Psychologische Experimente
Experimentelle Paradigmen und
Designs
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Editorial
Die Königsdisziplin in den empirischen Wissenschaften ist das
Experiment. Es zu beherrschen ist für den empirischen Wissenschaftler
zwar oft schwiewrig, aber unabdingbar. In der Psychologie des (Bewusstseins-)
Erlebens ist das besonders schwer, weil hier die Isolation der anabhängigen
Variable und die Kontrolle der Störquellen meist große Probleme
macht. Alles scheint mit allem mehr oder minder verbunden, so dass besondere
experimentelle und Versuchspläne erorderlich sind. Es ist daher sicher
lohnend, eine eigene Seite über grundlegende Paradigmen experimenteller
Untersuchungspläne und Designs anzulegen.
In diesen Kriterien sind einige weitere verborgen oder enthalten,
z.B. aus der Wiederholbarkeit folgt, daß das Experiment hinreichend
klar und eindeutig beschrieben sein muß, sonst kann es von anderen
ja gar nicht wiederholt werden. Darin ist weiter enthalten, daß experimentelle
Ergebnisse unabhängig von den spezifischen UntersucherInnen oder ExperimentatorInnen
sein müssen. Wenn das nicht der Fall ist, ist die Hypothese des Experiments
entweder gescheitert oder es müssen Versuchsleitereffekte am Werke
oder andere Konstanz- bzw. Repräsentativitätsbedingungen verletzt
sein. Im letzteren Fall behält man die Hypothese bei und die Erklärungen
oder Rationalisierungen bezeichnet man als Exhaustion
(nach Dingler, Holzkamp) und die entsprechend tragende Idee als Exhaustionsprinzip.
Ein experimentelles Ergebnis kann allgemein wie folgt geschrieben werden:
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Abhängige Variable, deren Veränderung infolge der Variation der unabhängigen Variablen (UV) interessiert. |
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Spezifische Verfaßtheit der ProbandInnen (Stichprobenmerkmale und - kennzeichen der Auswahl). |
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Unabhängige, experimentell kontrollierte und veränderte ("manipulierte") Variable, deren Einfluß auf die abhängige Variable interessiert. |
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Situations-Charakteristika: In welchem Rahmen, unter welchen Perspektiven findet das Experiment statt; wissen die TeilnehmerInnen z.B. daß es sich um ein Experiment handelt? Um was geht es, was hängt vom Ausgang des Experiments für die Beteiligten ab, haben sie ein bestimmtes Interesse an diesem oder jenem Ausgang? |
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Störende, verfälschende Einflüsse, sog. störende Bedingungen. |
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Unbekannte, sonstige oder restliche Einflüsse. |
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Nach dem Bedingungs-Strich werden die Bedingungen aufgeführt, nämlich: |
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Die Theorie, die einen Zusammenhang, ein Ergebnis, vorhersagt. |
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Die Theorie muß zum Zweck der experimentellen Untersuchung eine experimentell- operationale Modellbildung erfahren. |
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Für die Ausgänge des Experiments müssen vor der Durchführung des Experiments Hypothesen und wie sie zu interpretieren sind, formuliert werden. |
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Weitere möglicherweise wichtige Voraussetzungen. |
DORSCH führt hierzu aus: "Kontrolltechniken, Experiment (= K.) [engl. control techniques, experiment], [FSE], Bez. für sämtliche Maßnahmen in Planung und Ausführung eines Experiments, mit denen sichergestellt werden soll, dass für die Fragestellung der Untersuchung irrelevante Faktoren (Fehler) die Ergebnisse nicht beeinflussen (interne Validität). Übliche Verfahren der K. sind: (1) direkte Ausschaltung einer Störbedingung (z.B. Lärm), (2) systematische gleichmäßige Verteilung bekannter, aber nicht eliminierbarer Faktoren (z.B. der Tageszeit der Versuchsdurchführung) auf die versch. zu untersuchenden Bedingungen, sodass sie sich auf die zu vgl. Ergebnisse gleich auswirken (Ausbalancieren), (3) Verteilung nicht bekannter Faktoren durch Zufallsentscheidung (Randomisierung; z.B. Zuweisung von Vpn zu einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe nach dem Zufall, wodurch persönliche Unterschiede bei größerer Anzahl von Vpn gleichmäßig auf beide Gruppen verteilt werden), (4) Parallelisieren aufgrund eines Vorversuchs oder bekannter Merkmale (Parallelgruppen). Nach den Vortestergebnissen wird eine Rangordnung gebildet. Es werden dann die zwei (oder mehr) ersten Rangplätze herausgegriffen und ihre Inhaber nach Zufall auf zwei (oder mehr) Gruppen verteilt; es folgen die nächsten zwei (oder mehr) usw. Auf diese Weise entstehen zwei (oder mehr) nach dem Vortestmerkmal (z.B. Lernleistung) praktisch äquivalente Gruppen."
Experimente in der Psychologie
Psychologie wird definiert als die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten.
Demnach gibt es zwei Hauparten von Experimenten in der Psychologie:
Lässt man auch Experimente mit sich selbst zu, was für
die Psychologie des Erlebens zwingend erforderlich ist, dann gibt wiederum
zwei Varianten, nämlich
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Selbstexperiment ohne externen Versuchsleiter | ||
Experiment mit externem Versuchsleiter |
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Selbstexperiment ohne externen Versuchsleiter
ohne Kontrollperson |
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Selbstexperiment ohne externen Versuchsleiter
mit Kontrollperson |
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Experiment mit externem Versuchsleiter ohne Kontrollperson |
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Experiment mit externem Versuchsleiter mit Kontrollperson |
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Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie (2005)
"Experiment (lat. experimentum, V ersuch, Erfahrungsbeweis),
planmäßige Herbeiführung von (meist variablen) Umständen
zum Zwecke wissenschaftlicher iBeobachtung. Das E. ist das wichtigste Hilfsmittel
aller Erfahrungswissenschaften (iErfahrung), bei denen sich Experimentierbedingungen
künstlich herbeiführen bzw.reproduzieren (>Reproduzierbarkeit)
lassen. Seine epistemische Privilegierung ergibt sich aus der Kontrolle
aller Einflußfaktoren und deren systematischer und isolierter Variierbarkeit.
Da E.e Eingriffe in die betreffenden Systeme verlangen, ist ihr Einsatz
in Disziplinen wie Astronomie, Archäologie, Psychologie und Soziologie
Beschränkungen unterworfen. Selbst in Fachwissenschaften, deren Ergebnisse
hauptsächlich auf E.en beruhen (z. B. Chemie, Physik), ist keineswegs
Erfahrung allein die Quelle des Wissens. Vielmehr erzwingt der Experimentator
in planvoller Herstellung von Geräten die gewünschten Bedingungen.
Neben diesem (gern mit der Metapher einer Frage an die Natur belegten)
aktiven menschlichen Beitrag bedarf es weiterer (zum Teil von Experimentierergebnissen
vollständig unabhängiger) Prinzipien zur Interpretation des experimentellen
Ergebnisses, so z. B. des Kausalprinzips (iKausalität), wonach gleiche
Ursachen gleiche Wirkungen haben. Weicht ein tatsächlich beobachtetes
Ergebnis von einem erwarteten, einer iHypothese, ab, so stehen prinzipiell
zwei Möglichkeiten offen: (1) die Hypothese wird verworfen bzw. abgeändert;
(2) es wird eine Störhypothese über zusätzliche, unter den
Experimentierbedingungen nicht mitkontrollierte Einflüsse formuliert.
Es kann also nur unter der (in der Praxis kaum gemachten) Einschränkung,
für ein System von Hypothesen (d.h. eine erfahrungswissenschaftliche
Theorie) keine zusätzlichen Störhypothesen zuzulassen, ein iexperimentum
crucis geben.Im sogenannten >Neuen Experimentalismus< wird dagegen das
>Eigenleben des E.s< betont. Danach werden E.e weitgehend unabhängig
von höherstufigen Theorien durchgeführt und interpretiert. Ihre
Stabilität und anhaltende Relevanz über theoretische Umbrüche
hinweg ist das Ergebnis dieser Unabhängigkeit. Zudem wird im Neuen
Experimentalismus hervorgehoben, daß die von den Laborwissenschaften
untersuchten Phänomene in der freien Natur häufig nicht oder
kaum existieren. Die einschlägigen Zustände werden nicht selten
überhaupt erst durch den menschlichen Eingriff erzeugt (I. Hacking,
Representing and Intervening, 1983; ders., The Self-Vindication of the
Labaratory Sciences, 1992). Historisch läßt sich erst etwa ab
1600 von einer wissenschaftlichen Experimentierkunst sprechen. Die Beobach[>454]tungen,
die von antiken Technikern gemacht wurden, gehörten nach dem damaligen
Verständnis in den Bereich des Künstlichen, dervon einer Wissenschaft
von der Natur streng unterschieden wurde. G. Galilei und E. Torricelli
waren wohl die ersten Experimentatoren im modernen Sinne. Galilei und F.
Bacon entwickelten mit ihren Ansichten über das Zusammenwirken von
Natur und menschlicher Kunst im E. die ersten theoretischen Ansätze.
Ein grundsätzlich neues Verständnis des E.s ist weniger durch
Präzision und Aufwand moderner Versuchsanordnungenals vielmehr durch
zwei neue Komponenten erforderlich: (1) viele Beobachtungen lassen sich
nur statistisch durchführen; (2) es findet eine nicht vernachlässigbare
Wechselwirkung zwischen Beobachtetem und Beobachtendem statt. In Psychologie
und Pharmakologie glaubt man, die Einflüsse der Experimentiersituation
auf das Ergebnis beseitigen oder doch berücksichtigen zu können.
In der Mikrophysik jedoch stellt die Beobachtung einen derart schweren
Eingriff in das beobachtete System dar, daß ein wichtiges Charakteristikum
des klassischen E.s, nämlich die prinzipielle Wiederholbarkeit (am
seihen Objekt), aufgegeben werden mußte.
Literatur: W. G. Cochran/G. M. Cox, Experimental
Design, New York 1950, 21957, 1966; H. Dingler, Das E .. Sein Wesen und
seine Geschichte, München 1928; P. Duhem, La theorie physique, son
objet, sa structure, Paris 1906, 21914 (repr. Paris 1981, 1989) (dt. Ziel
und Struktur der physikalischen Theorien, Leipzig 1908, ed. L. Schäfer,
Harnburg 1978, 1998; eng!. The Aim and Structure ofPhysical Theory, Princeton
N.J. 1954, 1991); R.A. Fisher, The Design of Experiments, Edinburgh 1935,
81966, 1971; A. Franklin, Experiment, Right or Wrong, Cambridge 1990; ders.,
Canthat Be Right? Essays on Experiment, Evidence, and Science, Dordrecht/Boston
Mass. 1999 (Boston Stud. Philos. Sei. 199); G. Frey, E., Hist. Wb. Ph.
I! (1972), 868-870; P. Galison, How Experiments End, Chicago !11./London
1987; D. Gooding/T. Pinch/S. Schaffer (eds.), The Uses of Experiment. Studies
in the Natural Sciences, Cambridge 1989, 1993; I. Hakking, Representing
and Intervening. Introductory Topics in the Philosophy of Natural Science,
Cambridge etc. 1983, 1995 (dt. Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften,
Stuttgart 1996); ders., The Self-Vindication of the Laboratory Sciences,
in: A. Pickering (ed.), Science as Practice and Culture, Chicago !11./London
1992, 1994, 29-64; M. Heidelberger/F. Steinle (eds.), Experimental Essays.
Versuche zum E., BadenBaden 1998; M. C. Morrison, Experiment, REP IIl (1998),
514-518; U. Röseberg!N. Psarros, E., EP I (1999), 376-380. P. J."
Hinweis: > "Experimentalismus, neuer, Entwicklung
in der Wissenschaftsforschung im letzten Viertel des 20. Jhs., die eine
verstärkte Zuwendung zum >Experiment als dem Grundphänomen der
Naturwissenschaft betrifft. ..."
Wurthmann, C.; Klieser, E.; Lehmann, E. & Budde, G. (1993) 31wöchiges,
doppelblindes Einzelfallexperiment bei generalisierter Angststörung.
In (685-687) Baumann, Pierre (1993, Hrsg.) Biologische Psychiatrie der
Gegenwart. Wien: Springer.
"Zusammenfassung Das Dilemma der Psychopharmakotherapie generalisierter
Angststörungen besteht darin, daß einerseits eine Reihe von
Psychopharmaka zur Verfügung stehen, deren angstlösende Wirkung
in Gruppenexperimenten gezeigt werden konnte [1], andererseits aber ein
Mangel besteht an Prädiktoren des unter einer bestimmten Wirksubstanz
zu erwartenden Behandlungserfolges im Einzelfall. Einen wichtigen Fortschritt
in der Prädiktorenforschung markierte die Entwicklung des Probetherapie-Modells.
Danach erlaubt die initiale Reaktion während der ersten Therapiewoche
eine Voraussage über den Verlauf einer längerfristigen Behandlung."
[SpringerLink]
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