetzen, die im Wirken der Gesetzmäßigkeit noch nicht explizit zutage treten und ihr den Charakter einer Tendenz verleihen." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Identität. (DialMatident)  "Identität [lat] - eigtl. Einerleiheit, Sichselbstgleichheit, völlige Übereinstimmung; Relation zwischen Dingen, Sachverhalten usw. (reale Identität) oder auch Begriffen, Aussagen usw. (logische Identität), die deren völlige Übereinstimmung in allen Merkmalen zum Inhalt hat.

    • Das Identitätsprinzip besagt, daß zwei Dinge, Begriffe usw. x und y dann und nur dann identisch sind, wenn jede Eigenschaft P von x zugleich auch Eigenschaft von y ist, und umgekehrt: ... " (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Kategorie  (DialMatKat)  "Kategorie [griech] - grundlegender und allgemeinster Begriff der Wissenschaft. Philosophische Kategorien sind die allgemeinsten Begriffe, durch die die wesentlichsten Bestimmungen der Materie und ihrer Entwicklung widergespiegelt werden. Als Knotenpunkte der Erkenntnis sind die philosophischen Kategorien von grundlegender Bedeutung für alle Wissenschaften. ...   MARX und ENGELS überwanden den

    • HEGELschen Idealismus kritisch und schufen mit dem dialektischen und historischen Materialismus auch die Grundlagen einer wissenschaftlichen Kategorienlehre.
          Der dialektische und historische Materialismus verwertet kritisch die positiven Ergebnisse und Ansätze aus der Geschichte der Kategorienlehre und vermeidet sowohl die subjektivistische Trennung der Kategorien von der objektiven Realität (KANT) als auch ihre panlogistische Identifizierung mit der objektiven Realität (HEGEL). Er faßt die philosophischen Kategorien als historisch entstandene Widerspiegelungen der Materie, ihrer Entwicklung und ihrer wesentlichsten Zusammenhänge. Die Kategorien haben eine objektive Grundlage und einen objektiv bestimmten Inhalt: sie sind weder a priori gegebene Verstandesformen noch können sie aus dem reinen Denken deduziert werden; nur aus der systematischen Verallgemeinerung der menschlichen Erkenntnis, in erster Linie der Resultate der Wissenschaften, können sie gewonnen werden.  ... In der marxistisch-leninistischen Philosophie bilden die Kategorien ein zusammenhängendes System, und zwar derart, daß sie die tragenden Pfeiler der gesamten dialektisch-materialistischen Weltanschauung sind. Der Eckpfeiler dieses Systems ist die Kategorie der Materie. Eng verbunden. mit ihr sind die Kategorien der Bewegung, des Raumes und der Zeit, die die Daseins weise und die Existenzformen der Materie ausdrücken. Die Kategorien der Materie und der Bewegung sind untrennbar von den Kategorien Zusammenhang, Kausalität und Wechselwirkung, Notwendigkeit und Zufall sowie Gesetz, denn sie alle widerspiegeln wesentliche allgemeine Bestimmungen der Materie. In dieser Weise sind auch alle anderen Kategorien des dialektischen und historischen Materialismus miteinander verbunden, wobei ihre Beziehungen verschiedener Art sein können (Subordinationsverhältnis, Koordinationsverhältnis, korrelatives Verhältnis)."   (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
        Querverweis mit weiteren Hinweisen: Kategorien aus psychosozialer Sicht.
    • Komplementarität. (DialMatkompl)Dialektisch widersprüchlicher Sachverhalt. (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Materie (DialMatmat) "Materie [lat] - die Kategorie «Materie» widerspiegelt die objektive Realität, die außerhalb und unabhängig vom menschlichen Bewußtsein existiert. Der philosophische Materiebegriff wird somit durch das gegenseitige Verhältnis von Materie und Bewußtsein bestimmt: die Materie ist das Ursprüngliche, Primäre, das unabhängig vom Bewußtsein Existierende; das Bewußtsein dagegen ist das Abgeleitete, Sekundäre. Da die [>700] die einzige objektive Realität' außerhalb des Bewußtseins ist, gibt es keine Umfassendere erkenntnistheoretische Kategorie, auf die Materie und Bewußtsein gemeinsam zurückgeführt werden könnten. Es ist deshalb «dem Wesen der Sache nach unmöglich eine andere Definition der beiden letzten erkenntnistheoretischen Begriffe zu geben als die Feststellung, welcher von beiden für das Primäre genommen wird» (LENIN 14, 141). Im dialektisch-materialistischen Materiebegriff kommt dergestalt unmittelbar dessen untrennbarer Zusammenhang mit der Grundfrage der Philosophie sowie seine weltanschauliche Bedeutung zum Ausdruck  " (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Materielle Einheit der Welt  (DialMatmew)  "materielle Einheit der Welt - Prinzip des dialektischen Materialismus, in dem eine Reihe wesentlicher philosophischer Erkenntnisse über die Materie verallgemeinert sind. Es besagt, daß die Welt einen einheitlichen Zusammenhang bildet, in dem alles, was existiert, Entwicklungsform oder Entwicklungsprodukt der in Raum und Zeit sich bewegenden Materie ist. Mit dieser Auffassung vertritt der dialektische Materialismus einen konsequenten Monismus. Auch die ideellen Erscheinungen fallen nicht aus der materiellen Einheit der Welt heraus, denn sie werden als qualitativ besonderes Entwicklungsprodukt der in Gestalt des menschlichen Zentralnervensystems besonders hoch organisierten Materie verstanden (> Bewußtsein)." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Negation, dialektische. (DialMatNeg) Teilweise Negation unter Bewahrung des "Positiven" (Kondakow). Negation als Aufhebung des Niederen durch das Höhere (Hegel).
    • Neg.d.Negation. (DialMatNegN) Synthese. Der Eintrag wird bei Kondakow nicht erkärt und nicht definiert. Klaus& Buhr 6.A. 1969 unter Synthese: "In der Dialektik HEGELS bedeutet der Begriff der Synthese die höhere Einheit von These und Antithese, die -> Negation der Negation der These"
    • Polarität. (DialMatpol) "Polarität [griech, lat] - Verhältnis päarweiser dialektischer Gegensätze zueinander. Der Begriff der Polarität bringt zum Ausdruck, daß die beiden Pole eines dialektischen Widerspruchs 1. gegensätzlicher Natur sind und 2. die Existenz des einen die des anderen voraussetzt und bedingt.

    •     Die Begriffe «Polarität», «Polarisation», «Pole», «polar» entstammen, dem naturwissenschaftlichen Sprachgebrauch (z.B. Polarität von Attraktion und Repulsion, magnetischem Nord- und Südpol, positiver und negativer Elektrizität usw.). In der Philosophie finden sie besonders seit GOETHE, SCHELLING und HEGEL Verwendung. So spricht HEGEL von der Polarität als «von einem Unterschiede, in welchem die Unterschiedenen untrennbar verbunden sind» (HEGEL, Logik I, 11). Der Gebrauch des Begriffs in der marxistischen Philosophie geht auf ENGELS zurück.
          Die marxistische Dialektik faßt die Polarität nicht nur als Unterschied zweier untrennbar miteinander verbundener Pole, sondern betont deren Gegensätzlichkeit. In diesem Sinne bedeutet Polarität die Aufspaltung (als Prozeß oder Resultat) eines Einheitlichen in entgegengesetzte und sich zugleich bedingende Pole. Der Begriff der Polarität widerspiegelt nach ENGELS die Tatsache, daß Gegensätze «bedingt sind durch das wechselnde Spiel der beiden entgegengesetzten Pole aufeinander, daß die Trennung und Entgegensetzung dieser Pole nur besteht innerhalb ihrer Zusammengehörigkeit und Vereinigung, und umgekehrt ihre Vereinigung nur in ihrer Trennung, ihre Zusammengehörigkeit nur in ihrer Entgegensetzung» (MARX/ENGELS 20,357). Da der Begriff der Polarität die dialektisch-widersprüchliche Natur der Dinge und Erscheinungen der materiellen Welt widerspiegelt, ist die Forderung nach deren Aufdeckung und der Erkenntnis ihrer polaren Struktur bzw. ihres «Polarisierens» in der Bewegung eine wichtige methodische Folgerung aus dem Gesetz der Einheit und des «Kampfes» der Gegensätze." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Qualität. (DialMatqual) "In Anknüpfung an HEGEL versteht der dialektische Materialismus unter Qualität eine wesentliche Eigenschaft. Qualität hat einerseits gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Wesen, andererseits mit der Eigenschaft. Mit dem Wesen ist die Qualität insofern identisch, als in der Menge der Bestimmungen, die ein Ding in seiner konkreten Beschaffenheit determinieren, nur diejenigen als Qualitäten gelten können, die Bestandteile des Wesens sind. Die Qualität unterscheidet sich jedoch vom Wesen insofern, als sie nicht Wesen schlechthin, sondern erscheinendes Wesen ist. In Abstraktion von der Wechselwirkung der Dinge, Systeme usw. untereinander kann zwar von einem Wesen, nicht aber von Qualität die Rede sein. Somit verhält sich das Wesen zur Qualität wie das Mögliche zum Wirklichen. Wesen für sich genommen kann deshalb als mögliche Qualität definiert werden, die zur wirklichen Qualität durch die jeweilige Relation wird, in der sich das Ding, System usw. befindet.

    •     Die Qualität ist darüber hinaus Eigenschaft, aber nicht Eigenschaft schlechthin, sondern wesentliche Eigenschaft. Der Begriff «Eigenschaft» ist umfangsmäßig weiter als der Begriff «Qualität», da er sowohl wesentliche als auch unwesentliche Eigenschaften umfaßt. In ihrer Bestimmtheit als Eigenschaft ist die Qualität nicht nur von demjenigen Objekt abhängig, dem sie angehört, sondern auch vom jeweiligen Bezugssystem, insofern durch letzteres bedingt ist: erstens, welche der wesentlichen Eigenschaften des Objekts realisiert werden, und zweitens, wie diese Realisierung erfolgt. ..." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Qualität und Quantität. (DialMatQuQ) "Qualität und Quantität (Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative) - objektiv wirkendes allgemeines Grundgesetz der materialistischen Dialektik, dem zufolge quantitative Veränderungen innerhalb einer bestimmten Qualität beim Überschreiten ihres Maßes zum sprunghaften Übergang dieser Qualität in eine andere führen. In der ENGELSschen Formulierung besagt es, «daß in der Natur, in einer für jeden Einzelfall genau feststehenden Weise, qualitative Änderungen nur stattfinden können durch quantitativen Zusatz oder quantitative Entziehung von Materie oder Bewegung (sog. Energie)» (MARX/ ENGELS 20, 349). Das Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen' in qualitative erklärt im Kontext mit den anderen Gesetzen der materialistischen Dialektik, auf welche Weise die Dinge, Systeme usw. ihre wesentlichen Eigenschaften, Verhaltensweisen usw. ändern, ohne daß für diesen Prozeß andere als innerweltliche, natürliche Ursachen erforderlich wären"  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Raum und Zeit. (DialMatRuZ) "Die dialektische Natur von Raum und Zeit kommt in ihrer Widersprüchlichkeit zum Ausdruck; Raum und Zeit bilden eine Einheit des Absoluten und Relativen: sie existieren absolut, insofern sie die unabdingbaren, objektiv-realen Existenzformen der Materie sind, sie sind relativ, da ihre konkreten Eigenschaften vom Zustand der Materie ”   (Massenverteilung, Geschwindigkeit) in dem betreffenden Bereich des Weltalls abhängen. Weiterhin zeigt sich das widersprüchliche Wesen von Raum und Zeit darin, daß sie den Widerspruch des -> Endlichen und Unendlichen sowie den des Stetigen und Diskreten (-> Kontinuität und Diskontinuität) an sich haben." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Relation (DialMatRel)  "Relation [lat] - eigtl. Beziehung, Verhältnis. Der Begriff «Relation» widerspiegelt ganz allgemein irgendwie geartete Beziehungen, die zwischen gegebenen Objekten auf Grund bestimmter Eigenschaften dieser Objekte bestehen bzw. hergestellt werden können. Zum Beispiel «x ist Ursache von y», «x ist größer als y», «x fährt von y nach z» usw.  ...  Die marxistische Philosophie betont den objektiven Charakter der Relationen. Da die jeweiligen Objekte und ihre Eigenschaften objektiv-real existieren, sind auch die Relationen zwischen ihnen objektiv und hängen nicht vom Bewußtsein des die Relation erkennenden oder setzenden Subjekts ab. Relationen können materiell oder ideell sein, je nachdem, ob die in Relation zueinander stehenden Objekte materiell oder ideell sind. So sind z. B. die Verhältnisse, die die Menschen im Produktionsprozeß untereinander eingehen (-> Produktionsverhältnisse), materielle Relationen, während Relationen zwischen Abbildern materieller Gegebenheiten (Begriffen, Aussagen usw.) ideelle Relationen sind. Die in diesem Sinne verstandenen ideellen Relationen sind keine freien Schöpfungen des menschlichen Verstandes, sondern Widerspiegelungen entsprechender materieller Relationen."  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Ruhe. (DialMatRuh)  "Ruhe - dialektischer Gegensatz der Bewegung. Während die Bewegung absolut ist, trägt die Ruhe relativen Charakter.

    •     Der relative Charakter der Ruhe besteht darin, daß jeder Ruhe- oder Gleichgewichtszustand an einen Bewegungszustand gebunden ist und nur in Beziehung auf diesen existiert. In der Mechanik z.B. hat es nur dann Sinn, von einern ruhenden Körper zu sprechen, wenn feststeht, auf welches Bezugssystem diese Aussage bezogen ist. Ein Körper, der auf der Erde ruht, befindet sich nicht in absoluter Ruhe, sondern hat an der Rotation der Erde um ihre Achse, um die Sonne und anderen kosmischen Bewegungen teil; in ihm finden Wärmebewegung der Moleküle, die Bewegung der Elektronen und anderer Elementarteilchen usw. statt.
          In einem allgemeineren Sinne bringt die Ruhe die Beständigkeit der Dinge und Erscheinungen in ihrer Bewegung, Entwicklung zum Ausdruck. Aber auch in diesem Sinne existiert die Ruhe nicht absolut, nicht losgelöst von der Bewegung, sondern ist stets an einen konkreten Bewegungsvorgang gebunden. Ihre Relativität ist auch dadurch gegeben, daß sie selbst zeitlich vergänglich ist, nur unter bestimmten Bedingungen existiert, während die Bewegung als allgemeine -Daseinsweise der Materie absolut und ewig ist. Absolute Ruhe wäre nur dort möglich, wo keine Bewegung und damit keine Materie ist. Da diese Bedingung nie und nirgends gegeben ist, gibt es in der materiellen Welt auch keine absoluten Ruhezustände.
          Die Ruhe ist eine wesentliche Bedingung für die im Entwicklungsprozeß der Materie vor sich gehende Differenzierung: Jede Stufe in der Entwicklung der Materie vom Niederen zum Höheren ist durch eine neue Art des dynamischen Gleichgewichts sowohl innerhalb der Körper als auch zwischen einem Körper und seiner Umwelt gekennzeichnet.
          Die theoretische Verabsolutierung der Ruhe führt zwangsläufig zu religiösen und idealistischen Vorstellungen von einem außerweltlichen, immateriellen, unbewegten Wesen, in dem jede Bewegung der Welt ihren Anfang und ihren Abschluß finden soll. Andererseits führt die Leugnung der Ruhe zum extremen >Relativismus, für den sich alles ständig verändert und für den es in diesem unaufhörlichen Prozeß keine relativen Fixpunkte und Ruhezustände gibt. So ist z. B. für BERGSON Bewegung und Entwicklung ein rein kontinuierlicher Prozeß, in dem es keine Diskontinuitäten, keine relativen Ruhezustände gibt. Das Moment der relativen Ruhe in der Entwicklung der Erscheinungen ermöglicht es, diese als relativ selbständige anzusehen. Dadurch wird die gedankliche Zusammenfassung bestimmter beständiger Gruppen von Dingen unter Begriffe sowie die Fixierung von wissenschaftlichen Gesetzen als «ruhige Abbilder der Erscheinungen» (LENIN) möglich. Erkenntnistheoretisch führt die Leugnung der relativen Beständigkeit der Dinge, Systeme usw. zum > Agnostizismus. Von diesem Standpunkt aus ist jede wissenschaftliche Aussage sinnlos, da sich im Moment der Aussage die Sache, über die etwas ausgesagt werden soll, bereits wieder verändert hätte und dergestalt also permanent unerkennbar bleiben müßte. > Bewegung > Materie"  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)  Gegenpol > Bewegung.
    • Sachverhalt. (DialMatsachv) "Sachverhalt - das Zukommen einer Eigenschaft zu Individuen, Klassen von Individuen oder Klassen, zu Eigenschaften oder Beziehungen, das Bestehen einer Beziehung zwischen zwei oder mehr Individuen, zwischen Individuen und Klassen, zwischen Eigenschaften usw. Ein Sachverhalt ist z.B., daß die Erde ein Planet ist, ein anderer, daß sie sich um die Sonne bewegt.

    •     Sachverhalte sind von Tatsachen zu unterscheiden. Tatsachen sind Sachverhalte, die in der objektiven Realität oder im menschlichen Bewußtsein wirklich existieren. Es gibt aber auch Sachverhalte, die keine Tatsachen sind, denen keine Existenz in diesem Sinne zukommt. Der Sachverhalt, daß die Erde im wesentlichen aus Gold besteht, ist keine Tatsache, existiert nicht.
          Sachverhalte werden im menschlichen Denken durch Aussagen widergespiegelt. Die Beziehung zwischen Sachverhalt, Aussage und Aussagesatz ermöglicht eine Definition des Begriffs der synonymen Aussagesätze. Aussagesätze sind >synonym, wenn sie den gleichen Sachverhalt beschreiben. Insofern die Aussage das logische Abbild des '»Sachverhaltes ist, läßt sie sich folgendermaßen definieren: Die Aussage ist die Abstraktionsklasse
      synonymer Aussagesätze, d. h. jener Sätze, die den gleichen Sachverhalt beschreiben.
          Der Begriff des Sachverhaltes wirft auch Licht auf das, was die wahren negativen Aussagen abbilden. Sie bilden nicht etwa negative Sachverhalte ab; solche gibt es nicht. Die Aussage «Es regnet nicht» bildet nicht einen negativen Sachverhalt, den Sachverhalt des Nichtregnens ab, sondern bringt vielmehr zum Ausdruck, daß der tatsächlich exististierende Sachverhalt vom Sachverhalt des Regnens verschieden ist. Negatives existiert nicht an sich, sondern nur in unserem Denken."  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Sprung, dialektischer. (DialMatspr) "dialektischer Sprung - dasjenige Stadium in der Veränderung bzw. Entwicklung eines Objekts, in dem der Umschlag in eine neue Qualität erfolgt. Im Gegensatz zu den ihn vorbereitenden kontinuierlichen und allmählichen quantitativen Veränderungen realisiert sich im Sprung das diskontinuierliche Moment des Entwicklungsprozesses. Der Sprung ist Unterbrechung der Kontinuität und Allmählichkeit und stellt einen neuen diskreten Zustand, eine neue Qualität des Objekts her. Durch den dialektischen Sprung erfolgt die Lösung der im Rahmen der gegebenen Qualität herangereiften Widersprüche, und gleichzeitig werden die Widersprüche der neuen Qualität gesetzt.

    •     Der Gegensatz von Sprung und evolutionärer Entwicklungsphase ist jedoch nicht absolut. Was jeweils als Sprung und was als Evolution definiert werden muß, hängt vom Charakter des Bezugssystems ab, bei dessen Wechsel Sprünge zu evolutionären Prozessen werden können und umgekehrt. ..." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Synthese. (DialMatsyn) "Synthese [griech] - eigtl: Zusammenfassung, Verknüpfung; Verfahren zur Erkenntnis oder Konstruktion materieller oder ideeller Systeme, dessen Wesen in der gedanklichen oder praktischen Verbindung einzelner Elemente zu einem Ganzen besteht. Oft wird mit «Synthese» auch das Ganze selbst, d. h. das Resultat der synthetischen Tätigkeit bezeichnet. Die Synthese ist untrennbar verbunden mit dem ihr entgegengesetzten Verfahren der Analyse.

    •     Die Synthese als Erkenntnisverfahren geht von dem mittels der Analyse erkannten Wesen einer Erscheinung aus und erhebt das Einzelne auf die Stufe des Allgemeinen, das Konkrete auf die des Abstrakten. Sie faßt das Mannigfaltige zur Einheit zusammen. Die objektive Grundlage für die synthetisierende Tätigkeit des Denkens bildet die materielle Einheit der Welt, die Existenz des Allgemeinen im Einzelnen, der Identität im Unterschied, der Einheit in der Mannigfaltigkeit.
          Bedingung für die Richtigkeit einer gedanklichen Synthese ist, daß sie nur das verknüpft, was auch in der Wirklichkeit als Einheit existiert. Das Denken kann, «ohne Böcke zu schießen, nur diejenigen Bewußtseinselemente zu einer Einheit zusammenfassen, in denen oder in deren realen Urbildern diese Einheit schon vorher bestanden. Wenn ich eine Schuhbürste unter die Einheit Säugetier zusammenfasse, so bekommt sie damit noch lange keine Milchdrüsen» (MARX/ENGELS 20, 39).
          In der Dialektik HEGELS bedeutet der Begriff der Synthese die höhere Einheit von These und Antithese, die -> Negation der Negation der These." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • These. (DialMatthe) "These [griech; auch Thesis] - eigtl: Behauptung, Lehrsatz; Aussage, deren Wahrsein behauptet wird, deren Aufgabe darin besteht,, das Wesentliche aus einem Komplex von Aussagen in pragmatisch wirksamer Weise zur Geltung zu bringen. Eine These nimmt also nicht nur das Wahrsein in Anspruch, sondern sie will in erster Linie wirken. Der Unterschied zwischen einem -> Theorem und einer These fällt somit in den pragmatischen Bereich der Lehre von der Aussage."  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969).

    •     Kritik These: Hier wird These nicht im dialeketischen Sinne gebraucht und zur Antithese in Beziehung gesetzt, wie man das für einen dialektischen Grundbegriff erwarten sollte. Auch im Wörterbuch der Logik (Kondakow) ist das so. Das muss als schwerer theoretischer Mangel gewertet werden.
    • Umschlagen. (DialMatums) Der Übergang zum Neuen geschieht durch einen Sprung (Kondakow, Negation der Negation)
    • Unterschied. (DialMatunt) "Unterschied - Relation der Nichtübereinstimmung zwischen materiellen oder ideellen Objekten hinsichtlich bestimmter Eigenschaften oder Merkmale.

    •     Der Begriff des Unterschieds steht in der marxistischen Philosophie in enger Beziehung zum Begriff der konkreten, dialektischen Identität. Jedes Objekt, System usw. ist als relativ stabiles Objekt, System usw., als Subjekt der an ihm vor sich gehenden Veränderung mit sich selbst identisch. Zugleich weist es im Zuge seiner Bewegung und Veränderung, aber auch auf Grund seiner komplexen Struktur unterschiedliche Bestimmungen auf, ist also eine Einheit von Identität und Unterschied. Die sich bewegende Materie ist keine absolute, unveränderliche, unterschiedslose Substanz, die die Unterschiede erst hervorbringt, sondern existiert nur als unerschöpfliche Mannigfaltigkeit ihrer qualitativ und quantitativ unteschiedlichen Existenz-, Struktur-, Bewegungs- und Entwicklungsformen. LENIN macht in diesem Zusammenhang auf den Terminus «immanente Entstehung der Unterschiede» bei HEGEL aufmerksam und deutet ihn im Sinne von «innere objektive Logik der Evolution und des Kampfes der Unterschiede, der Polarität» (LENIN 38, 89). Die Bewegung und Veränderung als Daseinsweise der Materie ist die ständige Aufhebung und Erzeugung dieser Unterschiede, die Vermittlung der unterschiedenen Mannigfaltigkeit in eine Einheit."  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969).
    • Veränderung. (DialMatver) "Veränderung - das gemeinsame Wesen aller Bewegungsformen der Materie. Der Begriff der Veränderung widerspiegelt den objektiven Sachverhalt, daß alle Dinge und Erscheinungen der materiellen Welt sich nicht im Zustand ewiger Beharrung und Ruhe befinden, sondern ein ständiger Wechsel an ihnen vor sich geht. «Bewegung, auf die Materie anwendbar, ist Veränderung überhaupt» (MARX/ENGELS 20, 513). Der Begriff der 'Veränderung gibt die allgemeinste und abstrakteste Bestimmung der Bewegung an, er bedeutet in diesem Sinne das Anderswerden schlechthin.

    •     Veränderungen können danach unterschieden werden, ob sie mit Dingen, Eigenschaften oder Relationen vor sich gehen, ob es sich um Veränderungen der Struktur oder der Funktion von Systemen handelt, ob die Veränderung eine räumliche oder zeitliche, eine notwendige oder zufällige, eine wesentliche oder unwesentliche usw. ist. Im Hinblick auf die Entwicklungsproblematik ist jedoch entscheidend, daß alle Arten von Veränderungen in der objektiven Realität in zwei Klassen eingeteilt werden können, in die Klasse der qualitativen und die der quantitativen Veränderungen. Beide Arten stehen in einem durch das Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative bestimmten Zusammenhang.
          Eine besondere Form der qualitativen Veränderung ist die Entwicklung. Die bloße Veränderung bringt unmittelbar noch keine höhere Qualität hervor. Ist sie jedoch Moment eines Entwicklungsprozesses, so entstehen im Resultat quantitativer Veränderungen höhere Qualitäten. Jede Entwicklung ist Veränderung, und jede Veränderung kann in längeren oder kürzeren Zeiträumen Moment eines Entwicklungsprozesses werden.
          Die ständige Veränderung aller Dinge und Erscheinungen ist eine Grundbedingung der Erkenntnis der Außenwelt durch den Menschen. Die menschliche Erkenntnis - selbst an die während der Erkenntnistätigkeit vor sich gehenden physiologischen Veränderungen des Nervensystems gebunden - ist vorwiegend Erkennen von Veränderungen." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969).
    • Wesen.  (DialMatwes) "Wesen - Einheit des Allgemeinen und Notwendigen (> Notwendigkeit); Gesamtheit der allgemeinen, invarianten Bestimmungen eines Dinges, Prozesses usw., die diesem notwendigerweise zukommen. Das Wesen bildet mit der > Erscheinung der Dinge, Prozesse usw. eine gegensätzliche Einheit und ist im Gegensatz zur Erscheinung der Sinneserkenntnis nicht unmittelbar zugänglich. ... Das Wesen der Dinge, Prozesse usw. ist erkennbar. Die Erkenntnis des Wesens erfolgt über die Analyse der Erscheinung. Die Erscheinung ist der Ausgangspunkt zur Ergründung des Wesens. Der Prozeß der Erkenntnis stellt sich dar als «unendlicher Prozeß der Vertiefung der Erkenntnis des Dinges, der Erscheinungen, Prozesse usw. durch den Menschen, von den Erscheinungen zum Wesen und vom weniger tiefen zum tieferen Wesen» (LENIN 38, 213). ... "  (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Widerspiegelung (DialMatwsp)  "Widerspiegelung - Wesen der in qualitativ verschiedenartigen Formen existierenden Eigenschaft der Materie, äußere Einwirkungen durch innere Veränderungen zu reproduzieren und auf sie zu reagieren. Die allgemeine Eigenschaft der Widerspiegelung existiert in jeder Bewegungsform der Materie auf besondere Weise, beginnend mit der elementarsten Form der mechanischen Einwirkung materieller Objekte aufeinander, über die chemischen Reaktionen in der unbelebten Materie, von der > Reizbarkeit der primitiven Organismen über die unbedingten Reflexe und die bedingten Reflexe des ersten > Signalsystems der höheren Tiere in der belebten Materie bis zur bedingt-reflektorischen Tätigkeit des zweiten Signalsystems beim Menschen, zum menschlichen > Bewußtsein, das die objektive Realität in sinnlichanschaulichen und begrifflich-abstrakten Abbildern widerspiegelt, und zum gesellschaftlichen Bewußtsein insgesamt, das eine Widerspiegelung des gesellschaftlichen Seins ist. Jede Form der Widerspiegelung besitzt ihre spezifischen Besonderheiten und erfüllt eine notwendige Funktion in der Wechselwirkung der materiellen Objekte und Prozesse, in der Lebenstätigkeit der Organismen und in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)

    •     Kritik: Eine dunkle und schwache Ausführung.
    • Widerspruch, dialektischer. (DialMatwid) "Widerspruch - Wechselwirkung zweier koexistierender Gegensätze, die einander bedingen, zugleich aber als Gegensätze einander ausschließen, die sich also untereinander im Verhältnis der Einheit und des Widerstreits, des «Kampfes» befinden: Widerspruch ist Einheit und «Kampf» von Gegensätzen. Nach der Art des Zusammenhangs (objektiv-reale-Einheit oder gedankliche Verknüpfung) und der Natur der Gegensätze (objektiv-realer oder logischer Gegensatz) unterscheidet man dialektische und logische Widersprüche. Während der logische Widerspruch nur in der Sphäre des Denkens existiert, ist der dialektische Widerspruch den Dingen, Prozessen, Systemen usw. der objektiven Realität selbst eigen und stellt die Quelle aller Bewegung, Veränderung und Entwicklung dar." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
    • Wissenschaft. (DialMatwis)  "Wissenschaft - das aus Praxis erwachsende, sich ständig entwickelnde System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, Zusammenhänge und kausalen Gesetzmäßigkeiten der Natur, der Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird, als Grundlage der menschlichen Tätigkeit eine wachsende Beherrschung der natürlichen und - seit der Beseitigung der antagonistischen Klassengesellschaft - auch der sozialen Umwelt ermöglicht und durch, die Praxis fortlaufend überprüft wird." (Klaus & Buhr, 6.A. 1969)
        Weitere Kategorien:
      Abbildtheorie, Abstraktes und Konkretes, Abstraktion, Ganzheit, Element, Notwendigkeit, Struktur, System, Teil, Teil und Ganzes, Vielfalt, Vielheit, Zufälligkeit.
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    Dialektik und ihre Geschichte im Philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr  [ts]
    Klaus, Georg & Buhr, Manfred (1969, Hrsg.) Philosophisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.

    "Dialektik (DialDefiniendum) [griech] - eigtl. Kunst der Unterredung (Dialursp). Wissenschaft von den allgemeinsten Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. (DialDefiniens).
        Im Altertum verstand man unter Dialektik (Dialursp) die Methode, durch das Aufeinandertreffen einander widersprechender Meinungen und die Überwindung der Widersprüche im Gespräch zur Wahrheit zu gelangen. In diesem Sinne finden wir die Dialektik ()  bereits bei den Eleaten als indirektes Beweisverfahren. Als ihr eigentlicher Begründer gilt ZENON. Klassisch ausgeprägt ist diese Auffassung der Dialektik ()  bei SOKRATES und in den Dialogen PLATONS, in denen in Rede und Gegenrede zum Begriff einer Sache,' zur Wahrheit vorgestoßen werden soll. Ähnlich ist auch die Methode der mittelalterlichen Scholastik. Die Disputationen hatten die Form eines Zwiegesprächs, in welchem durch das Gegeneinander von pro et contra (Für und Wider) und sic et non (Ja und Nein) zu neuen Erkenntnissen fortgeschritten werden sollte.
        Im Laufe der Geschichte des philosophischen Denkens hat die Dialektik ()  noch andere Bestimmungen erfahren. So wird sie von PLATON auch als Lehre von den logischen Operationen aufgefaßt, ‘durch welche die «Ideen» und ihre Beziehungen untereinander festgestellt werden. Die Sophisten verstehen unter Dialektik ()  die Kunst, Falsches als Wahres auszugeben (durch Sophismen den Schein der Wahrheit zu erzeugen). ARISTOTELES betrachtet die Dialektik ()  gelegentlich einfach als Kunst des Widerlegens oder auch als induktives Aufsuchen von Sätzen, die als erste Voraussetzungen für das apodiktische Schließen gelten.
        Bei KANT gilt die Dialektik ()  als Logik des Scheins, weil sie durch das In-Beziehung-Setzen bereits bekannter Begriffe, ohne Berücksichtigung der Erfahrung zu Erkenntnissen gelangen wolle. Unter «transzendentaler Dialektik» () versteht KANT die Kritik des dialektischen Scheins, das Aufdecken des Scheins der Wahrheit solcher Urteile, der daraus entspringt, daß von Dingen an sich ausgesagt wird, was nur für Erscheinungen gilt. Erst bei FICHTE und vor allem bei HEGEL erhält der Begriff der Dialektik ()  einen Sinn, der bedeutungsvoll wurde für ihre Bestimmung im dialektischen und historischen Materialismus. Bei HEGEL ist die Dialektik die der >Metaphysik entgegengesetzte Methode der Erkenntnis, zugleich die innere Gesetzmäßigkeit der Selbstbewegung des Denkens und der Selbstbewegung der Wirklichkeit (Identität von Denken und Sein). Die Dialektik ()  als Methode der Erkenntnis ist das Vermögen der Vernunft, den Gegenstand als Einheit gegensätzlicher Bestimmungen zu fassen. Der metaphysisch vorgehende Verstand erkennt dagegen nur eine der gegensätzlichen Bestimmungen an, er bestimmt den Gegenstand nur einseitig. Die HEGELsche Dialektik ()  ist idealistische Dialektik () , «Selbstentwicklung des Begriffs» (ENGELS). Den rationellen Kem der HEGELschen Dialektik ()  verwertend, haben MARX und ENGELS mit ihrer revolutionären Umwälzung in der Philosophie auch die Dialektik ()  von den Mystifikationen befreit, die sie in der objektiv-idealistischen Philosophie HEGELS erleiden mußte, und ihr eine völlig neue Bestimmung gegeben. MARX stellt fest: «Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle» (MARX/ ENGELS 23, 27). Nachdem MARX und ENGELS die Dialektik ()  mit dem Materialismus verbunden hatten, «die Begriffe unsres Kopfes wieder materialistisch als die Abbilder der wirklichen Dinge (faßten), statt die wirklichen Dinge als Abbilder dieser oder jener Stufe des absoluten Begriffs ..., reduzierte sich die Dialektik ()  auf die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußern Welt wie des menschlichen Denkens» (MARX/ENGELS 21, 292f).
        Die Dialektik ()  in ihrer marxistisch-materialistischen Gestalt hat eine sehr lange Geschichte, sie ist ein historisches Produkt der Entwicklung des philosophischen Denkens und als solches eine theoretische Verallgemeinerung wesentlicher Errungenschaften der Natur- und Gesellschaftswissenschaften sowie grundlegender historischer Erfahrungen der menschlichen Gesellschaft. Sie ist das Ergebnis eines jahrhundertelangen Kampfes zwischen dialektischem und metaphysischem Denken.
        In der Geschichte der vormarxistischen Philosophie können in großen Zügen zwei Grundformen der Dialektik ()  unterschieden werden: die spontane, naturwüchsig-naive Dialektik () und die idealistische Dialektik () in der klassischen bürgerlichen deutschen Philosophie von KANT bis HEGEL. Auch außerhalb dieser historischen Grundformen gibt es bei vielen Denkern wesentliche Elemente der Dialektik () . Eine spontane, naturwüchsig-naive Dialektik () findet sich - in unterschiedlicher Ausprägung - in den Weltanschauungen aller alten Kulturvölker. Im frühen Buddhismus, der die Welt als ein ununterbrochenes Werden auffaßt, tritt uns diese elementare dialektische Anschauungsweise ebenso entgegen wie in den Auffassungen der alten chinesischen Philosophie, insbesondere des Taois[>240]mus. Ihren Höhepunkt und ihre entwickeltste Gestalt erhielt diese Form der Dialektik ()  in der antiken griechischen Philosophie. Nach ENGELS sind die alten griechischen Philosophen alle geborene, naturwüchsige Dialektiker () (MARX/ENGELS 20, 19). Den milesischen Naturphilosophen (THALES, ANAXIMENES, ANAXIMANDER) war die Welt ein einheitliches Ganzes, in dem beständiges Werden herrscht. Am ausgeprägtesten bringt HERAKLIT diese Dialektik zum Ausdruck. Die Welt ist ihm ein ewiger gesetzmäßiger Prozeß: «Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, schuf weder einer der Götter noch der Menschen, sondern sie war immerdar und ist und wird sein ein ewig lebendiges Feuer, erglimmend nach Maßen und verlöschend nach Maßen» (DIELS Fragment 30). LENIN nannte diesen Ausspruch HERAKLITS eine sehr gute Darlegung der Prinzipien der materialistischen Dialektik () . Im Kampf der Gegensätze sah HERAKLIT die treibende Kraft aller Entwicklung.
        Als entschiedene Verfechter einer metaphysischen (antidialektischen) Anschauung traten die Eleaten, insbesondere ZENON, gegen HERAKLIT auf. Sie hielten die Welt für das eine, ewige, unbewegliche Sein, in dem es kein Werden und Vergehen, keine Mannigfaltigkeit gebe. Was die Sinne uns an Bewegung und Vielheit zeigen, sei trügerischer Schein.
        In der griechischen Philosophie wurde nicht nur eine allgemeine Vorstellung vom ewigen Werden und Vergehen herausgebildet, sondern es wurden auch schon weitergehende Ansätze zu einer Entwicklungstheorie konzipiert. Schon ANAXIMANDER hatte den Gedanken einer Entwicklung im Tierreich geäußert, und später wurde von EMPEDOKLES, ANAXAGORAS, DEMOKRIT und ARISTOTELES die Auffassung vertreten, daß die Lebewesen aus dem Schlamm entstanden, also Entwicklungsprodukte der Natur seien.
        PLATON beschäftigte sich im Rahmen seiner Ideenlehre und Erkenntnistheorie als erster mit dem dialektischen Wechselverhältnis des Allgemeinen und des Einzelnen (), gelangte allerdings zu einer Trennung des Allgemeinen vom Einzelnen, indem er es zu einer selbständigen Ideenwelt hypostasierte. Doch seine Problemstellung wurde für die ganze Geschichte der Dialektik ()  bedeutungsvoll. Auch ARISTOTELES ringt mit diesem Problem, ohne es indes völlig bewältigen zu können. Er suchte das Allgemeine in den Einzeldingen, erklärte es aber für die ewige Form. Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Dialektik ()  war die Untersuchung der wichtigsten dialektischen Denkformen () durch ARISTOTELES im Rahmen seiner logischen Betrachtungen.
        Das Charakteristische und zugleich der Hauptmangel der naturwüchsigen griechischen Dialektik () ist, daß sie nicht Ergebnis detaillierter wissenschaftlicher Untersuchung der dialektischen Zusammenhänge und Gesetze () ist, sondern aus der unmittelbaren Anschauung und Vorstellung des Weltganzen hervorgeht. «Bei den Griechen - eben weil sie noch nicht zur Zergliederung, zur Analyse der Natur fortgeschritten waren - wird die Natur noch als Ganzes, im ganzen und großen angeschaut. Der Gesamtzusammenhang der Naturerscheinungen wird nicht im einzelnen nachgewiesen, er ist den Griechen Resultat der unmittelbaren Anschauung. Darin liegt die Unzulänglichkeit der griechischen Philosophie, derentwegen sie später andren Anschauungsweisen hat weichen müssen. Darin liegt aber auch ihre Überlegenheit gegenüber allen ihren späteren metaphysischen Gegnern. Wenn die Metaphysik den Griechen gegenüber im einzelnen recht behielt, so. behielten die Griechen gegenüber der Metaphysik recht im ganzen und großen» (MARX/ENGELS 20, 333).
        Obwohl die mittelalterliche Philosophie unter der Vorherrschaft der Theologie stark metaphysische Züge trug, wurden von einzelnen Denkern bestimmte Elemente der Dialektik ()  entwickelt. Das trat besonders in dem sich über Jahrhunderte hinziehenden >Universalienstreit in Erscheinung, bei dem es um das Verhältnis des Allgemeinen zum Einzelnen ging.
        Während die im Mittelalter verbreitete metaphysische Denkweise mehr das Ergebnis des theologischen Dogmatismus war, hat die sich in der Neuzeit entwickelnde metaphysische Denkweise ihre Grundlage in der nun aufkommenden einzelwissenschaftlichen Forschung. Diese mußte zunächst zur systematischen Sammlung der Tatsachen und zu ihrer Analyse schreiten: «Die Zerlegung der Natur in ihre einzelnen Teile, die Sonderung der verschiedenen Naturvorgänge und Naturgegenstände in bestimmte Klassen, die Untersuchung des Innern der organischen Körper nach ihren mannigfachen anatomischen Gestaltungen war die Grundbedingung der Riesenfortschritte, die die letzten 400 Jahre uns in der Erkenntnis der Natur gebracht. Aber sie hat uns ebenfalls die Gewohnheit hinterlassen, die Naturdinge und Naturvorgänge in ihrer Vereinzelung, außerhalb des großen Gesamtzusammenhangs aufzufassen; daher nicht in ihrer Bewegung, sondern in ihrem Stillstand, nicht als wesentlich veränderliche, sondern als feste Bestände, nicht in ihrem Leben, sondern in ihrem Tod. Und indem, wie dies durch Bacon und Locke geschah, diese Anschauungsweise aus der Naturwissenschaft sich in die Philosophie übertrug, schuf sie die spezifische Borniertheit der letzten Jahrhunderte, die metaphysische Denkweise» (MARX/ENGELS 20, 20).
        Am Beginn dieser sammelnden und analysierenden Periode der modernen Naturwissenschaft standen  [>241] KOPERNIKUS, der das heliozentrische Weltbild entwickelte, KEPLER, der die Gesetze der Planetenbewegung entdeckte, HARVEY, der den Blutkreislauf entdeckte, und GALILEI, der die moderne Physik begründete. NEWTON vollendete die klassische Physik mit seiner Gravitationstheorie und gab der neuen mechanisch-metaphysischen Anschauungsweise, die alles auf quantitative Bestimmungen zurückführte, ihre klassische Ausprägung. LINNE ergänzte dieses metaphysische Weltbild durch sein System der Arten, dem zufolge alle Tier- und Pflanzenarten nach ihrer Erschaffung durch Gott unveränderlich existieren. Die Herausbildung und Festigung der metaphysischen Denkweise und Gesamtanschauung, in deren Mittelpunkt die Ansicht von der absoluten Unveränderlichkeit der Natur stand, konnte jedoch nicht verhindern, daß gewisse Elemente der Dialektik ()  entwickelt wurden. In dieser Beziehung sind vor allem CUSANUS und BRUNO zu erwähnen, die auf SPINOZA, SCHELLING und HEGEL großen Einfluß ausübten. CUSANUS betrachtete die Erkenntnis als einen Prozeß. «Nichts ist in der Welt so genau, daß es nicht noch genauer gefaßt werden könnte ... nichts so wahr, daß es nicht noch wahrer sein könnte» (Der Laie über die Weisheit 32). Von besonderer Bedeutung für die Geschichte der Dialektik ()  ist seine Lehre von der -? coincidentia oppositorum, dem Zusammenfallen der Gegensätze. Auch BRUNO, der die Welt als großen materiellen Zusammenhang betrachtete, der sich in ständiger Bewegung befindet, erkannte, daß überall in der Natur eine Einheit von Gegensätzen wirkt (). Deshalb kam er zu dem Schluß: «Wer die tiefsten Geheimnisse der Natur ergründen will, der betrachte und beobachte die Minima und Maxima am Entgegengesetzten und Widersprechenden» (Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen V). Auch DESCARTES und SPINOZA entwickelten wichtige dialektische Gedankengänge. DESCARTES führte die variable Größe in die Mathematik ein, womit - wie ENGELS (20, 522) sagt - «die Bewegung und damit die Dialektik in die Mathematik» kommt. Die Philosophie SPINOZAS bildet einen Höhepunkt der Dialektik ()  bis zur klassischen deutschen Philosophie. Sein ganzes System ist durchdrungen von der Dialektik von Einheit und Vielheit (). Außerdem hat er dialektische Auffassungen bei der Behandlung vieler Einzelprobleme entwickelt. Verdienste um die Entwicklung der Dialektik ()  hat sich auch LEIBNIZ erworben. In diesem Zusammenhang muß die von ihm entdeckte Infinitesimalrechnung erwähnt werden, die es ermöglicht, Prozesse, nicht nur Zustände mathematisch darzustellen (MARX/ ENGELS 20, 534). Der Entwicklungsgedanke wurde von LEIBNIZ durch sein Kontinuitätsprinzip bereichert, wenn er durch die Leugnung der Diskontinuität zugleich auch den Grund legte zu der späteren metaphysisch beschränkten Auffassung der Entwicklung als bloßer Evolution (>Evolutionismus).
        Die metaphysische Denkweise, die ein direktes Ergebnis der sammelnden, analysierenden Periode der Naturwissenschaft bildete, war in der Philosophie jener Zeit vorherrschend. Da der Materialismus mit der Naturwissenschaft eng verbunden war, mußte das metaphysische, undialektische Denken in diesem besonders stark in Erscheinung treten. Darüber darf jedoch nicht übersehen werden, daß auch bei einzelnen materialistischen Philosophen hervorragende Beispiele dialektischen Denkens () zu finden sind. ENGELS (20, 19) erinnert an Rameaus Neffen von DIDEROT; aber auch die reifen philosophischen Werke DIDEROTS, insbesondere die Gedanken über die Interpretation der Natur, sind von dialektischen Gedankengängen durchdrungen.
        Indessen wuchsen durch die Fortschritte der Naturwissenschaften die Bedingungen für die Überwindung der metaphysischen Denkweise. Waren bis zu dieser Zeit eigentlich nur die physikalischen Wissenschaften, vor allem die Mechanik, entwickelt, so nahmen nun seit der Mitte des 18. lahrhunderts auch andere Wissenschaften (Chemie, Geologie, Biologie u. a.) einen gewaltigen Aufschwung. Durch die Forschung auf dem Gebiet der Geologie wurden in einzelnen Erdschichten Fossilien verschiedener Pflanzen- und Tierorganismen entdeckt - ein Zeugnis für die geschichtliche Entwicklung der Erde. Von LYELL wurden diese Erkenntnisse bald zu einer Evolutionstheorie über die Entwicklung der Erde verarbeitet. 1784 entdeckte GOETHE den Zwischenkieferknochen. Vor allem aber wurde diese Entwicklung charakterisiert durch die drei großen Entdeckungen des 19. Jahrhunderts. 1839 entdeckten SCHWANN und SCHLEIDEN die organische Zelle als die Einheit, aus deren Vervielfältigung und Differenzierung alle Organismen entstehen. 1842 entdeckte R. MAYER das Gesetz von der Erhaltung und Umwandlung der Energie, das große Bedeutung für die Überwindung der metaphysischen Denkweise hat. 1859 schließlich gab DARWIN seine Entwicklungslehre bekannt. Sie war ein schwerer Schlag gegen die überkommene metaphysische Naturauffassung. Weitere naturwissenschaftliche Entdeckungen (WÖHLER, LOBATSCHEWSKY) trugen dazu bei, daß dieser Prozeß schließlich zu einer Umwälzung in der ganzen Naturwissenschaft führte und eine Situation entstand, die ENGELS (20, 320) folgendermaßen charakterisierte: «Die neue Naturanschauung war in ihren Grundzügen fertig: Alles Starre war aufgelöst, alles Fixierte verflüchtigt, alles für ewig gehaltene Besondere vergänglich geworden, die ganze Natur als in ewigem Fluß und Kreislauf sich bewegend nachgewiesen.» [>242]
        Gleichzeitig mit dieser Umwälzung in der Naturwissenschaft gingen in diesem Zeitraum bedeutende Veränderungen im gesellschaftlichen Leben vor sich. Der Kapitalismus entwickelte sich stürmisch, und der schnelle Wechsel der historischen Ereignisse, die in der englischen und französischen Revolution ihre Höhepunkte fanden, ließ den Gedanken an eine dialektisch fortschreitende soziale Entwicklung () immer stärker aufkommen. Die inneren Widersprüche () des Kapitalismus und die daraus hervorgehenden Klassengegensätze traten in den Arbeiteraufständen von Lyon (1831 und 1834) und auch im schlesischen Weberaufstand (1844) offen zutage. Der Kapitalismus hatte die Klassengegensätze in anschaulicher Weise vereinfacht. Die Dialektik ()  der geschichtlichen Entwicklung drängte sich unwiderstehlich auf, und es ist bezeichnend, daß schon vor MARX und ENGELS bürgerliche Gelehrte (THIERS, THIERRY, GUIZOT) den Klassenkampf als Triebkraft.der Entwicklung und als Schlüssel zum Verständnis besonders der Französischen Revolution erkannten. Somit waren sowohl auf dem Gebiet der Naturwissenschaft als auch dem der Geschichte alle Voraussetzungen vorhanden, die zur Ablösung der metaphysischen durch die dialektische Betrachtungsweise drängten. Die Dialektik ()  begann sich allmählich durchzusetzen.
        Schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte der deutsche Naturforscher C. F. WOLFF den Gedanken geäußert, daß sich Pflanzen- und Tierreich aus einfachen Organismen entwickelt hätten. Dieselbe Auffassung wurde etwas später von dem französischen Naturforscher BUFFON vertreten, der den Entwicklungsgedanken auch auf die Erde anwandte. Eine weitere Bresche in die versteinerte Naturauffassung schlug KANT mit seiner 1755 erschienenen Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Er gab darin die erste exakte Theorie der Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems. Die Triebkraft der Bewegung und Entwicklung sah er in den gegensätzlichen Kräften der Attraktion und Repulsion.
        Obwohl die Anerkennung einer durchgehenden Entwicklung in der ganzen Natur anfangs auf den heftigsten Widerstand traf, war sie nicht mehr aufzuhalten. Der Entwicklungsgedanke wurde folgerichtig auf die Gesellschaft übertragen. LESSING wandte ihn in der Erziehung des Menschengeschlechts bereits auf die Entstehung der Religion und HERDER in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit auf die ganze Geschichte an. Auch KANT überträgt den Entwicklungsgedanken auf die menschliche Gesellschaft und sieht im Antagonismus, in der «ungeselligen Geselligkeit der Menschen» die Triebkraft ihres Fortschritts (Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht), [>242]
        In der klassischen deutschen Philosophie von KANT bis HEGEL fanden die bisher herausgearbeiteten Elemente der dialektischen Denkweise und Methode () eine systematische Zusammenfassung. KANT leistete seinen Beitrag hierzu vor allem in den frühen Werken. Von bahnbrechender Bedeutung für die Durchsetzung der Entwicklungskonzeption war seine Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, wichtig für die Ausarbeitung der dialektischen Entwicklung () in der Gesellschaft die Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Aber auch in der Kritik der reinen Vernunft finden sich wichtige dialektische Problemstellungen. FICHTE machte bereits einen bedeutenden Schritt zur Entwicklung der idealistischen Begriffsdialektik. In seiner subjektiv-idealistischen Philosophie bringt das Subjekt die objektive Welt in einem dialektischen Prozeß der Begriffsentwicklung hervor (DialPIWahn). SCHELLING bereicherte die dialektische Entwicklungsauffassung in verschiedener Hinsicht und trug wesentlich zur Ausarbeitung zahlreicher Einzelprobleme der Dialektik () bei. In der Philosophie HEGELS erreichte die klassische deutsche Philosophie und die idealistische Dialektik () ihren Höhepunkt. «Ihren Abschluß fand diese neuere deutsche Philosophie im Hegelschen System, worin zum erstenmal - und das ist sein großes Verdienst - die ganze natürliche, geschichtliche und geistige Welt als ein Prozeß, d. h. als in steter Bewegung, Veränderung, Umbildung und Entwicklung begriffen dargestellt und der Versuch gemacht wurde, den inneren Zusammenhang in dieser Bewegung und Entwicklung nachzuweisen» (MARX/ENGELS 20, 22f). In HEGELS objektiv¬idealistischer Philosophie ist es der Geist, der sich in einem dialektischen Prozeß von Stufe zu Stufe entwickelt, immer neue Gestaltungen gesetzmäßig hervorbringt und sich zugleich selbst erkennt. Dieser Geist, dessen Entwicklung in Form von Begriffen HEGEL darstellt, ist nichts anderes als der vom Subjekt getrennte, verselbständigte und zum Weltprozeß verabsolutierte Denkprozeß. Aber in dieser verkehrten Form hat HEGEL mit enzyklopädischer Gelehrsamkeit das Wissen seiner Zeit verarbeitet, um überall in Natur, Geschichte und Denken die inneren Zusammenhänge, die Entwicklung, die Widersprüche nachzuweisen. So hat seine idealistische Dialektik einen sehr realen Inhalt, denn in der mystifizierten Entwicklung des Denkprozesses ist die wirkliche Entwicklung der materiellen Welt in ihrer dialektischen Gesetzmäßigkeit teils bewußt erfaßt, teils genial erraten. HEGELS System ist daher im Grunde ein «nach Methode und Inhalt idealistisch auf den Kopf gestellter Materialismus» (MARX/ ENGELS 21, 277; LENIN 38, 226). HEGEL hat als erster in der Geschichte des philosophischen Denkens die allgemeinen Gesetze der Dialektik [>243] formuliert, indem er die Bewegung und Entwicklung als Übergang quantitativer Veränderungen in neue qualitative Zustände, als Entstehung und Überwindung von Widersprüchen und als Negation der Negation faßte. Im Widerspruch erkannte er die Quelle und Triebkraft aller Entwicklung, der Widerspruch «ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern etwas in sich selbst einen Widerspruch hat, bewegt es sich, hat Trieb und Tätigkeit» (Logik II 1, 2).
        HEGEL arbeitete seine dialektische Denkmethode () in einer ständigen, tiefgreifenden kritischen Auseinandersetzung mit der metaphysischen Denkweise aus, die mit isolierten, erstarrten Begriffen und einseitigen Bestimmungen operiert, ohne die Bewegung der Begriffe, ihre wechselseitigen Übergänge und die Relativität jeder Bestimmung zu sehen. Aber die Dialektik ist für HEGEL keine «äußere Kunst» und kein «subjektives Schaukelspiel von hin- und herübergehendem Räsonnement», sondern sie ist «vielmehr die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt». «Das Dialektische macht daher die bewegende Seele des wissenschaftlichen Fortgehens aus und ist das Prinzip, wodurch allein immanenter Zusammenhang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissenschaft kommt, so wie in ihm überhaupt die wahrhafte, nichtäußerliche Erhebung über das Endliche liegt» (Enz § 81). Die Dialektik ist HEGEL objektiv bestimmt, «denn die Methode ist das Bewußtsein über die Form der inneren Selbstbewegung ihres Inhalts» (Logik, Einl). Die dialektische Methode ist «der sich selbst wissende, sich als das Absolute, sowohl Subjektive als Objektive, zum Gegenstand habende Begriff», sie ist «die Bewegung des Begriffs selbst»; und daher ist sie die allgemeine, schlechthin unendliche Kraft, welcher kein Objekt Widerstand leisten kann. «Sie ist darum die höchste Kraft oder vielmehr die einzige und absolute Kraft der Vernunft nicht nur, sondern auch ihr höchster und einziger Trieb, durch sich selbst in allem sich selbst zu finden und zu erkennen» (Logik II 3, 3).
        HEGEL hat auch die wichtigsten Kategorien der Dialektik ()  untersucht. Seine Bestimmungen über solche dialektischen Kategorien () wie Notwendigkeit und Zufall (), Kausalität und Wechselwirkung(), Möglichkeit und Wirklichkeit (), Wesen und Erscheinung (), Gesetz, Freiheit und Notwendigkeit (), Kontinuität und Diskontinuität () und viele andere () sind ungeachtet der idealistischen Mystifizierung im wesentlichen treffend.
        HEGELS Dialektik () ist die größte Errungenschaft der klassischen deutschen Philosophie; sie ist eine der wichtigsten theoretischen Quellen des dialektischen Materialismus () geworden. MARX nannte sie die «Grundform aller Dialektik, aber nur nach Abstreifung ihrer mystischen Form» (Brief an Kugelmann, 6. 3.1868). Die mystische Form besteht in ihrem idealistischen Charakter, der zur Folge hat, daß sie «in ihrer vorliegenden Form absolut unbrauchbar ist» (MARX/ENGELS 21, 276). Die Tatsache, daß HEGELS Dialektik() untrennbar mit seinem idealistischen System verquickt war, implizierte eine Reihe von Inkonsequenzen und Mängeln. Die Forderungen des Systems führten oft zu einem gekünstelten Schematismus, wie er vor allem in der Triade von These, Antithese und Synthese () sichtbar wird; der Natur wurde als einer bloßen Entäußerung des Geistes die Entwicklung in der Zeit abgesprochen, und schließlich fand - ganz im Gegensatz zum kritischen Geist der Dialektik - die philosophische Erkenntnis ihren Abschluß in HEGELS System.
        Um die Dialektik () zu einer konsequent wissenschaftlichen und kritisch-revolutionären Methode, zu einem brauchbaren Werkzeug der wissenschaftlichen Forschung und des praktischen politischen Kampfes zu machen, mußte sie vom Kopf auf die Füße gestellt, ihre idealistische Form kritisch überwunden und sie auf materialistischer Grundlage neu ausgearbeitet werden. Diese große Aufgabe lösten MARX und ENGELS, indem sie von HEGELS idealistischer Dialektik ausgehend und sie kritisch überwindend die materialistische Dialektik () schüfen. Dies war ein entscheidender Bestandteil des von MARX und ENGELS am Vorabend der bürgerlichen Revolution in Deutschland vollzogenen revolutionären Umwälzungsprozesses im modernen Denken.
        Schon in den Arbeiten von MARX Zur Judenfrage, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung, und den Umrissen zu einer Kritik der Nationalökonomie von ENGELS zeigt sich, wie MARX und ENGELS die Dialektik () der gesellschaftlichen Entwicklung, des Klassenkampfes erfassen und die dialektischen Kategorien und Bewegungsformen mehr und mehr mit materialistischem Inhalt erfüllen. Sie analysieren die widersprüchliche Entwicklung des Kapitalismus, die unvermeidbar zur proletarischen Revolution drängt. In der Heiligen Familie enthüllen sie das Geheimnis der HEGELSchen spekulativen Konstruktion und unterziehen die idealistische Dialektik () einer konsequent materialistischen Kritik (MARX/ENGELS 2, 59). Von wesentlicher Bedeutung für die Begründung der materialistischen Dialektik () sind MARX’ Ausführungen im Elend der Philosophie (Abschnitt: Die Methode). Im Manifest der Kommunistischen Partei gaben MARX und ENGELS eine zusammenfassende Darstellung der dialektischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und wiesen nach, daß die kapitalistische Gesellschaftsordnung kraft ihrer immanenten Gesetzmäßigkeit von der Arbeiterklasse be[>244]seitigt und durch die sozialistische Gesellschaftsordnung ersetzt werden wird. Sie wandten die materialistische Dialektik () auf die Probleme des politischen Kampfes an und bestimmten mit ihrer Hilfe die Strategie und Taktik der Arbeiterbewegung in der Revolution von 1848.
        Stand vor der Revolution die historische Dialektik () im Mittelpunkt des theoretischen Interesses von MARX und ENGELS, SO begann vor allem ENGELS in den folgenden Jahren, die dialektischen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur intensiv zu erforschen. Als Ergebnis dieser langjährigen Arbeit entstand das unvollendet gebliebene Werk Dialektik der Natur, in dem ENGELS eine dialektisch-materialistische Verallgemeinerung der wichtigsten Resultate des damaligen Entwicklungsstandes der Naturwissenschaften gab und mit Hilfe ihres Tatsachenmaterials unterstrich, «daß in der Natur dieselben dialektischen Bewegungsgesetze im Gewirr der zahllosen Veränderungen sich durchsetzen, die auch in der Geschichte die scheinbare Zufälligkeit der Ereignisse beherrschen» (MARX/ENGELS 20, 11).
        Von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung der materialistischen Dialektik () ist das Werk von ENGELS Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft («Anti-Dühring»), Hierin bestimmte ENGELS die Dialektik als die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Gesellschaft und des Denkens (), formulierte und erläuterte die Grundgesetze der Dialektik () und wies an umfangreichem naturwissenschaftlichem und historischem Material die allgemeine Gültigkeit der dialektischen Gesetze nach.
        Die ausführlichste Anwendung der materialistischen Dialektik () findet sich im Hauptwerk von MARX Das Kapital. Die dialektische Methode () war das entscheidende wissenschaftliche Instrument, mit dessen Hilfe MARX die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft detailliert analysierte. Daher ist das ganze Kapital nicht nur von der materialistischen Dialektik durchdrungen, sondern es sind in ihm auch zahlreiche Kategorien und Elemente der Dialektik () ausführlich entwickelt und präzisiert.
        Auch der gesamte Briefwechsel von MARX und ENGELS ist von unschätzbarem Wert für das Studium der materialistischen Dialektik (), denn neben vielen theoretischen Erörterungen über Fragen der Dialektik () findet sich in den Briefen eine konkrete Anwendung der dialektischen Methoden auf alle Bereiche des Wissens und der praktischen Politik. LENIN schrieb über den Briefwechsel zwischen MARX und ENGELS: «Versucht man mit einem Wort auszudrücken, was sozusagen den Brennpunkt des ganzen Briefwechsels ausmacht, jenen zentralen Punkt, in dem alle Fäden des Netzes der geäußerten und erörterten Ideen zusammenlaufen, so wird dies das Wort Dialektik () sein. Die Anwendung der materialistischen Dialektik () bei der radikalen Umarbeitung der gesamten politischen Ökonomie, ihre Anwendung auf die Geschichte, auf die Naturwissenschaft, die Philosophie, die Politik und die Taktik der Arbeiterklasse - das ist es, was Marx und Engels vor allem interessiert, hierzu haben sie das Wesentlichste und Neueste beigetragen, das ist der geniale Schritt, den sie in der Geschichte des revolutionären Denkens vorwärts getan haben» (19, 550).
        Nach dem Tode von MARX und ENGELS hat LENIN die materialistische Dialektik () schöpferisch weiterentwickelt. Seine Arbeiten, in denen er die Besonderheiten des Imperialismus und die Strategie und Taktik des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse gegen den Imperialismus und für die proletarische Revolution untersucht, sind Meisterwerke der Dialektik (). In der Auseinandersetzung mit dem Opportunismus und Revisionismus verteidigte LENIN die dialektische Methode (), bereicherte sie insbesondere als Instrument zur Bestimmung der politischen Strategie und Taktik und grenzte sie präzise gegen alle Versuche ab, sie durch Sophistik oder Eklektizismus zu ersetzen.
        In seinem Werk Materialismus und Empiriokritizismus wandte LENIN die Dialektik () auf die Erkenntnistheorie an und entwickelte die grundlegenden Probleme der Dialektik () des Erkenntnisprozesses. Von besonderer Bedeutung sind LENINS Untersuchungen zur materialistischen Dialektik (), die er unmittelbar vor dem ersten Weltkrieg und während des Krieges durchführte, als die Arbeiterbewegung sich vor die kompliziertesten Probleme gestellt sah. Die in dieser Zeit entstandenen Philosophischen Hefte gehören mit zum Wertvollsten, das die materialistische Dialektik besitzt. In den 16 Elementen der Dialektik gibt LENIN in knappen Zügen eine allseitige Darstellung der Prinzipien der materialistischen Dialektik. In dem Fragment Zur Frage der Dialektik () entwickelt LENIN einige außerordentlich wichtige Probleme der materialistischen Dialektik (). Er präzisiert hier das Gesetz von der Einheit und dem «Kampf» der Gegensätze (), grenzt die materialistisch-dialektische Entwicklungstheorie vom Evolutionismus ab und klärt das dialektische Wechselverhältnis des Allgemeinen und Einzelnen (). Weiter entwickelt er die These von der Einheit von Dialektik und Erkenntnistheorie ().
        In seinen letzten Schriften nach dem Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Über das Genossenschaftswesen, Über die Naturalsteuer, Lieber weniger, aber besser) arbeitete LENIN die komplizierte Dialektik der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus () heraus. [>245]
        Im Verlauf der Jahrzehnte nach LENINS Tod wurden die großen Erfahrungen des Klassenkampfes, der proletarischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus von den kommunistischen Parteien vieler Länder verallgemeinert und dadurch die Dialektik () weiterentwickelt. Auch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hat durch die Lösung der theoretischen und praktischen Probleme des sozialistischen Aufbaus unter den komplizierten Bedingungen der nationalen Spaltung ihren Beitrag zur Bereicherung der marxistischen Dialektik geleistet.
        Die marxistisch-leninistische Philosophie unterscheidet zwischen objektiver und subjektiver Dialektik (). Als allgemeine Gesetzlichkeit der Bewegung und Entwicklung der vom Bewußtsein unabhängigen Außenwelt ist die Dialektik objektive Dialektik (), als Widerspiegelung der objektiven Dialektik im Bewußtsein und Denken des Menschen ist sie subjektive Dialektik ().
        Als Theorie der objektiven Dialektik  () ist sie die Wissenschaft von den allgemeinsten Entwicklungsgesetzen der objektiven Welt. Sie geht von der Tatsache aus, daß die Welt einen universellen Zusammenhang bildet, in dem alle Dinge und Erscheinungen miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen, daß die Wirklichkeit in allen ihren Erscheinungsformen (Natur, Gesellschaft, Denken) in steter, unaufhörlicher Bewegung und Entwicklung begriffen ist ().
        Das Wesen der dialektischen Entwicklungskonzeption kommt in den drei Grundgesetzen der Dialektik () zum Ausdruck: 1. dem Gesetz von der Einheit und dem «Kampf» der Gegensätze (), dem zufolge die Triebkraft jeder Bewegung und Entwicklung die den Dingen innewohnenden dialektischen Widersprüche sind, die Bewegung also als Selbstbewegung gefaßt wird; 2. dem Gesetz vom Umschlagen quantitativer in qualitative Veränderungen und umgekehrt (), das die Entwicklung nicht als einfache quantitative Veränderung, als Evolution faßt, sondern die Einheit von Quantität und Qualität, von Evolution und Revolution, Kontinuität, und Diskontinuität in der Entwicklung betont; 3. dem Gesetz der Negation der Negation (), nach dem die Entwicklung eine Höherentwicklung ist, keine einfache Vernichtung des Alten, sondern ein Prozeß dialektischer Negationen (), in denen frühere Stadien überwunden, aber gleichzeitig ihre positiven und entwicklungsfähigen Seiten erhalten bleiben. Die dialektische Konzeption der Entwicklung () steht im Gegensatz zur metaphysischen Auffassung der Entwicklung, bei der die Selbstbewegung im Schatten bleibt bzw. die Triebkraft der Entwicklung nach außen verlegt wird (Gott), die Entwicklung als quantitative Verkleinerung und Vergrößerung, als einfache Wiederholung bereits durchlaufener Stadien betrachtet wird.
        Die drei Grundgesetze der Dialektik () werden durch eine Reihe anderer dialektischer Gesetzmäßigkeiten () ergänzt, den Gesetzen des dialektischen Zusammenhangs () von Wesen und Erscheinung (), Inhalt und Form (), Wirklichkeit und Möglichkeit (), Notwendigkeit und Zufall (), Ursache und Wirkung (), Allgemeinem und Einzelnem () usw.
        Als Theorie der subjektiven Dialektik () ist die Dialektik vornehmlich -> Erkenntnistheorie (einschließlich dialektischer Logik). Die Dialektik als Erkenntnistheorie untersucht die dialektischen Zusammenhänge von Theorie und Praxis, absoluter und relativer Wahrheit, Abstraktem und Konkretem, Logischem und Historischem u. a. und formuliert die dialektischen Prinzipien der Einheit des Logischen und Historischen, des Abstrakten und Konkreten, der Praxis als Ausgangspunkt und Kriterium der Wahrheit, des konkreten Charakters der Wahrheit u. a.
        Die Dialektik ist nicht nur Theorie (der objektiven und subjektiven Dialektik) (), sondern auch Methode (). Methode ist sie als die systematische und bewußte Anwendung der Gesetze und Prinzipien der Dialektik zur praktischen und theoretischen Aneignung der materiellen Welt. Für die Dialektik als Methode () ergeben sich aus den Gesetzen und Prinzipien der Dialektik als Theorie () grundsätzliche Forderungen: die Dinge und Erscheinungen der materiellen Welt, aber auch die Begriffe als Abbilder der wirklichen Dinge, in ihrer Bewegung und Veränderung zu betrachten, die allseitige Analyse der Erscheinungen, die ihre mannigfaltigen gegenseitigen Zusammenhänge beachtet, die Erkenntnis des Einheitlichen in seinen gegensätzlichen Bestandteilen usw.
        Die dialektische Methode () steht mit ihren Forderungen in direktem Gegensatz zur metaphysischen Methode, die die Dinge isoliert voneinander betrachtet, sie aus ihrem gegenseitigen Zusammenhang herausreißt, sie nicht historisch, als in Bewegung und Veränderung begriffen betrachtet, nicht ihre innere Widersprüchlichkeit beachtet. Mit der Forderung der allseitigen Analyse ist die materialistische Dialektik ein Feind der metaphysischen Sophistik, die willkürlich bestimmte Seiten der Dinge herausgreift, sie als ihr Wesen ausgibt und dadurch die Wahrheit entstellt, die stets die Gesamtheit der Zusammenhänge, Seiten usw. verlangt.
        Wenn die Dialektik () Allseitigkeit der Analyse fordert, übersieht sie keineswegs, daß es innerhalb der mannigfaltigen Beziehungen und Zusammenhänge zwischen den Erscheinungen wesentliche, weniger wesentliche und schließlich für die praktischen Belange ganz unwesentliche Beziehungen und Zusammenhänge gibt. Wird dieser Sachverhalt nicht berücksichtigt, führt dies zum metaphysischen Eklektizismus. Das Wesen dieser undialektischen Art des Vorgehens hat LENIN (32, [>246] dialektische Grundgesetze 81-92) in der Diskussion über die Rolle der Gewerkschaften aufgedeckt. So führt das richtige Verständnis des Gegensatzes von Metaphysik und Dialektik () auch zur Erkenntnis, daß es notwendig ist, in jedem komplizierten System von Zusammenhängen stets das entscheidende Kettenglied herauszufinden.
        Die marxistische materialistische Dialektik () ist eine der größten Errungenschaften des menschlichen Denkens. Trotzdem halten die Ideologen der Bourgeoisie aus Klasseninteresse im wesentlichen auch heute noch an der metaphysischen Denkweise fest und konservieren sie. «In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deutsche Mode (), weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffaßt, sich durch nichts imponieren läßt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist» (MARX/ENGELS 23, 27f). Die bürgerlichen Ideologen führen seit hundert Jahren einen erbitterten Kampf gegen die materialistische Dialektik (). Das Verhältnis der modernen bürgerlichen Philosophie zur materialistische Dialektik () ist ausschließlich feindlich. Schon als MARX und ENGELS die materialistische Dialektik ausarbeiteten, führte TRENDELENBURG (Logische Untersuchungen) einen heftigen Kampf gegen sie. Der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sich ausbreitende Neukantianismus hatte den Kampf gegen die Dialektik auf seine Fahne geschrieben. Zu den erklärten Gegnern der Dialektik () gehören auch die Revisionisten. BERNSTEIN begann seinen Angriff auf die Grundlagen des Marxismus mit einem Angriff auf die Dialektik () als den «Fallstrick», von dem man sich befreien müsse. In seinem Kampf gegen den Revisionismus hat LENIN immer wieder darauf hingewiesen, daß der Verrat an der Dialektik () eine der theoretischen Quellen des Revisionismus ist. Die Front der Gegner der Dialektik () reicht von DÜHRING, mit dem ENGELS sich noch auseinandersetzte, über die verschiedensten Schattierungen der bürgerlichen Philosophie im 20. Jahrhundert bis zum Neuthomismus, der in unseren Tagen geradezu eine Verkörperung des metaphysischen Denkens darstellt. Die Angriffe gegen die Dialektik () konzentrieren sich dabei vor allem auf das Prinzip des dialektischen Widerspruchs ().
        Allen diesen Anfeindungen zum Trotz hat sich die marxistische materialistische Dialektik () als die grundlegende Methode zur Erkenntnis der Welt und ihrer revolutionären Umgestaltung bewährt. Durch ein laufend anwachsendes, umfangreiches Material aller Wissenschaften in ihrer Richtigkeit bestätigt, übt sie eine immer größere Anziehungskraft aus. Ohne einzelwissenschaftliche Forschung und entsprechende spezielle Methoden zu ersetzen, ist sie für jede Forschung eine unschätzbare Hilfe. Sie erfüllt die Forschung mit echt wissenschaftlichem Geist, da sie unvereinbar ist mit jeder Art von Dogmatismus, Vorurteilen, «ewigen Wahrheiten», die den Fortschritt der Wissenschaft hemmen. Sie verleiht der Forschung einen schöpferischen Charakter, indem sie alles auch nach seiner vergänglichen Seite auffaßt, stets auf das Neue, sich Entwickelnde orientiert, in jeder Erkenntnis auch das Moment der Relativität aufdeckt, daher nach steter Vertiefung und Allseitigkeit drängt und vor allem die Forschung auf die Praxis als ihre unerschöpfliche Quelle lenkt. Die marxistische materialistische Dialektik erweist nicht nur dem Wissenschaftler oder Politiker einen großen Dienst, sondern ist für jeden Menschen eine notwendige Voraussetzung für ein tieferes gedankliches Erfassen seiner Umwelt, das allein ein bewußteres und aktiveres Teilnehmen am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Die marxistische materialistische Dialektik () ist daher ein unentbehrliches Instrument im Kampf um den Sieg des Sozialismus und Kommunismus.
    > Widerspruch, dialektischer > Einheit und «Kampf» der Gegensätze > Quantität und Qualität > Negation der Negation > Methode.

    dialektische Grundgesetze -> Dialektik -> Einheit und «Kampf» der Gegensätze -> Qualität und Quantität Negation der Negation,

    dialektische Identität > Identität.

    dialektische Logik Logik, dialektische,

    dialektischer Determinismus > Determinismus,



    Dialektik im Woerterbuch der Logik   [m]
    Kondakow, N. I. (dt. 1978 russ. 1975). Wörterbuch der Logik. Berlin: Das europäische Buch.

    "Dialektik [dialektike griech., die Kunst, ein Gespräch zu führen]: Wissenschaft von den allgemeinsten Entwicklungsgesetzen der Natur, der Gesellschaft und des Denkens, philosophische Theorie und Methode der Erkenntnis und der Umgestaltung der Gegenstände und Erscheinungen der Wirklichkeit in ihrer widersprüchlichen Selbstbewegung.
        Im Laufe der jahrhundertelangen Geschichte der Philosophie unterlag der Inhalt dieses Begriffs einer Reihe von Veränderungen. Nach HERAKLIT verändert sich, bewegt sich und erneuert sich in der Natur alles, jedes Ding, geht in seinen Gegensatz über, ist der Kampf der Gegensätze der „Vater von allem“. Die Welt war, ist und wird ein ewig lebendiges Feuer sein.
        Die nach unserer Interpretation dialektische Philosophie von HERAKLIT bezeichneten seine Zeitgenossen aber nicht als D. () und wendeten diese Bezeichnung auch nicht auf die bereits in der Philosophie von PLATON, von ARISTOTELES und von PLOTIN enthaltenen Elemente der D. () an.
        Sie sahen in der D. () die Kunst, ein Streitgespräch mit Fragen und Antworten zu führen, den Zusammenprall gegensätzlicher Meinungen. ARISTOTELES bezeichnete als D. () die Wissenschaft von den wahrscheinlichen Ansichten. Im Mittelalter wurde die formale Logik als D. () bezeichnet. Das Interesse für die D. () entwickelte sich erneut zu Beginn des 15. Jh. Gedanken zu einzelnen Elementen der D. () sind in den Arbeiten von NIKOLAUS KUSANUS, G. BRUNO, R. DESCARTES, B. SPINOZA, G. LEIBNIZ, J.-J. ROUSSEAU, D. DIDEROT, I. KANT, J. FICHTE, F. SCHELLING u. a. enthalten. Zu Beginn des 19. Jh. verfaßte HEGEL eine Enzyklopädie der D. () auf idealistischer Grundlage. Alles in der Welt befinde sich in unaufhörlicher Bewegung, Veränderung und Entwicklung. Quelle dieser Bewegung ist der Kampf der inneren Widersprüche, die jedem Gegenstand, jedem Prozeß zukommen. HEGEL zeigte, daß die quantitativen Veränderungenin qualitative übergehen, er formulierte das Gesetz der Negation der Negation, welches das Nacheinander der Entwicklung, den Zusammenhang des Neuen mit dem Alten im Verlauf der gesetzmäßigen Ablösung des Alten durch das Neue, den Charakter der Aufeinanderfolge der Entwicklung ausdrückt. Es bildete den Höhepunkt in der Entwicklung der vormarxistischen D. (). Aber die D. () von HEGEL befand sich mit seinem idealistischen philosophischen System in einem unversöhnlichen Widerspruch. Der Idealismus seiner Philosophie und die Klassenposition von HEGEL bedingten, daß er selbst die D. () willkürlich nicht nur einzuschränken, sondern sogar dort metaphysisch zu entstellen begann, wo dies sein reaktionäres System erforderlich machte. Entgegen der D. (), nach der sich alles entwickelt, stellt er seine Philosophie als das letzte Wort in der Geschichte der Weltanschauung hin, die preußische Monarchie z. B. als die Krönung der [>130] Gesellschaft. Die fortschrittlichen russischen revolutionären Demokraten  A. I. Herzen, W.G. BELINSKI und N. G. 1 SCHERNYSCHEWSKI erkannten die gewaltige Bedeutung der Hegelschen D. () Bekanntlich versuchte HERZEN eine materialistische Interpretation der D. () von HEGEL, die er als „Algebra der Revolution“ bezeichnete: LENIN sagte: „Herzen kam ganz dicht an den dialektischen Materialismus () heran ...“ (L. 18. S. 10).
        Aber die russischen revolutionären Demokraten konnten die von ihnen beabsichtigte materialistische Interpretation und Verarbeitung der Hegelschen D. () nicht zuendeführen, da sie bei der Erklärung der Ursachen des gesellschaftlichen Prozesses auf den Positionen des Idealismus verblieben. Eine wissenschaftliche Lehre von der D. () wurde erst durch MARX und ENGELS geschaffen. Sie befreiten die D. () HEGELS von ihrer idealistischen Hülle und stellten die D. () vom Kopf auf die Füße. Sie gaben der D. () eine materialistische Grundlage. ENGELS spricht von der D. (), „... die die Dinge und ihre begrifflichen Abbilder wesentlich in ihrem Zusammenhang, ihrer Verkettung, ihrer Bewegung, ihrem Entstehen und Vergehn auffaßt...“ (M/E. 19. S. 205).
        Quelle der Bewegung ist der Kampf der inneren Widersprüche. LENIN schreibt: „Die Dialektik () kann kurz als die Lehre von der Einheit der Gegensätze bestimmt werden. Damit wird der Kern der Dialektik () erfaßt sein ...“ (L. 38. S. 214). Das Gesetz von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze enthüllt die bewegende Kraft und die Quelle jeder Entwicklung, die darin besteht, daß jedem Gegenstand und jeder Erscheinung innere Widersprüche und der Übergang in entgegengesetzte Zustände eigen sind.
        Neben diesem Gesetz - dem Gesetz von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze - sind andere Grundgesetze der D. () das Gesetz des Übergangs der quantitativen Veränderungen in qualitative und das Gesetz von der Negation der Negation.
        In komprimierter Form, aber umfassend und allseitig, definiert LENIN die D. () als Lehre von der Entwicklung folgendermaßen: „Eine Entwicklung, die die bereits durchlaufenen Stadien gleichsam noch einmal durchmacht, aber anders, auf höherer Stufe (.Negation der Negation“), eine Entwicklung, die nicht geradlinig, sondern sozusagen in ;der Spirale vor sich geht; eine sprunghafte, mit Katastrophen verbundene, revolutionäre Entwicklung; .Abbrechen der Allmählichkeit“; Umschlagen der Quantität in Qualität; innere Entwicklungsantriebe, ausgelöst durch den Widerspruch, durch den Zusammenprall der verschiedenen Kräfte und Tendenzen, die auf einen gegebenen Körper einwirken oder in den Grenzen einer gegebenen Erscheinung oder innerhalb einer gegebenen Gesellschaft wirksam sind; gegenseitige Abhängigkeit und engster, unzertrennlicher Zusammenhang aller Seiten jeder Erscheinung (wobei die Geschichte immer neue Seiten erschließt), ein Zusammenhang, der einen einheitlichen, gesetzmäßigen, Weltprozess der Bewegung ergibt, - das sind einige Züge der Dialektik () als der (im Vergleich zur üblichen) inhaltsreichen Entwicklungslehre“ (L. 21. S. 42-43).
        Die materialistische D. ()  gibt auch solchen philosophischen Kategorien wie Ursache und Folge, Einzelnes und Allgemeines, Inhalt und Form, Zufall und Notwendigkeit, Möglichkeit und Wirklichkeit, Wesen und Erscheinung einen wissenschaftlichen Inhalt. Die materialistische D. () ist die philosophische Methode der Untersuchung der Natur, der Gesellschaft und des Denkens, ist Weltanschauung und Erkenntnistheorie. Die materialistische D. () ist ein Werkzeug zur revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. - S. a. logische Gesetze VI.
        »Dialektik der Natur«: I. unvollendetes hervorragendes philosophisches Werk von ENGELS, das im Jahre 1925 in der Sowjetunion in deutscher Sprache zusammen mit der russischen Übersetzung erstmals veröffentlicht wurde. Das Werk besteht aus Notizen von ENGELS aus den Jahren 1873/86. Vor 1925 waren nur »Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen« (1896) und »Die Naturforschung in der Geisterwelt« (1898) bekannt, die in deutschen Zeitschriften erschienen waren.
        Die »D. d. N.« () befaßt sich mit der philosophischen Verallgemeinerung der Ergebnisse der Naturwissenschaften, mit der Ausarbeitung der dialektischen Methode und der grundlegenden These des dialektischen Materialismus über die Materie und ihre Bewegungsformen, über Raum und Zeit als den Grundformen der Existenz der Materie, mit den Gesetzen und Kategorien der Dialektik, mit der Wechselbeziehung von Philosophie und' Naturwissenschaft und mit der Klassifikation der Wissenschaften. In diesem Werk wird eine umfassende Kritik des vulgären mechanischen Materialismus, der Metaphysik, des Idealismus, des Agnostizismus, des Spiritismus und des einseitigen groben Empirismus gegeben. Unter Anwendung der dialektisch-materialistischen Methode löste ENGELS eine Reihe bedeutender Probleme der Erkenntnistheorie. Die Denkgesetze muß man aus der Natur und der Geschichte der Gesellschaft ableiten und darf sie nicht, wie das HEGEL versuchte, der objektiven Realität aufzwingen. ENGELS schreibt: „Die Dialektik (), die sogenannte objektive, herrscht in .der ganzen Natur, und die sog. subjektive Dialektik (), das dialektische Denken (), ist nur Reflex der in der Natur sich überall geltend machenden Bewegungen in Gegensätzen, die durch ihren fortwährenden Widerstreit und ihr schließliches Aufgehen ineinander, resp. in höhere Formen, eben das Leben der Natur bedingen“ (M/E. 20. S. 481). Des weiteren zeigte ENGELS, daß die hauptsächlichen Stimuli, unter deren Einfluß das Gehirn des Affen zum menschlichen Gehirn wurde, zuerst die Arbeit und danach und zusammen mit ihr das artikulierte Sprechen waren. Parallel zur Entwicklung des Gehirns verlief die Weiterentwicklung seiner nächsten Werkzeuge - der Sinnesorgane. So formte sich der Tastsinn nur zusammen mit der Entwicklung der menschlichen Hand durch die Arbeit. Aber [>131] nachdem sich unter dem Einfluß der Arbeit und der Sprache, Gehirn und Sinnesorgane, Bewußtsein, Fähigkeit zur Abstraktion und zum Schließen entwickelt hatten,  begannen sie einen rückwirkenden Einfluß auf Arbeit und Sprache auszuüben, ihnen Impulse zur Weiterentwicklung zu geben. ENGELS deckte die große Bedeutung des theoretischen Denkens und der richtigen Erkenntnismethode auf. In dieser Zeit waren die Naturwissenschaftler zum großen Teil nicht in der Lage, die neuen Tatsachen rational zu erklären, in einen Zusammenhang zu bringen und die Dialektik in der Natur zu verstehen. "Und hier mußte gedacht werden“, schrieb ENGELS, [Atom und Molekül etc. kann man nicht mit dem Mikroskop beobachten, sondern nur mit dem Denken“ (M/E. 20. S. 475). Ohne theoretisches Denken, betont ENGELS, „kann man doch nicht die Naturtatsachen in Zusammenhang bringen ohne ihren bestehenden Zusammenhang einsehn ...“ M/E. 20. S. 346).
        Ohne Denken, sagt er, kommt man keinen Schritt voran, auch für das Denken sind „logische Kategorien notwendig“.
        II. ENGELS wies nicht nur auf die große Rolle des theoretischen Denkens hin, sondern er äußerte auch zahlreiche wertvolle Gedanken über die Formen und Gesetze des logischen Denkens. Er verwies auf die rationalen Momente in der Hegelschen Klassifikation der Urteile. In Analogie zu ihr spricht ENGELS von drei Urteilsarten: 1) Urteile des Daseins, z. B. Reibung ist eine Quelle von Wärme«; 2) Urteile der: Reflexion, z. B. »alle mechanische Bewegung ist fähig, sich vermittels der Reibung in "Wärme umzusetzen«; 3) Urteile des Begriffs bzw. apodiktische Urteile, die höchste Form des Urteils überhaupt, z.B. »jede Form der Bewegung ist ebenso befähigt wie genötigt unter den für jeden Fall bestimmten Bedingungen, direkt oder indirekt, in jede andere Form der Bewegung umzuschlagen«. Das erste Urteil betrachtete ENGELS als ein einzelnes Urteil, das zweite als ein besonderes und das dritte als ein allgemeines Urteil. Von großem Wert sind die Bemerkungen von ENGELS über die Arten der Verstandestätigkeit, über Induktion, Deduktion, Abstraktion, Analyse, Synthese und Experiment, die er als Mittel der wissenschaftlichen Untersuchung bezeichnete, die von der formalen Logik anerkannt werden. Diese Mittel hat der Mensch, nach ENGELS, mit den höheren Tieren gemeinsam, und sie unterscheiden sich nach dem Grade ihrer Entwicklung. Das dialektische Denken (), das nur dem Menschen möglich ist, wird dadurch charakterisiert, daß es die Natur Begriffe selbst untersucht. ENGELS kritisiert in »D. d. N.« () die metaphysische Denkmethode und sagt, daß die einzige Denkmethode, die dem jetzigen Entwicklungsstand der Naturwissenschaft entspricht, nur die dialektische sein kann. ENGELS schreibt: „Wie Elektrizität, Magnetismus etc. sich polarisieren, im Gegensatz bewegen, so die Gedanken. Wie dort keine Einseitigkeit festzuhalten, woran kein Naturforscher denkt, so auch hier nicht“ M/E. 20. S. 483)."
     



    Dialektischer Sprung im Philosophischen Wörterbuch von Klaus & Buhr
    Klaus, Georg & Buhr, Manfred (1969, Hrsg.) Philosophisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig: Beb Bibliographisches Institut.
    [>246]
    dialektischer Sprung (DialDefiniendum) - dasjenige Stadium in der Veränderung bzw. Entwicklung eines Objekts, in dem der Umschlag in eine neue Qualität erfolgt (DialDefiniens). Im Gegensatz zu den ihn vorbereitenden kontinuierlichen und allmählichen quantitativen Veränderungen realisiert sich im Sprung (DialDefiniens) das diskontinuierliche Moment des Entwicklungsprozesses. Der Sprung (DialDefiniens) ist Unterbrechung der Kontinuität und Allmählichkeit und stellt einen neuen diskreten Zustand, eine neue Qualität des Objekts her. Durch den dialektischen Sprung (DialDefiniens) erfolgt die Lösung der im Rahmen der gegebenen Qualität herangereiften Widersprüche, und gleichzeitig werden die Widersprüche der neuen Qualität gesetzt.
        Der Gegensatz von Sprung () und evolutionärer Entwicklungsphase () ist jedoch nicht absolut. Was jeweils als Sprung (DialDefiniens) und was als Evolution definiert werden muß, hängt vom Charakter des Bezugssystems ab, bei dessen Wechsel Sprünge zu evolutionären Prozessen werden können und umgekehrt. So sind z. B. die Veränderungen, die [>247] den vormonopolistischen Kapitalismus in den Imperialismus und diesen in den staatsmonopolistischen Kapitalismus verwandeln, vom Standpunkt der inneren Differenziertheit des Systems Sprünge (DialDefiniens); in bezug auf die Grundqualität, auf den durchgängigen Grundwiderspruch, durch den sich das System von anderen sozialökonomischen Systemen unterscheidet, handelt es sich jedoch lediglich um evolutionäre Veränderungen ein und derselben sozialökonomischen Formation.
        Allgemein gilt: Die für Teilsysteme bzw. Entwicklungsstadien eines Gesamtsystems sprunghaften qualitativen Veränderungen sind in bezug auf die Entwicklung des Gesamtsystems evolutionäre Veränderungen (DialDefiniens). Die Qualitätssprünge () des Gesamtsystems sind, sofern dieses wiederum als Teilsystem bzw. Entwicklungsstadium in ein umfassenderes System eingebettet ist, ebensoviele evolutionäre Veränderungen dieses Systems höherer Ordnung usw. Die Relativität von dialektischem Sprung () und evolutionärer Veränderung besteht ferner darin, daß auch der Sprung (DialProz) als Prozeß abläuft, und zwar als ein Prozeß des Übergangs einer Qualität in die andere. Der Sprung ()  trennt damit die alte Qualität nicht nur von der neuen, sondern verbindet sie auch mit dieser, hat also ein Moment des Kontinuierlichen, Evolutionären an sich. Da umgekehrt im Rahmen einer gegebenen Grundqualität nicht nur rein quantitative Veränderungen vor sich gehen, sondern deren aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen durch - gemessen an der Grundqualität - kleinere Sprünge ()  realisiert werden, kann davon gesprochen werden, daß derjenige Sprung (), der schließlich zur Überschreitung des Maßes der Grundqualität führt, letztlich durch eine. Kette von Sprüngen ()  herbeigeführt wird.
        Die komplizierte Dialektik von Evolution und Sprung ()  wurde von den metaphysischen Entwicklungskonzeptionen nicht bewältigt. Sah die eine Richtung vom Standpunkt des Endergebnisses eines Entwicklungsprozesses in diesem nur kontinuierliches, quantitatives Wachstum (-> Evolutionismus), so nahm die andere Seite vom Standpunkt des Entstehens und der Veränderung nur die Tatsache wahr, daß der Entwicklungsprozeß eine Kette von Sprüngen ()  ist (z. B. CUVIER).
        Unter dem Gesichtspunkt der Relativität von Evolution und Sprung () muß auch das Verhalten ultrastabiler Systeme gedeutet werden. Der sprunghafte Wechsel ihres Systemzustandes ()  wird vollzogen, um die grundlegende Systemstruktur zu erhalten, ist also in bezug auf das Gesamtsystem kein qualitativer Sprung (). Das Maß des Systems wird mit Hilfe der Sprungfunktion ()  nicht überschritten, sondern das Feld möglicher Verhaltensweisen des Systems wird im Gegenteil ausgenutzt, um die Stabilität des Systems zu erhalten. Dennoch ist die sprunghafte Veränderung dialektischer Sprung eines ultrastabilen Systems ein echter Qualitätssprung () , da auf der Ebene der Verhaltensweisen jede der möglichen Verhaltensweisen des Systems von jeder anderen qualitativ unterschieden ist. Am Verhalten ultrastabiler Systeme wird deutlich, daß es Sprünge ()  systemerhaltender und Sprünge ()  systemzerstörender Natur gibt. Ein dialektischer Sprung ()  heißt systemerhaltend, wenn die durch ihn bewirkte Qualitätsveränderung des Systems zu dessen Stabilisierung und Anpassung an veränderte Umweltbedingungen führt. Umgekehrt nennt man einen Sprung ()  systemzerstörend, wenn die durch ihn bewirkte Qualitätsveränderung das bestehende System vernichtet und an dessen Stelle ein an die Umwelt besser angepaßtes System tritt. Jedoch ist auch der Unterschied von systemerhaltenden und systemzerstörenden Sprüngen ()  nicht absolut, sondern abhängig vom Bezugssystem. Außerhalb jedes Zusammenhangs betrachtet ist der Sprung () letztlich immer beides: er zerstört einerseits immer etwas, sei es ein Verhalten, einen Zustand oder ein System, und es bleibt im Sprung () andererseits auch immer etwas erhalten, sei es das Verhalten, der Zustand oder das System.
        Das Verhältnis von systemerhaltenden und systemzerstörenden Sprüngen kann am Modell multistabiler Systeme verdeutlicht werden. Ihre Beschaffenheit, aus gekoppelten ultrastabilen Teilsystemen zu bestehen, die sich relativ unabhängig voneinander verändern, sichert ihnen eine enorme Anpassungsbreite, um ihre Systemstruktur gegenüber variierenden Umweltbedingungen aufrechtzuerhalten. Sie realisieren ihre Systemstabilität durch sprunghafte () Veränderung von Teilsystemen. Jedoch wird auf dem gleichen Wege ihre Stabilität auch zerstört, und zwar in dem Falle, wenn die Qualitätsveränderung erstens in der Hierarchie des Systems besonders wichtige Teilsysteme betrifft oder (und) zweitens eine genügende Menge von Teilsystemen erfaßt. Die relative Abhängigkeit der Teilsysteme (die durch ihre relative Unabhängigkeit gegeben ist) bewirkt dann, daß unter bestimmten Bedingungen die qualitative Veränderung eines Teilsystems die qualitative Veränderung anderer Teilsysteme induziert., So beginnt z. B. die Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus mit der Konstitution des ökonomischen Systems, beschränkt sich aber nicht auf dieses, sondern erfordert und bewirkt, daß sich die anderen Teilsysteme der Gesellschaft in adäquater Weise qualitativ verwandeln.
        Die Erkenntnis der dialektischen Einheit von evolutionärem und sprunghaftem Moment in der Entwicklung war und ist für den politischen Kampf der Arbeiterklasse von großer Bedeutung. Sie garantiert, daß revolutionäre Aktionen sorgfältig vorbereitet werden und in die revolutionäre [>248] Umgestaltung der Gesellschaft münden. Während Revisionismus und Reformismus das evolutionäre Moment der Entwicklung verabsolutieren und die Notwendigkeit des revolutionären Kampfes leugnen, verabsolutieren die anarchistischen Strömungen (Sektierertum, Abenteurertum) die revolutionären Formen des Klassenkampfes.
        Quantitative und qualitative Veränderungen sind stets -Veränderungen bestimmter Qualitäten. Die unendliche qualitative Mannigfaltigkeit der Erscheinungen der materiellen Welt bedingt daher eine unendliche Vielzahl der Formen dialektischer Sprünge. Die Umwandlung verschiedener Elementarteilchen ineinander, eine beliebige chemische Reaktion, die Verwandlung der Raupe in den Schmetterling, das Heraustreten des Menschen aus dem Tierreich, der mit dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus erfolgende «Sprung () der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit» (ENGELS) sind Beispiele für dialektische Sprünge (), deren offenkundig unterschiedlicher Charakter durch die qualitativen Besonderheiten der Erscheinungen in verschiedenen Bewegungsformen der Materie bedingt ist. Jeder einzelne Sprung () ist jedoch, sowohl was seine Dauer als auch was seine Richtung betrifft, bestimmt: primär durch die gegebene Qualität des Objekts, sekundär durch die jeweiligen Bedingungen, unter denen er erfolgt. Dennoch lassen sich über Dauer und Richtung der Sprünge () einige allgemeine Aussagen machen. Da die Grundqualität eines Systems diesem das Maß setzt, kann der evolutionäre Prozeß nicht ins Endlose fortschreiten, sondern hat eine Grenze, an der er durch den Sprung () abgelöst wird. Ebenso findet der Sprung () sein Maß in der Zeit, und zwar in der Zeitspanne, die erforderlich ist, den neuen Systemzustand bzw. die neue Systemstruktur herzustellen. Da die zwischen zwei stabilen Systemzuständen liegende instabile Übergangsstufe nicht existenzfähig ist, wird sie - gemessen an der Dauer der stabilen Systemzustände - in der Regel relativ rasch durchlaufen. In diesem Sinne wird der Sprung () plötzlich genannt. Jedoch muß der Qualitätssprung () nicht in jedem Falle relativ rasch erfolgen. Es können Bedingungen auftreten, durch die der Übergang in eine neue Qualität verlangsamt wird, was beispielsweise der Fall ist, wenn er in Sukzession aufeinanderfolgender Schritte vonstatten geht. So wurde z. B. in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt das ökonomische, das staatliche, das juristische Teilsystem der Gesellschaft verwandelt, während nach den Vorstellungen einer Reihe westeuropäischer kommunistischer Parteien die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft in ihren Ländern und unter den gegebenen Umständen möglicherweise in eine Vielzahl kleinerer Qualitätssprünge () zerlegt, also allmählich vonstatten gehen wird. Oder: ein und dieselbe chemische Reaktion kann je nach den Versuchsbedingungen langsam oder schnell verlaufen. Der natürliche radioaktive Zerfall des Radiums, der zweifellos eine qualitative Veränderung, also ein dialektischer Sprung () ist, hat eine Halbwertszeit von 1600 Jahren. Jedoch können Bedingungen geschaffen werden, unter denen radioaktive Substanzen, wie beispielsweise das Uran 235, in einem plötzlichen, explosiv erfolgenden Sprung () ihre Qualität verändern. Allmählichkeit und Plötzlichkeit eines Sprunges () es sind also relative Größen, die durch das Verhältnis der Zeitdauer des Sprunges () selbst zur Zeitdauer seiner quantitativen Vorbereitung bestimmt sind. Ein plötzlicher Sprung () kann unter Umständen eine bedeutend längere Zeit in Anspruch nehmen als ein allmählicher. So ist das Verdunsten eines Wassertropfens innerhalb weniger Stunden ein allmählicher Sprung () in einen neuen Aggregatzustand, der Prozeß der Menschwerdung und der Entstehung der menschlichen Gesellschaft jedoch - gemessen an der Zeitdauer der Existenz von Lebewesen auf der Erde - ein plötzlicher Sprung ().
        Eine besonders wichtige Form des dialektischen Sprunges () in der gesellschaftlichen Entwicklung ist die soziale Revolution, d. h., die Ablösung einer Gesellschaftsformation mit den in ihr herrschenden Produktionsverhältnissen durch eine neue, deren Produktionsverhältnisse einem höheren Stand der Produktivkräfte entsprechen.
        In Abhängigkeit von der Beschaffenheit der jeweiligen Systeme können ferner linear-kausal bedingte von nichtlinear-kausal bedingten Sprüngen unterschieden werden. Diese Differenzierung erfaßt die Tatsache, daß Systeme mit wenig ausgeprägter Selbstregulierung in bezug auf ihre quantitative und qualitative Veränderung in hohem Maße von den Veränderungen ihrer Umgebung abhängen. In Systemen mit ausgeprägter Selbstregulation (Selbstorganisation) hingegen erfolgen auf Grund der höheren Störungsresistenz (des großen Stabilitätsbereichs und der Fähigkeit, durch Verhaltensänderung das Gleichgewicht zu erhalten) die Qualitätssprünge () aus primär systemimmanenten Ursachen. Ihr Zusammenhang mit den quantitativen und qualitativen Veränderungen der Umwelt ist ein vermittelter.
        Auch die Richtung des Sprungs () wird von der Qualität bestimmt. Das hat seine Ursache darin, daß die sich konstituierende neue Qualität als untergeordnetes Teilsystem in der alten Qualität herausgebildet wird. Im Qualitätssprung () wird daher nicht Beliebiges zu Beliebigem. Jedoch wäre es andererseits auch verfehlt, eine absolute Determiniertheit der Richtung des Sprungs () von Seiten der alten Qualität anzunehmen, da die konkreten Bedingungen, unter denen er sich voll[>249]zieht, modifizierend auf die Sprungrichtung () einwirken.
    >Qualität > Qualität und Quantität > Maß > Evolution. >

    dialektischer Widerspruch >Widerspruch."



    Dialektische Kategorien nach Kopnin [m]
    Kopnin, P.V. (russ. 1969, dt. 1970) Aufbauprinzipien des Kategoriensystems. In (124-134) Dialektik - Logik - Erkenntnistheorie. Lenins philosophisches Denken - Erbe und Aktualität. Berlin: Akademie-Verlag.
     

        S. 130: "Es gibt nur einen Weg: Um das Kategoriensystem des dialektischen Materialismus aufzubauen, man muß den Entwicklungsprozeß der Erkenntnis vom Einfachen zum Komplizierten, vom Abstrakten zum Konkreten zugrunde legen. In einem solchen Falle wird erstens das Kategoriensystem der Philosophie dem Geiste der Dialektik selbst entsprechen — dem Entwicklungsprinzip; zweitens wird es materialistisch sein, frei von der Idee, irgendein Weltschema zu entwerfen, und den Prozeß ausdrücken, indem in den Denkkategorien die allgemeinsten Gesetze jeder Bewegung erfaßt wurden."

        "Zur ersten Abteilung zählen die Kategorien des dialektischen Materialismus, die unmittelbar mit der Lösung der Grundfrage der Philosophie, ihrer ersten und zweiten Seite entstehen. Die innere Entwicklungslogik der Kategorien dieser Abteilung besteht darin, daß von ihnen auf einer bestimmten Stufe das Entstehen des Bewußtseins gezeigt wird. Hierher gehören folgende Kategorien: wechselseitiger Zusammenhang, Wechselwirkung, Bewegung, Entwicklung, Raum und Zeit, Widerspiegelung, psychisches Bewußtsein, Denken und ähnliches."

        Die zweite Abteilung besteht aus Kategorien, die sowohl die Natur als auch das Denken unter dem Gesichtspunkt der in ihnen widergespiegelten allgemeinsten Bewegungsgesetze der Natur und des Denkens ausdrücken, das heißt Kategorien, die die grundlegenden und die nichtgrundlegenden Gesetze der Dialektik ausdrücken. Um die Kategorien dieser Rubrik einzuteilen, legt man das Prinzip der Bewegung zugrunde, daß sich die Erkenntnis von weniger tiefen zu tieferen Gesetzmäßigkeiten entwickelt. Deshalb ist es notwendig, mit denjenigen Kategorien zu beginnen (Ganzes und Teil, Identität und Unterschied, Ursache und Wirkung usw.), die einfachere und infolgedessen zeitlich früher festgestellte Gesetzmäßigkeiten ausdrücken, und mit den Grundgesetzen der Dialektik zu schließen, die das Wesen der dialektischen Entwicklungskonzeption ausdrücken.
        In folgender Reihenfolge gehen die Kategorien in diese Abteilung ein: Ganzes und Teil; Einzelnes, Besonderes und Allgemeines; Identität und Unterschied, Ursache und Wirkung, Grund und Folge, Zweck und Mittel, Wesen und Erscheinung, Form und Inhalt, Gesetz, Notwendigkeit und Zufall, Möglichkeit und Wirklichkeit, Quantität und Qualität, Einheit und Widerspruch, Negation der Negation und ähnliches.

        Die dritte Abteilung enthält Kategorien der Dialektik, die unmittelbar den Erkenntnisprozeß und die praktische Realisierung des Wissens, seine neuerliche Einfügung in die objektive Realität widerspiegeln. Die Kategorien dieser Abteilung sind eine logische Verlängerung, Konkretisierung und Weiterentwicklung der vorangegangenen beiden Abteilungen und fassen sie bis zu einem gewissen Grade zusammen. Die erste Abteilung endet mit den Kategorien des Denkens als der Widerspiegelung der objektiven Welt. In der dritten Abteilung dient der Begriff der objektiven Wahrheit des Denkens als Ausgangspunkt, und es wird der Inhalt aller Kategorien aufgedeckt, die es uns ermöglichen, die gesamte Kompliziertheit und Widersprüchlichkeit der Bewegung unseres Wissens auf dem Wege zur objektiven Wahrheit und der auf Ideen gestützten Erzeugung der neuen Welt der Dinge und Prozesse zu begreifen. Die Kategorien dieser Abteilung sind mit der Entwicklungslehre und ihren Gesetzen verbunden. Wenn von den Kategorien der zweiten Abteilung im Grunde die Gesetzmäßigkeiten widergespiegelt werden, die sowohl für das Sein als auch für das Denken gemeinsam sind, so werden in der dritten Abteilung die Kategorien der sogenannten subjektiven Dialektik, der Entwicklung der Erkenntnis und der menschlichen Praxis aufgedeckt. [>133]
        Um die Kategorien dieser Abteilung einzuteilen, wird das Prinzip zugrunde gelegt, das es uns ermöglicht zu begreifen, auf welcher Grundlage und in welchen Formen der Erkenntnisprozeß entsteht und sich entwickelt und wie das Wissen durch die Praxis wiederum zur objektiven Realität wird. Die Kategorien dieser Abteilung spiegeln auch die Natur wider. Unter dem Blickwinkel ihrer Erkenntnis zeigen sie, wie die Natur in der Erkenntnis ihrem Inhalt nach identisch mit der Natur in der objektiven Realität auftritt, wie die Ergebnisse der Erkenntnis in der Praxis benutzt werden und die Natur selbst eine andere, vermenschlichte Form erhält.
        Zur dritten Abteilung gehören folgende Kategorien: Wahrheit, Praxis, Freiheit und Notwendigkeit, Subjekt und Objekt, Empirisches und Theoretisches, Analyse und Synthese, Logisches und Historisches, Abstraktes und Konkretes, Relatives und Absolutes, Denkformen (Urteil, Begriff, Schlußfolgerung, Theorie, Hypothese, Idee) und ähnliches.15
        Keine der hier dargestellten Kategoriengruppen der Dialektik darf man entweder als nur ontologische oder als nur gnoseologische betrachten. Sämtliche Kategorien aller Gruppen besitzen objektiven Inhalt, widerspiegeln direkt oder vermittelt die objektive Welt, sind mit der Lösung der Grundfrage der Philosophie verbunden und besitzen logische Bedeutung; als Moment und Stufe in der Erkenntnis enthalten sie alle die drei Seiten des Erkenntnisprozesses, von denen W. I. Lenin sprach. Der Unterschied zwischen ihnen besteht nur darin, daß diese Seiten verschieden von ihnen ausgedrückt werden, und daß sie einen unterschiedlichen Platz einnehmen, um den Gegenstand des dialektischen Materialismus aufzudecken: die einen Kategorien drücken die Grundzüge aus, die zweiten sind die Definition der Ausgangsbegriffe, die dritten sind Prinzipien und Gesetze, die vierten sind methodologische Prinzipien. Die Kategorien werden in der Reihenfolge dargelegt, die notwendig ist, um die materialistische Dialektik als Wissenschaft darzustellen. Unserer Ansicht nach drückt das angegebene Kategoriensystem die Logik des Gegenstandes des dialektischen Materialismus selbst und die Methodik seiner Darstellung aus.
        Die von uns vorgeschlagene Einteilung der Kategorien kann keinen Anspruch darauf erheben, das Problem zu lösen, ein Kategoriensystem aufzubauen. Es reicht nicht aus, die Prinzipien zu formulieren und {>134] dementsprechend eine Kategorientafel aufzustellen. Analoge Tafeln gibt es in anderen Arbeiten über die Dialektik, leider aber bleibt das Problem, ein Kategoriensystem, eine Logik mit großem Anfangsbuchstaben aufzubauen, noch immer eine Aufgabe der marxistischen Philosophen."

    Uebersichtliche Darstellung
    Erste Abteilung (Grundfragen der Philosophie; "Grundzüge" S. 133)

    1. wechselseitiger Zusammenhang,
    2. Wechselwirkung,
    3. Bewegung,
    4. Entwicklung,
    5. Raum und Zeit,
    6. Widerspiegelung,
    7. psychisches Bewußtsein,
    8. Denken und ähnliches."
    Zweite Abteilung (Definition der Ausgangsbegriffe S. 133)
    1. Ganzes und
    2. Teil;
    3. Einzelnes,
    4. Besonderes und
    5. Allgemeines;
    6. Identität und
    7. Unterschied,
    8. Ursache und
    9. Wirkung,
    10. Grund und
    11. Folge,
    12. Zweck und
    13. Mittel,
    14. Wesen und
    15. Erscheinung,
    16. Form und
    17. Inhalt,
    18. Gesetz,
    19. Notwendigkeit und
    20. Zufall,
    21. Möglichkeit und
    22. Wirklichkeit,
    23. Quantität und
    24. Qualität,
    25. Einheit und
    26. Widerspruch,
    27. Negation der Negation und ähnliches.
    Dritte Abteilung ("Prinzipien und Gesetze! S. 133)
    1. Wahrheit,
    2. Praxis,
    3. Freiheit und
    4. Notwendigkeit,
    5. Subjekt und
    6. Objekt,
    7. Empirisches und
    8. Theoretisches,
    9. Analyse und
    10. Synthese,
    11. Logisches und
    12. Historisches,
    13. Abstraktes und
    14. Konkretes,
    15. Relatives und
    16. Absolutes,
    17. Denkformen (Urteil, Begriff, Schlußfolgerung, Theorie, Hypothese, Idee) und ähnliches.
    Vierte Abteilung ("methodologische Prinzipien" S. 133). Nur erwähnt, keine Ausführungen.

    Kommentar Kopnin's dialektische Kategorien
    Die 52 Kategorien in drei Abteilungen - die vierte ist nicht ausgeführt - erheben leinen Anspruch auf Vollständigkeit. Was so schwierig daran sein soll, ein angemessenes  Kategoriensystem  aufzustellen, kann ich nicht nachvollziehen.
        Aufgefallen ist mir weiter ein Widerspruch:
    S. 133 "Sämtliche Kategorien aller Gruppen besitzen objektiven Inhalt, widerspiegeln direkt oder vermittelt die objektive Welt, "
    S. 134: "Die Kategorien existieren nicht in der Wirklichkeit, sie sind Formen, mit denen das Denken die Wirklichkeit erfaßt."
     



    Havemann Dialektik ohne Dogma. [i]

    Hier geht es weniger um Logik als um den Dogmatismus im dialektischen Materialismus. Die Überwindung des Dogmatismus ist wahrscheinlich eine Grundvoraussetzung für eine Weiterentwicklung der dialektischen Logik, sofern ihre Norwendigkeit oder wenigstens Nützlichkeit sich überhaupt vernünftig begründen lässt.





    Wissenschaftlicher Apparat

    Literatur (Auswahl)

    • Adorno, Theordor W. (1966) Negative Dialektik. Suhrkamp, Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Adorno, Theodor W. (1970)   Gesammelte Schriften, Band 6: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. Suhrkamp. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Adorno, Theordor W. (2007) Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung 1965/66. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Bochenski, J.M. () Der sowjetrussische dialektische Materialismus (DIAMAT).
    • Bochenski, J.M. (1973) Marxismus Leninismus. Wissenschaft oder Glaube. München; Bayerische Landeszentrale für Bildungsarbeit.
    • Brieskorn E. (1974) Über die Dialektik in der Mathematik. In: Otte M. (1974, Hrsg.) Mathematiker über die Mathematik. Wissenschaft und Öffentlichkeit. Springer, Berlin, Heidelberg
    • Eisler, Rudolf (1904) Dialektik.
    • Engels, Friedrich  (1925) Dialektik der Natur. [Online] Zeno.org: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 20, S. 307. Fragment. Entstanden 1873-1883, ergänzt 1885/86. Teildrucke: Der Abschnitt »Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen« erschien 1896 in der Zeitschrift »Die neue Zeit«, der Abschnitt »Die Naturforschung in der Geisterwelt« im »Illustrierten Neuen Welt-Kalender für das Jahr 1898«. Erstdruck des Manuskripts in: Marx-Engels-Archiv, Bd. 2, Moskau, Leningrad 1925.
    • Flammer, August (2008). Entwicklung als dialektischer Prozess. In (127-243) Entwicklungstheorien. Psychologische Theorien der menschlichen Entwicklung. Bern: Huber.
    • Fogarasi, Bela (1953) Dialektische Logik. - mit einer Darstellung erkenntnistheoretischer Begriffe. Berlin: Aufbau. (auch Rotdruck 1971)
    • Günther, Gotthard (1962) Das metaphysische Problem einer Formalisierung der transzendental dialektischen Logik In: Heidelberger Hegeltage 1962, Hegel Studien Beiheft 1, p. 65-123. Auch published in vordenker.de: Oct 10, 2004 (PDF)
    • Hoffmann, Dieter (1990, Hrsg.) Robert Havemann, Dialektik ohne Dogma. Aufsätze, Dokumente und die vollständige Vorlesungsreihe zu naturwissenschaftlichen Aspekten philosophischer Probleme. Berlin: DVdWis.
    • Hegselmann, Rainer (1965) Formale Dialektik. Ein Beitrag zu einer Theorie des rationalen Argumentierens. Hamburg: Meiner.
    • Heise, Steffen  () Analyse der Morphogrammatik von Gotthard Günther. Klagenfurter Beiträge zur Technikdiskussion Heft 50
    • Hörz, H. (1968). Der dialektische Determinismus in Natur und Gesellschaft. Berlin: VEB Verl. D. Wissenschaften.
    • Holz, Hans Heinz & Losurdo, Domenico (1996, Hrsg.) Dialektik-Konzepte. Topos, Heft 7. Bonn. Pahl-Rugenstein Nachfolger.
    • Holz, Hans Hein (1997) Einheit und Widerspruch. Problemgeschichte der Dialektik in der Neuzeit. Band 1: Die Signatur der Neuzeit. Stuttgart: Metzler.
    • Hubig, Christoph (1978) Dialektik und Wissenschaftslogik: Eine sprachphilosophisch- handlungstheoretische Analyse. Berlin: de Gruyter
    • Kopnin, P.V. (russ. 1969, dt. 1970) Dialektik - Logik - Erkenntnistheorie. Lenins philosophisches Denken - Erbe und Aktualität. Berlin: Akademie-Verlag.
    • Kesselring, Thomas (1981) Entwicklung und Widerspruch. Ein Vergleich zwischenm Piagets genetischer Erkenntnistheorie und Hegels Dialektik.Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Kesselring, Thomas (1984) Die Produktivität der Antinomoe. Hegels Dialektik im Lichte der genetischen Erkenntnistheorie und der formalen Logik. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Kimmerle, Heinz (1978, Hrsg.) Modelle der Materialistischen Dialektik. Beiträge der Bochumer Dialektik-Arbeitsgemeinschaft. Den Haag: Nijhoff.
    • Klaus, Georg (1966) Moderne Logik. Berlin: VEB Wiss.
    • Klaus, Georg & Buhr, Manfred (1969, Hrsg.) Philosophisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig: Beb Bibliographisches Institut.
    • Kondakow, N. I. (dt. 1978 russ. 1975). Wörterbuch der Logik. Berlin: Das europäische Buch..
    • Kopnin, P.V. (russ. 1969, dt. 1970) Dialektik - Logik - Erkenntnistheorie. Lenins philosophisches Denken - Erbe und Aktualität. Berlin: Akademie-Verlag.
    • Lorenzen, Paul (1962): Das Problem einer Formalisierung der Hegelschen Logik. Korefe-

    • rat zu einem Vortrag von G. Günther, in: Hegel-Studien Beiheft 1.
    • Maximov, Dmitry (2017) N. A. Vasil’ev’s Logic and the Problem of Future Random Events. Axiomathes April 2018, Volume 28, Issue 2, pp 201–217
    • Mittelstraß, Jürgen (1980-1996, Hrsg.). Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 4 Bde. Die ersten beiden Bände erschienen bei BI, Mannheim. Die letzten beiden Bände bei Metzler, Stuttgart. 2. Auflage 2005ff.
    • Müller, Stefan  (2011) Logik, Widerspruch und Vermittlung. Aspekte der Dialektik in den Sozialwissenschaften. Wiesbaden: Springer.
    • Popper, Karl (1970) Was ist Dialektik. In (261-290) Topitsch, Ernst (1970, Hrsh.) Logik der Sozialwissenschaften. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
    • Rapp, F. (1967)  Das Kategoriensystem des Dialektischen Materialismus: Argumente und Perspektiven. Studies in Soviet Thought Vol. 7, No. 2, Trends and Perspectives in Current Soviet and East-European Philosophy (Jun., 1967), pp. 101-129 .
    • Rapp, F. (1968) Die Kategorien Des Dialektischen Materialismus. In (3-37) Gesetz und Determination in der Sowjetphilosophie
    • Reich, W. (1934). Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse. [PDF im Netz]
    • Schwemmer, Oswald (2005) Dialektik, In Mittelstraß (2005, Hsrg,).
    • Sinowjew, A.A. (dt. 1970, russ.1967). Komplexe Logik. Grundlagen einer logischen Theorie des Wissens. Berlin: VEB d.Wiss.
    • Sinowjew, A.A. (dt. 1968, russ.1968). Über mehrwertige Logik. Ein Abriß. Braunschweig: Vieweg.
    • Sinowjew, A.A. (dt. 1968, russ.1968). Über mehrwertige Logik. Ein Abriß. Braunschweig: Vieweg.
    • Sinowjew, A. & Wessel, H. (1975). Logische Sprachregeln. München: Fink.  [Biographie]
    • Topitsch, Ernst (1970, Hrsg.) Logik der Sozialwissenschaften. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
    • Wetter, Gustav A. (1963) Dialektischer und historischer Materialismus. Frankfurt aM: Fischer




    Links (Auswahl: beachte)
     



    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten  > Eigener wissenschaftlicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Internetseite
    Um die häufige und lästige Fehlermeldung 404 zu minimieren, geben wir nur noch Links von Quellen an, die in den letzten Jahrzehnten eine hohe Stabilität ihrer URL-Adressen gezeigt haben (z.B. Wikipedia, DER SPIEGEL)
    __
    Engels' Hegel-Kritik
    "Es ist also die Geschichte der Natur wie der menschlichen Gesellschaft, aus der die Gesetze der Dialektik abstrahiert werden. Sie sind eben nichts andres als die allgemeinsten Gesetze dieser beiden Phasen der geschichtlichen Entwicklung sowie des Denkens selbst. Und zwar reduzieren sie sich der Hauptsache nach auf drei:
    • das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt;
    • das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze;
    • das Gesetz von der Negation der Negation.
    Alle drei sind von Hegel in seiner idealistischen Weise als bloße Denkgesetze entwickelt: das erste im ersten Teil der »Logik«, in der Lehre vom Sein; das zweite füllt den ganzen zweiten und weitaus bedeutendsten Teil seiner »Logik« aus, die Lehre vom Wesen; das dritte endlich figuriert als Grundgesetz für den Aufbau des ganzen Systems. Der Fehler liegt darin, daß diese Gesetze als Denkgesetze der Natur und Geschichte aufoktroyiert, nicht aus ihnen abgeleitet werden. Daraus entsteht dann die ganze gezwungene und oft haarsträubende Konstruktion: Die Welt, sie mag wollen oder nicht, soll sich nach einem Gedankensystem einrichten, das selbst wieder nur das Produkt einer bestimmten Entwicklungsstufe des menschlichen Denkens ist. Kehren wir die Sache um, so wird alles einfach und die in der idealistischen Philosophie äußerst geheimnisvoll aussehenden dialektischen Gesetze werden sofort einfach und sonnenklar." Dialektik der Natur, S. 348.
    __


    Querverweise
    Standort: Materialien zur Dialektik aus der Perspektive des dialektischen Materialismus.
    *
    Zur Einführungs, Haupt- und Verteilerseite Dialektik.
         Information zu den Signierungen.
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen.
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
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    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Materialien zur Dialektik aus der Perspektive des dialektischen Materialismus
    Begriffsanalyse und Untersuchungen zur Dialektik.  Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/sprache/BegrAna/Dialektik/BA_DialMat.htm
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    00.11.19    Korrekturen und Synchronisierungen.
    03.11.19    Ergänzung Relation und Kategorie bei den Kategorien.
    01.11.19    Ergänzung: diaelektische Kategorien im Verständnis des Diamat.
    22.10.19    Vorläufiger Abschschluss noch ohne Endkorrektur.
    03.12.18    Unterbrochen bis 5.1.19
    10.11.18    Zerlegt, weil zu groß.
    07.11.18    Vorläufiger organisatorischer Abschluss
    01.11.18    angelegt
     
     
     



    Interne Notizen
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    dialektischer Materialismus nach Wirtschaftslexikon24 (Ausgabe 2018)
    http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/dialektischer-materialismus/dialektischer-materialismus.htm