Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=29.10.2011 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung TMJ
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Psychotherapie und Psychotherapieschulen, Bereich Systemische Psychotherapie und hier speziell zum Thema:

    Psychotherapie
    aus synergetischer und selbstorganisierender Perspektive


     

    vorgestellt von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Aus dem umfassenden Werk möchte ich aus der Einführung des 5. Kapitels "Psychotherapie" für die allgemeine und integrative Psychotherapie einige wichtige Passagen vorstellen (S. 326f; Hervorhebung im Kasten und fett RS):

    "5.1 Jenseits der Therapieschulen

    Die Entwicklung der Psychotherapie befindet sich am Beginn des 21. Jahrhunderts in einer paradoxen Situation. Einerseits besteht Einsicht in den Sachverhalt, dass eine Aufteilung dieser Profession in Therapieschulen keinen Sinn mehr macht. Die wissenschaftlichen Befunde über die Wirkungsweise der Psychotherapie sind nicht auf eine bestimmte Schule oder eine bestimmte Art des Vorgehens begrenzt, einer neurobiologischen Grundlegung der Psychotherapie sind Therapieschulen ohnehin fremd (Beutel, 2002; Beutel et al., 2003; Braun & Bogerts, 2001 ; Caspar, 2003; Gabbard, 2000; Grawe, 2004; Schiepek, 2003a; Storch, 2002), und in der Praxis werden verschiedene Verfahren meist kombiniert (im Falle von Behandlungskonzepten stationärer Therapie oder eklektischer Arbeitsweisen synchron, im Falle von Lebensabschnittsidentifikationen von Therapeuten mit bestimmten Richtungen auch diachron). Auf der anderen Seite wurde der Sängerwettstreit durch das deutsche Psychotherapeutengesetz mit politischen Mitteln fortgesetzt und festgeschrieben. Wissenschaftlich anerkannt werden Therapieverfahren, auch wenn diese das konkrete Verhalten des einzelnen Therapeuten weitgehend unbestimmt lassen (zu unterschiedlichen Determinanten des Therapeutenverhaltens s. Beutler et al., 1994) und im Konzert unterschiedlicher Bedingungen offenbar nur geringe Varianzanteile des Therapieergebnisses erklären (Wampold, 2001).
        Geht man davon aus, dass Psychotherapie in der professionellen Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse (z. B. der Psychologie, der Neurowissenschaften, der Soziologie und anderer Disziplinen) bei der Unterstützung persönlicher Lern- und Entwicklungsprozesse in schwierigen Lebenssituationen bzw. bei klinischen Indikationen bestehen soll - wobei zu dieser Anwendung immer noch ein wesentlicher Anteil persönlicher Kunst des Therapeuten/der Therapeutin hinzu kommt -, so wäre der Geltungsbereich derartiger Erkenntnisse sicher zu begrenzt, wenn er nur auf bestimmte Therapieschulen bezogen bliebe. Wollte man einen pointierten Vergleich riskieren, so wäre das in etwa so, als ob die physikalischen Gesetze, nach denen ein Ball fliegt, die Gruppendynamik einer Sportmannschaft oder die Physiologie sportlicher Leistung nur innerhalb einer bestimmten Mannschaft Geltung haben sollten. Bayern München und Werder Bremen würden in einer solchen Welt nach anderen Gesetzen der Physik, Physiologie und Psychologie funktionieren. Das scheint unplausibel. Auf einem anderen Blatt steht dabei natürlich, dass sich Menschen gerne mit bestimmten Clubs identifizieren und ihren Stars zujubeln. So erfüllt wahrscheinlich auch die Aufteilung der Therapiewelt nach Schulen und Konfessionen bestimmte psychologische und soziale Funktionen, aber das steht wirklich auf einem anderen Blatt. Besonders vertrackt wird die Situation allerdings, wenn man bedenkt, dass es nicht eine einzige und fraglos anerkannte „Allgemeine Psychotherapie" oder „Psychologische Therapie" geben wird, sondern verschiedene Entwürfe hierfür. Das Gerangel um Anerkennung, Marktanteile oder die Monopolstellung kann dabei - selbstähnlich - von Neuem beginnen. Und die letzte Volte der Paradoxie besteht vielleicht darin, dass es gute empirische Gründe für die Notwendigkeit gibt, sich mit seiner Schule oder Praxisvariante in besonderem Maße zu identifizieren, denn Therapeuten sollten überzeugt sein von ihrer Art zu arbeiten, sollten Glaubwürdigkeit ausstrahlen und Vertrauen in die Wirksamkeit ihrer Arbeit vermitteln. „Allegiance", wie dies im Englischen heißt, gilt als ein wesentlicher Prädiktor des Therapieergebnisses [>327] (Frank & Frank, 1991; Orlinsky & Howard, 1986, 1987; Orlinsky et al., 1994; Wampold, 2001).
        Wie immer man sich in dieser Situation persönlich positionieren mag, interessiert sich die Synergetik für eine über einzelne Behandlungstechniken oder Schulen hinausgehende Frage, nämlich der, ob und in welcher Weise psychotherapeutische Veränderungen als selbstorganisierende Prozesse verstanden werden können. Diese Frage korrespondiert mit der grundlegenden Erfahrung jedes Praktikers, Menschen nicht beliebig steuern und beeinflussen zu können, ja überhaupt nur dann wirksam werden zu können, wenn das eigene Handeln mit den Motiven, Zielen und inneren Entwicklungsprozessen des Patienten in Einklang steht. Zudem entspricht die Frage einer alten Maxime von Paracelsus: medicus curat, natura sanat - der Arzt kann Behandlungsmaßnahmen ergreifen, den Heilungsprozess aber vollzieht die Natur selbst.
     
     Psychotherapie wäre vor dem Hintergrund eines synergetischen Paradigmas als prozessuales Schaffen von Bedingungen für die Möglichkeit von Ordnungs-Ordnungs- Übergängen zwischen Kognitions-Emotions-Verhaltens-Mustern eines bio-psycho-sozialen Systems in einem (als Psychotherapie definierten) professionellen Kontext zu verstehen.

    Diese Charakterisierung impliziert

    1. ein prozessorientiertes, adaptives Vorgehen, das sich mit dem Entwicklungs- und Lernprozess des Patienten in permanenter Abstimmung befindet,
    2. eine Selbstbescheidung in der Gewissheit, dass man trotz aller Professionalität nur Möglichkeiten für systeminterne Prozesse des Patienten schaffen kann,
    3. mit Kaskaden von Übergängen rechnen zu müssen, was meist mehr und anderes bedeutet als nur den Schritt vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand oder vom Problem zur Lösung,
    4. das Wissen um die Gestalthaftigkeit von KEV-Mustern, welche Kognitionen und Emotionen, physiologische Prozesse wie soziale Interaktionen umfassen,
    5. Interdisziplinarität des klinischen Denkens, Handelns und Kooperierens, wie es angesichts bio-psycho-sozialer Systeme erforderlich ist,
    6. Vertrauen in die Selbstorganisationsprozesse von Patienten, Paaren, Familien oder anderen Lebensgemeinschaften, sowie in die hierfür aktivierbaren Ressourcen und Entwicklungspotentiale,
    7. schließlich den Hinweis darauf, dass eine Förderung selbstorganisierender Prozesse auch in den Kontexten von Beratung, Pädagogik, Coaching usw. stattfindet und man auf der Grundlage der reinen Beobachtung der Therapeut-Patient-Interaktion nicht mit Sicherheit bestimmen kann, ob es sich hier um Psychotherapie oder eine andere Form professioneller Beziehung handelt. „Psychotherapie" erfordert daher immer eine institutionelle bzw. soziale Definition des Settings (Ludewig, 1992)."




    Literatur (Auswahl) > Literatur.
    • Haken.
    • Schiepek. Querverweis: Dynamische Systeme.




    Links (Auswahl: beachte)
    • Homepage Haken:  [W]
    • Homepage Schiepek: www.ccsys.de




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten: > Glossar Selbstorganisation.
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    ___
    diachron. Unpassend, Gegensatz zu synchron (passend).
    ___
    Volte. Kunstgriff, Zaubertrick. > [W]
    ___


    Querverweise
    Standort: Synergetische Psychotherapie.
    *
     * Heilmittelmonographie Lenken. *  Selbstbild  *  Bauplan für eine Seele. *  Überblick Heilmittel *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Psychotherapie aus synergetischer und selbstorganisierender Perspektive. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/th_schul/sys-fam/SynergPt.htm

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    korrigiert: irs 29.10.11



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