Aussagepsychologie
und Beweis Methodik
angewendet
auf die Ermittlung und Feststellung von Straftaten,
hier
am Beispiel des kriegerischen Terroranschlags
auf
das World Trade Center und das Pentagon
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Bundesgerichtshof
zum hypothesengeleiteten Vorgehen
Der Bundesgerichtshof hat ein außerordentlich bedeutsames und weitreichendes Urteil zur Methodologie der Erkentnisgewinnung am Beispiel der Aussagepsychologie gefällt. Im wesentlichen verlangt er, daß alle relevanten Hypothesen in einer Ermittlung, Erkenntnisgewinnung und Begutachtung berücksichtigt und Zug und Zug erörtert und ausgeschlossen werden müssen. In der wissenschaftlichen Psychologie heißt das hypothesengeleitetes Vorgehen, das im Prinzip auch für staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungen gilt, also auch Ermittlungen zu Gunsten der Verdächtigen (Beschuldigten oder Angeklagten) anzustellen sind. |
Anwendung
hypothesengeleiteten Vorgehens auf die Fahndung nach der Terroristen
Für den kriegerischen Terroranschlag auf das World Trade Center
und das Pentagon mit ca. 6000 Todesopfern wird von den USA derzeit hauptsächlich
Osama Bin Laden verantwortlich gemacht, obwohl inzwischen bestätigt
ist, daß ein mutmaßlicher terroristischer Flugzeugführer
Kontakt zum irakischen Geheimdienst hatte. Tatsächlich verlangt ein
hypothesengeleitetes, rechtsstaatliches und wissenschaftlich fundiertes
Vorgehen, alle mutmaßlichen und potentiellen Täterkreise einzubeziehen.
Es deutet zwar einiges darauf hin, daß radikal islamische Fundamentalisten
hinter diesem Anschlag stecken könnten, doch sicher ist das keineswegs.
Da es mindestens ein halbes Dutzend islamischer Länder gibt, in denen
Terrorgruppen gegen die USA und Israel geduldet oder gar unterstützt
werden, und es vermutlich ebenso viele radikale und terroristische Organisationen
gibt, ergeben sich rein kombinatorisch nur auf diesen mutmaßlichen
Täterkreis angewandt
K = 212 - 1 = 4095 Möglichkeiten Hier zum Verständnis als Beispiel (Beispiel!), wenn 1 = Osama Bin Laden, 2 = Irakischer Geheimdienst und 3 = Andere Organisation, dann sind folgende Kombinationen möglich: |
Code | Bedeutung: 2 EXP 3 = 7 Möglichkeiten |
1 | nur die Organisation Bin Ladens |
2 | Beteiligung Irak |
3 | Eine andere Organisation steckt dahinter |
12 | Bin Laden UND Irak |
13 | Bin Laden UND eine andere Organisation |
23 | Irak UND eine andere Organisation |
123 | Bin Laden UND Irak UND eine andere Organisation |
Hypothesengeleitetes Vorgehen bedeutet nun, daß sämtliche Hypothesen, wer für den kriegerischen Terroranschlag in Frage kommt, zu prüfen sind. Die wichtigsten und zentralen sind natürlich zunächst die spezifischen Hypothesen: wer kommt alles in Frage? Doch die Einbeziehung kombinatorischer Überlegungen der Zusammenarbeit verschiedener Organisationen kann für die Fahndung auch sehr nützlich sein. Wieso sich die USA so sehr auf Bin Laden fixieren, ohne Beweise oder wenigstens entsprechende Indizien vorzulegen, ist schwer verständlich, denn hier geht es um große internationale Verwicklungen und vielfältige mögliche Kriegsfolgen, die bei ungünstigem Verlauf die ganze Menschheit bedrohen können. Die Berufung auf Geheimdokumente ist in der Beweisfrage natürlich völlig unakzeptabel. Es zählt, was auf den Tisch kommt - wissen wir doch, wie oft Geheimpolizei und Geheimdienste Daten, Dokumente und Beweise gefälscht, frisiert oder gar erst hergestellt haben. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel und dem Geheimdienst CIA der USA ist schon überhaupt nicht zu trauen. |
Ein anderes Problem ist, wohin die Auslieferung erfolgen soll, denn ein mutmaßlicher islamisch- radikal- fundamentaler Terrorist kann in den USA aufgrund der kriegerischen Terroranschläge sicher kein faires Verfahren erwarten; hier wäre also ein internationaler Gerichtshof gefordert. |
Wichtige Schlüsselbegriffe: Bundesgerichtshofurteil vom 30.7.1999 zur Aussagepsychologie. Aussage, Elementaraussage, glaubwürdig, glaubhaft, Sachverhalt, wahr, falsch, subjektiv wahr, objektiv wahr, Tatsache, Erinnerung, Erinnerungsfehler, realerlebnisbegründet, Lüge, Illusion, Abwehr. Literatur hier. |
Die Psychologie
der Aussage spielt eine bedeutende Rolle bei der Beurteilung von Zeugenaussagen.
Da nicht alles richtig ist, was Menschen erinnern, erzählen, beobachtet
haben wollen, stellt sich besonders vor Gericht immer wieder die Gretchenfrage:
ist das nun wahr, teilweise wahr oder falsch? In der Aussagepsychologie
hat man sich darauf geeinigt, streng z u unterscheiden zwischen Glaubwürdigkeit
und Glaubhaftigkeit. Als glaubwürdig bezeichnet man
einen Menschen, eine Persönlichkeit, als glaubhaft, eine Aussage,
wobei Aussage hier eine unbestimmte Menge von Elementaraussagen
meint. Die wichtigsten Ergebnisse der in Deutschland nun seit rund 100
Jahren tradierten Aussagenpsychologie - in den USA fängt man gerade
damit an, dort überließ man dies bislang dem sog. Lügendetektor
- sind:
|
Urteil des
Bundesgerichtshofes
Wissenschaftliche Anforderungen an aussagepsychologische Begutachtungen (Glaubhaftigkeitsgutachten). BGH, Urt. vom 30. Juli 1999 - I StR 618/98 - LG Ansbach (StPO § 244 Abs. 4 Satz 2 ). Hieraus: "Begutachtung |
In Rechtsstaaten gilt im Strafrecht dieUnschuldsvermutung: Jemand ist so lange als unschuldig anzusehen, bis die Schuld durch eine Verurteilung nachgewiesen ist. |
Auf das Recht
angewendet, ergibt sich damit:
Diese Bezeichnung
Nullhypothese ist vom BGH etwas unglücklich gewählt worden.
Gemeint ist ein systematisches methodisches Vorgehen der Hypothesenprüfung.
Hierzu gehört nach Meinung des BGH, alle anderen, konkurrierenden
Hypothesen auszuschließen. Streng betrachtet ist das meines Erachtens
nicht immer möglich. Die Kombination der Möglichkeiten Sachverhalt
und Richtigkeit führt zu folgenden grundlegenden Fällen:
Sachverhalt / Entscheidung | Wird als richtig angenommen | Wird nicht als richtig angenommen |
Sachverhalt trifft zu | Richtig positiv (1 - a) | Falsch positiv (a) |
Sachverhalt trifft nicht zu | Falsch negativ (b) | Richtig negativ (1 - b) |
In der Statistik haben diese
Fehlerarten bei Unsicherheit besondere Namen. Man nennt den Fehler, den
man begeht, wenn man eine richtige Hypothese verwirft,
Alpha
Fehler. Nimmt man hingegen eine falsche Hypothese als richtig
an, spricht man vom Beta Fehler. Je mehr man den einen Fehler
klein macht, desto größer wird der andere. Welchen Fehler man
wie klein machen sollte, das hängt von der Definition "Sachverhalt"
und vor allem von der Fragestellung ab und kann nicht von vorneherein allgemein
gesagt werden. Sind die Konsequenzen sehr groß, so möchte man
vor allem den Fehler klein machen, der fälschlicherweise einen Sachverhalt
annimmt, auf den eine große Konsequenz - z.B. eine riskante Behandlung
- folgt.
Als Sachverhalt in der Statistik gilt oft, zwischen zwei Größen gibt es keinen Unterschied (Null-Hypothese), also z.B. Frauen werden nicht älter als Männer (was nicht stimmt). Man sagt nun z.B., daß man diese Hypothese dann als richtig annehmen will, wenn sie in 95% oder mehr aller Fälle stimmen sollte. Man hat dann eine Irrtumswahrscheinlichkeit mit einem Alpha a = 0,05 oder 5% gewählt. Kommt in der Untersuchung nun heraus, daß im konkreten Fall a (konkret) = 0,078 ist, dann ist diese Wahrscheinlichkeit größer als man vorher bereit war zu akzeptieren: man verwirft die Hypothese relativ zu a = 0,05 weil 0,078 > 0,05 ist. |
Beweis-Idealistisches
Rechtssystem
Unser Recht ist extrem idealistisch und damit zwangsweise sehr täterfreundlich und will unter allen Umständen verhindern, daß ein Unschuldiger verurteilt wird. Es stellt also sehr hohe Anforderungen an Beweise. Dies führt praktisch dazu, daß man viele Schuldige laufen lassen muß, so daß in solcher Art rechts- idealistischen Gesellschaften viele intelligente und verteidigungsfähige tatsächlich Schuldige zum Schaden aller frei ihren Interessen nachgehen können. Gefaßt werden hauptsächlich die weniger Intelligenten und Tüchtigen ("Sündenböcke"). Die Gesellschaft wird daher wahrscheinlich in beträchtlichem Umfang von intelligenten 'Schuldigen' beherrscht, die entweder schon gar nicht zu Verdächtigen werden (wo keine Kläger, da kein Richter), die Beweise, die manchmal auch 'verschwinden', reichen nicht für eine Verurteilung oder seine 'Amigos' schützen ihn. |
Das amerikanische Straf-Recht ist z.B. anders organisiert und hat den Mangel so hoher Beweisanforderungen nicht, weil dort eine Jury entscheidet, ob die Beweise genügen oder nicht. Ein solches System hat - wie unseres auch - Vor- und Nachteile (in den USA ist die Rechtsfrage z.B. oft Gegenstand eines Handels). |
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten:
GIPT= General and Integrative
Psychotherapy,
internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
___
Nullhypothese:
Meines Erachtens ist diese Schlußfolgerung sowohl aus methodologischen
Gründen als auch aus empirischen außerordentlich fragwürdig.
Erstens wird hier ein einfaches - konstruktiv schon immer umstrittenes
- tertium non datur zugrunde gelegt: was nicht hinreichend unwahr ist,
muß hinreichend wahr sein. Zweitens wird der Realität von Ermittlungsergebnissen,
wonach es meist eine Reihe von Gründen, die für die Hypothesen
H1, H2, ...., Hn sprechen, ebenso gibt wie eine Reihe von Gründen,
die gegen die Hypothesen H1, H2, ..., Hn, sprechen, die also mehrdeutig
oder nicht entscheidbar sind, zu wenig Rechnung getragen.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Aussage Beweis site:www.sgipt.org |