Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=20.11.2019 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.hh
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
    Mail:_sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  &  Copyright

    Anfang_ Begriffsanalyse Dialektik in den Psychowissenschaften_ Rel. Aktuelles _Überblick_Überblick Wissenschaft _Rel. Beständiges_ Titelblatt_Konzept_Archiv_Region_Service iec-verlag___Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie IP-GIPT1, Abteilung Wissenschaft, Bereich Sprache und Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema:

    Materialien zu Begriffsanalysen der  Dialektik in den Psychowissenschaften
    Psychologie, Psychopathologie, Psychotherapie
    Materialien zur Begriffsanalyse Dialektik
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    Zur Einführungs, Haupt- und Verteilerseite Dialektik.
         Information zu den Signierungen.

    Originalarbeit von  Rudolf Sponsel, Erlangen
    _Aufgrund gelegentlicher Ergänzungen und Korrekturen mit F5-Taste updaten empfohlen

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    Inhaltsverzeichnis

    Zusammenfassung - Abstract - Summary Dialektik in den Psychowissenschaften.
    Psychologie-Materialien:
        Dialektik in einigen Wörterbüchern der Psychowissenschaften:
            Dialektik im Dorsch Psychologisches Wörterbuch. [s]
            Dialektischen Scheindenken im Dorsch Psychologisches Wörterbuch. [s]
            Spektrum Lexikon der Psychologie. [s]
            Anmerkung: Arnold et al. kein Eintrag "Dialektik". [i]
        Dialektik in der allgemeinen und kognitiven Psychologie:
            Riegel Grundlagen der dialektischen Psychologie. [i]
            Kritische Psychologie (Holzkamp). [i]
            Problemlösen. [s]
            Ekman: gleichzeitiger Ausdruck von Wahrheit und Lüge [i]
        Dialektik in der Entwicklungs-Psychologie.
            Soziale Lerntheorien.  [s]
            Piaget und die Dialektik:
               Strukturalismus und Dialektik. [s]
               Genetische Erkenntnistheorie. [i]
               Erkenntnistheorie der Wissenschaften vom Menschen.  [s]
               Biologie der Erkenntnis.  [i]
               Dialektik der Entwicklung - Piaget epigenetische Entwicklungstheorie.  [i]
               Kesselrings Vergleich zwischen Piaget und Hegel. [i]
    Psychopathologie-Materialien:
       Kongress und Buch Dialektik der Befreiuung. [s]
       Dialektik der Befreiung: Buchpräsentation im Sigmund Freud Museum. [s]
       Gebrauchsbeispiel Der Psychiatrie-Komplex von Quensel. [s]
    Psychotherapie-Materialien.
        Linehans Dialektisch-behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung. [s]
        Dialektisch Behaviorale Therapie im Wörterbuch der Psychotherapie. [i]
        Kegans konstruktivistisches Entwicklungsmodell in der systemisch-konstruktiven Arbeit. [s]
        Dialektische Psychotherapie Ein entwicklungsorientierter Empowerment-Ansatz. [m]
        Egger dialektische Erkenntnismethoden in der integrativen Verhaltenstherapie. [s]
    Psychoanalyse-Materialien:
        Die Dialektik im Seelischen von Wilhelm Reich (1934). [ts]
        Dialektisches Prinzip nach C.G. Jung. [m]
        Das umfangreiche Werk von Gottfried Fischer. [i, m]
        Thea Bauriedl.  [i]
    Wissenschaftlicher Apparat:
        Literatur; Links; Glossar, Endnoten, Anmerkungen; 
        Copyright und Nutzungsrechte, Zitierung; Änderungen.
        [Interne Notizen]


    Zusammenfassung - Abstract - Summary Dialektik in den Psychowissenschaften
     
     
     



    Psychologie-Materialien

    Dialektik in einigen Woerterbüchern der Psychowissenschaften

    Dorsch Psychologisches Wörterbuch
    Dialektik (DialDefiniendum) (= D.) [engl. dialectics; gr. .... (...) (dialektike (techne)) Unterredungskunst (Dialursp)], [PHI], die Kunst der Beweisführung (DialArist) – die Wissenschaft der Logik (DiallogW). So wurde der Begriff bis zur Neuzeit gebraucht. Kant entwertete ihn: D. (DialKant) ist Pseudophilosophieren. Hegel bahnte den Weg zum heutigen Gebrauch des Begriffs (DialHeg): Er machte die D. (DialMeth) zur Methode seines Philosophierens (Thesis – Antithesis – Synthesis) (Dialtrias) und zum Inhalt seiner Philosophie (etwa: Subj. Geist – Obj. Geist – Absoluter Geist). Über Karl Marx wurde der dialektische Materialismus (Thesis = Kapitalismus – Antithesis = Diktatur des Proletariats – Synthesis = Klassenlose Gesellschaft) zum politischen Begriff. Über Kierkegaard hat sich eine Dialektische Theologie entwickelt (Karl Barth u.a.). Auch in der Ps. ist die D. (Dialpsy) von Bedeutung, bes. als dialektisches Verfahren, d.h. als eine unter weitgehendem Verzicht auf vorgefasste Theorien und Methoden sich rein aus dem Pro und Kontra entwickelnde Auseinandersetzung zur Klärung offener Fragen und Probleme.? (DialDefiniens)
        Quelle: Dialektik. (2018). In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 10.11.2018, von https://portal.hogrefe.com/dorsch/dialektik/

    Dialektisches Scheindenken  (DialSoph)
    (= d.S.), [PHI], in Anlehnung an K.O. Erdmann nannte Poppelreuter (1933) d.S. (DialSoph), wenn subj. Ansichten als obj. gültig kundgetan werden. Zumindest werden nicht beweisbare Ansichten so dargestellt, als kämen sie einem Beweis gleich. psychokritische Pädagogik.
    Literatur :Poppelreuter, W. (1933). Psychokritische Pädagogik. Leipzig: Beck.
        Quelle: Dialektisches Scheindenken. (2014). In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie (18. Aufl., S. 382). Bern: Verlag Hogrefe Verlag.

    Spektrum Lexikon der Psychologie
    Dialektik, philosophische Arbeitsmethode (DialPhAM), die ihre Ausgangsposition durch gegensätzliche Behauptungen (These und Antithese) in Frage stellt und in der Synthese beider Positionen eine Erkenntnis höherer Art zu gewinnen trachtet.
    Dialektische Psychologie, von K. F. Riegel so bezeichnete psychologische Ausrichtung der Psychologie (Dialektik), (DialRiegel).

    Anmerkung: Arnold et al. kein Eintrag "Dialektik"



    Dialektik in der allgemeinen und kognitiven Psychologie

    Riegel Grundlagen der dialektischen Psychologie [i]

    Weder im Inhalts- noch im Sachverzeichnis findet sich ein Hinweis auf eine Definition von Dialektik. Die grundlegenden terminologischen und ontologischen Unterscheidungen werden von Riegel nicht entwickelt.

    Inhaltsverzeichnis:

      Vorwort von Hans Aebli  9
      Einleitung von John A. Meacham   11

      Kapitel 1: Die Dialektik der menschlichen Entwicklung  19
      Kritik an der traditionellen Psychologie  20
      Die Abstraktheit von Fähigkeiten   20
      Die Ruhe des Gleichgewichts  22
      Voraussetzungen einer Dialektischen Psychologie  23
      Dialogische Interaktionen  23
      Dialektische Veränderungen .  27
      Überlegungen zu einer dialektischen Theorie von
      Entwicklung und Altern  32
      Dialektische Psychologie: Ein Manifest  34

      Kapitel 2: Historische Einleitung  37
      Paradigmatische entwicklungspsychologische Richtungen   37
      Mechanistisches Weltbild  37
      Mentalistisches Weltbild   38
      Dialektisches Weltbild .  40
      Offene und geschlossene Entwicklungssysteme  42
      Vier Modelle der Entwicklung   42
      Soziologische Beispiele  43
      Psychologische Beispiele .  45
      Dialektik in der sowjetischen Psychologie   48
      Die Anfänge der sowjetischen Psychologie  49
      Doppel-Ursache. Doppel-Wirkungs-Thcorie     50
      Konstitutiver Relationismus    52
      Schlußfolgerungen       54

      Kapitel 3: Dialektische Operationen: erste und letzte Phase der kognitiven Entwicklung  56
      Dialektische Operationen  59
      Hegels dialektische Theorie  59
      Entwicklung logischer Operationen mit Klassen  61
      Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung als eine Theorie der Entfremdung  64
      Die Entwicklung des Verständnisses für sprachliche Relationen  67
      Kognitive Veränderungen während der Erwachsenenzeit und im hohen Alter . 69
      Ein modifiziertes Modell der kognitiven Entwicklung    72
      Schlußfolgerungen  76

      KapiteI4: Die relationale Basis von Sprache   78
      Vergleich von monetärem und sprachlichem System  81
      Tauschhandel und Protosprache   81
      Münzsystem und Sprache als Symbolsystem  83
      Obligationssystem und Interaktionssprache    87
      Die relationale Basis von Sprache  92
      Außersprachliche Relationen   92
      Wechselseitige Abhängigkeit von Elementen und Relationen  93
      Überschneidungen von Relationen  .  94
      Reduktionistische und diskriminative Aspekte von Sprache  95
      Kriterien für Wortklassen   96
      Arten von intrasprachlichen Relationen   97
      Implizite und explizite Relationen ...    98
      Verkettung von Relationen  100
      Relationen von Relationen     101
      Psycholinguistische Systeme   102
      Inversion und Negation  103
      Transformationen  104
      Schlußfolgerungen  105

      Kapitel 5: Die zeitliche Struktur von Dialogen  108
      Subjekt-Objekt-Relation  109 j
      Situative Dialoge  113
      Monologe und Erzählungen  113
      Grundlegende Eigenschaften von Dialogen  115 •
      Dialektische Eigenschaften von Dialogen  118 j
      Unvollkommene Dialoge....  119 '
      Dialoge während der Entwicklung  121
      Mutter-Kind-Dialoge   122 ;
      Synchronisierung  124
      Der soziale Charakter von Dialogen  125
      Entwicklungsniveaus bei frühen Dialogen   128
      Schlußfolgerungen  133

      Kapitel 6: Individuelles Erinnern und kollektive Vergangenheit  135
      Entwicklungspsychologisch relevante Erinnerungen   136
      Altersunterschiede bei entwicklungspsychologisch relevanten Erinnerungen . 142
      Zur Erinnerung historischer Ereignisse und Personen  144
      Historische Interpretationen    148
      Entwicklungswissenschaft als Handlung  151

      Kapitel 7: Krisen im Erwachsenenalter  154
      Widersprüche und Entwicklung  154 1
      Krisen und Entwicklung  155
      Vorschau  156
      Widersprüche und Krisen im Erwachsenenleben  158
      Ältere Interpretationsansätze  .  158
      Entwicklung im Erwachsenenalter  160
      Karriereentwicklung  163
      Überwindung paradigmatischer Krisen durch außergewöhnliche Individuen     167
      Piaget  169
      Wundt  171
      Individuum und Gesellschaft  173
      Strukturelle Stratifikation in der Geschichte   175
      Die Familie   175
      Die Nation   176
      Die Künste  177
      Die Wissenschaften  178
      Individuum und Gesellschaft  178
      Außerwissenschaftliche Grundlagen des „Krisen“-Konzepts  179
      Schlußfolgerungen  181

      Kapitel 8: Dialektik der Zeit  183
      Das Konzept der Veränderung  184
      Merkmale von Zeit   184
      Typen von Ereignissequenzen  187
      Inner-biologische Veränderungen  188
      Biologische Ereignissequenzen   188
      Psychologische Ereignissequenzen  192
      Implikationen  193
      Individuell-psychologische Veränderungen  194
      Die Zeitlichkeit von Erzählungen  194
      Die Zeitlichkeit des Gedächtnisses    196
      Implikationen    197
      Kulturell-soziologische Veränderungen   198
      Individueller und gesellschaftlicher Wandel  198
      Implikationen   200
      Musik, Zeit und dialektische Logik 201
      Zeitstruktur von Musik   201
      Relationale, absolute und dialektische Zeit    202
      Formale und dialektische Logik   205
      Schlußfolgerungen 207

      Literatur  209
      Personenregister 223
      Sachregister   227


    Riegel, Klaus F. (1978, Hrsg,) Zur Ontogenese dialektischer Operationen. Frankfurt: Suhrkamp. [i]
    Obwohl im Titel das Wort "Ontogenese dialektischer Operationen" gebraucht wird, weist das Inhaltsverzeichnis keine solche Arbeit aus.

        Inhaltsverzeichnis:

    • Lawler, James: Dialektische Philosophie und Entwicklungspsychologie: Hegel und Piaget über Widerspruch.
    • Wozniak, Robert H.: Ein dialektisches Paradigma für die psychologische Forschung: Implikationen der Geschichte der Psychologie in der Sowjetunion.
    • Buck-Morss, Susan: Sozio-ökonomische Verzerrungen in Piagets Theorie und ihre Implikationen für interkulturell vergleichende Untersuchungen.
    • Riegel, Klaus F.: Ansätze zu einer dialektischen Theorie der Entwicklung.
    • Sameroff, Arnold: Austauschmodelle für frühe soziale Beziehungen.
    • Harris, Adrienne E.: Soziale Dialektik und Sprechen: Mutter und Kind konstruieren den Diskurs.
    • Freedle, Roy: Dialog und Informations-Verarbeitungssystem: Die Entwicklung einer sozialen Logik.
    • Meacham, John A.: Eine dialektische Theorie des moralischen Urteils und des Selbstwertgefühls.
    • Chandler, Michael J.: Relativismus und das Problem der erkenntnistheoretischen Vereinzelung.
    • Riegel, Klaus F.: Subjekt-Objekt-Entfremdung in psychologischen Experimenten und Tests.
    • Rappoport, Leon: Über Praxis und Quasirationalität.
    • Kvale, Steinar: Gedächtnis und Dialektik: Einige Überlegungen zu Ebbinghaus und Mao Tse-tung "



    Kritische Psychologie (Holzkamp)  [ts]
    Die ausgewerteten Stichproben deuten nicht darauf hin, dass Holzkamp das Thema Dialektik gründlicher ausgearbeitet hat.
     
    • Holzkamp, Klaus (1996 Psychologie: Selbstverständigung über Handlungsbegründungen alltäglicher Lebensführung. In: Forum Kritische Psychologie. Heft 36
    • Holzkamp, Klaus (1993 Lernen – Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Campus, Frankfurt
    • Holzkamp, Klaus (1985): Grundlegung der Psychologie.
    • Holzkamp, Klaus (1983a) Grundlegung der Psychologie. 2. Aufl. Campus, Frankfurt 2003
    • Holzkamp, Klaus (1983b) Der Mensch als Subjekt wissenschaftlicher Methodik. Vortrag, gehalten auf der 1. Internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie vom 7.-12. März 1983 in Graz. Veröffentlicht in: Braun, K.-H., Hollitscher, W., Holzkamp, K. & Wetzel, K. (Hrsg., 1983): Karl Marx und die Wissenschaft vom Individuum. Bericht von der 1. internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie vom 7.-12. März in Graz. Marburg: Verlag Arbeiterbewegung und Gesellschaftswissenschaften, S. 120-166.
      • Auswertung: Das Wort "Dialektik" wird zwei mal gebraucht. (1) "Und dann kommt jetzt die zweite Ebene dazu, die absolut zentral ist neben dieser vertikalen Entsprechung zwischen genetischen Verhältnissen und begrifflichen Verhältnissen, eine horizontale Entsprechung. Es läßt sich nämlich zeigen, zumindest kommt das raus, wenn man mit den marxistischen Mitteln der materialistischen Dialektik (Dialmat) da rangeht, daß also innerhalb der phylogenetischen Entwicklung es verschiedene qualitative Sprünge gibt, Also mit diesem Problem der neuen Qualität habe ich mich ungeheuer intensiv beschäftigt, wie man das eigentlich fassen kann, vielleicht können wir es später noch diskutieren, jetzt will ich es nicht bringen, weils dann zu lang wird.". (2) "Und das ist also diese dritte Stufe, die ungeheuer wichtig ist, die nennen wir die Herausbildung der gesellschaftlichen Natur des Menschen, wo wir also dieses Moment Gesellschaftlichkeit und Natur in einen unmittelbaren Zusammenhang bringen, was aber bei uns eben nicht nur ein Gleichnis oder irgendwie so ein dialektischer Taschenspielertrick (Dialtrick) auf verbaler Ebene ist, sondern wir können auch genau zeigen, wie diese Vermittlung aufgrund der Evolutionsgesetze möglich war. D,h. also die Gefahr, daß, wenn man Dialektik (Dialverd) sagt, man immer irgendeinen blinden Fleck ein bißchen übertönen will mit schönen Worten, das ist bei uns nicht mehr die Gefahr, an dieser Stelle jedenfalls nicht mehr."
    • Holzkamp, Klaus  (1979) Zur kritisch-psychologischen Theorie der Subjektivität II. Forum Kritische Psychologie 5 (1979): Argument Sonderband 41, Argument-Verlag, S. 7-46. Auch Online.
      • Auswertung: Das Wort "DialektikW kommt einmal vor: ""In dem damit skizzierten, auf der Basis materialistischer Dialektik (Dialmat) funktional-historisch abgeleiteten Begriff von Subjektivität ist die durch die Befangenheit in den bürgerlichen Privatformen bedingte äußerliche Gegenüberstellung von Subjekt und Gesellschaft nicht nur in ihrer Formbestimmtheit aufgewiesen, sondern durch eine positive, inhaltlich bestimmte Konzeption von Subjektivität in ihren unmittelbar gesellschaftlichen Zügen überwindbar. ""
    • Holzkamp, Klaus (1973 Zur Einführung in A. N. Leontjew's "Probleme der Entwicklung des Psychischen." (mit Volker Schurig). Athenäum-Verlag, Frankfurt 1973. S. XI–LII.
    • Holzkamp, Klaus (1973 Sinnliche Erkenntnis. Athenäum, Frankfurt; mehrere weitere Auflagen; erneut in Schriften Bd. 4, Argument, Hamburg 2006.
      • Auswertung: Personen- und Sachregister enthalten für das Thema Dialektik folgende Einträge: Engels 5 Einträge; Hegel 365; Lenin 172, 365;  Marx 52 Einträge von 50-399;. Dialektik: keinen Eintrag, dialektischer Materialismus: 49; Entwicklung: mehrere Einträge ; Gegensatz: keinen Eintrag; Widersprüche: mehrere Einträge. Fazit: Dialektik spielt in diesem Werk keine Rolle.
    • Holzkamp, Klaus (1972) Kritische Psychologie. Frankfurt: Fischer.
      • Auswertung: Das Taschenbuch fasst vier Arbeiten aus 1970-71 zusammen. Das Buch enthält keine Register. Das Inhaltsverzeichnisses enthält keinen Eintrag mit "Dialektik".
    • Holzkamp, Klaus (1964) Theorie und Experiment in der Psychologie. de Gruyter, Berlin; 2., um ein Nachwort erweiterte Auflage 1981, erneut in: Schriften Bd. 2 Argument, Hamburg 2005.
      • Auswertung: Personenregister: Engels und Hegel: keinen Eintrag; Marx: einen Eintrag: 176. Sachregister: Dialektik, transzendentale [Kant]: 182; Gegensatz und Widerspruch: keine Einträge. Fazit:  Dialektik spielt in diesem Werk keine Rolle.
    • Holzkamp, Klaus (1968 Wissenschaft als Handlung. de Gruyter, Berlin; erneut in Schriften Bd. 3, Argument, Hamburg 2006.
    • Holzkamp, Klaus (1971 Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen kritisch-emanzipatorischer Psychologie. Arbeitstexte-Verlag, Hamburg
      • _
    Seit 1997 Schriften (Hrsg. Frigga Haug et al.) im Auftrag des Instituts für Kritische Theorie. Band I-VI. Argument Verlag, Hamburg.
    • Holzkamp, Klaus (1997) Schriften I: Normierung, Ausgrenzung, Widerstand. Hamburg: Argument Verlag. .
    • Holzkamp, Klaus (2005) Schriften II: Theorie und Experiment in der Psychologie. Hamburg: Argument Verlag.
    • Holzkamp, Klaus (2006) Schriften III: Wissenschaft als Handlung. Hamburg: Argument Verlag.
    • Holzkamp, Klaus (2006) Schriften IV: Sinnliche Erkenntnis – Historischer Ursprung und gesellschaftliche Funktion der Wahrnehmung. Hamburg: Argument Verlag.
    • Holzkamp, Klaus (2008) Schriften V: Kontinuität und Bruch – Aufsätze 1970–1972. Hamburg: Argument Verlag.
    • Holzkamp, Klaus (2015) Schriften  VI: Kritische Psychologie als Subjektwissenschaft. Hamburg: Argument Verlag.
    _

    Problemloesen

    Öllinger, Michael  (2017)  Problemlösen. In (587-618) Müsseler, Jochen  & Rieger, Martina (2017, Hrsg) Allgemeine Psychologie. Berlin: Springer.
    S. 590: "Probleme mit unklar definiertem Anfangs- und Zielzustand werden bisweilen auch als dialektische Probleme (Dialprobl) bezeichnet (Dörner 1976). (DialZitH)"



    Ekman: gleichzeitiger Ausdruck von Wahrheit und Lüge
    Ekman, Paul (dt. 2011; engl. 2009) Ich weiss, dass du lügst. Was Gesichter verraten. Reinbek: Rowohlt. S. 111:
    "Gesichtsmimik ist ein duales System - Willkürliches und Unwillkürliches, lügen und die Wahrheit sagen geschehen oft gleichzeitig."
        Kommentar: eine geradezu klassische dialektische Aussage: Wahrheit und Lüge zugleich. Es bleibt allerdings bei der Behauptung, die nicht belegt, begründet und gezeigt wird. Große Teile des Buches sind so geschrieben.



    Rusyaeva: Dialektik bei den kognitiven Techniken der Wissensbildung  [i]
    Rusyaeva, Elena (2014)  Cognitive Techniques of Knowledge Formation. In (40-48) A. Kravets et al. (Eds.): JCKBSE 2014, CCIS 466, pp. 40–48, 2014.   [GB]
        Kommentar: Ungenauer Gebrauch.


    Dialektik in der Entwicklungs-Psychologie

    Ittel, Angela; Raufelder, Diana  & Scheithauer, Herbert (2014). Kapitel 13 Soziale Lerntheorien.  In (330) L. Ahnert (2014, Hrsg.),  Theorien in der Entwicklungspsychologie, DOI  10.1007/978-3-642-34805-1_13,  ©  Springer-Verlag  Berlin  Heidelberg  2014"
    "1   Historische Anfänge
    Die heutigen sozialen Lerntheorien zeichnen sich durch ein dialektisches Grundprinzip (DialGPWWM) aus, demzufolge sich ein Individuum in ständiger Interaktion mit der Umwelt entwickelt. (DialIAnUm)"



    Piaget und die Dialektik
    Piaget kann als dialektischer Denker und Forscher bezeichnet werden, auch wenn er das Wort "Dialektik" in vielen seiner Werke nicht gebraucht.

    Piaget, Jean (fr 1968, dt. 1973) Strukturalismus und Dialektik. In (103-109) Der Strukturalismus. Stuttgart: Klett-Cotta. [s]

    "20. Strukturalismus und Dialektik

    In diesem Kapitel sollen nur zwei allgemeine Fragen behandelt werden, die sich aus der strukturalistischen Forschung ergeben. Man könnte die Liste unendlich verlängern, denn seit der Strukturalismus Mode geworden ist, gibt es kaum mehr einen Philosophen, der sich nicht mit ihm befasst, wobei das Neue an dieser Mode oft vergessen lässt, wie alt die Methode im Bereich der Naturwissenschaften ist, die von gewissen Philosophien so leicht vernachlässigt wird.
        I. Das erste unserer beiden Probleme drängt sich mit aller Klarheit auf, denn in dem Maße, wie man die Struktur betont und dafür die Genese, die Geschichte und die Funktion, wenn nicht sogar die Aktivität des Subjekts abwertet, gerät man selbstverständlich in Konflikt mit den zentralen Tendenzen des dialektischen Denkens (DialonS). Es ist deshalb nur natürlich und für uns höchst aufschlussreich, dass Levi-Strauss fast das ganze letzte Kapitel von Das wilde
    Denken einer Diskussion der Kritik der dialektischen Vernunft Jean-Paul Sartres (DialVSartre) widmet. Eine Analyse dieser Debatte scheint uns hier umso angezeigter zu sein, als beide Autoren jene grundlegende Tatsache vergessen zu haben scheinen, dass innerhalb der Naturwissenschaften selbst der Strukturalismus immer mit einem Konstruktivismus gekoppelt war, dem ein dialektischer Charakter (DialonS) nicht abgesprochen werden kann, betont er doch die historischen Entwicklungen, die Gegenüberstellung von Gegensätzen () und »Überschreitungen«, aber auch die Idee der Ganzheit (DialGanz) , die den dialektischen (DialonS) wie den strukturalistischen Tendenzen zugrunde liegt.
        Die wichtigsten Komponenten des dialektischen Denkens (DialVSartre), wie [>104] Sartre es praktiziert, sind der Konstruktivismus und seine Konsequenz, der Historizismus. ..."
        S. 105ff "Dieses hegelianische oder kantianische Modell ist kein abstraktes oder rein begriffliches, denn sonst würde es weder die Wissenschaften noch den Strukturalismus interessieren. Es bringt einen unvermeidlichen Denkschritt zum Ausdruck, sobald das Denken einmal versucht, sich von den falschen Absoluta zu entfernen. Im Bereich der Strukturen entspricht dies einem ständig sich wiederholenden historischen Prozess, den Gaston Bachelard in einem seiner besten Werke, La Philosophie du non, beschrieben hat. Dessen Prinzip besteht in der Negation (DialNegat) einer wesentlichen oder zumindest notwendigen Eigenschaft einer fertig konstruierten Struktur. Da zum Beispiel die klassische Algebra kommutativ war, [>106] hat man seit Hamilton nicht-kommutative Algebren konstruiert; die euklidische Geometrie hatte nicht-euklidische Geometrien zur Folge; die bivalente Logik auf der Basis des ausgeschlossenen Dritten wurde ergänzt durch polyvalente Logiken, nachdem Brouwer den Wert der Bivalenz im Falle der unendlichen Systeme negiert
    hatte usw. Im Bereich der logisch-mathematischen Strukturen ist es beinahe eine Methode geworden, zu einer gegebenen Struktur durch ein System von Negationen die komplementären oder von ihr verschiedenen Systeme zu konstruieren, die man anschließend in einer komplexen Totalstruktur vereinigen kann. Das geht so weit, dass die Negation (DialNegat) selbst negiert wird, wie etwa in der »Logik ohne Negation« (DialLoNeg) von Griss. Wenn es sich andererseits darum handelt zu bestimmen, ob ein System A das System B nach sich zieht oder umgekehrt, wie bei den Beziehungen zwischen endlichen Ordinal- und Kardinalzahlen, zwischen dem Begriff und dem Urteil usw., kann man sicher sein, dass auf die linearen Prioritäten oder Reihen am Ende immer dialektische Interaktionen (DialInter) oder Zirkel folgen.
        In der Physik und der Biologie sind die Verhältnisse ähnlich, obwohl sie von dem herrühren, was Kant den »realen Widerstreit«'» nannte. Muss man an die Schwankungen zwischen dem Korpuskel- und dem Wellen-Standpunkt in den Lichttheorien, an die von Maxwell eingeführten Wechselbeziehungen zwischen den elektrischen und den magnetischen
    Prozessen usw. erinnern? Hier wie im Bereich der abstrakten Strukturen sieht es folglich so aus, als stelle die dialektische Haltung (Kuuu) einen wesentlichen Aspekt in der Erarbeitung der Strukturen dar, der zugleich komplementär zur und untrennbar von der - selbst formalisierenden - Analyse ist. Dieses »etwas mehr«, das ihr Levi-Strauss sparsam zubilligt, besteht somit aus viel mehr als einem »Bauen von Stegen« und läuft zweifellos darauf hinaus, die linearen oder baumartigen Modelle durch die berühmten »Spiralen« (TEntwSp) oder Nicht-Zirkelschlüsse (Kuuu) [>107] zu ersetzen, die mit den genetischen Zirkeln oder den für die Entwicklungsvorgänge (TEntw) charakteristischen Interaktionen so nahe verwandt sind.
        Piaget kommt dann auf die Geschichte, Marx, historische Transformationen und führt zum Schluss aus (S. 109): "... Doch Godelier gelangt zu einer Schlussfolgerung, die wir hier zitieren, weil sie sowohl unsere Einwände gegen Levi-Strauss als auch die allgemeinen Ideen dieses ganzen Bandes zusammenfasst: »Es würde unmöglich, die Anthropologie gegen die Geschichte oder die Geschichte gegen die Anthropologie auszuspielen, fruchtlos,
    Psychologie und Soziologie, Soziologie und Geschichte einander entgegenzustellen. Die Möglichkeit der ‚Wissenschaften( vom Menschen würde letztlich auf der Möglichkeit beruhen, die Gesetze des Funktionierens, der Evolution und der inneren Entsprechung der sozialen Strukturen zu entdecken [...] folglich auf der Verallgemeinerung der strukturalen Analyse, die fähig geworden ist, die Variations- und Evolutionsbedingungen der Strukturen
    und ihrer Funktionen zu erklären« (ebd.: 864). Struktur und Funktion, Genese und Geschichte, individuelles Subjekt und Gesellschaft werden somit in einem so verstandenen Strukturalismus und in dem Maße, wie er seine Analyseinstrumente verfeinert, voneinander untrennbar."
        _
    Piaget, Jean (fr 1970, dt. 1974) Genetische Erkenntnistheorie. Stuttgart: Klett-Cotta. [i]
        Darin im Vorwort S.17f: "Das Problem der Konstruktion nicht-präformierter Strukturen ist keineswegs neu, jedoch greift die Mehrzahl der Erkenntnistheoretiker auf aphoristische (oft sogar wieder auf vererbte) oder empiristische Hypothesen (die die Erkenntnis auf das Erfassen der im Subjekt oder im Objekt bestehenden Formen reduzieren) zurück. Alle dialektischen Strömungen insistieren dagegen auf der Idee der Neuheit und suchen das Geheimnis der Erkenntnis in den »Aufhebungen« zu erfassen, die das Spiel der Thesen und Antithesen permanent überschreiten. In der Geschichte des wissenschaftlichen Denkens stellt sich zwangsläufig das Problem des Wechsels gewisser Perspektiven oder sogar der »Revolution« der »Paradigmen« (Kuhn 1962), und Leon Brunschvicg (1927) hat daraus eine Epistemologie der grundlegenden Entwicklung der Vernunft abgeleitet. Im psychologischen Bereich hat James Mark Baldwin unter dem Stichwort »genetische Logik« tiefgründige Gedanken über den Aufbau kognitiver Strukturen geäußert; auch andere Versuche in dieser Richtung könnten angeführt werden.
        Die genetische Epistemologie hat diese Frage in der doppelten Absicht aufgegriffen, eine Methode zu finden, die Kontrollen erlaubt und vor allem eine Rückkehr zum Ursprung und zur Entwicklung der Erkenntnis, denn die traditionelle Erkenntnistheorie befasst sich nur mit deren höchsten und letzten Stufen oder, anders ausgedrückt, mit gewissen Resultaten. Die genetische Epistemologie versucht jedoch, nicht nur die »Wurzeln« der verschiedenen Erkenntnisse aufzuspüren (d.h. ihre elementarsten Formen), sondern auch ihre Entwicklung bis zu den höchsten Stufen zu verfolgen, also bis zum heute akzeptierten wissenschaftlichen Denken."

    Piaget, Jean (orig. 1970, dt. 1972) Erkenntnistheorie der Wissenschaften vom Menschen. Hauptströmungen der sozialwissenschaftlichen Forschung. Herausgegeben von der Unesco. Frankfurt aM: Ullstein. [s]
        In dem Buch findet sich im Register kein Eintrag zur Dialektik. Obwohl S. 266ff  Marx zur Sprache kommt, auch hier kein Wort zur Dialektik. Piaget benutzt aber die Ausdrücke Diachronie und Synchronie (Abschnitt V, 18, S. 282-286). Unter Diachronie (Register) versteht er: "Diachronie (Tdiach): Gegensatz zu Synchronie, nämlich die Untersuchung von Entwicklungsvorgängen. Historische Dimension." () Und zur: "Synchronie (Tdiach): In der Linguistik und auch sonst der statische Querschnitt im Gegensatz () zum dynamisch-historischen Längsschnitt (Diachronie)."(Tdiach)

    Piaget, Jean (orig. 1967, dt.1974 ) Biologie der Erkenntnis. Über die Beziehnungen zwischen organischen Regulationen und kognitiven Prozessen. Frankfurt aM: S. Fischer. [i]
    Das Personen- und Sachregister enthält keinen Eintrag "Dialektik", auch nicht "Hegel".

    Dialektik der Entwicklung - Piaget epigenetische Entwicklungstheorie [i]
    https://www.kausalepsychotherapie.de/dialektik2.htm

    Kesselrings Vergleich zwischen Piaget und Hegel.  [i]
    Kesselring, Thomas (1981) Entwicklung und Widerspruch. Ein Vergleich zwischen Piagets genetischer Erkenntnistheorie und Hegels Dialektik. Frankfurt aM: Suhrkamp.
        Kesselring hat eine umfassende Monographie zum Vergleich Piaget - Hegel vorgelegt.
     



    Psychopathologie-Materialien

    Cooper, David (dt. 1969, engl. 1968, Hrsg.) Dialektik der Befreiung (DialLibera).  Reinbek: Rowohlt.  [m]

      "Vorwort
      Giovanni Jervis Rückblick auf einen Kongreß
      Unter dem Titel «Dialectics of Liberation» (DialLibera) fand vom 15. bis 30. Juli 1967 in London ein Kongreß statt, der in vieler Hinsicht außergewöhnlich war; Als offizielle Redner nahmen teil: Herbert Marcuse, Paul Sweezy, Lucien Goldman, Stokeley Carmichael, John Gerassi, Paul Goodman, Jules Henry, Gregory Bateson, Ross Speck, Gajo Petrovic, Igor Hajek sowie die beiden Londoner Psychiater Ronald Laing und David Gooper, die sich vor allem durch ihre Initiative für den Kongreß und seine Organisation verdient machten. Andere Persönlichkeiten fielen im Verlauf der beiden Arbeitswochen nicht als offizielle Redner, sondern durch andere Anlässe auf: unter ihnen vor allem Allen Ginsberg.
          Die Protokolle der offiziellen Vorträge, von denen im folgenden einige zu lesen sein werden, deuten auf eine gewisse Geschlossenheit der Grundtendenzen des Kongresses hin; aber dieses Bild täuscht. Auch geht aus den Berichten nicht der eigentlich positive Aspekt der Tagung hervor: Konfrontation zwischen den Rednern untereinander, zwischen den Rednern und den übrigen Tagungsteilnehmern und innerhalb des «Publikums», das den Kongreß besuchte.
          Bereits das Thema des Londoner Treffens, so generell es zweifellos klingt, wurde auf verschiedene Weise verstanden oder auch mißverstanden; die auf der Tagung geleistete Arbeit erreichte nicht einmal die Ebene eines gemeinsamen Vokabulars. Dennoch kann man nicht von einem Mißerfolg sprechen: aus den diskutierten Problemen und dem Zusammenprall der Meinungen ergaben sich Themen von größtem Interesse.
          Das Programm wie die Wahl der Redner verriet den ambitiösen Versuch, eine Reihe von Problem-Bezügen herzustellen, vielleicht sogar eine gemeinsame Sprache für die revolutionären politische Forderungen sowie für Möglichkeiten der Kulturkritik zu finden. Das zur Diskussion gestellte Problem hätte das der Bewußtwerdung sein können; und der Punkt, auf den es ankam, hätte die Manipulation der Information, des Denkens, Fühlens und Handelns durch die kapitalistischen Machthaber in den «überreifen» bürgerlichen Systemen sein können.
          Das hätte es sein können, aber das war es im Grunde nicht. Das Problem wurde entschieden reaktionärer behandelt; die intellektuelle Kritik wurde schließlich zum Selbstzweck, ein Intellektualismus von «Technikern», die sich zu dem absonderlichen Zweck zusammengefunden hatten, darüber zu diskutieren, wie die Welt zu verbessern sei. Das Memorandum, das der Presse bei Beginn der Tagung übergeben wurde, war [>8] bemüht, die öffentliche Meinung zu beruhigen, und enthüllte damit die ganze Unsicherheit der Prämisse:
          «Die Absicht dieses Kongresses ist es, die Summe von Spezialkenntnissen, die zur Zeit auf isolierte Arbeitsgruppen in den «humanistischen» Wissenschaften (Anthropologie, Soziologie, Psychiatrie, Psychoanalyse, Wirtschaftswissenschaften, sowie den einzelnen «Kunstgattungen» verteilt sind, auf weltweiter Basis entwicklungsfähig und anwendbar zu ; machen. Indem wir alle diese Forschungen auf die Probleme der Armut und des Krieges konzentrieren, hoffen wir, die verschiedenen Einsichten in die menschlichen Probleme auf internationaler Basis wirksam zusammenzufassen, um der Regierungspolitik aller Nationen zu helfen und, wenn nötig, sie zu beeinflussen,» Und ein Plakat begann mit folgender ; programmatischer Erklärung: «Eine außergewöhnliche Versammlung zur Entmystifizierung der menschlichen Gewalt in allen ihren Formen sowie der gesellschaftlichen Systeme, denen sie entspringt...»
          Bereits hier war die Frage berechtigt, ob die Organisatoren die Intellektuellen vielleicht nur deshalb für «freiere» und «weniger systembedingte» Menschen halten, weil sie zufällig eine höhere Bildung und ein spezialisiertes Wissen zur Verfügung haben. Auf was könnten, in Ermangelung revolutionärer Reden, die Teilnehmer des Kongresses für «Entmystifizierung der menschlichen Gewalt in allen Formen» bauen, wenn nicht auf ihren eigenen Intellektualismus? Die Londoner Tagung lief wirklich Gefahr, in solchen seichten Gewässern Schiffbruch zu erleiden. Wenn es nicht dazu kam, und wenn der Kongreß tatsächlich interessant wurde, so lag das zum Teil an der Respektlosigkeit jener Teilnehmer, die nicht zu «offiziellen Reden» aufgefordert waren, gegenüber dem «intellektuellen Technizismus»; vor allem aber auch daran, daß das Auftreten von Stokeley Carmichael und die Beteiligung von Sweezy, Gerassi und Marcuse das Problem der Gewalt auf konkretere und realere Begriffe zurückführten, d. h. auf politische Begriffe.
          Tatsächlich wurde auf dem Kongreß das Problem der Gewalt diesem Vorschlag entsprechend diskutiert: nicht als «Geisteraustreibung», sondern als Scheide zwischen den «Humanitären» (die gegen jede Gewalt waren) und den politisch Bewußten. Dabei wurde auch das Problem der Intellektuellen stärker und intensiver berücksichtigt, als die Organisatoren es vorausgesehen hatten: welchen Sinn haben die Waffen der Kritik ohne eine Kritik der Waffen? Und was kann der bürgerliche Intellektuelle leisten, der sich mit dem paradoxen Versuch herumschlagen muß, zu zeigen, daß die Gesellschaft, in der er lebt, so beherrschend ist, daß sie selbst seine eigene intellektuelle Kritik beeinflußt? Wenn man einerseits die Position der wahren Revolutionäre, andererseits den Pessimismus Marcuses (der nicht immer in dialektisch kohärentem Denken (Kuuu) gelöst war) ausnimmt, kann man sagen: das Problem wurde nicht geklärt. Die Kongreßteilnehmer konstatierten unaufhörlich die eigene Ohnmacht, sie konfrontierten ständig die Ohnmacht der Intellektuellen mit der Dringlichkeit präziser politischer Ziele.
          Was die Redner betraf, so standen die Parteien von Anfang an fest. Die [>9] Seite der politisch Bewußten vertraten vor allem Stokeley Carmichael, GerasSi, Sweezy sowie auch Marcuse, Henry und Goldman; eine eher reaktionäre Haltung fand sich glücklicherweise nur bei wenigen: bei Gregory Bateson und Ross Speck, die seltsamerweise oft gleicher Meinung waren mit Anarchisten wie Goodman, und bei den Verteidigern «unpolitischer» Revolten wie den Organisatoren selbst; ferner die Vertreter der «Hippie»-Position, von denen Allen Ginsberg, immer anwesend und aktiv, am pathetischsten und konfusesten wirkte. Etwas fehl am Platz und verlegen waren die beiden osteuropäischen Vertreter: Petrovic, Redakteur der bekannten revisionistischen theoretischen Zeitschrift Praxis aus Zagreb, und Hajek von den Literarni Nomny aus Prag."


    Dialektik der Befreiung: Buchpräsentation im Sigmund Freud Museum (22.11.2017)  [m]
    https://www.youtube.com/watch?v=XdzfiGQBGL0
    "Als "Vorspiel" der Literatur im Herbst - "Dialektik der Befreiung" (DialLibera) wurde am 22.11.2017 die neu aufgelegte Buchdokumentation des gleichnamigen Kongresses von 1967 "Dialektik der Befreiung" (DialLibera) präsentiert. Im Sigmund Freud Museum in Wien sprach Daniela Finzi mit Rainer Danzinger und Philipp Katsinas. Begrüßung: Walter Famler (Generalsekretär Alte Schmiede) Die diesjährige Literatur im Herbst trug den Titel "Dialektik der Befreiung" (DialLibera) und knüpfte damit programmatisch an den gleichnamigen Kongress an, den die Antipsychiater Ronald D. Laing und David Cooper 1967 in London organisiert haben. Themen, die damals und heute bewegt haben und bewegen, sind unter anderem: Freiheit und Kontrolle, Entmystifizierung der menschlichen Gewalt in allen ihren Formen sowie der Systeme, denen sie entspringt. Aspekte des Imperialismus, die versagende Wohlstandsgesellschaft. Diskreditierung von gesellschaftlichen Alternativen, Ausbeutungsmechanismen im digitalisierten Kapitalismus, Populismus und neuer Faschismus, Ästhetisierung und Digitalisierung aller Lebenszusammenhänge. Befreiung von der Überflussgesellschaft und Alternativen zur Akzeptanz von Furcht und Unsicherheit. Verdinglichung des Menschen. Macht und Widerstand bei intensivierter Reproduktion von Ungleichheit. Der virtuelle Staat. Repressive Toleranz. Kritik und Affirmation. Idiotie und Intellekt, Kolonialisierung der Fantasie, Macht und Ohnmacht. Die Liste ließe sich fortsetzen. Rainer Danzinger, *1943 in Salzburg, von 1972 bis 1977 an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie in Graz, ab 1987 Hochschullehrer für klinische Psychiatrie. Zahlreiche Publikationen zu Sozialpsychiatrie und Psychoanalyse, zuletzt "Die Ermordung psychiatrischer Patienten aus der Steiermark in der NS-Zeit" (2015). Daniela Finzi, *1976 in Salzburg, Studium der Deutschen Philologie und Theaterwissenschaft, Lehrtätigkeit an der Universität Wien, Vorstandsmitglied des aka Arbeitskreis Kulturanalyse, wissenschaftliche Leiterin und Vorstandsmitglied der Sigmund Freud Privatstiftung. Philipp Katsinas, *1986 in Innsbruck, studierte Soziologie und Geographie in London. Redaktionsmitglied des Journals City: analysis of urban trends, culture, theory, policy, action. Herausgeber von Dialektik der Befreiung (DialLibera) (2017)."

    __
    Gebrauchsbeispiel Der Psychiatrie-Komplex von Quensel  [m]
    Quensel, Stephan (2018) Irre, Anstalt, Therapie. Der Psychiatrie-Komplex. Wiesbaden: Springer.

        Aus dem Vorwort, S. 5:
    "So sehr dieses emanzipative Anliegen in der späteren Entwicklung – etwa in der erstarrenden autoritären Anstalts-Psychiatrie oder gar im kollusiven Missbrauch mit und durch Diktaturen – immer wieder ‚entarten‘ konnte, so gehört dieses Anliegen doch auch heute noch zu den Grundbedingungen einer Psychiatrie, die immer wieder auf Reformen drängt, die ‚anti-psychiatrisch‘ für die Selbständigkeit ihrer Klienten kämpft und die therapeutisch die Therapeut-Klienten-Beziehung dialogisch ausgestalten will; eine ‚dialektisch‘ (DialPPTKB) geprägte Aufgabe, die freilich ebenso immer wieder auf beiden Seiten in die pastorale Ausgangs-Situation zurückfallen kann."

    S. 126:
    "Eine die ‚Psychopathen‘ aus diesem psychiatrisch relevanten Feld ausschließende Strategie, deren – sagen wir ‚dialektische‘ (DialPPPav)  – Problematik darin bestand, dass diese schon früh ‚anlagemäßig‘ auffallenden Psychopathen einerseits eigentlich sowohl für ihre ‚biologische Anlage‘ nicht verantwortlich zu machen waren, wie auch deswegen als kaum behandelbar galten, während man andererseits sie doch ggf. sogar durch härtere Strafen an Zucht und Gottesfurcht zu gewöhnen oder zumindest doch dadurch andere gefährdete Psychopathen entsprechend abzuschrecken hoffte. Zumal man doch fordern durfte, dass sie sich ‚heroisch‘ – „Wir nennen dies das Prinzip des moralischen Heroismus, mit dem die Kriminalpsychiatrie die abnorme Persönlichkeit konfrontiert“ (Moser 1971: 172) – in besonderem Maße anzustrengen hätten, um trotz ihrer Anlage normentsprechend zu handeln, da es [>126] sich ja sowohl bei ihrem angelegten ‚Charakter‘ wie bei der notwendigen Willens-Anspannung jeweils um etwas ‚Intra-Seelisches‘ handele,28 wie dies übrigens schon die deutsche Universitäts-Psychiatrie vor 150 Jahren – etwa Heinroth (s. o.)29 – betont hatte. Ein ‚dialektischer‘ (DialPPPav) Eiertanz, den Tilman Moser (1971) mit verstehbarer Wonne sarkastisch auseinander nimmt
     

      26 § 86 des Entwurfes in der Fassung von 1960 lautete: „Vorbeugende Verwahrung: (1) Hat jemand durch eine vor Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres begangene vorsätzliche Straftat Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die vorbeugende Verwahrung an, wenn 1. der Täter vor der Tat, aber nach Vollendung des sechzehnten Lebensjahres, mindestens zwei vorsätzliche, mit Freiheitsstrafe bedrohte, erhebliche Straftaten begangen hat, die zu einer gerichtlichen Erziehungsmaßnahme geführt haben oder durch Zuchtmittel oder Freiheitsstrafe geahndet worden sind; 2. vor der neuen Tat mindestens für die Zeit von sechs Monaten öffentliche Heimerziehung zur Abwendung einer sittlichen Verwahrlosung durchgeführt oder Freiheitsstrafe vollzogen worden ist und 3. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, daß die Gefahr besteht, er werde sich zum Hangtäter entwickeln.“ (Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Drucksache 2150 vom 3. 1. 1960)  (dipbt.bundestag.de/doc/btd/03/021/0302150.pdf).

      27 So kritisiert der Psychiater Wilfried Rasch in Schuldfähigkeit in A. Ponsold: Lehrbuch der gerichtlichen
      Medizin 3. A. (1967: 63), zitiert in Moser (1971: 115).."


    S. 280:
    "Die Art der professionellen Kontrolle wird intern wie extern primär durch den Psychiater realisiert; und zwar zunächst Institutions-intern durch seine verantwortlichen Entscheidungen gegenüber Pflegern wie Patienten, und sodann durch die Art seiner Diagnosen, Behandlungen und therapeutischen Maßnahmen. Das zentrale Anliegen der italienischen ‚demokratischen‘ Psychiatrie, dieses ‚professionell‘ vorgegebene Kontroll-Potential abzubauen, stieß jedoch auf vier immanente Schwierigkeiten, die sich auch ‚dialektisch‘70  (DialonS)  nur unzureichend lösen ließen: Die organisatorisch vor allem nach außen gerichtete ‚institutionelle‘ Verantwortung; sodann die großen Status-Unterschiede – soziale Schicht, Bildung und Ausbildung – die sich sowohl gegenüber den Pflegern wie vor allem gegenüber den ‚armen Irren‘ auswirkte:"
     

      70 „Mit den Widersprüchen der Wirklichkeit dialektisch  (DialonS) zu leben: darin liegt der therapeutische
      Aspekt unserer Arbeit. Erst wenn diese Widersprüche dialektisch  (DialonS) aufgefasst werden,
      statt ignoriert oder in dem Versuch, eine ideale Welt zu schaffen, programmatisch beiseite
      geschoben zu werden […] wird die Gemeinschaft therapeutisch. Aber Dialektik  (DialonS)  gibt es nur,
      wo es mehr als eine Möglichkeit gibt, d. h. eine Alternative.“ (Basaglia 1974: 35)"


    S. 281f:
    "Vier ambivalente Aspekte der psychiatrisch autoritären Rolle, die etwa im Rahmen der ursprünglichen ‚therapeutischen Gemeinschaft‘ wie im englisch ‚antipsychiatrischen‘ Modell eher verdrängt wurden, deren zentraler Stellenwert in Görz jedoch die gesamte negierte Institution (Basaglia 1973) durchzieht.73 Und zwar in einem dreifachen Ansatz, der vor allem in den allgemeinen Plenarversammlungen ‚dialektisch‘(DialonS) zum Tragen kam: Als offen angesprochenes Rollenproblem74 – wenn Basaglia (1973: 250) etwa vom ‚üblichen Problem der Avantgarde‘ spricht: [>282] „Wenn wir die Absicht gehabt hätten, die Patienten auf die Öffnung hin zu ‚erziehen‘ […], dann hätten wir uns wohl inzwischen kaum von der Stelle bewegt“. Sodann als konfrontatives ‚Therapie‘-Prinzip:
     

      „Die Tatsache, dass für den Kranken ein anderer sozialer Status, eine andere Rollenhaftigkeit gilt als für den Pfleger, für den Arzt, wird in den Zusammenkünften zum Gegenstand der Konfrontation und Kritik; Kritik, die jedem einzelnen helfen soll den eigenen Standort zu klären“ (Basaglia 1973: 26) und, soweit dies überhaupt möglich ist, (wieder) selbständig zu entscheiden (Slavich 1973: 198 f.).


    Und schließlich die Einsicht, dass die Pfleger wie die Mitpatienten im Alltag häufigeren besseren ‚therapeutischen‘ Kontakt herstellen können als der nur stundenweise anwesende, abgehoben wirkende Psychiater und professionelle Therapeut:75
     

      Der „Prozess der Rückgewinnung des Individuums, der sich ganz allmählich aus der sich ständig dialektisch (DialonS) wandelnden Situation entwickelte, brachte aus den Reihen der Patienten einige Führerpersönlichkeiten hervor, die sich an der Arbeit der Avantgarde garde tatkräftig beteiligten. In diese Zeit (1963 – 64) fallen manche von den Kranken selbst durchgeführte und vom Pflegeteam unterstützte Initiativen“, berichtet Slavich (1973: 91) aus Görz.
      73 S. die Beispiele, die Agostino Pirella (1973) in Die Negation der traditionellen Anstalt am Beispiel
      von Görz analysiert.
      74 „Schließlich kann ich mich meiner Funktion als Arzt nicht entledigen (selbst wenn ich ganz
      bewusst und folglich symbolhaft keinen weißen Kittel mehr trage), so wie auch das Pflegepersonal
      – mit oder ohne Berufskleidung – Pflegepersonal bleibt und die Kranken Kranke
      bleiben. Daher mystifiziert man die Dinge nur, wenn man – wie man häufig hört – die Patienten
      als ‚Gäste‘ bezeichnet […]. Das ist eine Lüge, die wir uns vorreden, um unserer und
      ihrer Wirklichkeit zu entfliehen […]. So ist eine weitere grundsätzliche Voraussetzung, auf
      die sich die Therapiegemeinschaft stützt, die Ehrlichkeit vor sich selbst und vor den anderen,
      auch wenn sie manchmal hart sein mag.“ (Basaglia (1974: 55) in dem erwähnten Treffen mit
      den Kollegen aus Parma."


    Weitere Fundstellen: 287, 289, 292 FN105, 295, 445 und FN143 (DBT), 466, 507.
    Im Sachregister werden drei Fundstellen erfasst: 280, 295, 445.
     



    Psychotherapie-Materialien

    Linehans Dialektisch-behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung [s]
    Linehan, Marsha  (1996) Dialektisch-behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung. München:  CIP-Medien

    Zusammenfassung-Linehan:
    Linehan vertritt in ihrer DBT die klassische Dialektik (DialLineh) ohne philosophisch idealistische Position. Von wem sie die gelernt hat, verrät sie nicht (Hegel wird im Literaturverzeichnis und in den Literaturbezugnahmen  nicht aufgeführt). Hierbei vertritt sie folgende, ausdrücklich geäußerte und im Text belegbare, dialektische Positionen, die den methodischen Charakter von Annahmen (Axiomen oder Postulaten) haben. Sie werden zwar durch viele Beispiele anschaulich und verständlich gemacht, aber in ihrer allgemeingültigen Postulierung nicht belegt, erklärt und begründet. Immherin: die Annahmen, Postulate oder Axiome werden offengelegt.

    1. Alles ist in Bewegung, Auseinandersetzung und Entwicklung (Quelle > Polarität).
    2. Nichts existiert ohne Beziehung und befindet sich in kontinuierlicher dialektischer Entwicklung (> Ganzheit), der Mensch in einem lebenslangen Transformationsprozess (Quelle  >Wandel). "Die dialektische Vorstellung einer Einheit geht davon aus, daß der einzelne Mensch nicht von seiner Umgebung losgelöst ist." (Quelle > Entfremdung)
    3. Jeder Proposition wohnt ihre eigene Opposition inne: das Prinzip der Polarität. Ein einzelnes Atom weist eine positive und eine negative Ladung auf; für jede Kraft findet sich eine Gegenkraft; sogar das kleinste Element von Materie wird durch Antimaterie ausgeglichen Es findet sich in jedem Ding und in jedem System, egal wie klein, eine Polarität. (Quelle > Polarität)
    4. Die Realität ist nicht statisch, sondern besteht aus inneren einander entgegengesetzten Kräften („These“ und "Antithese“), aus deren Integration („Synthese“) ein neues Paar entgegengesetzter Kräfte resultiert. (Quelle  > Polarität).
    5. Jede Dysfunktionalität enthält auch Funktionalität; jede Verzerrung enthält Wahrheit; und in jeder Zerstörung findet sich ein Aufbau. Hier beruft sich Linehan auf Goldberg (1980), den sie zitiert:: "Ich gehe davon aus, daß jede Wahrheit paradox ist, daß jeder Weisheit ihre eigene Widerlegung innewohnt, daß Wahrheiten nebeneinander stehen. Sich widersprechende Wahrheiten löschen sich nicht notwendigerweise gegenseitig aus oder dominieren einander. Sie stehen vielmehr nebeneinander und fordern zu Beteiligung und Experimentieren auf. (S. 295-296)." (Quelle > Polarität).
    6. Die dialektischen Entwicklungsprozesse resultieren aus den Spannungen der Antisachverhalte, wobei plötzliche Veränderungen und dramatische Schübe möglich sind (Quelle  >Wandel).
    7. Zur Veranschaulichung der dialektischen Situation in der Psychotherapie verwendet sie eine Wippenanalogie (Quelle > Wippenanalogie).
    _
    Aus dem
      "Inhaltsverzeichnis
      TEIL I. THEORIE und KONZEPTE

      1. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung: Konzepte, Kontroversen und Definitionen
      Das Konzept der Borderline Persönlichkeitsstörung 3
      Das Konzept der parasuizidalen Verhaltensweisen 11
      Überlappungen zwischen Borderline-Persönlichkeitsstörung und parasuizidalem Verhalten 13
      Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Eine Vorschau 15
      Abschließende Überlegungen 20
      Anmerkungen 21

      2. Dialektische (DialLineh) und biosoziale Grundlagen der Behandlung
      Dialektik (DialLineh)  22
      Die Borderline-Persönlichkeitsstörung als Scheitern an der Dialektik (DialLineh)   27
      Begriffsbildung: Ein dialektischer kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz (DialDBT) 28
      Die Biosoziale Theorie:
      Eine dialektische Theorie (DialDBTETB) der Entwicklung der Borderline-Persönlichkeitsstörung 32
      Implikationen der biosozialen Theorie für die Therapie von Borderline-Patientinnen 47
      Abschließende Bemerkungen  49
      Anmerkungen 49

      3. Verhaltensmuster: Dialektische Dilemmata () bei der Behandlung von Borderline-Patientinnen
      Emotionale Vulnerabilität versus Selbst-Invalidierung  51
      Aktive Passivität versus scheinbare Kompetenz 58
      Andauernder Krisenzustand versus unterdrückte Trauer 64
      Anschließende Bemerkungen 70
      Anmerkungen 70

      TEIL II ..."


    Hintergrund und Geschichte
    Linehan erklärt, S. 22: "Jeder Theorie der Persönlichkeit und der Persönlichkeitsstörungen liegt ein bestimmtes Weltbild zugrunde ... "Genauso beruht auch die DBT auf einer bestimmten Weltsicht: der Dialektik. (DialonS)" Sie führt aus, dass das Konzept der Dialektik für das Verständnis und die Behandlung von Borderlinepatientinnen sehr wichtig und hilfreich ist. Sie verweist darauf: "Als Weltbild spielt die Dialektik (DialonS) aber auch eine Rolle in Theorien der Wissenschaftsentwicklung (Kuhn, 1970), der biologischen Evolution (Levins & Lewontin, 1985), der Geschlechterverhältnisse (Firestone, 1970) und, in jüngerer Zeit, der Entwicklung des Denkens bei Erwachsenen (Basseches, 1984). Wells (1972, zitiert in Kegan, 1982) verzeichnet im Verlauf der letzten 150 Jahre eine Zuwendung zu dialektischen Ansätzen (DialonS) in fast allen Sozial- und Naturwissenschaften".
        In den 80er Jahren stellte Linehan fest, dass einerseits die Verhaltenstherapie bei Borderlinepatientinnen anwendbar war, sie andererseits aber auch eine Reihe von anderen Methoden und Techniken anwendete, S. 23: "Zu diesen Techniken zählte unter anderem die beiläufige Übertreibung der Bedeutung von Ereignissen (ähnlich wie bei Whitaker, 1975, S. 12-13), die Ermutigung zur Akzeptanz von Situationen und Gefühlen (im Gegensatz zu der Betonung von Veränderung) im Sinne des Zen-Buddhismus (z.B. Watts, 1961); und double-bind-Aussagen im Zusammenhang mit pathologischen Verhaltensweisen (ähnlich dem Bateson-Projekt; Watzlawick, 1978). Diese Techniken stehen paradoxen Therapie-Ansätzen näher als den üblichen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Ferner fiel uns auf, daß mein verbaler Stil rasch wechselte zwischen Wärme, Akzeptanz und empathischer Spiegelung, wie wir sie aus der klientenzentrierten Therapie kennen, einerseits und direkten, respektlosen und konfrontativen Kommentaren andererseits. Beweglichkeit und Timing schienen eine ebenso wichtige Rolle zu spielen wie die Rahmenbedingungen und die technischen Fertigkeiten."

    "Die Borderline-Persönlichkeitsstörung als Scheitern an der Dialektik
    Die von Borderline-Patientinnen gezeigten Verhaltensweisen lassen sich auch als Scheitern an der Dialektik (DialDBT-SQ) interpretieren. Dialektische Fähigkeiten in der Lebensbewältigung sind daher als psychologisches Heilmittel (DialDBThm) anzusehen.

    „Spaltung“ (splitting) bei Borderline-Patientinnen
    "Wie ich in Kap. 1 bereits ausgeführt habe, wechseln Borderline-Patientinnen und suizidale Personen ständig zwischen zwei klaren, aber unvereinbaren Standpunkten (Gpolar) hin und her und sind unfähig, zu einer Synthese (DialSynth) der zwei Positionen zu gelangen. Sie neigen dazu, die Wirklichkeit in einem sehr begrenzten Bezugsrahmen einander entgegengesetzter Kategorien von „entweder-oder“ wahrzunehmen anstatt „alles zugleich“. Beispielsweise findet man bei diesen Personen nicht selten die Überzeugung, daß jemand unmöglich im Innersten „gut“ sein kann, wenn er auch nur den kleinsten Fehler begangen hat. Durch ihren rigiden kognitiven Stil sind sie noch weniger in der Lage, sich die Möglichkeit zukünftiger Wandlungen und Veränderungen (Dialwand) überhaupt nur vorzustellen, was dazu führt, daß sie sich in einem unlösbaren schmerzhaften Dilemma gefangen fühlen. Einmal definierte Dinge können sich nicht verändern. Hat ein Mensch einmal einen Fehler begangen, wird er immer „fehlerhaft“ bleiben.  ...
        Von einem dialektischen Standpunkt (DialonS) aus stellt ein andauernder Konflikt dagegen ein Scheitern der Dialektik (DialDBTaKSD) dar. Anstelle einer Synthese und Transzendenz stehen im typischen Borderline-Konflikt tief verwurzelte, aber unvereinbare Positionen, Wünsche und Vorstellungen einander gegenüber. Für eine Lösung des Konfliktes wäre es zunächst erforderlich, die Gegensätze zu erkennen, um sich dann sozusagen über sie erheben und die scheinbar paradoxe Realität von „beides zugleich“ und „entweder-oder“ erkennen zu können. ..."

    Die Dialektik von Naehe und Distanz (DialDBTnd) - Wippenanalogie S. 23
    "Der Begriff „dialektisch“ (DialLineh) zur Beschreibung dieser Therapiemethode entstand aus meiner intuitiven Erfahrung in der Arbeit mit diesen schwer gestörten, chronisch suizidalen Patientinnen. Diese Erfahrung kann ich am besten in einem Bild wiedergeben: Die Patientin und ich stehen auf einer Wippe einander gegenüber; die Fläche der Wippe verbindet uns miteinander. Die Therapie ist wie das Auf und Ab der Wippe, bei dem die Patientin und ich ständig vor und zurück rutschen und versuchen, die Balance zu halten, um gemeinsam zur Mitte zu gelangen und sozusagen auf eine höhere Ebene klettern zu können. Dort beginnt derselbe Ablauf von vorne: Wir sind auf einer neuen Wippe und versuchen erneut, in die Mitte zu gelangen und auf die nächste Ebene (DialSynth) aufzusteigen und so weiter. Während die Patientin auf der Wippe vor- und zurückrutscht, vom Ende in die Mitte und von der Mitte an das Ende, bewege ich mich ebenfalls, um die Balance zu halten."
        Linehan S. 23f: "In dialektischer (DialonS) Terminologie repräsentieren die beiden Enden der Wippe die Gegensätze (GDBTtb) („These“ (GDBTthes) und „Antithese“ (GDBTanti)); die Bewegung in die Mitte und auf die nächste Ebene der Wippe steht für die Integration oder „Synthese“ (GDBTsyn) dieser Gegensätze (GDBTtb), die im gleichen Moment sofort wieder in andere Gegensätze (GonS) zerfällt. Diese psychotherapeutische Beziehung zwischen den Gegensätzen (GDBTtb), die in dem Begriff „Dialektik“ (DialonS) enthalten ist, wurde immer wieder seit [>24] den frühen Schriften von Freud betont (Seltzer, 1986)."

    Das Prinzip der wechselseitigen Beziehungen und der Ganzheit (S. 24) ()
    "Levins und Lewontin (1985) haben dies gut beschrieben:
     

      "Die Teile und das Ganze (DialGanz) entwickeln sich durch ihre Beziehung zueinander weiter und auch diese Beziehung entwickelt sich weiter. Diese Eigenschaften der Dinge nennen wir dialektisch (DialBez): Ein Ding kann nicht ohne das andere existieren, es erhält seine Eigenschaften durch die Beziehung zu dem anderen und die Interpretation dieser Eigenschaften bestimmt ihre Weiterentwicklung (DialEntwT)." (S. 3) ()."
    _
    Das Prinzip der Polaritaet
    S. 25: "Zum zweiten ist die Realität nicht statisch, sondern besteht aus inneren einander entgegengesetzten Kräften („These“ (DialThese) und "Antithese“) (DialAnti), aus deren Integration („Synthese“) (DialSynth) ein neues Paar entgegengesetzter Kräfte (Gpolar) resultiert. Der dialektische Ansatz (DialonS) stellt zwar das Ganze (DialGanz) in den Mittelpunkt, betont aber auch die Komplexität jedes Ganzen (DialKompl). Demnach findet sich in jedem Ding (Gpolar) und in jedem System, egal wie klein, eine Polarität (Gpolar). In der Physik beispielsweise ist es bisher nicht gelungen, das kleinste Teilchen oder Element zu finden, das die Grundlage allen Lebens bildet: Jedes Element kann weiter reduziert werden. Ein einzelnes Atom weist eine positive und eine negative Ladung (Gpolar) auf; für jede Kraft findet sich eine Gegenkraft (Gpolar); sogar das kleinste Element von Materie wird durch Antimaterie (Gpolar) ausgeglichen. Eine zentrale dialektische Vorstellung ist die, daß jeder Proposition ihre eigene Opposition (Gpolar) innewohnt. Goldberg (1980) drückt diese Vorstellung in folgenden Worten aus:
     
      Ich gehe davon aus, daß jede Wahrheit paradox ist, daß jeder Weisheit ihre eigene Widerlegung innewohnt, daß Wahrheiten nebeneinander stehen. Sich widersprechende Wahrheiten löschen sich nicht notwendigerweise gegenseitig aus oder dominieren einander. Sie stehen vielmehr nebeneinander und fordern zu Beteiligung und Experimentieren auf. (S. 295-296).


    Nimmt man diese Vorstellung ernst, kann das einen deutlichen Einfluß auf das eigene klinische Vorgehen ausüben. Bei den meisten Beschreibungen der BPS beispielsweise wird die Notwendigkeit betont, die Pathologie zu bestimmen, durch die die betroffene Person sich von anderen unterscheidet. Dementsprechend besteht das Ziel der Therapie darin, die Pathologie aufzuspüren und  Möglichkeiten zur Veränderung (DialDBTpv) zu schaffen. Eine dialektische Perspektive (DialonS) legt dagegen einen anderen Ansatz nahe: Jede Dysfunktionalität enthält auch Funktionalität; jede Verzerrung enthält Wahrheit (DialDBTpv); und in jeder Zerstörung findet sich ein Aufbau (DialDBTpv). Durch die Umkehrung der Vorstellung „Widersprüche in der Wahrheit“ (DialDBTpv) zu „Wahrheit im Widerspruch“ (DialDBTpv) gelangte ich zu einer Reihe von Entscheidungen bezüglich der Form von DBT. Anstatt die Berechtigung für das aktuelle Verhalten der Patientin in ihrer Lemgeschichte zu suchen, begann ich, sie in der Gegenwart zu suchen und auch zu finden. Die Vorstellung führte also zu weit mehr als bloßem Verständnis für die Patientin; Validierung (also eine Bestätigung der Berechtigung der Gefühle und Gedanken der Patientin) ist heute zentraler Bestandteil der DBT."

    These, Antithese, Synthese: Das Prinzip des kontinuierlichenWandelsS. 25f
    Diese inneren Zusammenhänge und Gegensätze (GonS) sowie die Nichtreduzierbarkeit der Realität führen zum dritten zu einer [>26] Ganzheit (DialGanz), die sich in einem kontinuierlichen Wandlungsprozeß (Dialwand) befindet. Der Wandel wird durch die Spannung zwischen den Kräften von These  (DialThese) und Antithese (DialAnti), die sich in jedem System finden, hervorgerufen (positiv und negativ, gut und böse, Kinder und Eltern, Patientin und Therapeut, Mensch und Umwelt etc.) (Gpolar). Da aber auch der auf den Wandel (Dialwand) folgende neue Zustand (die Synthese (DialSynth)) aus einander entgegenwirkenden Kräften (Gpolar) besteht, ist der Wandel kontinuierlich (DialwandK) [RS: Widerspruch zum Konzept des dialektischen Sprungs]. Das Prinzip des dialektischen Wandels (Dialwand) sollte einem bewußt sein, auch wenn ich die entsprechenden Begriffe („These“ (DialThese), „Antithese“ (DialAnti), „Synthese“ (DialSynth)) selten verwende.
    Das Wesen des Lebens ist also der Wandel (Dialwand) (oder „Prozess“), nicht Struktur oder Inhalt. Robert Kegan (1982) fängt diese Vorstellung ein, wenn er von der Entwicklung des Selbst als lebenslangem Transformationsprozeß (DialEntwT) spricht. Dieser Prozeß wird angetrieben von der Spannung zwischen Bewahrung und Veränderung des Selbst (Gpolar), innerhalb der Person und innerhalb des Systems Mensch-Umwelt, die nur vonkurzfristigen Phasen der Ruhe und eines Entwicklungsgleichgewichtes unterbrochen wird. Er schreibt:
     

      "Um zu verstehen, wie eine Person die Welt wahrnimmt, müssen wir verstehen, wie die Welt die Person wahrnimmt. In der Betrachtung des jeweiligen Gleichgewichtszustandes (DialDBTbal) ihrer Selbstentwicklung betrachten wir nicht nur, wie sie der Welt eine Bedeutung zuschreibt, wir beziehen auch die Möglichkeit mit ein, daß die jeweilige Person ihre Balance verliert (DialDBTbal). Auf jeder neuen Gleichgewichtsebene betrachten wir in einer neuen Art und Weise, was erreicht werden und was letztlich auch verloren gehen kann. Auf jeder neuen Ebene sehen wir eine neue Verletzlichkeit. Jedes Gleichgewicht gibt einen Anhaltspunkt für die Beschaffenheit der Person, aber jedes Gleichgewicht beinhaltet ebenso die Möglichkeit, diese Beschaffenheit in Frage zu stellen." (S. 114)
      _
    Eine dialektische Sichtweise (DialonS) läßt sich recht gut mit der psychodynamischen Theorie vereinbaren, die die Rolle von Konflikten und Gegensätzen (GonS) im Prozeß des Wachstums und des Wandels (DialDBTpww) betont. Sie steht auch mit einer verhaltensbezogenen Perspektive in Einklang, die die der Umwelt und der Person innewohnende Ganzheit (DialGanz) betont sowie die Bedeutung der Beziehung zwischen beiden für die Entstehung von Wandel. Die dialektische Theorie des Wandels (DialDBTpww) unterscheidet sich jedoch von der Vorstellung der klientenzentrierten Psychotherapie, bei der Entwicklung nach einem „Selbstverwirklichungsprinzip“ geschieht. Danach steckt in jedem Ding ein bestimmtes Potential, das sich im Laufe seines Lebens von alleine entfalten () wird. In dem Begriff „entfalten“ () ist die Spannung nicht enthalten, von der bei dialektischem Wachstum ausgegangen wird. Diese Spannung (Gpolar) führt zu allmählichem Wandel (DialwandA), der von plötzlichen Veränderungen (DialSprung), (DialwandS) und dramatischen Schüben (DialSprung), (DialwandS) durchsetzt ist.
        Bei der DBT versucht der Therapeut, in der Patientin eine Veränderung hervorzurufen, behält dabei aber im Auge, daß die hervorgerufene Veränderung auch die Therapie und ihn selbst verändert. Innerhalb der Therapie selbst besteht demnach eine ständige dialektische Spannung zwischen dem Vorgang der Veränderung und deren Folgen. (DialDBTspan) ..."

    Dialektisches Ueberzeugen  S. 26f
    "Angewandt auf den therapeutischen Dialog und das Therapeut-Patient-Verhältnis, bedeutet „dialektisch“ () einen Wandel (Dialwand), der durch Überzeugung hervorgerufen wird und indem sich die der therapeutischen Beziehung innewohnenden Gegensätze (GDBTtb) zunutze gemacht werden, nicht durch formale unpersönliche Logik. Im Gegensatz zum analytischen Denken ist der dialektische Ansatz persönlich (DialDBTpers); er berücksichtigt und betrifft die gesamte Person. Durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Positionen in der Therapie können Patientin und Therapeut zu neuen Deutungen innerhalb alter  [>27] Deutungen gelangen und sich so dem wesentlichen der Person annähern."

    Zwischenmenschliche Isolation und Entfremdung S. 28:
    "Die dialektische Vorstellung einer Einheit geht davon aus, daß der einzelne Mensch nicht von seiner Umgebung losgelöst ist. Die typischen Borderline-Gefühle Isolation, Entfremdung, Gefühl von mangelndem Kontakt oder Dazugehörigkeit können als dialektische Fehlschläge (DialDBThm) interpretiert werden, die daraus resultieren, daß die Borderline-Patientin einen Gegensatz zwischen der eigenen Person und anderen Menschen empfindet. ... "

    Begriffsbildung: Ein dialektischer kognitiv-verhaltenstherapeutischer (DialDBT)Ansatz  S. 28:
    "Die Begriffsbildung bei der DBT wird sowohl vom dialektischen Ansatz (DialDBT) als auch von kognitiv-verhaltensbezogenen Annahmen bestimmt In diesem Abschnitt werde ich verschiedene Merkmale der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Theorie, die für die DBT von Bedeutung sind, erläutern. Darüber hinaus möchte ich die Unterschiede zwischen einem dialektischen kognitiv- verhaltenstherapeutischen (DialDBT) Ansatz und traditionelleren kognitiven, verhaltensbezogenen und biologischen Theorien herausstellen. Spezifischere theoretische Annahmen werde ich später im Zusammenhang mit den spezifischen DBT-Interventionsstrategien darstellen."

    Dialektische Strategien (DialDBT-S)

    "TEIL III. GRUNDLEGENDE BEHANDLUNGSSTRATEGIEN  ()
    7. Dialektische Behandlungsstrategien

    Definition der dialektischen Strategien 147
    DIE AUSGEWOGENE ANWENDUNG VON BEHANDLUNGSSTRATEGIEN:
    DIALEKTIK IN DER THERAPEUTISCHEN BEZIEHUNG    148
    DAS VERMITTELN DIALEKTISCHER VERHALTENSMUSTER 150
    EINZELNE DIALEKTISCHE STRATEGIEN 151

      1. PARADOXES VORGEHEN  (DialDBT-Spar)  151
      2. DER EINSATZ VON METAPHERN (DialDBT-Smet)  154
      3. DIE ADVOCATUS DIABOLI-TECHNIK (DialDBT-Sadv)  156
      4. AUSDEHNEN („EXTENDING“)  (DialDBT-Saus)  157
      5. AKTIVIERUNG DES „WISSENDENEN ZUSTANDES (WISE MIND)“  (DialDBT-Sawz)  157
      6. AUS ZITRONEN LIMONADE MACHEN  (DialDBT-Szli) 159
      7. NATÜRLICHE VERÄNDERUNGEN ZULASSEN  (DialDBT-Snat) 159
      8. DIALEKTISCHE DIAGNOSTIK  (DialDBT-Sdiag) 160
    Abschließende Bemerkungen 161
    Anmerkungen 162"

    An den Teil III. schließt das wichtige Konzept der Validierung, also die Kontrolle der Behandlungsstrategien an.
     

      "8. Kernstrategien: Teil I. Validierung (DialDBT-SV)
          VALDIERUNGSSTRATEGIEN FÜR EMOTIONEN  (DialDBT-SVe) 164
          VALDIERUNGSSTRATEGIEN FÜR VERHALTEN EMOTIONEN  (DialDBT-SVv)  174
          VALDIERUNGSSTRATEGIEN FÜR KOGNITIONEN  (DialDBT-SVk)  177
      ...
      9. Kernstrategien: Teil II. Problemlösen  (DialDBT-SPL)
      ...
      10. Veränderungsverfahren: Teil I. Kontingenzverfahren  (DialDBT-Skon)
      ...
      11. Veränderungstechniken Teil II.
          Fertigkeits-Training  (DialDBT-SFT)
          Exposition  (DialDBT-Sexp)
          Kognitive Umstrukturierung (DialDBT-SKU)
      ...
      12. Stilistische Strategien: Ausgewogene Kommunikation  (DialDBT-SAK)
          Strategien gleichberechtigter Kommunikation  (DialDBT-SAKg)
          Strategien respektloser Kommunikation (DialDBT-SAKr)
      ...
      13. Strategien zum Umgang mit dem sozialen Umfeld: Interaktion mit der Gemeinschaft (DialDBT-SU)
          Interventionen im Umfeld   (DialDBT-SUI)
          Beratung der Patientin  (DialDBT-SUB)
          Supervision des Therapeuten  (DialDBT-SUS)
      ...
      14. Strategien für spezifische Probleme (DialDBT-SsP)
          Vertrags-Strategien   (DialDBT-SsPV)
          Eröffnung der Sitzungen  (DialDBT-SsPE)
          Zielstrategien  (DialDBT-SsPZ)
          Beenden der Sitzungen  (DialDBT-SsPB)
          Strategien bei Abschluss der Therapie  (DialDBT-SsPA)
      ..
      15. Spezielle Behandlungsstrategien (DialDBT-SB)
          Krisen  (DialDBT-SBK)
          Suizidales Verhalten  (DialDBT-SBS)
          Therapiegefährdendes Verhalten  (DialDBT-SBG)
          Telefon-Strategien  (DialDBT-SBT)
          Zusatz-Behandlung  (DialDBT-SBZ)
          Beziehungs-Strategien  (DialDBT-SBB)
      "
    Beispiel S. 151  paradoxes Vorgehen als einzelne dialektische Strategie ()
      PARADOXES VORGEHEN
      Allen Frances (1988) besteht die dringendste und wichtigste Aufgabe in der Psychotherapie mit Borderlinepatientinnen darin, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Paradoxes Vorgehen kann hier wegen des Elementes der Überraschung ein sehr wirkungsvoller Mechanismus sein. Ebenso wie beim Witz wird beim Paradox mit dem Unerwarteten gespielt. Wer mit einem Paradox konfrontiert wird, muß sich damit auseinandersetzen. Paradoxes Vorgehen ähnelt sehr stark den Koans in der Zen-Philosophie. Ein Koan ist ein Dilemma oder ein Rätsel, das Zen-Schüler lösen sollen, obwohl es keine logische Antwort zu geben scheint. Der Schüler wird gezwungen, über sein rein intellktuelles Verstehen hinauszugehen und zu einem Wissen durch direktes Erfahren zu gelangen. Es besteht ein großer Unterschied dazwischen zu wissen, wie Zucker schmeckt, weil man es in einem Buch gelesen hat oder weil man Zucker bst auf seiner Zunge geschmeckt hat. Die Lösung eines Koans ist nicht logisch oder rein intellektuell erfaßbar. Sie ist eine Erfahrung.
          Die therapeutische Strategie besteht darin, daß der Therapeut der Patientin die Paradoxien in ihrem Verhalten, therapeutischen Prozeß und der Wirklichkeit im allgemeinen deutlich macht. Auf rationale Erklärungsversuche der Patientin reagiert der Therapeut mit Schweigen, mit einer weiteren Frage oder auch mit einer Geschichte oder einem etwas anderen Paradox, das etwas - aber nicht zuviel - Licht auf das zu lösende Rätsel wirft.
          Suler (1989) sagt, daß ein Koan „zu einem verzweifelten Kampf um ganz persönliche Themen wird, auch um die persönlichen Konflikte, die den Schüler zu Zen geführt haben. Es entsteht ein Kampf um das eigene Leben“ (S. 223). Auch für die Borderline-Patientin wird ein vom Therapeuten gut konstruiertes und geschickt angewendetes Paradox zu einem Kampf um das eigene Leben. In der Therapie mit Borderline-Patientinnen treten meist unzählige paradoxe Dilemmata zutage, in denen es um Leben und Tod geht. Der Therapeut könnte beispielsweise sagen: „Wenn ich mich nicht um Sie sorgen würde, würde ich versuchen, Sie zu retten“. Die Patientin sagt „Wie können Sie behaupten, daß Sie sich um mich sorgen, wenn Sie mich nicht einmal jetzt retten, wo ich so verzweifelt bin“. Die Synthese (DialSynth) besteht letztendlich in dem Satz „Sie sind bereits gerettet.“ Auf dem Wege zu dieser Synthese (DialSynth) muß jedoch erkannt werden, daß der Therapeut die Patientin in Wirklichkeit nicht retten kann. Jeder Versuch in dieser Richtung würde daher eher eine Pseudo-Hilfe darstellen statt der Patientin die Unterstützung zu geben, die sie braucht. Selbst wenn der Therapeut die Patientin tatsächlich retten könnte, beweist er sehr viel mehr Fürsorge und Geduld, wenn er ihr stattdessen dabei hilft sich selbst zu helfen.
          Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf das ständige Dilemma der Borderline-Patientin, bei einer Meinungsverschiedenheit oder einer Konfrontation zu entscheiden, wer im Recht ist. Die Vorstellung, daß beide Seiten (oder keine) bereit sein könnten, fällt der Patientin sehr schwer. Häufig erlebt die Patientin zum ersten Mal eine Beziehung, in der [>152] der Partner bei einem Konflikt sagt, 'ich bin ok und du bist ok'. .... "
    _
    Literaturbezugnahmen  [i]
    Sie enthält Hegel und auch nicht Klaus Riegel , woraus zu schließen ist, dass Linehan ihre Kenntnisse zur Dialektik  aus der Sekundärliteratur entnahm. Sie zitiert im ersten Teil:
    "Den meisten Menschen ist die Dialektik aus der sozioökonomischen Theorie von Marx und Engels (1970) bekannt. Als Weltbild spielt die Dialektik aber auch eine Rolle in Theorien der Wissenschaftsentwicklung (Kuhn, 1970), der biologischen Evolution (Levins & Lewontin, 1985), der Geschlechterverhältnisse (Firestone, 1970) und, in jüngerer Zeit, der Entwicklung des Denkens bei Erwachsenen (Basseches, 1984). Wells (1972, zitiert in Kegan, 1982) verzeichnet im Verlauf der letzten 150 Jahre eine Zuwendung zu dialektischen Ansätzen in fast allen Sozial- und Naturwissenschaften".
        In den 80er Jahren stellte Linehan fest, dass einerseits die Verhaltenstherapie bei Borderlinepatientinnen anwendbar war, sie andererseits aber auch eine Reihe von anderen Methoden und Techniken anwendete, S. 23: "Zu diesen Techniken zählte unter anderem die beiläufige Übertreibung der Bedeutung von Ereignissen (ähnlich wie bei Whitaker, 1975, S. 12-13) ... Ein Kollege und ich haben später das Verhältnis zwischen DBT und paradoxen Interventionen genauer ausgearbeitet (Shearin & Linehan, 1989). ... Diese psychotherapeutische Beziehung zwischen den Gegensätzen, die in dem Begriff „Dialektik“ enthalten ist, wurde immer wieder seit den frühen Schriften von Freud betont (Seltzer, 1986). ...  Sowohl das Geschlecht als auch die soziale Klasse beeinflussen massiv, wie jemand das eigene Selbst definiert und erlebt. Frauen tendieren ebenso wie andere Individuen mit geringerer sozialer Macht zu einem relationalen oder sozialen Selbst (ein Selbst, das die Gruppe mit einschließt), im Gegensatz zu einem individualisierten Selbst (das die Gruppe nicht miteinschließt) (McGuire & McGuire, 1982; Pratt, Hunsberger & Manchester, 1990). Die Bedeutung eines relationalen oder sozialen Selbst unter Frauen wurde von vielen feministischen Autorinnen hervorgehoben; die bekannteste unter ihnen ist wohl Gilligan (1982). Am überzeugendsten ist die feministische Position wahrscheinlich von Lykes (1985) vertreten worden, die „das Selbst als Gesamtheit sozialer“ definierte (S. 364). Ich möchte noch einmal hervorheben, daß Lykes und andere feministische Autorinnen nicht nur von der Bedeutung der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen autonomen Individuen sprechen, sondern von einem sozialen oder relationalen Selbst, das für sich bereits „ein zusammenarbeitendes Netzwerk von Beziehungen, eingebettet in ein ausgeklügeltes System sozialen Austausches und sozialer Verpflichtungen“ darstellt (Lykes, 1985, S. 362).   ... Ein solches relationales Selbst (oder, in Sampsons Worten, „eingebetteter Individualismus“) findet sich in der Mehrzahl der Gesellschaften, sowohl in der Geschichte als auch über verschiedene Kulturen hinweg (Sampson, 1988).
    Diese kontextuellen Faktoren sind insbesondere dann zu beachten, wenn ein kulturelles Konstrukt wie „das Selbst“ zur Erklärung und Beschreibung eines anderen kulturellen Konstruktes wie „seelische Gesundheit“ herangezogen wird. Die traditionelle Definition von „Selbst“ mag zwar für einige Individuen in der westlichen Gesellschaft angemessen sein, wir müssen aber immer bedenken, daß unsere Definitionen und Theorien nicht universell sind, sondern Produkte unserer westlichen Gesellschaft und sich daher für viele Personen als Eine zentrale dialektische Vorstellung ist die, daß jeder Proposition ihre eigene Opposition innewohnt. Goldberg (1980) drückt diese Vorstellung in folgenden Worten aus: unangemessen erweisen können. Wie Heidi Heard und ich an anderer Stelle ausgeführt haben (Heard & Linehan, 1993), könnten die Schwierigkeiten von Borderline-Patientinnen zum Teil aus dem Konflikt zwischen einem relationalen Selbst und einer Gesellschaft, die nur das individuelle Selbst anerkennt und belohnt, resultieren. Ich werde auf diesen Punkt später in diesem Kapitel und in Kapitel 3 genauer eingehen. ...  Eine zentrale dialektische Vorstellung ist die, daß jeder Proposition ihre eigene Opposition innewohnt. Goldberg (1980) drückt diese Vorstellung in folgenden Worten aus:   ...  Eine Reihe anderer Theoretiker haben die Rolle des Gedächtnisses für emotionale Ereignisse (Lumsden, 1991), insbesondere zwischenmenschliche Situationen (Adler, 1985), für die Entstehung und Aufrechterhaltung der BPS betont. Mark Williams (1991) geht diesbezüglich von Mängeln des autobiographischen Gedächtnisses aus. Das Gedächtnis muß ja erst auf die vergangenen Ereignisse und früheren Beziehungen zurückgreifen können, damit sie die Gegenwart relativieren und in sie integriert werden können. ... "

         Ende Linehan



    Dialektisch Behaviorale Therapie im Woerterbuch der Psychotherapie
    Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT; >Verhaltenstherapie). Therapieform für >Borderline-Persönlichkeitsstörungen  (BPS),entwickelt von Linehan (1993). Integration eines breiten Spektrums therapeutischer Techniken aus primär kognitiven (> Kognitive Therapie)  und  verhaltenstherapeutischen, aber auch interpersonellen, hypnotherapeutischen und psychodynamischen Schulen. DBT geht von der Hypothese aus, daß es sich bei der BPS primär um eine  Störung  der  Emotions- und  Spannungsregulation  handelt. Hohe emotionale Vulnerabilität  –  neurobiologisch  oder traumatisch bedingt – und eine sogenannte invalidierende Umgebung (Umgebung, die Wahrnehmungen und Gefühle des Kindes nicht validiert, sondern mißachtet, bestraft oder verzerrt) sind nach Linehan für die Entwicklung einer BPS ausschlaggebend. In der Therapie soll die Akzeptanz situationsadäquater Emotionen ermöglicht werden. Die Therapie ist in Ablauf und Inhalten klar strukturiert. Der  Fokus der Behandlung liegt auf der Verhaltensebene; Techniken wie  >Verhaltensanalysen,  >Exposition, >Problemlösungstraining  und  soziales Kompetenztraining  kommen im Einzel- und Gruppensetting zur Anwendung. Neben der hohen Relevanz der therapeutischen  Beziehung (nicht nur als Basis, sondern  auch als positiver und negativer Verstärker)  betont die DBT die Akzeptanz auch  maladaptiven Verhaltens (keine Veränderung  ohne  Akzeptanz). In der ersten Phase der Therapie werden ausschließlich dysfunktionale Verhaltensmuster  (suizidales / parasuizidales Verhalten, therapiegefährdendes Verhalten  und  Verhalten, das die Lebensqualität beeinträchtigt) bearbeitet. In dieser Phase soll  unter anderem die Belastbarkeit erhöht und damit die Voraussetzung für die zweite Therapiephase geschaffen werden, in der eventuell stattgefundene sexuelle, physische oder emotionale Mißhandlungen sowie grobe Vernachlässigungen  fokussiert werden. Die abschließende dritte Phase dient der Integration des Erlernten.
        Bohus  M,  Berger  M  (1996)  Die Dialektisch Behaviorale Psychotherapie nach M. Linehan. Nervenarzt  67:  911–923. Linehan M [1993] (1996) Dialektisch  Behaviorale Therapie der  Borderline-Persönlichkeitsstörungen. München, Karl Sulz Verlag Ulrike Demal"
        Quelle: Stumm, G. & Pritz, A. (1999, 2007). Wörterbuch der Psychotherapie. Berlin: Springer. S. 131
      Kommentar: Das spezifisch Dialektische wird in diesem Eintrag nicht erörtert.



    Zur näheren Sichtung vorgemerkt Borderline-Störung und DBT  [i]
    • G. Dammann, J. F. Clarkin, H. Kächele: Psychotherapieforschung und Borderline-Störung: Resultate und Probleme. In: O. F. Kernberg, B. Dulz, U. Sachsse (Hrsg.): Handbuch der Borderline-Störungen. Schattauer Verlag, 2000, S. 701–730
    • Kröger, Christoph  & Unckel, Christine (2006, Hrsg.) Borderline-Störung: Wie mir die dialektisch-behaviorale Therapie geholfen hat. Göttingen: Hogrefe. [GB]
    • Sterren, Anja?; Heldner- Metzger, Franziska (Dir.) Wirksamkeit der Dialektisch- Behavioralen Therapie auf suizidales und selbstverletzendes Verhalten bei Borderline- Patienten : systematische Literaturübersicht Mémoire de bachelor : Haute Ecole de Santé Valais, 2011. Problembeschreibung: Suizidale und selbstverletzende Patienten mit der Borderline- Persönlichkeitsstörung zählen in der Pflege zu den sogenannten schwierigen Patienten. Pflegende werden in ihrem therapeutischen Handeln hinterfragt und teils an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht, was zu einem therapiegefährdendem Verhalten gegenüber dem Patienten führen kann. In der Behandlung der...
    • Verhaltensänderung in der Dialektisch-Behavioralen Therapie. DBT-Techniken und Problemlösungsstrategien erfolgreich anwenden. Stuttgart: Schattauer, 2017. XII, 252 Seiten. Gebundene Ausgabe.




    Kegans konstruktivistisches Entwicklungsmodell in der systemisch-konstruktiven Arbeit [s]
    "Dialektik (DialonS) zwischen Zugehörigkeit und Selbstständigkeit  Oder anders ausgedrückt: Ich und die Anderen wohl auch als zentrales Thema der Psychologie.  [Verweis auf Helm Stierlin: Ich und die Anderen] Weitere Begriffspaare: Autonomie und Anpassung – Differenzierung und Integration – Lösung und Bindung In diesem Dialektikprozess (DialProz)  löst sich  - so Kegan - der Mensch immer mehr von der Umwelt und integriert dabei zunehmend Aspekte aus der Umwelt. (Verträgt sich diese Vorstellung mit der systemtheoretischen Unterscheidung von Umwelt und Person?)"
        Quelle: Kann das ‚konstruktivistische’ Entwicklungsmodell von Robert Kegan für die systemisch -konstruktivistische Beratung bzw. Therapie nützlich sein? Ein Diskussionsbeitrag auch zu einem gleichnamigen Forum im September 2014 im ISS von Helmut Rutscher
    https://www.systemischestudien.de/fileadmin/redakteur/PDF/Brutscher_Entwicklungsmodell.pdf
     


    Dialektische Psychotherapie Ein entwicklungsorientierter Empowerment-Ansatz [i]
    Markus Frauchiger, lic.phil.
    Eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut
    Fachpsychologe für Psychotherapie FSP
    http://www.dialektische-psychotherapie.de/



    Egger dialektische Erkenntnismethoden in der integrativen Verhaltenstherapie
    "Integrative Verhaltenstherapie als  psychologische Psychotherapie – eine Kurzcharakteristik
        Im Abschnitt Verhaltenstherapie und andere Therapietraditionen, S. 149:
    "Nach Pieringer & Egger (2000) gelingt für die aktuelle, erweiterte, integrative Verhaltenstherapie  (als  empirisch-psychologische Tradition) der Nachweis aller vier primären Erkenntnismethoden, bei deutlicher Priorität der empirisch-analytischen  Erkenntnismethode. Damit verbunden ist ein im Vergleich zu  allen  anderen Psychotherapierichtungen markanter erfahrungswissenschaftlicher Forschungsvorsprung auf  (s. Grawe 1998). Die verhaltenstheoretische  Gruppe zeichnet sich überdies durch eine Zunahme an phänomenologischen und auch dialektischen Erkenntnismethoden (DialErkMeth) in den letzten drei Jahrzehnten aus (z.B. in  der multimodalen Therapie  von Lazarus, der dialektisch-behavioralen Therapie von Linehan (DialDBT) und v.a. in den kognitiven Therapien von z.B. Beck, Meichenbaum, Mahoney; den schematheoretischen und plananalytischen Konzepten von Young oder Caspar und in Selbstorganisations- bzw. systemischen Ansätzen von Kanfer et al.)."
        Quelle: Egger, J. W. (2015) Integrative Verhaltenstherapie und psychotherapeutische Medizin, Integrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratung, DOI 10.1007/978-3-658-06803-5_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015.



    Psychoanalyse-Materialien
    Hegel und die PsychoanalytikerInnen sollten sich bestens verstehen: beide halten ihr subjektives Denken, Meinen und Phantasieren - wie übrigens auch nicht wenige Psychiater - für Wissenschaft. Das geht schon auf Freud (Junktim) zurück. Dies untermauern auch die Arbeiten Von Gottfried Fischer. Eine der ersten größeren Arbeiten stammt von Wilhelm Reich aus dem Jahre 1934:

    Die Dialektik im Seelischen von Wilhelm Reich (1934)  [ts]

    S. 25-:
    "Versuchen wir es nun an einigen typischen Vorgängen im menschlichen Seelenleben, die die Analyse aufgezeigt hat, ihre Dialektik (DialPAonS) nachzuweisen, die unserer Behauptung nach ohne die psychoanalytische Methode nicht hätte zutage treten können.
        Zunächst als Beispiel für die dialektische Entwicklung die Symptombildung in der Neurose (DialPAsymp), wie sie von Freud zuerst erfasst und beschrieben wurde. Nach Freud entsteht ein neurotisches Symptom dadurch, dass das gesellschaftlich gebundene Ich eine Triebregung zunächst abwehrt und dann verdrängt. Die Verdrängung einer Triebregung allein macht aber noch kein Symptom, dazu ist notwendig, dass der verdrängte Trieb die Verdrängung wieder durchbreche und in verstellter Form als Symptom erscheine. Das Symptom enthält nach Freud sowohl die abgewehrten Triebregungen als auch die Abwehr selbst; das Symptom trägt also den beiden entgegengesetzten Tendenzen Rechnung. Worin liegt nun die Dialektik der Symptombildung (DialPAsymp)? Das Ich des betreffenden Menschen steht unter dem Drucke eines "psychischen Konfliktes". Die widerspruchsvolle Situation, auf der einen Seite der Triebanspruch, auf der anderen die Realität, die die Befriedigung verweigert oder bestraft, verlangt nach einer Lösung. Das Ich ist zu schwach, um der Realität zu trotzen, aber auch zu schwach, um den Trieb zu beherrschen. Diese Schwäche des Ichs, welche selbst bereits eine Folge einer vorausgegangenen Entwicklung ist, für die die Symptombildung nur eine Phase bedeutet, diese Schwäche ist also der Rahmen, innerhalb dessen sich der Konflikt abspielt; er wird nun auf die Weise erledigt, dass das Ich im Dienste der gesellschaftlichen Forderung, in Wirklichkeit, [>26] um nicht unterzugehen oder bestraft zu werden, also aus Selbsterhaltungstrieb, den Trieb37 verdrängt  ). Die Verdrängung ist also die Folge eines Widerspruches (DialPAVerdr), der unter der Bedingung der Bewusstheit nicht zu lösen ist. Das Unbewusst werden des Triebes ist eine vorläufige, wenn auch pathologische Lösung des Konfliktes (DialPAVerdr). Zweite Phase: Nach der Verdrängung des Wunsches, der vom Ich ebenso verneint, wie bejaht wurde, ist das Ich selbst verändert, sein Bewusstsein ist um einen Bestandteil (Trieb) ärmer und um einen anderen (vorübergehende Ruhe) reicher. Der Trieb kann aber in der Verdrängung ebenso wenig auf die Befriedigung verzichten, wie im Zustande des Bewusstseins, eher weniger, weil er jetzt nicht einmal der Kontrolle des Bewusstseins ausgesetzt ist. Die Verdrängung setzt ihren eigenen Untergang, da infolge der Verdrängung die Triebenergie mächtig gestaut wird, um schließlich die Verdrängung zu durchbrechen. Der neue Prozess des Durchbruchs der Verdrängung ist Resultat des Widerspruches: Verdrängung - Triebstauung, wie die Verdrängung selbst Folge des Widerspruches: Triebwunsch - Versagung der Außenwelt (unter der Bedingung: Schwäche des Ichs) war. Es besteht also nicht etwa eine "Tendenz" zur Symptombildung, sondern die Entwicklung erfolgt, wie wir sehen konnten, aus den Widersprüchen des seelischen Konfliktes (WPASK). Mit der Verdrängung war auch die Bedingung ihres Durchbruches, die Aufstauung der Energie des unbefriedigten Triebes gegeben. Ist mit dem Durchbruch der Verdrängung in der zweiten Phase der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt? Ja und nein. Ja insofern, als der Trieb wieder das Ich beherrscht, nein insofern, als er eben verändert, in verstellter Form im Bewusstsein ist, als Symptom. Dieses enthält das Alte, den Trieb, aber gleichzeitig auch seinen Gegensatz, die Abwehr des Ichs. In der dritten Phase (Symptom) sind also die ursprünglichen Gegensätze vereint in einer und derselben Erscheinung. Diese selbst ist Negation (Durchbruch) der Negation (der Verdrängung). Machen wir vorläufig halt, um das an einem konkreten Beispiel der psychoanalytischen Erfahrung zu demonstrieren.
        Nehmen wir den Fall einer verheirateten Frau, die Angst vor Einbrechern hat, die sie mit Messern überfallen könnten. Sie kann etwa nicht allein im Zimmer bleiben und vermutet in jedem Versteck einen grausamen Einbrecher. Die Analyse dieser Frau eines Arbeiters ergab folgendes:

    1. Phase: Psychischer Konflikt () und Verdrängung:
    Die Frau hat einen Mann vor ihrer Heirat kennen gelernt, der sie mit Anträgen verfolgte, denen sie gern gefolgt wäre, wenn sie nicht moralisch gehemmt gewesen wäre. Die Erledigung dieses Konfliktes () konnte sie mit der Tröstung auf spätere Heirat verschieben. Der Mann wandte sich ab, sie heiratete einen anderen, ohne den ersten vergessen zu können. Der Gedanke an ihn störte sie unausgesetzt. Als sie ihm einmal wieder begegnete, geriet sie neuerdings in schweren Konflikt () zwischen ihrem Verlangen nach ihm und ihrer Forderung nach ehelicher Treue. Unter diesen Bedingungen wurde der Konflikt () unerträglich und unlösbar, das Verlangen nach ihm war ebenso stark wie ihre Moral. Sie begann, ihn zu meiden (Abwehr) und schließlich vergaß sie ihn scheinbar. Das war aber kein wirkliches Vergessen, sondern nur ein Verdrängen (). Sie glaubte sich geheilt und dachte bewusst nicht mehr an ihn.

    2. Phase: Durchbruch der Verdrängung  ():
    Einige Zeit später hatte sie einen heftigen Streit mit ihrem Mann, weil er mit einer anderen Frau flirtete. Im Verlaufe des Streites hatte sie sich, wie sich viel später herausstellte, gedacht: "Wenn du darfst, so bin ich dumm, wenn ich es mir nicht auch erlaube"; dabei hatte sie momentan das Bild des ersten Geliebten vor sich. Der Gedanke war aber zu gefährlich, konnte er doch den ganzen alten Konflikt wieder heraufbeschwören, und so beschäftigte sie der Gedanke bewusst nicht weiter: Sie hatte ihn aufs neue verdrängt. Aber in der Nacht trat ein Angstzustand auf; sie hatte plötzlich die Idee, dass ein fremder Mann sich an ihr Bett heranschleiche, um sie zu vergewaltigen. Der Trieb war in verstellter Form, ja mehr, als sein direktes Gegenteil wieder ins Bewusstsein gedrungen; an Stelle des Wunsches nach dem fremden Mann hatte sie Angst vor ihm. Diese Verstellung war (3. Phase) Grundlage ihrer Symptombildung. Analysieren wir jetzt das Symptom selbst, so sehen wir in der Phantasievorstellung, dass ein fremder Mann sich in der Nacht an ihr Bett schleicht, die Erfüllung des verdrängten Wunsches, den Ehebruch zu begehen (die Analyse ergab in den Details, dass sie, ohne es zu wissen, ihren ersten Geliebten phantasierte: Gestalt, Haarfarbe usw. waren die gleichen). In dem gleichen Symptom ist aber auch die Abwehr enthalten, die Angst vor dem Trieb, die als Angst vor dem Mann erscheint. Später schwand das Element "vergewaltigt werden" aus der Angst und wurde durch "ermordet" ersetzt, entsprach also einer weiteren Verstellung des bisher zu deutlichen Inhalts des Symptoms.
        Wir sehen an diesem Beispiel nicht nur ursprünglich getrennte Gegensätze in einem Phänomen vereint, sondern auch die Verwandlung eines Phänomens in sein Gegenteil (), des Wunsches in Angst. Bei dieser Umwandlung der sexuellen Energie in Angst (), einer der ersten und grundlegendsten Funde Freuds, liegt der Tatbestand vor, dass die gleiche Energie unter der einen Bedingung das gerade Gegenteil von dem unter einer anderen Bedingung Erscheinenden erzeugt.
        Noch ein anderer dialektischer Erfahrungssatz () kommt in unserem Beispiel zum Ausdruck. Im Neuen, im Symptom, ist das Alte, der Sexualwunsch, vorhanden, und dennoch ist das Alte nicht mehr es selbst, sondern gleichzeitig etwas völlig Neues, nämlich Angst. Der dialektische Gegensatz () von Libido und Angst lässt sich aber noch anders auflösen, nämlich 38 aus dem Gegensatz von Ich und Außenwelt  ). Ehe wir aber dazu übergehen, wollen wir an einigen kleineren Beispielen weitere Dialektik im Seelischen () zeigen. Zum Umschlagen der Quantität in Qualität (): Die Verdrängung einer Triebregung aus dem Bewusstsein oder auch die bloße Unterdrückung ist bis zu einem gewissen Grade für das Ich lustvoll, weil es einen Konflikt () beseitigt; über einen bestimmten Grad hinaus aber schlägt die Lust in Unlust um. Geringes Reizen einer zur Endbefriedigung nicht fähigen erogenen Zone ist lustvoll; dauert die Reizung zu lange, so schlägt die Lust in Unlust um ().
        Dialektische Vorgänge sind ferner die Spannung und Entspannung (). Das lässt sich am Sexualtrieb am besten zeigen. Die Spannung einer sexuellen Erregung erhöht die Begierde, baut aber gleichzeitig die Spannung durch Befriedigung in der Reizung ab, ist also gleichzeitig Entspannung (). Die Spannung bereitet aber auch die kommende Entspannung vor, wie etwa die mechanische Spannung der Uhrfelder ihre Entspannung vorbereitet. Umgekehrt ist die Entspannung mit höchster Spannung verbunden --- etwa im Sexualakt, oder die entspannende Spannung bei einem aufregenden Drama ---, sie ist aber auch die Grundlage für erneute Spannung.
        Der Satz von der Identität der Gegensätze () lässt sich an den Vorgängen der narzisstischen Libido und der Objektlibido zeigen. Nach Freud sind die Selbstliebe und die Liebe zum Objekt nicht nur Gegensätze (); die Objektliebe entsteht aus der narzisstischen Libido und kann jederzeit in sie zurückverwandelt werden; sofern aber beide Liebestendenzen darstellen, sind sie identisch; nicht zuletzt gehen sie auch auf eine gemeinsame Quelle, den somatischen Sexualapparat und den "Urnarzissmus" zurück. - Ferner die Begriffe "Bewusstes" und "Unbewusstes": Sie sind Gegensätze, aber an der Zwangsneurose () lässt sich zeigen, dass sie zugleich gegensätzlich und identisch sein können (). Diese Kranken verdrängen Vorstellungen in der Weise aus ihrem Bewusstsein, dass sie der Vorstellung nur die Aufmerksamkeit, d. h. die Affektbesetzung entziehen; die "verdrängte" Vorstellung ist jederzeit bewusst und doch unbewusst, d. h. der Kranke kann sie produzieren, aber er kennt ihre Bedeutung nicht. - Die Begriffe Es und Ich drücken ebenfalls identische Gegensätze aus: Das Ich ist einerseits nur ein besonders differenzierter Teil, wird aber gleichzeitig unter dem Einfluss der Außenwelt ein Gegner, funktioneller Widerpart des Es.
        Der Begriff der Identifizierung entspricht nicht nur einem dialektischen Vorgang (), sondern auch einer Identität von Gegensätzen. Die Identifizierung kommt nach Freud so zustande, dass man etwa eine Erziehungsperson, die gleichzeitig geliebt und gehasst wird, "in sich aufnimmt" (sich mit ihr "identifiziert"), d. h. ihre Eigenschaften oder Gebote zu den eigenen macht. Dabei geht gewöhnlich die Objektbeziehung zugrunde. Die Identifizierung löst den Zustand der Objektbeziehung ab, ist also ihr Gegensatz, ihre Verneinung, aber gleichzeitig eine Aufrechterhaltung der Objektbeziehung in anderer Form, also auch eine Bejahung (). Dem liegt folgender Widerspruch () oder Konflikt () zugrunde: "Ich liebe X; als mein Erzieher verbietet er mir sehr viel, weswegen ich ihn hasse; ich möchte ihn zerstören, beseitigen, aber ich liebe ihn auch, will ihn also auch erhalten." Aus dieser widerspruchsvollen Situation (), die als solche bei einer gewissen Intensität der gegensätzlichen Regungen nicht bestehen bleiben kann, gibt es folgenden Ausweg. "Ich absorbiere ihn, ich "identifiziere" mich mit ihm, ich vernichte ihn (d. h. meine Beziehung zu ihm) in der Außenwelt, behalte ihn aber in mir in einer veränderten Form weiter; ich habe ihn vernichtet und doch behalten ()."
        In denjenigen Tatbeständen, die in der Psychoanalyse mit dem Begriffe der Ambivalenz, des gleichzeitigen Ja und Nein erfasst werden (), gibt es noch eine Fülle dialektischer Phänomene (), von denen wir nur das hervorstechendste, die Verwandlung von Liebe in Hass und umgekehrt hervorheben. Hass kann in Wirklichkeit Liebe bedeuten und umgekehrt. Sie sind identisch, sofern beide intensive Bindungen an den Nebenmenschen ermöglichen (). Die Verkehrung ins Gegenteil ()ist eine Eigenschaft, die Freud den Trieben im allgemeinen zuschreibt. Bei der Verkehrung geht aber das Alte nicht unter, sondern bleibt in seinem Gegenteil voll erhalten.
        Auch die Gegensätze Perversion und Neurose sind dialektisch aufzulösen, indem jede Neurose eine negierte Perversion ist und umgekehrt ().
        Ein schönes Beispiel dialektischer Entwicklung () lässt sich an der säkularen Sexualverdrängung () zeigen. Bei den Primitiven besteht ein scharfer Gegensatz zwischen dem Inzesttabu hinsichtlich der Schwester (und Mutter) und der sexuellen Freiheit hinsichtlich der übrigen Frauen. Die Sexualeinschränkung breitet sich aber immer mehr aus, betrifft zunächst nur noch die Cousinen, später alle Frauen der gleichen Gens-, schlägt schließlich bei weiterer Ausbreitung in eine qualitativ andere Einstellung zur Sexualität überhaupt um, wie etwa im Patriarchat und besonders im Zeitalter des Christentums. Die stärkere Verdrängung der Sexualität überhaupt erzeugt aber ihren Gegensatz in der Form, dass heute das Tabu die Beziehungen zwischen Bruder und Schwester für die Kindheit de facto durchbrochen ist. Die Erwachsenen wissen infolge der überstarken Sexualverdrängung überhaupt nichts mehr von der kindlichen Sexualität, so dass heute sexuelle Spiele zwischen Bruder und Schwester nicht als sexuell angesehen werden und zu den Selbstverständlichkeiten auch der "vornehmsten" Kinderstube gehören. Der Primitive darf seine Schwester nicht einmal anschauen, ist aber im übrigen sexuell ungebunden; der Zivilisierte lebt seine kindliche Sexualität an seiner Schwester aus, ist aber sonst durch schärfste moralische Gebote gebunden39 ).
        Gehen wir nun zur Frage über, inwieweit die Psychoanalyse die Dialektik des Seelischen () auch hinsichtlich der allgemeinen Entwicklung des Individuums in der Gesellschaft aufgezeigt hat. Wir werden dabei zwei wesentliche Fragen zu behandeln haben.
        Erstens, ob die Dialektik des Seelischen () sich nicht auf den (wieder auflösbaren) Urgegensatz von Ich (Trieb) und Außenwelt () zurückführen lässt.
        Zweitens, wie sich die rationale und die irrationale Betrachtung individueller Gegebenheiten widersprechen und doch ineinander übergehen ().
        Wir führten bereits im ersten Abschnitt die Auffassung der Psychoanalyse Freuds aus, dass das Individuum in seelischer Hinsicht als ein Bündel von Bedürfnissen und ihnen entsprechenden Trieben zur Welt kommt. Mit diesen Bedürfnissen ist es als vergesellschaftetes Wesen sofort in die Gesellschaft hineingestellt, nicht nur in die engere Gesellschaft der Familie, sondern mittelbar, durch die ökonomischen Bedingungen des Familiendaseins, auch in die weitere Gesellschaft. Auf die einfachste Formel gebracht, tritt die ökonomische Struktur der Gesellschaft - durch viele Zwischenglieder hindurch: Klassenzugehörigkeit der Eltern, ökonomische Verhältnisse der Familie, Ideologien, Verhältnis der Eltern zueinander usw. - in eine Wechselwirkung mit dem Trieb-Ich des Neugeborenen. So wie dieses seine Umgebung verändert, wirkt die veränderte Umgebung auf es zurück. Die Bedürfnisse werden zum Teil befriedigt, insofern herrscht Einklang. Zum größeren Teil aber entsteht ein Gegensatz zwischen den Triebbedürfnissen und der gesellschaftlichen Ordnung, als deren Repräsentant wie gesagt die Familie (später die Schule) fungiert. Dieser Gegensatz ergibt einen Konflikt, der zu einer Veränderung führt, und da das Individuum der schwächere Gegner ist, zu einer Veränderung in seiner psychischen Struktur. Solche Konflikte infolge von Gegensätzen, die bei gleichbleibender Struktur des Kindes unlösbar sind, entstehen täglich und stündlich und bilden das eigentlich vorwärtstreibende Element. Man spricht in der Psychoanalyse zwar von einer Anlage, von Entwicklungstendenzen und anderem, aber die Tatsachen, die bisher über die frühkindliche Entwicklung in Erfahrung gebracht wurden, sprechen nur für die oben geschilderte dialektische Entwicklung, für die Fortbewegung in Gegensätzen von Stufe zu Stufe. Man unterscheidet Entwicklungsstufen der Libido, sagt, die Libido "durchlaufe" diese Entwicklungsstufen; aber die Beobachtung zeigt, dass keine Stufe ohne Versagung der Triebbefriedigung auf der vorhergehenden wirklich aktiviert wird. So wird die Versagung der Triebbefriedigung durch den Konflikt, den sie im Kinde erzeugt, der Motor seiner Entwicklung. Wir vernachlässigen den durch die Vererbung festgelegten Teil an dieser Entwicklung, den man, wie etwa die Anlage der erogenen Zonen und des Wahrnehmungsapparates, schwer als solchen rein darstellen kann. Er bildet noch ein recht dunkles Gebiet biologischer Forschung. Die Frage nach der Natur seiner Dialektik gehört nicht hierher. Wir haben mit ihm zu rechnen, begnügen uns aber im übrigen mit der Formel Freuds, dass an der Entwicklung die Triebanlage in der gleichen Weise wie das Erlebnis beteiligt ist40).
        Unter den Erlebnissen nehmen neben den Triebbefriedigungen die Triebversagungen eine hervorragende Rolle als Motoren der Entwicklung ein. Der Gegensatz zwischen dem Trieb-Ich und der Außenwelt wird schließlich zu einem inneren Widerspruch (), indem sich eben unter dem Einfluss der Außenwelt ein hemmendes Organ im seelischen Apparat auszubilden beginnt, das Über-Ich. Was ursprünglich Angst vor Strafe war, wird zur moralischen Hemmung. Der Konflikt zwischen Trieb und Außenwelt wird zu einem Konflikt zwischen Trieb-Ich und Über-Ich. Wir vergessen aber nicht, dass beide materieller Natur sind, dass jenes direkt organisch gespeist ist, dieses letzten Endes im Interesse der Selbsterhaltung im Ich aufgerichtet wurde. Der Selbsterhaltungstrieb (Narzissmus) schränkt den Sexualtrieb und die Aggressivität ein. So treten zwei grundliegende Bedürfnisse, die ursprünglich im Säuglingsstadium und auch noch später in vielen Situationen eine Einheit bilden, in Gegensatz zu einander und treiben von Konflikt zu Konflikt die Entwicklung vorwärts, aber nicht nur anlässlich, sondern geradezu durch die gesellschaftliche Gebundenheit41 ). Bestimmt der innere und der äußere Konflikt die Entwicklung ganz allgemein, so erfüllt das gesellschaftliche Sein sowohl die Triebziele als auch die moralischen Hemmungen mit ihren zeitgemäßen Vorstellungen und Inhalten. Die Psychoanalyse kann also den Satz von Marx, dass das Sein das "Bewusstsein", das heißt die Vorstellungen, Ziele der Triebe, die moralischen Ideologien usw. bestimmt, und nicht umgekehrt, voll bestätigen. Sie erfüllt nur noch diesen Satz hinsichtlich der kindlichen Entwicklung mit konkretem Inhalt. Das schließt aber nicht aus, dass sowohl die Intensität der Bedürfnisse, die somatisch bedingt ist, als auch qualitative Differenzen der Entwicklung durch den Triebapparat verursacht werden. Das ist keine "idealistische Entgleisung", wie mir manche Marxisten in Diskussionen über diesen Gegenstand vorhielten, sondern entspricht völlig dem Marxschen Satz, dass die Menschen selbst ihre Geschichte machen, nur unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen gesellschaftlicher Natur42). Engels verwahrt sich in einem Briefe ausdrücklich gegen die Auffassung, dass die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens das einzig bestimmende Moment der Entwicklung der Ideologien sein sollte. Es sei nur das in letzter Instanz bestimmende Moment43).
        Ins Soziologische übersetzt, bedeutet die zentrale These Freuds von der Bedeutung des Ödipuskomplexes für die Entwicklung des Individuums nichts anderes, als dass das gesellschaftliche Sein diese Entwicklung bestimmt. Die menschlichen Anlagen und Triebe, leere Formen für aufzunehmende gesellschaftliche Inhalte, gehen durch die (gesellschaftlichen) Schicksale der Beziehungen zu Vater, Mutter und Erziehungspersonen durch und gewinnen erst jetzt ihre endgültige Form und ihre Inhalte.
        Die Dialektik der seelischen Entwicklung zeigt sich nicht nur darin, dass sich aus jeder Konfliktsituation, je nach dem Kräfteverhältnis der Gegensätze gegensätzliche Ergebnisse bilden können, sondern die klinische Erfahrung weist auch nach, dass Charaktereigenschaften in entsprechenden Konfliktsituationen in ihr gerades Gegenteil umschlagen können, das keimhaft bereits bei der ersten Konfliktlösung vorhanden war (). Ein grausames Kind kann der mitleidvollste Mensch werden, nicht ohne dass eine eingehende Analyse im Mitleid die alte Grausamkeit nachweisen könnte. Das schmutzliebende Kind kann später ein Reinlichkeitspedant, das neugierige ein peinlich diskreter Mensch sein. Sinnlichkeit schlägt leicht in Askese um. Ja, je intensiver eine Eigenschaft zur Entfaltung kommt, desto leichter schlägt sie bei entsprechenden Anlässen ins Gegenteil um (Reaktionsbildung) (DialPARb).
        Im Fortschreiten der Entwicklung geht aber andererseits das Alte nicht ganz durch Umwandlung verloren. Während ein Teil der Eigenschaften sich ins Gegenteil umbildet, bleibt ein anderer unverändert bestehen, nicht ohne im Laufe der Zeit formale Wandlungen infolge der Veränderung der Gesamtpersönlichkeit zu erleiden. Der Freudsche Begriff der Wiederholung spielt in der Psychologie der seelischen Entwicklung eine große Rolle und erweist sich bei genauer Betrachtung als durchaus dialektisch44). Das Wiederholte ist nämlich immer sowohl das Alte als auch durchaus Neues, Altes in neuem Gewande oder neuer Funktion. Das sahen wir schon beim Symptom. So ist es aber auch bei der Sublimierung (DialPAsublim). Wenn ein Kind, das gern mit Kot spielte, später ebenso gern Burgen aus nassem Sand baut und als Erwachsener schließlich dazu gelangt, ein großes Interesse für Bauten zu entwickeln, so ist in allen drei Phasen das Alte erhalten und doch in anderer Form und anderer Funktion. Ein anderes Beispiel ist die Geschichte des Chirurgen oder des Frauenarztes; der erste sublimiert etwa seinen Sadismus im Operieren, dieser seine infantile Schau- und Tastlust. Die Beurteilung der Richtigkeit dieser Befunde kann nicht Sache der methodologischen, sondern einzig der empirischen Kritik sein. Wer keinen Chirurgen analysiert hat, kann diese Behauptung nicht bestreiten. Aber methodologisch kann er einen wichtigen Einwand erheben, nämlich die Abhängigkeit der Tätigkeit des Menschen von den ökonomischen Daseinsbedingungen. Die Psychoanalyse behauptet aber nicht mehr, als dass diese oder jene Kräfte in der Tätigkeit wirken45). Neben diesem subjektiven Drang ist die Sublimierungsform natürlich durchaus ökonomisch bedingt, denn darüber, ob ein Mensch seinen Sadismus als Schlächter, als Chirurg oder als Detektiv sublimiert, entscheidet vor allem seine gesellschaftliche Stellung. Es kann auch eine Sublimierung aus gesellschaftlichen Gründen unmöglich werden, das führt dann zu einer Unzufriedenheit mit dem gesellschaftlich aufgezwungenen Beruf. Man muss ferner fragen, wie sich der unleugbar rationale Charakter der Tätigkeit mit ihrem ebenso unleugbar irrationalen Sinn verträgt. Der Maler malt, der Techniker baut, der Chirurg schneidet, der Frauenarzt untersucht doch, um das Leben zu bestreiten, also aus ökonomischen, aus rationalen Gründen. Überdies ist die Arbeit ein gesellschaftlicher, also ein durchaus rationaler Faktor. Wie verträgt sich das mit der Erklärung der Psychoanalyse, dass der Arbeitende in seiner Tätigkeit einen Trieb sublimiert und so befriedigt? Manche Analytiker schätzen den rationalen Charakter der menschlichen Tätigkeit nicht gebührend ein. Man kann bei ihnen eine Weltauffassung feststellen, die in den Produkten der menschlichen Tätigkeit nichts als Projektionen und Befriedigungen von Trieben sehen will46). Demgegenüber hat ein Analytiker einmal Scherzweise bemerkt, das Flugzeug sei ja zwar ein Penissymbol, aber man könne damit doch von Berlin nach Wien fliegen.
        Die Problematik der Beziehungen zwischen Rationalem und Irrationalem47) ergibt sich auch aus folgendem Tatbestand. Das Bearbeiten der Erde mit Werkzeugen und das Einpflanzen des Samens haben gesellschaftlich wie beim Einzelnen den Zweck der Produktion von Lebensmitteln. Aber es bekommt auch den symbolischen Sinn eines Inzestes mit der Mutter ("Mutter Erde''). Das Rationale zieht das Symbolische heran, es erfüllt sich mit symbolischem Sinn. Die Beziehung der rationalen Tätigkeit zum irrationalen symbolischen Sinn dieser Tätigkeit ist gegeben in der Rhythmik beider Funktionen, im Hineinbohren eines Werkzeuges in einen Stoff, im Einpflanzen des Samens und in der Produktion einer Frucht durch den so bearbeiteten Stoff. Die Symbolik ist also gerechtfertigt. Wir sehen auch, dass das anscheinend Sinnlose einen sinnvollen Kern, die Symbolik einen realen Hintergrund hat in der Tatsache, dass die Mutter ebenso wie die Erde nach Bearbeitung mit einem Werkzeug (Penissymbol) Früchte trägt. Das Aufstellen von künstlichen Phallussen auf bebauten Feldern im Sinne eines Fruchtbarkeitszaubers, eine objektiv unzweckmäßige Handlung magischer Natur, die von vielen primitiven Völkern geübt wird, beleuchtet eine bestimmte Seite der Beziehung zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen: Hier handelt es sich um einen magischen Versuch, ein bestimmtes Ziel mit irrationalen Mitteln leichter und besser zu erreichen. Deswegen wird aber das rationale Handeln, in diesem Falle das tatsächliche Umgraben und Bebauen der Erde, nicht unterlassen. Und das, was im Ackerbau als symbolisches Element irrational erscheint, nämlich der Geschlechtsverkehr, ist an sich sinnvoll und zweckmäßig; er dient der Befriedigung des Sexualbedürfnisses, wie das Säen der Selbsterhaltung dient. Wir sehen also wieder, dass es keine absoluten Gegensätze gibt, dass sich auch der Gegensatz von rational und irrational dialektisch auflösen lässt ().
        Die dialektische Tatsache, dass im Rationalen Irrationales enthalten ist und umgekehrt (), bedarf näherer Überlegung. Die Antwort darauf kann die psychoanalytische Erfahrung über klinische Einzeltatsachen geben. Sie zeigt, dass die gesellschaftlich zweckvollen Tätigkeiten des Menschen symbolischen Sinn bekommen können, aber nicht müssen. Auch wenn etwa in einem Traum ein Messer oder ein Baum erscheint, so kann das auch ein Penis - Symbol sein, muss aber nicht; es kann ein reales Messer oder ein realer Baum gemeint sein. Und wenn es als Symbol im Traume erscheint, so ist damit der rationale Sinn keineswegs ausgeschlossen, denn wenn man analytisch der Frage nachgeht, warum der Penis gerade durch einen Baum oder ein Messer dargestellt ist und nicht etwa durch einen Stab, so findet man in vielen Fällen eine rationale Begründung dafür. So masturbierte eine nymphomane Kranke mit einem Messer, das unzweifelhaft. einen Penis symbolisierte. Die Wahl des Messers war aber dadurch begründet, dass ihre Mutter ihr einmal ein Messer nachgeworfen und sie dabei verletzt hatte. In der Onanie herrschte die Idee vor, dass sie sich mit dem Messer ruinieren müsse. Dieses Handeln, das später irrational war, war ursprünglich durchaus rational, es diente nämlich der Sexualbefriedigung. Wir sehen aus diesen Beispielen und könnten an beliebig anderen zeigen, dass alles, was im Augenblicke der Betrachtung irrational erscheint, einmal rationale Funktion hatte. Hat doch jedes Symptom, an sich irrational, einen Sinn und Zweck, wenn man es analytisch auf seine Entstehung zurückführt. Das Ergebnis dieser Betrachtung ist, dass alles kindlich¬triebhafte Handeln, das im Dienste des rationalen Strebens nach Lust steht, zu irrationalem Handeln wird, wenn es das Schicksal der Verdrängung oder ein ähnliches erlitten hat. Das Rationale ist also das Primäre.
        Nehmen wir etwa das Konstruieren von Maschinen vor, so finden wir in ihm irrationale Elemente, etwa die symbolische Befriedigung eines unbewussten Wunsches. In der Sublimierung wurde eine Triebkraft, die in der Kindheit einmal rational auf Befriedigung gerichtet war, durch die Erziehung von ihrem ursprünglichen Ziel abgelenkt und auf ein anderes hingelenkt. In dem Augenblicke aber, wo das ursprüngliche Ziel real aufgegeben, in der Phantasie aber festgehalten wurde, wurde das Streben danach irrational. Findet der Trieb in der
    Sublimierung ein neues Ziel, so vermengt sich das alte, irrational gewordene Streben mit dem neuen rationalen Handeln und erscheint hier als irrationale Begründung dieses Handelns. Das sei schematisch etwa am sexuellen Wissenstrieb, der sich später in der Tätigkeit zum Beispiel des Frauenarztes auswirkt, gezeigt.
    1. Phase: Der sexuelle Wissenstrieb ist rational auf die Beobachtung des nackten Körpers und der Geschlechtsorgane gerichtet. Rationales Ziel: Befriedigung der Wissbegierde.
    2. Phase: Versagung der direkten Betätigung; der Trieb verliert seine Befriedigung, das Streben wird mit Bezug auf das aktuelle gesellschaftliche Sein irrational.
    3. Phase: Der Trieb findet eine neue Betätigung, die mit der ersten inhaltliche Beziehungen hat. Der Betreffende wird Arzt und betrachtet jetzt nackte Körper und Geschlechtsorgane wieder wie seinerzeit als Kind. Er tut also dasselbe und doch etwas anderes; sofern er dasselbe tut wie als Kind, sofern seine Tätigkeit sich auf die kindliche Situation bezieht, ist sie aktuell sinn- und zwecklos; sofern sie sich hingegen auf seine gegenwärtige gesellschaftliche Funktion bezieht, ist sie sinnvoll.
        Das bedeutet aber, dass darüber, ob eine Tätigkeit rational oder irrational ist, ihre gesellschaftliche Funktion entscheidet. Die Wandlung des Charakters einer Betätigung vom Rationalen zum Irrationalen und umgekehrt hängt auch von der momentanen gesellschaftlichen Position des Individuums ab. Die gleiche Betätigung des Arztes, die in seinem Ordinationsraum sinnlos ist, wird in seinem Privatleben etwa beim Liebesakt sinnvoll, und was dort sinnvoll war, verliert in derselben privaten Situation seinen rationalen Charakter.
        Diese Erwägungen gestatten aber die Annahme, dass die Psychoanalyse kraft ihrer Methode, die triebhaften Wurzeln der gesellschaftlichen Tätigkeit des Individuums aufzudecken und kraft ihrer dialektischen Trieblehre berufen ist, die psychische Auswirkung der Produktivkräfte im Individuum, das heißt die Bildung der Ideologien "im Menschenkopfe", im Detail zu klären. Zwischen die Endpunkte: Ökonomische Struktur der Gesellschaft und ideologischer Überbau, deren Kausalbeziehung die materialistische Geschichtsauffassung im allgemeinen erfasst hat, schaltet die psychoanalytische Erfassung der Psychologie des vergesellschafteten Menschen eine Reihe von Zwischengliedern ein. Sie kann zeigen, dass die ökonomische Struktur der Gesellschaft sich "im Kopfe des Menschen" nicht unmittelbar in Ideologien umsetzt, sondern dass das Nahrungsbedürfnis, von den jeweiligen ökonomischen Verhältnissen in seinen Äußerungsformen abhängig, die Funktionen der weit plastischeren Sexualenergie beeinflusst, und dass diese gesellschaftliche Einwirkung auf die Sexualbedürfnisse durch Einschränkung ihrer Ziele immer neue Produktivkräfte in Form sublimierter Libido in den gesellschaftlichen Prozess überführt. Teils direkt in Form von Arbeitskraft, teils indirekt in Form von höher entwickelten Ergebnissen der Sexualsublimierung, wie etwa der Religion, der Moral im allgemeinen, der Geschlechtsmoral im besonderen, der Wissenschaft usw. Das bedeutet eine sinnvolle Einordnung der Psychoanalyse in die materialistische Geschichtsauffassung an einem ganz bestimmten, ihr adäquaten Punkte; nämlich dort, wo die psychologischen Probleme beginnen, die der Marxsche Satz aufdeckt, dass die materielle Daseinsweise sich im Kopfe des Menschen in Ideen umsetzt. Der Libidoprozess in der gesellschaftlichen Entwicklung ist also sekundär, von ihr abhängig, wenn er auch selbst entscheidend in sie eingreift,
    indem die sublimierte Libido als Arbeitskraft zur Produktivkraft wird.48)
        Wenn aber der Libidoprozess49) das Sekundäre ist, so müssen wir uns nach der historischen Bedeutung des Ödipuskomplexes fragen. Wir haben gesehen, dass die Psychoanalyse alle seelischen Prozesse, wenn auch unbewusst, dialektisch auffasst (), nur der Ödipuskomplex scheint in ihrer Theorie ein Ruhepunkt mitten in den bewegten Erscheinungen zu sein. Das kann zweierlei Gründe haben. Entweder wird der Ödipuskomplex unhistorisch als unveränderte und unveränderbare, in der Natur des Menschen gegebene Tatsache aufgefasst. Der zweite Grund könnte aber sein, dass sich die Familienform, die den heutigen Ödipuskomplex begründet, seit Jahrtausenden relativ unverändert erhält. Der ersten Ansicht scheint Jones50) zu sein, der in einer Diskussion mit Malinowski51) über den Ödipuskomplex in der mutterrechtlichen Gesellschaft den Ausspruch tat, dass der Ödipuskomplex "fons et origo" von allem sei. Diese Auffassung ist zweifellos falsch, denn die heute entdeckten Beziehungen des Kindes zu Vater und Mutter als ewige, in jeder Gesellschaft gleich bleibende hinzustellen, ist nur mit der Auffassung von der Unabänderlichkeit des gesellschaftlichen Seins vereinbar. Den Ödipuskomplex verewigen heißt, die ihn begründende Familienform absolut und ewig fassen, was der Meinung gleichkäme, dass die Menschheit von Natur aus so veranlagt sei, wie sie uns heute erscheint. Die Annahme des Ödipuskomplexes stimmt für alle Formen der patriarchalischen Gesellschaft, die Beziehung der Kinder zu den Eltern ist aber nach den Forschungen Malinowskis in der mutterrechtlichen Gesellschaft so verschieden, dass sie die Bezeichnung kaum mehr verdient. Nach Malinowski ist der Ödipuskomplex eine gesellschaftlich bedingte Tatsache, die ihre Form mit der Struktur der Gesellschaft verändert. Der Ödipuskomplex muss in einer sozialistischen Gesellschaft untergehen, weil seine gesellschaftliche Grundlage, die patriarchalische Familie untergeht, ihre Daseinsberechtigung verliert. Und die beabsichtigte Gemeinschaftserziehung der Kinder ist für die Bildung von seelischen Einstellungen, wie sie heute in der Familie zustande kommen, so ungünstig, die Beziehung der Kinder untereinander und zu den Erziehern derart vielseitiger, bewegter, dass die Bezeichnung "Ödipuskomplex", die den bestimmten Inhalt hat, dass man die Mutter begehrt und den Vater als Rivalen töten will, ihren Sinn verliert. Es ist nur eine Frage der Definition, ob man den realen Inzest, wie er in der Urzeit bestand, als Ödipus- "Komplex" bezeichnen will, oder ob man diese Benennung für den versagten Inzestwunsch und die Rivalität mit dem wirklichen Vater reserviert. Das bedeutet nur eine Einschränkung der Gültigkeit einer analytischen Grundthese auf bestimmte Gesellschaftsformen. Es bedeutet aber gleichzeitig die Charakterisierung des Ödipuskomplexes als einer zumindest in seinen Formen gesellschaftlich, letzten Endes ökonomisch bedingten Tatsache. Bei der Uneinigkeit, die unter den Ethnologen herrscht, ist die Frage nach der Herkunft der Sexualverdrängung derzeit noch nicht zu lösen52). Freud, der sich in "Totem und Tabu" auf die Darwinsche Theorie der Urhorde stützt, fasst den Ödipuskomplex als Ursache der Sexualverdrängung auf. Dabei kommt aber die Betrachtung der mutterrechtlichen Gesellschaft offenbar zu kurz. Vom Standpunkt der Bachofen- Morgan- Engelsschen Forschung zeigen sich Möglichkeiten, umgekehrt den Ödipuskomplex beziehungsweise die ihm zugrundeliegende Familienform als Folge der einmal einsetzenden Sexualverdrängung aufzufassen. - Wie immer dem sei: Die Psychoanalyse würde sich gewiss weitere Forschungsmöglichkeiten auf dem gesellschaftlichen und pädagogischen Gebiete rauben, wenn sie die Dialektik (), die sie selbst im Seelenleben aufgedeckt hat, für den Ödipuskomplex negieren wollte53).
     

      Fußnoten Reich
      R37  (1934) Die englische psychoanalytische Schule übersah die Tatsache, dass diese Ich-Schwäche künstlicher
      Ausdruck infolge der Triebhemmung ist. Bestünde kein Konflikt zwischen Ich und Sexualanspruch, könnte
      das Ich dem jeweiligen Entwicklungsstadium entsprechende Befriedigung haben, es würde sich vor dem
      Trieb nicht fürchten. Die erzeugte Schwäche wird aber von diesen und vielen anderen Analytikern als
      biologisch begründet angesehen. Demzufolge soll die Sexualverdrängung eine biologische Notwendigkeit
      sein.
      R38  (1934) Der Widerspruch dieser, heute sexualökonomisch zu nennenden Auffassung des Triebdualismus zu der von Freud lässt sich nach dem Stande des Wissens wie folgt formulieren: Freud stellte einerseits den Gegensatz von Ich und Außenwelt fest, dann, unabhängig von diesem, den inneren Dualismus zweier Urtriebe. Am dualistischen Charakter des psychischen Prozesses, den Freud entdeckte, hielt er immer fest. Die Sexualökonomie fasst den inneren Triebdualismus anders, nämlich nicht absolut, sondern dialektisch auf und leitet überdies die inneren Triebkonflikte aus dem Urgegensatz: Ich - Außenwelt ab. Es würde zu weit führen, diese sehr komplizierten Fragen hier ausführlich darzustellen, im besonderen zu zeigen, wie die sexualökonomische Trieblehre aus der Freudschen herauswuchs, was sie dabei übernahm und was sie durch andere Auffassungen ersetzte oder fortentwickelte. Manche Freunde der Sexualökonomie neigen dazu, hier Freud Auffassungen zuzuschreiben, die er selbst ablehnt. Da die Sexualökonomie u. a. die konsequenteste Fortsetzung der psychoanalytischen Naturwissenschaft ist, versteht sich von selbst, dass sich viele ihrer Grundauffassungen im Wesen der psychoanalytischen Forschung vorgebildet, angedeutet oder latent vorbereitet finden. Dies bildet die Schwierigkeit, die beiden Disziplinen zu trennen. Doch genügt ein Blick in die Literatur, um festzustellen, wie unvereinbar die heutige sexualökonomische Sexual- und Trieblehre mit der heutigen psychoanalytischen ist. Und ich möchte es im Gegensatz zu manchen sehr wohlgesinnten Freunden beider Disziplinen vermeiden, Unvereinbares vereinigen zu wollen. Über die Ansätze zur sexualökonomischen Trieblehre unterrichtet das letzte Kapitel der "Charakteranalyse" und der "Urgegensatz des vegetativen Lebens", Z. f. p. P. u. S. , 1934.
      R39 (1934) Dieser Absatz bedarf einer Korrektur: Als ich ihn zuerst abfasste, stand ich unter dem Einfluss der bürgerlichen Theorie, dass die geschlechtliche Einheit der Urgesellschaft die patriarchalische Familie sei; sie deckte sich mit der von Freud in "Totem und Tabu". Die Kenntnis von den entscheidenden Entwicklungsprozessen, die das Mutterrecht in das Vaterrecht verwandeln, zwang dazu, anzuerkennen, dass nicht nur die leibliche Schwester, sondern auch alle Mädchen desselben Clans von vornherein dem Tabu unterworfen sind. Über den Widerspruch von Familie und Clan vergl. meine Ausführungen in "Der Einbruch der Sexualmoral".
      R40  (1934) Auch diese Formulierung bedarf ausführlicher Korrektur. Die Auffassung von der absoluten Natur der Triebanlage ersetzt die Sexualökonomie durch die andere, dass erstens die Anlage nur gegeben sein könnte in Differenzen der biologisch - physiologischen Energieproduktion, dass zweitens die Differenzen erst dann als "hereditäre Anlage" hervortreten, wenn die Entwicklung die Bedingungen hierfür schafft. Das heißt, dass das Gleiche, was in dem einen Falle als "Anlage" zur Neurose imponiert, in einem anderen Falle durchaus nicht als solche hervortritt. Die Lückenhaftigkeit unseres konkreten Wissens von diesen Vorgängen bedingt auch die Unbestimmtheit der theoretischen Formulierungen. Ein erster Versuch der Darstellung findet sich im "Nachtrag" zum "Einbruch der Sexualmoral". Es ist wahrscheinlich, dass die künftige dialektisch-materialistische Naturwissenschaft von der heutigen Erbwissenschaft, die ein Kraftzentrum erster Ordnung. für die gesamte bürgerliche Kulturauffassung ist, nicht viel übernehmen wird. Sie fußt in der Hauptsache auf moralischen Werturteilen und hat nur spärliche natur-wissenschaftliche Elemente aufzuweisen. Sie gipfelte bisher in Hitlers größenwahnsinniger Rassen-"Theorie".
      R41  (1934) Hier setzt die Frage an, wie sich die inneren Widersprüche, die den inneren seelischen Konflikt erzeugen, aus dem Urkonflikt zwischen Ich und Außenwelt ableiten und wie sie sich dann verselbständigen. Diese zentrale Frage über die Natur des "dialektischen Entwicklungsgesetzes" tauchte erst vor kurzem auf, als das Problem der Charakterbildung das Interesse auf sich zog; wie weit e s schon bei Hegel oder bei Marx konkret erfasst ist, kann ich gegenwärtig nicht beurteilen; ich ziehe es vor, unvoreingenommen an das neue Gebiet, das die Dialektik im Seelischen darstellt, heranzutreten, um es daraus zu entwickeln; bei Marx schien mir die Frage, wie es zur Bildung des inneren Widerspruches kommt, nicht beantwortet. Doch mag sein, dass ich zur Zeit des Studiums der Marxschen Philosophie nicht auf die Erfassung dieses Problems eingestellt war und es daher überlas.
      R42  (1934) Da der heutige ökonomistische Marxismus im Namen von Karl Marx gegen die Sexualökonomie polemisiert, bringe ich ein Zitat, das zeigt, wie sehr Marx die Bedürfnisse als Basis der Produktion und der Gesellschaft einschätzte; mir ist dabei klar, dass heute über wissenschaftliche Streitfragen nicht sachliche Erhebungen, sondern Prestigepolitik zu entscheiden pflegt und dass Zitieren gar nichts nützt. "
          „Die Individuen sind immer und unter allen Umständen von sich ausgegangen“, aber dass sie nicht einzig in dem Sinne waren, dass sie keine Beziehung zueinander nötig gehabt hätten, da ihre Bedürfnisse, also ihre Natur, und die Weise, sie zu befriedigen, sie aufeinander bezog (Geschlechtsverhältnisse, Austausch, Teilung der Arbeit), so mussten sie in Verhältnisse treten. Da sie ferner nicht als reine Ichs, sondern als Individuen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer Produktivkräfte und Bedürfnisse in Verkehr traten, in einen Verkehr, der seinerseits wieder die Produktion und die Bedürfnisse bestimmte, so war e s eben das persönliche, individuelle Verhalten der Individuen, ihr Verhalten als Individuen zueinander, das die bestehenden Verhältnisse schuf und täglich neu schafft. Sie traten als das miteinander in Verkehr, was sie waren, sie gingen "von sich aus", wie sie waren, gleichgültig, welche "Lebensanschauung" sie hatten. Die "Lebensanschauung", selbst die windschiefe der Philosophie, konnte natürlich immer nur durch ihr wirkliches Leben bestimmt sein. "
      Marx-Engels, "Deutsche Ideologie", Wien-Berlin, 1932, S 16"
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    Dialektisches Prinzip nach C.G. Jung [m]
    Dialektisches Prinzip  (> Analytische Psychologie). C.G. Jung spricht von der Psychotherapie  (> Analyse)  als  einem dialektischen Verfahren, womit er das Zwiegespräch  zweier  Personen  bzw. die Wechselwirkung zweier psychischer Systeme meint, die in der Therapie wirken und deren Verlauf bestimmen. Folgt die Therapie dem dialektischen Prinzip (), so ist der Therapeut nicht mehr das handelnde Subjekt, sondern „ein Miterlebender eines individuellen Entwicklungsprozesses“ (Jung, GW, Bd. 16, § 7), womit gesagt  ist, daß auch der Therapeut ins Geschehen einbezogen ist. Das dialektische Verfahren () ist, so verstanden, das Verfahren des Dialogs, in welchem neue Synthesen möglich werden (GW, Bd. 16, § 1–9). Andernorts spricht Jung von der dialektischen Entwicklung () der mythischen Materialien selbst, die folglich auch nur dialektisch, oder, von Jung als Synonym  genommen, synthetisch (nicht kausal-reduktiv; Methode, reduktive/ synthetische) gedeutet werden  müssen.  Die empirische, vorwiegend kausal denkende Richtung der Analytischen Psychologie beschäftigt  sich  nicht mit der Dialektik (). In der symbolisch-archetypischen Richtung  (> Archetypische Psychologie) hat Giegerich den Begriff   der Dialektik ()  wieder  aufgenommen, wobei er ihn im Sinne Hegels verwendet und konsequent  von  der  > psychologischen Differenz herdenkt: Seelische Bewegung ist dialektische Bewegung (), d. h. die seelischen Inhalte werden in ihrem Zusammenspiel der Gegensätze, als die Einheit von Einheit und Gegensätzlichkeit   des   Gegensätzlichen, oder anders, in ihrem syzygischen Zusammenspiel  (als  >Syzygie)   gedacht. Die  Geschichte des menschlichen >Bewußtseins kann innerhalb dieser Sichtweise als dialektische  Bewegung () angemessen  erfaßt werden, als Bewegung, die den Widerspruch in sich enthält.
        Jung  CG  [1971]  (1991)  Praxis  der  Psychotherapie.  GW,  Bd.  16,  §§  1–9,  22,  239,  240.  Olten,
    Walter  (siehe auch Fußnote S  27). Dialektisches Prinzip 132 Giegerich W (1994)  Animus-Psychologie.  Frankfurt M., Peter Lang [bes. S  269–297] Giegerich  W  (1999)  Der Jungsche Begriff der Neurose.  Frankfurt/M.,  Peter  Lang.  Doris Lier."
        Quelle: Stumm, G. & Pritz, A. (1999, 2007). Wörterbuch der Psychotherapie. Berlin: Springer. S.



    Gottfried Fischer
    Fischer hat ein umfangreiches Werk seiner dialektischen Psychoanalyse vorgelegt (Auswahl):
    • Psychotherapiewissenschaft (2011).
    • Dialektische Psychologie und Psychoanalyse By Gottfried Fischer (2010)
    • Von den Dichtern lernen...: Kunstpsychologie und dialektische Psychoanalyse. (2005)
    • Dialektik der Veränderung in Psychoanalyse und Psychotherapie. Modell, Theorie und systematische Fallstudie. (1989)
    • Der dialektische Charakter psychoanalytischer Konzepte (1986b)
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    Fischer, Gottfried (1989) Dialektik der Veränderung in Psychoanalyse und Psychotherapie. Modell, Theorie und systematische Fallstudie. Heidelberg: Asanger. [i]

    Fischer, Gottfried (2011) Psychotherapiewissenschaft. Gießen: Psychosozial-Verlag. S. 132-134. [m]
    "APRIORISCHE METHODIK DER BEGRIFFSANALYSE
    Wir haben schon verschiedentlich von der apriorischen Methodik () Gebrauch nacht, ohne dass die begriffsanalytische Methodik, die den entsprechenden Themen zugrunde lag, eigens herausgestellt wurde. Das soll jetzt nachgeholt werden, um anschließend auf die früheren Themen zurückzukommen und die apriorische Methode dann explizit daran zu erproben. Zunächst aber wollen wir die Methode nicht an einem psychologischen Gegenstand, sondern an Themen der Physik, nämlich an Hegels Analyse der Geometrie und der Grundbegriffe verdeutlichen.
        Hegels Begriffsanalyse folgt einer Logik der »bestimmten Negation« (), die «seinerseits ein Bestandteil dialektischen Denkens ist. Das Verfahren beginnt mit demjenigen Allgemeinbegriff, der den jeweiligen Gegenstandsbereich vollständig erfasst. Daran anschließend wird jener Begriff gesucht und schließlich gebildet, der das genaue Gegenteil des ersten Begriffs darstellt, allerdings nicht in irgendeiner Hinsicht, sondern in genau derjenigen Perspektive, die durch die erste Negation eröffnet wurde. Das ist mit dem Ausdruck »bestimmte Negation« () gemeint. In der gleichen Weise schreitet die Begriffsentwicklung dann so lange fort, bis schließlich die vollendete Begriffsbestimmung des Gegenstands erreicht wurde.
        Hegel hat die begriffsanalytische Methode unter anderem am Beispiel der Geometrie und dem Begriff des Raumes aufgezeigt. Welcher Begriff bildet vollkommen ab, was wir unter »Raum« verstehen?
    Hegel schlägt dafür das Auseinandersein vor. Die Körper sind im Raum, und der Raum entspricht in seiner allgemeinsten Bestimmung dem »Auseinandersein« der Körper. Wie geht es weiter? Worin besteht die bestimmte Negation in räumlichem Auseinandersein? Ihr entspricht der ausdehnungslose Punkt, und zwar als Begriff genommen. Wenn wir grafisch einen Punkt darstellen, so nimmt er immer eine gewisse Ausdehnung an, die durch unser Schreibgerät verursacht wird. Begrifflich aber ist der Punkt das ausdehnungslose Zusammensein und darin die »bestimmte Negation« des Auseinanderseins. [>132]
        Raum und Punkt bilden also die beiden Grundbegriffe der Geometrie, aus denen sich die Fülle der geometrischen Figuren ableiten lässt. Jetzt schlagen wir wieder ein kleines Training in dialektischem Denken vor und bitten Sie, den Text abzudecken, der sich an die folgende Frage anschließt:
    Welche Figur entsteht als bestimmte Negation des Punktes?
        Antwort (bitte abdecken): Die Linie. Sie verlängert den Punkt in den Raum hinein und bildet insofern schon eine erste Synthese der beiden Grundbegriffe von Auseinander- () und Zusammensein (). Die Linie ist nicht mehr Punkt, aber sie ist noch kein Raum. Was wäre dann die Negation der Linie? Als Gedankenbrücke kann folgende Überlegung dienen. Wir hatten bisher den Punkt in den Raum hinein verlängert, aber noch keine Figur erreicht, die räumlichen Charakter annimmt. (Bitte decken Sie wieder den folgenden Text ab!)
        Die bestimmte Negation der Linie ist die Fläche. Sie begrenzt die Linie, indem sie die Fortführung des Punktes ins Unendliche, welche die Linie ist, unterbricht. Indem dieser gleiche Vorgang mehrfach wiederholt wird, entsteht eine zwar räumliche Figur, der aber immer noch das Merkmal allseitiger Ausdehnung fehlt, das der Begriff »Auseinandersein« impliziert. Es ist also eine weitere Negation notwendig, um etwas wirklich Räumliches entstehen zu lassen, nämlich? (Bitte decken Sie erneut den folgenden Text ab!)
        Dieses Mal fällt die Bezeichnung für das Resultat nicht so eindeutig aus wie bisher. Geht man vom Beispiel einer quadratischen Fläche aus, so entsteht aus der Negation ihrer nur zweidimensionalen Gestalt als dreidimensionale Figur ein Quader. Allerdings kann die Fläche auch jede beliebige andere Gestalt annehmen, ebenso wie ihre Negation. Was als Synthese von Auseinander- und Zusammensein insoweit entstanden ist, kann als »Raumelement« bezeichnet werden. Es enthält die Einheit und den Unterschied von Auseinander- und Zusammensein. Allerdings entspricht dem Raumelement keine anschauliche Gegebenheit. Vielmehr ist es ein gedankliches Gebilde, das allein auf einer begrifflichen Notwendigkeit beruht.
        Die Kategorienentwicklung des Raumes geht bei Hegel über in die von Zeit und Bewegung, die bei ihm schließlich - ca. 100 Jahre vor Einsteins Relativitätstheorie - zu der Aussage führt, die Lichtausbreitung entspreche der »absoluten Geschwindigkeit« (Wandschneider 1982; Fischer/Fischer 2008, S. 213ff.). Ähnlich wie das »Raumelement« entzieht sich auch eine »absolute Geschwindigkeit«’ unserem Anschauungsvermögen. Auch dazu eine Denksportaufgabe: Angenommen, eine Rakete fliege mit einer Geschwindigkeit, die nur knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit liegt. Sie wird von einer Lichtwelle überholt, die der absoluten [>] Geschwindigkeit entspricht. Mit welcher Geschwindigkeit überholt das Licht die Rakete? (Bitte decken sie den folgenden Text ab!)
        Die richtige Antwort lautet: Mit absoluter Geschwindigkeit. Nicht mit dem Differenzbetrag beider Geschwindigkeiten, wie wir von unserer Anschauungsgrundlage her annehmen würden.
        Nun aber von dem, was wir aus Physik und Naturphilosophie gelernt haben, zur Wissenschaft von der Psychotherapie. Zu welchen Ergebnissen führt hier die Methode der apriorischen Begriffsanalyse?"
     

      Kommentar Fischer apriorische Begriffsanalyse: Das erinnert sehr an die freie Assoziation kombiniert mit gesundem Menschenverstand. Vorausgesetzt ist, dass es zu jedem Begriff einen Gegensatzbegriff gibt. Wählt man als Gegensatzoperator die Negation (hier ein Minuszeichen vor einem Wort), so sollte die Voraussetzung erfüllbar sein. Hierzu ein paar Beispiele; Tag und -Tag (Tag und Nicht-Tag);  nicht und -nicht (Nicht und nicht Nicht, doppelte Verneinung); Sonne und -Sonne (Sonne und Nicht-Sonne)); morgen und -morgen (morgen und nicht-morgen); Kartoffel -Kartoffel.
      Das Beispiel Raum von Hegel überzeugt nun gar nicht. Die beste Abbildung, was wir unter Raum verstehen ist sicher nicht "auseinandersein", was Hegel einfällt, sondern schlicht und einfach Raum. Und das Gegenteil von Raum ist -Raum (Nicht-Raum).


        Als Gegenpol zur therapeutischen Beziehung findet Fischer die Übertragung, S. 133f:

    "DIE THERAPEUTISCHE BEZIEHUNG
    Als umfassender Allgemeinbegriff zum therapeutischen Geschehen bietet sich das Konzept der »therapeutischen Beziehung« an, das übrigens auch in den empirischen Studien als bedeutendster »Wirkfaktor« von Psychotherapie ermittelt wurde. Die »therapeutische Beziehung« entspräche dem »Raum« in Hegels spekulativer Physik. Nun verlangt dieses Konzept nach seinem Gegensatz, seiner bestimmten Negation, wie nach dem Punkt im obigen Beispiel. Denn wenn die Beziehung in der Psychotherapie überhaupt eine »therapeutische« Beziehung wäre, wäre nichts darin wirklich therapeutisch.
        Den Gegenpol zur im engeren Sinne »therapeutischen« Beziehung hatten wir in Abschnitt A als »Übertragung« bezeichnet. Auf dem Wege der Übertragung gehen pathogene, vortherapeutische Elemente in die therapeutische Beziehung ein, die mit diesem Begriff ihre erste Negation erfährt. Als Negation der Übertragung hatten wir aber das Arbeitsbündnis bestimmt. Aus dem Spannungsfeld und Kontrasterlebnis zwischen Arbeitsbündnis und Übertragungsbeziehung resultiert ein therapeutischer Veränderungsschritt beim Patienten, sofern zwischen beiden Beziehungskomponenten für den Patienten eine »optimale Differenz« subjektiv erfahrbar wird. Optimal ist die Differenz zwischen Arbeitsbündnis und Übertragung dann, wenn die neue Erfahrung, also das therapeutische Arbeitsbündnis, der alten, pathogenen Erfahrung bis zu einem gewissen Grad nahekommt, indem sie auf den Therapeuten »übertragen« wird, sich aber dann, in einem bestimmten Moment, deutlich davon abhebt. Ihre empirische Umsetzung hat diese Begriffsanalyse über Forschungen zum »Dialektischen Veränderungsmodell« () (DVM) in Psychotherapie und Psychoanalyse erfahren [>134] (Fischer 1996, 2007, vgl. Abschnitt A dieses Buches). Beim DVM ist insofern das Kriterium einer Konvergenz von Logik und Empirie erfüllt.
        Nun sind durch Begriffsanalyse zwar die Begriffe als solche logisch-stringent herleitbar, damit allerdings noch nicht ihre Benennung. Diese muss so gewählt sein, dass sie die logische Stellung des Begriffs möglichst präzise wiedergibt. Statt »Übertragung« könnte man beispielsweise auch eine andere Bezeichnung wählen, ein Konzept etwa wie »pathologische oder pathogene Beziehungmuster«. Das wäre allerdings nicht ganz treffend, denn es werden ja nicht nur dysfunktionale, sondern zugleich auch funktionale Beziehungsmuster übertragen. Das Arbeitsbündnis wird bisweilen auch als »therapeutisches Bündnis« oder als »therapeutische Beziehung« im engeren Sinne bezeichnet. Dergleichen käme als Benennung für den anvisierten Kontrastbegriff Übertragung auf den ersten Blick durchaus infrage.
        Allerdings spricht vieles dafür, den Begriff der »Arbeit« als Konkretion der im engeren Sinne therapeutischen Beziehung zu verwenden. Psychotherapie ist ja keine private zwischenmenschliche Beziehung, keine wirkliche »Beelterung«, sondern eine Beziehung professioneller Zusammenarbeit. Und die »Zusammenarbeit« ist die Grundlage für die therapeutische Begriffsbildung, die vom unbewusst pathogenen in den selbstbewusst salutogenen Begriff überleitet. »Arbeit«, so heißt es bei Hegel in der PhdG, »ist aufgeschobene Begierde oder sie bildet.« Und diese Bildung des unbewussten zum selbstwussten Begriff hatten wir als Motor wie auch Ergebnis der Psychotherapie kennengelernt (in Abschnitt C 1)."
     

      Kommentar Fischer therap. Bez. Das Gegenteil von therapeutischer Beziehung ist eine nicht-therapeutische Beziehung. Was was ist das, eine nicht-therapeutische Beziehung?
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    Fischer, Gottfried (1986b) Der dialektische Charakter psychoanalytischer Konzepte. In: Forum Psychoanal 2,20-27. [u]

    Fischer, Gottfried (2005)  Von den Dichtern lernen...: Kunstpsychologie und dialektische Psychoanalyse. Königshausen u. Neumann. [i]

    Dialektische Psychologie und Psychoanalyse () By Gottfried Fischer (2010) [m]
    Abstract Die Gründe für die bisherige Spaltung zwischen Psychoanalyse und Hochschulpsychologie in Deutschland werden zum einen in der mangelnden Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit gesehen, zum anderen in unterschiedlichen Wissenstypen, die man als dialektisch reflexiv versus statisch nomologisch bezeichnen kann. Die Kluft überbrücken könnte eine "dialektische Psychologie" (), die wegen ihrer Behinderungen durch die herrschenden Dogmen in Ost und West historisch bis jetzt jedoch nur in wenigen Ansätzen hervorgetreten ist. Für eine fruchtbare Verbindung von kognitiver Psychologie (Piagetscher Prägung) beispielsweise und Psychoanalyse muß die implizite Dialektik () dieser (und anderer) Ansätze begriffen und explizit ausformuliert werden. Nur so nimmt die Psychologie allmählich die Form eines selbstreflexiven und dialektischen Wissens () an, das für die Bewältigung der enormen Herausforderungen der psychologischen und psychotherapeutischen Praxis so dringend benötigt wird.
    Publisher: Germany Year: 2010

    Fischer, Gottfried (2008)  Psychodynamische Psychotherapie und Traumabehandlung  – Definition und Einführung. Erstpublikation  dieses  Beitrages:  Fischer,  G.  (2005),  Psychodynamische  Psychotherapie  und  Traumabehandlung – Definition und Einführung, in: Fischer, G., Eichenberg, C. (Hrsg.), Jahrbuch Psychotraumatologie (2005): Traumabedingte Störungen und ihre Behandlung durch tiefenpsychologische und analytische Psychotherapie, Asanger, Heidelberg, 9-27. [PDF vorh]



    Bauriedl Das dialektisch-emanzipatorische Prinzip der Psychoanalyse  [i]
    Thea Bauriedl, „Beziehungsanalyse“ Das dialektisch-emanzipatorische Prinzip der Psychoanalyse und seine Konsequenzen für die psychoanalytische Familientherapie Suhrkamp Verlag 1980, Frankfurt am Main



    Bock Dialektische Psychologie. Adornos Rezeption der Psychoanalyse [i]
    Bock, Wolfgang (2018) Dialektische Psychologie. Adornos Rezeption der Psychoanalyse. Wiesbaden: Springer.

    Fundstellen "Dialektische Psychologie"
        Im Inhaltsverzeichnis

      "1 Dialektische Psychologie versus analytische Sozialpsychologie.  Adornos Konzept von 1934 ...  25"
      "1.4.1 Adornos dialektische Psychologie ... 56"
        Im Text:
    • Kapitel Dialektische Psychologie versus analytische Sozialpsychologie. Adornos Konzept von 1934 (S.25)
    • S. 55: "... Anders gesagt, wo Fromm von „analytischer Sozialpsychologie“ spricht, verwendet Adorno nun nicht ohne Grund den Terminus „dialektische Psychologie“. Dieser Begriff, der auch die Hierarchie zwischen Warenfetisch und Familie zugunsten des ersteren meint, wird das  Rennen  machen. ... "
    • Abschnitt 1.4.1 Adornos dialektische Psychologie (S.56). Im Textabschnitt 1.4.1. selbst wird "Dialektische Psychologie" nicht erwähnt und schon deshalb auch nicht erläutert.
    • Im Sachregister gibt es zwar viele Einträge zur Dialektik, aber keinen einzigen zu "Dialektische Psychologie". Auch unter "Psychologie, dialektische" findet sich kein Eintrag, ja noch nicht einmal "Psychologie".
      Kommentar Bock: Auf 764 Seiten findet sich nur eine einzige und nichtssagende Terxtstelle zu "Dialektischer Psychologie" (S. 56).
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    Wissenschaftlicher Apparat

    Literatur (Auswahl)

    • Bauriedl, Thea  (1980) „Beziehungsanalyse“ Das dialektisch-emanzipatorische Prinzip der Psychoanalyse und seine Konsequenzen für die psychoanalytische Familientherapie. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Bock, Wolfgang (2018) Dialektische Psychologie. Adornos Rezeption der Psychoanalyse. Wiesbaden: Springer.
    • Cooper, David (dt. 1969, engl. 1968, Hrsg.) Dialektik der Befreiung.  Reinbek: Rowohlt. Hierzu auch: Dialektik der Befreiung: Buchpräsentation im Sigmund Freud Museum (22.11.2017).
    • Egger, J. W. (2015) Integrative Verhaltenstherapie und psychotherapeutische Medizin, Integrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratung, DOI 10.1007/978-3-658-06803-5_6.
    • Ekman, Paul (dt. 2011; engl. 2009) Ich weiss, dass du lügst. Was Gesichter verraten. Reinbek: Rowohlt.
    • Fischer, Gottfried (2011) Psychotherapiewissenschaft. Gießen: Psychosozial-Verlag.
    • Fischer, Gottfried (2008)  Psychodynamische Psychotherapie und Traumabehandlung  – Definition und Einführung. Erstpublikation  dieses  Beitrages:  Fischer,  G.  (2005),  Psychodynamische  Psychotherapie  und  Traumabehandlung – Definition und Einführung, in: Fischer, G., Eichenberg, C. (Hrsg.), Jahr-buch Psychotraumatologie (2005): Traumabedingte Störungen und ihre Behandlung durch tiefenpsychologische und analytische Psychotherapie, Asanger, Heidelberg, 9-27. [PDF vorh]
    • Fischer, Gottfried (2005)  Von den Dichtern lernen...: Kunstpsychologie und dialektische Psychoanalyse. Königshausen u. Neumann.
    • Fischer, Gottfried (1989) Dialektik der Veränderung in Psychoanalyse und Psychotherapie. Modell, Theorie und systematische Fallstudie. Heidelberg: Asanger.
    • Fischer, Gottfried (1986b) Der dialektische Charakter psychoanalytischer Konzepte. In: Forum Psychoanal 2,20-27.

    • Frauchiger, Markus (). Dialektische Psychotherapie Ein entwicklungsorientierter Empowerment-Ansatz. [Online: http://www.dialektische-psychotherapie.de/)
    • Holzkamp, Klaus (1996 Psychologie: Selbstverständigung über Handlungsbegründungen alltäglicher Lebensführung. In: Forum Kritische Psychologie. Heft 36
    • Holzkamp, Klaus (1993 Lernen – Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Campus, Frankfurt
    • Holzkamp, Klaus (1985): Grundlegung der Psychologie.
    • Holzkamp, Klaus (1983a) Grundlegung der Psychologie. 2. Aufl. Campus, Frankfurt 2003
    • Holzkamp, Klaus (1983b) Der Mensch als Subjekt wissenschaftlicher Methodik. Vortrag, gehalten auf der 1. Internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie vom 7.-12. März 1983 in Graz. Veröffentlicht in: Braun, K.-H., Hollitscher, W., Holzkamp, K. & Wetzel, K. (Hrsg., 1983): Karl Marx und die Wissenschaft vom Individuum. Bericht von der 1. internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie vom 7.-12. März in Graz. Marburg: Verlag Arbeiterbewegung und Gesellschaftswissenschaften, S. 120-166.
    • Holzkamp, Klaus  (1979) Zur kritisch-psychologischen Theorie der Subjektivität II. Forum Kritische Psychologie 5 (1979): Argument Sonderband 41, Argument-Verlag, S. 7-46. Auch Online.
    • Holzkamp, Klaus (1973 Zur Einführung in A. N. Leontjew's "Probleme der Entwicklung des Psychischen." (mit Volker Schurig). Athenäum-Verlag, Frankfurt 1973. S. XI–LII.
    • Holzkamp, Klaus (1972) Kritische Psychologie. Frankfurt: Fischer.
    • Holzkamp, Klaus (1964) Theorie und Experiment in der Psychologie. de Gruyter, Berlin; 2., um ein Nachwort erweiterte Auflage 1981, erneut in: Schriften Bd. 2 Argument, Hamburg 2005.
    • Holzkamp, Klaus (1968 Wissenschaft als Handlung. de Gruyter, Berlin; erneut in Schriften Bd. 3, Argument, Hamburg 2006.
    • Holzkamp, Klaus (1971 Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen kritisch-emanzipatorischer Psychologie. Arbeitstexte-Verlag, Hamburg.
    • Ittel, Angela; Raufelder, Diana  & Scheithauer, Herbert (2014). Kapitel 13 Soziale Lerntheorien.  In (330) L. Ahnert (2014, Hrsg.),  Theorien in der Entwicklungspsychologie, DOI  10.1007/978-3-642-34805-1_13,  ©  Springer-Verlag  Berlin  Heidelberg  2014"
    • Kesselring, Thomas (1981) Entwicklung und Widerspruch. Ein Vergleich zwischen Piagets genetischer Erkenntnistheorie und Hegels Dialektik. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Kesselring, Thomas (1984) Die Produktivität der Antinomie. Hegels Dialektik im Lichte der genetischen Erkenntnistheorie und der formalen Logik. Frankfurt aM: Suhrkamp.
    • Kesselring, Thomas  (2013)  Formallogischer Widerspruch, dialektischer Widerspruch, Antinomie. Reflexionen über den Widerspruch. In (15-38) Müller, Stefan (2013, Hrsg.)
    • Linehan, Marsha  (1996) Dialektisch-behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung. München:  CIP-Medien
    • Öllinger, Michael  (2017)  Problemlösen. In (587-618) Müsseler, Jochen  & Rieger, Martina (2017, Hrsg) Allgemeine Psychologie. Berlin: Springer.
    • Piaget, Jean (fr 1968, dt. 1973) Strukturalismus und Dialektik. In (103-109) Der Strukturalismus. Stuttgart: Klett-Cotta.
    • Piaget, Jean (fr 1970, dt. 1974) Genetische Erkenntnistheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.

    • Piaget, Jean (orig. 1970, dt. 1972) Erkenntnistheorie der Wissenschaften vom Menschen. Hauptströmungen der sozialwissenschaftlichen Forschung. Herausgegeben von der Unesco. Frankfurt aM: Ullstein.
      Piaget, Jean (orig. 1967, dt.1974 ) Biologie der Erkenntnis. Über die Beziehnungen zwischen organischen Regulationen und kognitiven Prozessen. Frankfurt aM: S. Fischer.
    • Quensel, Stephan (2018) Irre, Anstalt, Therapie. Der Psychiatrie-Komplex. Wiesbaden: Springer.
    • Reich, W. (1934). Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse. [PDF im Netz]
    • Riegel, Klaus (orig. und dt.1980) Grundlagen der dialektischen Psychologie. Stuttgart: Klett-Cotta.
    • Riegel, Klaus F. (1978, Hrsg,) Zur Ontogenese dialektischer Operationen. Frankfurt: Suhrkamp. [i]
    • Rusyaeva, Elena (2014)  Cognitive Techniques of Knowledge Formation. In (40-48) A. Kravets et al. (Eds.): JCKBSE 2014, CCIS 466, pp. 40–48, 2014.   [GB]
    • Rutscher, Helmut (2014) Kann das ‚konstruktivistische’ Entwicklungsmodell von Robert Kegan für die systemisch -konstruktivistische Beratung bzw. Therapie nützlich sein? Ein Diskussionsbeitrag auch zu einem gleichnamigen Forum im September 2014 im ISS.
    • https://www.systemischestudien.de/fileadmin/redakteur/PDF/Brutscher_Entwicklungsmodell.pdf
    • Samuels, A., Shorter, B., Plaut, F. (dt. 1991, orig. 1986). Wörterbuch Jungscher Psychologie. München: dtv (Kösel).
    • Stadler, Michael (1975) Gestalttheorie und dialektischer Materialismus. In (146-160) Ertel, Suitbert; Kemmler, Lily & Stadler, Michael (1975, Hrsg) Gestalttheorie in der Modernen Psychologie. Wolfgang Metzger zum 75. Geburtstag. Darmstadt: Steinkopf.
    • Stumm, G. & Pritz, A. (1999, 2007). Wörterbuch der Psychotherapie. Berlin: Springer. [Linehan und C.G Jung]

    •  
    Links (Auswahl: beachte) > Querverweise.
    • https://de.slideshare.net/zukunftswerkstatt/dialektik-in-der-kritischen-psychologie-asc-2018


    Marketing
    Prost, Winfried  () Dialektik - die Psychologie des Überzeugens (eBook / PDF). Gespräche und Verhandlungen erfolgreich führen. Gabler.
     



    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten  > Eigener wissenschaftlicher Standort. > Eigener weltanschaulicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Syzygie
      (1) Eintrag bei Stumm, G. & Pritz, A. (1999, 2007). Wörterbuch der Psychotherapie. Berlin: Springer.
      "Syzygie (> Analytische Psychologie). Archetypisches Motiv der  Gegensatzpaarung (griech.   syzygos = zusammengejocht, gepaart). Das Seelische ist syzygisch, zwiefältig angelegt, wobei das eine „niemals   vom anderen,  Entgegengesetzten  getrennt“ erscheint (C.G. Jung, GW, Bd. 9/I,  § 194). Projiziert erscheint das Syzygie-Motiv etwa in  den  mannweiblichen Götterpaaren,  die Jung ?  Anima  und Animus nennt. Das Motiv  erscheint  in  der  chinesischen  Philosophie als kosmogonisches Begriffspaar yin und  yang, es  erscheint psychoanalytisch in Eros und Thanatos oder philosophisch  in Eros und  Logos,  Anschauung  und  Denken.
      Die  Syzygie ist von Jung in ihrer grundlegenden Bedeutung für die Psychologie erkannt worden  (GW,  Bd. 9/I, § 115). Erst Hillman (1985) und Giegerich (1994)  haben sie wieder aufgegriffen und vertieft. Die entwicklungsgeschichtliche Richtung der Analytischen Psychologie erwähnt das Motiv kaum. Dies hängt damit zusammen, daß Jung  selbst  das  Motiv relativ spät aufgriff Systemtheorie [>693] und  nicht  zu  Ende  dachte.Das SyzygieMotiv ist nur im  Rahmen dessen sinnvoll, was Jung mit >Seele meint: Wenn  Seele (die Grundmetapher der Psychologie) syzygisch, zweideutig  ist und das grundlegende seelische Gegensatzpaar nicht  als komplementär, sondern sowohl als zusammengehörig wie auch als different erfaßt wird, als Einheit von Einheit und Differenz der Gegensätze (Giegerich, 1994: 46),  kann  die  Logik des Seelenlebens anhand des Syzygie-Motivs angemessen erfaßt werden: In der Syzygie gehören Animaund Animus als sich ausschließende, da verschiedenen Ordnungen angehörende bzw. verschiedene  Funktionen erfüllende Komponenten unentrinnbar zusammen (> Archetypische Psychologie; >Gegensatzthematik; > Inzest).Jung  CG  (versch.  J.)  GW,  Bd.  9 /I,  Über den  Archetypus mit  besonderer Berücksichtigung des  Animabegriffes,  §§  111–147,  hier  §§  115, 134;  Die psychologischen Aspekte des Mutterarchetypus, §§  148–198,  hier  §194;  Bd.  9 / II,  Die  Syzygie: Anima und Animus, §§ 20–42. Olten, Walter (siehe  auch  Fußnote  S  27). Giegerich  W  (1994) Animus-Psychologie. Frankfurt/  M., Peter Lang [bes.  S  37–53,  273–297] Hillman  J  (1985) Anima. Dallas, Spring  Publications  [bes.  pp  167–183] Doris Lier
          (2) Eintrag bei Samuels et al., S.210: "Syzygie
      Jegliches Gegensatzpaar, sobald von ihm als Paar gesprochen wird - gleichgültig ob es in Konjunktion oder Opposition steht (>Gegensätze). Jung gebrauchte diesen Begriff meistens in bezug auf die Verbindung von >Anima und Animus. Er schrieb, diese Verbindung bestehe psychologisch aus drei Elementen: »Einmal aus dem Betrag an Weiblichkeit, die dem Manne, und an Männlichkeit, die der Frau eignet, sodann aus der Erfahrung, die der Mann an der Frau und vice- versa macht, und schließlich aus dem archetypischen weiblichen und männlichen Bild« (GW 9/2, § 41, Anm. 5). - >Imago
      Jung schloß, daß Bilder der sich paarenden männlich-weiblichen Syzygie genauso universell vorkommen wie Männer und Frauen; er nannte hierzu das typische Motiv männlich-weiblicher Paare in der Mythologie und wies auf das als Yin und Yang bezeichnete Konzeptpaar in der chinesischen Philosophie hin. In frühen alchemistischen Darstellungen sind Männliches und Weibliches symbolisch miteinander vereinigt, was darauf weist, daß sie als Teil des Prozesses voneinander unterschieden und dann als androgynes Paar wiedervereinigt werden müssen (>Alchemie; >Coniunctio). Daraus ergibt sich allerdings keine Bisexualität, sondern das komplementäre Wirken ansonsten entgegengesetzter Elemente (>Androgyn; >Geschlecht; >Hermaphrodit)."
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    Querverweise
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    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Materialien zu Begriffsanalysen der Dialektik in den Psychowissenschaften: Psychologie, Psychopathologie, Psychotherapie. Materialien zur Begriffsanalyse Dialektik
      Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/sprache/BegrAna/Dialektik/BA_DialPsy.htm
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