Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=20.10.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 21.11.22
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie,
    Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich Psychologie des Erlebens, und hier speziell zum Thema:

    Conrads phänomenologische Analyse des Erlebens

    recherchiert von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zum Geleit:
    _

    "... Nun müssen diejenigen, 
    welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, 
    etwas voneinander verstehen; 
    denn wie könnte denn,
    wenn dies nicht stattfindet,
    ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
    möglich sein? 
    Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
    und etwas, und zwar eins
    und nicht mehreres, bezeichnen;
    hat es mehrere Bedeutungen, 
    so muß man erklären, 
    in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

    Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 
    (Rowohlts Klassiker 1966)

    Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch 2300 Jahre nach Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren  können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit  und   Evidenz). Begriffsbasis  Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffnen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das  Anfangspro- blem  praktisch-pragmatisch und andererseits das  Begriffsverschiebebahnhofsproblem  lösen.

    Zusammenfassung Conrad 1968 > Fazit
    Das Büchlein hat 86 Seiten. "Erleb" wird 735x gefunden, darunter 3x im Inhaltsverzeichnis, 7x im Geleitwort von Breda, und damit 725x im Text Conrads. "Erleben" 452, "Erlebnis" 210.
        ZusammenfassungVorwort-S.XIIIf: Hier wird XIII 8x von Erleben, XIV 3x Erlebnissen oder Erlebnisweisen gesprochen. Aber Conrad erklärt bei den 11 Erwähnungen nicht, was er unter Erleben versteht, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis. Seine Behauptung, dass Erleben "immer auf ein und derselben Ebene zu verlaufen schien", belegt er nicht und er gibt auch kein Beispiel. Er bleibt, eigentlich völlig unphänomenologisch, im Allgemein-Abstrakten und ignoriert damit Aristoteles' Mahnung (Zum Geleit). Auch die Begriffe des Versetztseins, Vorerleben, Nacherleben bleiben mangels Beispielen dunkel.
        KommentarKap1-S1,2:  S.1 hat 7 Erwähnungen, S.2 hat 10 Erwähnungen. Hier wird versucht, die Begriffe Wahrnehmung, Vorstellung, Denken zu unterscheiden und der nicht weiter begründete Satz aufgestellt, dass nicht jedes Erleben ein - unerläutert - Gegenstandserleben ist, wobei Conrad als Beispiel die Freude anführt. Das Erleben des eigenen 2.1Gefühls ist ganz sicher kein Erleben höherer Stufe, sondern eine bloße erste Klassifikation einer Kategorie des Erlebens.
        Die Seiten 3-8 habe ich übergangen, weil ich hier keine interessanten inhaltlichen Ausführungen gefunden habe.
    KommentarKap1-S9,10:  S.9 hat 12 Erwähnungen, S.10 hat 9 Erwähnungen: "Ich kann ja alles 9.5erleben, was ein innerlich vorfindliches Ichhaftes (ein neuer Begriffsverschiebebahnhof) ist, so auch die Ichtätigkeit des Wahrnehmens. Und (zirkulär): "In solcher innerlicher erlebnismässiger Aufnahme besteht das Wesen des 9.12Erlebens." Weiter: "Wir kommen also durch das psychisches10.8Erleben einer Ichbegegnung mit dem Objekt zum geistigen Einbeziehen des Objekts. Anders ausgedrückt: Durch Vermittlung des psychischen10.9Erlebensbereichs unseres Ichs gelangen wir zum Bereich, über den dann der Geist verfügt. Hierin liegt eine wichtige Erkenntnis des wesenhaften Zusammenhangs zwischen Psyche und Geist." Geistige oder Denk-Erlebnisse sind natürlich ebenso Erlebnisse wie andere auch.
    Fazit: Bis S. 8 wurde "erleb" 54x erfasst. Nirgendwo wird erklärt, was Conrad unter Erleben versteht, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis. Seine Behauptungen und Sätze belegt er nicht. Durchgehend fehlen Beispiele. Er bleibt, eigentlich völlig unphänomenologisch,  im Allgemein-Abstrakten und ignoriert damit Aristoteles' Mahnung (Zum Geleit). Ich habe daher auf weitere Fundstellenanalysen verzichtet. Die folgenden Fragen sind offen geblieben:

    • Was ist der Geltungsanspruch oder der Gültigkeitsbereich seiner Aussagen?
    • Schreibt er über sein eigenes Erleben?
    • Schreibt er über das Erleben aller Menschen?
    • Schreibt er über das Erleben einiger Menschen?

    • Schreibt er über das Erleben bei Erwachsenen der westlichen Kultur?
    Das Büchlein ist ungeeignet, eine wissenschaftlich und praktisch brauchbare Psychologie des Erlebens zu begründen.



    INHALTSVERZEICHNIS
    GELEITWORT VII
    VORWORT VIII

    I. KAPITEL. ZUR CHARAKTERISTIK DER „VERSETZTSEINSERLEBNISSE"
     

      1. Wahrnehmung und Vorstellung 1
      2. Das Wesen der Vorstellung 11
      3. Die „Versetztseinserlebnisse" 18
      4. Zur Charakteristik des Nacherlebens und Nachlebens  24
      5. Erinnerungsvorstellung und Erinnerung 27
      6. Der eigentliche Gegenstand der Erinnerung 32
      7. „Sacherinnerung" in einem neuen Sinn 37
      8. Erinnerung und Kenntnis 39


    II. KAPITEL. DAS VORERLEBEN 42

    III. KAPITEL. DER TRAUM 57

      1. Träumerei und Traum 59
      2. Der Traum 62
      3. Rückblick 71


    IV. KAPITEL. INNERES SPRECHEN UND INNERES HÖREN  73

      1. Das innere Sprechen 73
      2. Das innere Hören 84




    Die ersten 54 Fundstellen "erleb" bei Conrad

    "Vorwort XIII

    ZusammenfassungVorwort-S.XIIIf: Hier wird XIII 8x von Erleben, XIV 3x Erlebnissen oder Erlebnisweisen gesprochen. Aber Conrad erklärt bei den 11 Erwähnungen nicht, was er unter Erleben versteht, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.  Seine Behauptung, dass Erleben "immer auf ein und derselben Ebene zu verlaufen schien", belegt er nicht und er gibt auch kein Beispiel. Er bleibt, eigentlich völlig unphänomenologisch,  im Allgemein-Abstrakten und ignoriert damit Aristoteles' Mahnung (Zum Geleit). Auch die Begriffe des Versetztseins, Vorerleben, Nacherleben bleiben mangels Beispielen dunkel.
     

      "Vorwort XIII
      Vor vielen Jahren war mir, dem ehemaligen Schüler von
      Theodor Lipps und nachmaligen Schüler von Edmund Husserl,
      aufgefallen, dass in der Psychologie ein erheblicher Mangel
      bestand insofern, als alles XIII.1Erleben in einer gewissen einschichtigen
      Weise dargestellt wurde; so dass es sozusagen
      künstlich vereinfacht und eintönig erscheinen musste.
      Dieser Mangel beruhte darauf; dass jegliches XIII.2Erleben — im
      Gegensatz zur lebendigen Wirklichkeit — immer auf ein und
      derselben Ebene zu verlaufen schien; genauer gesagt: stets
      von ein und derselben Ich-Situation aus. Es war das Wesentliche
      übersehen worden, dass de facto die Ich-situationen fast ständig
      von Moment zu Moment wechseln, wodurch eine ausserordentliche
      Buntheit des XIII.3Erlebens zustandekommt. In
      Wirklichkeit erleben wir bald von unserem realen Ichsitz,
      dem „Hier" aus, bald aber auch — in Unterbrechung dieses
      von da aus geschehenden XIII.4Erlebens — von einer anderen Ichsituation
      aus, die man nur als eine dortige bezeichnen kann;
      und zwar nach einem gewissen von hier nach dort geschehenden
      „Versetztsein". Dieses Versetztsein kann bald zwangshaft,
      bald aber auch willkürlich erfolgen; oft ohne uns dessen
      bewusst zu werden, wenigstens im Moment seines Stattfindens.
      Die ihrer Art nach recht mannigfaltigen XIII.5Erlebnisse, die von
      einer dortigen Situation aus sich abspielen, habe ich seinerzeit
      XIII.6„Versetztseinserlebnisse" genannt oder auch XIII.7Erlebnisse im
      Versetztseinszustand. Die hier folgenden Ausführungen galten
      und gelten der Analyse dieser besonderen XIII.8Erlebnisweise. [>XIV]
      Sie ist teilweise von sehr komplexer Natur, verdankt aber
      durchweg ihre Existenz einer zweiten Ichsituation — im Gegensatz
      zum einfachen XIV.1Erleben „von hier aus".
      Um eine Übersicht zu geben: Es handelt sich u.a. ausser um
      das Vorstellen (im besonderen, im Folgenden zu präzisierenden
      Sinne) um XIV.2Vorerleben, XIV.3Nacherleben, Träumerei, Traum,
      Erinnerung, Planen, Vorsatz, Vorwegtun, nachfahrendes Tun
      u.s.w.; zumeist um solche psychische Vorkommnisse, die
      man meistens mit der Wendung, sie seien „nur vorgestellt"
      unter einen Hut zu bringen versucht; unter missbräuchlicher
      Verwendung des an sich äquivoken Begriffs „blossen Vorstellens".
      Statt solcher Subsumierung bedürfen diese psychischen
      Vorkommnisse einer eingehenden Untersuchung phänomenologischer
      Art, wie mir schon seinerzeit klar war.
          Die Ergebnisse habe ich einige Jahre hindurch einer Gruppe
      von Schülern meiner Frau Hedwig Conrad-Martius wöchentlich
      einmal in seminarähnlichen Zusammenkünften vorgetragen
      und dann in Übereinstimmung mit meiner Frau in
      München zu Papier gebracht. Das aus jenen Jahren stammende
      Manuskript wurde nochmals durchgesehen und in eine
      endgültige Form gebracht. Mit seiner Veröffentlichung folge
      ich jetzt einem öfter geäusserten Wunsch meiner Frau.

     
      I. KAPITEL
      ZUR CHARAKTERISTIK DER
      „VERSETZTSEINSERLEBNISSE"

      I. WAHRNEHMUNG UND VORSTELLUNG

      Im Folgenden soll zunächst von dem die Rede sein, was man
      unter sinnlicher Wahrnehmung und der ihr entsprechenden,
      ebenfalls sinnlich genannten Vorstellung zu verstehen pflegt.
      Beide werden oft zusammenfassend „Vorstellungen" in einem
      weiteren Sinne dieses Wortes genannt, weil und sofern
      in ihnen beiden ein reales Objekt dem Subjekt gegenübergestellt
      ist. Diesen Sprachgebrauch möchten wir jedoch nicht
      mitmachen. Ebensowenig können wir den noch weiteren Begriff
      von Vorstellung billigen, der auf Franz Brentanos Zusammenfassung
      aller jener 1.1Bewusstseinserlebnisse zurückgeht,
      die irgendwie mit einem „Gegenstande" etwas zu tun
      haben und die meist unter dem Titel eines „Bewusstseins von
      etwas" zusammengegriffen werden. Neben der Wahrnehmung
      und der Vorstellung im engeren Sinne wird dort auch
      das unanschauliche „an etwas Denken" miteinbegriffen, da
      es die Form eines „Bewusstseins von" besitzt.
          Aber dagegen ist erstens einzuwenden, dass nicht jedes
      „Bewusstsein von" ein Gegenstandsbewusstsein ist; und dass
      zweitens auch nicht jede Weise, in der ich meines eigenen
      1.2Erlebens wiederum bewusst werden kann, mir dieses 1.3Erleben
      „gegenständlich" gegenüberstellt. 1.4Erlebe ich etwa eine Freude,
      so ist dieses 1.5Erlebnis selbst kein „Gegenstandserlebnis" —
      im Gegensatz beispielsweise zur Wahrnehmung oder Vorstellung
      — obwohl ich Freude „an etwas" habe. Der Gegenstand,
      an dem ich Freude habe, mag mir gegenüberstehen, nicht aber
      tut das die Freude selber, wenn ich sie 1.6erlebe. Sie ist also kein
      1.7Gegenstandserlebnis. Ferner kann ich meiner Freude — abge- [>2]
      sehen von dem schlichten Freude-Fühlen — ausserdem noch
      „innewerden" und also meiner eigenen Freude „bewusst"
      werden. Dann kann aber auch dieses mein eigenes Gefühls-
      Bewusstsein nicht als Gegenstandsbewusstsein bezeichnet
      werden. Denn mein Gefühl tritt ja bei solchem „seiner innewerden"
      ebenfalls nicht gegenständlich mir gegenüber. Es
      wird mir ja nur nebenher „bewusst". Es ist ein das Gefühl nur
      „begleitendes" Bewusstsein, das dem Fühlenden eben nicht
      „gegenständlich" gegenübertritt. Daher haben wir es auch
      nicht mit einem Gegenstandsbewusstsein zu tun. Wollte
      man es rubrizieren, so könnte man das 2.1Erleben des eigenen
      Gefühls nur als ein 2.2Erleben höherer Stufe bezeichnen; womit
      eine wichtige psychologische Kategorie kurz gekennzeichnet
      wäre. Vermöge der Bezeichnung als 2.3Erleben des eigenen
      2.4Erlebens unterscheidet es sich deutlich von allem
      spezifisch „Geistigen", etwa vom geistig Fassen, Erkennen
      oder auch Wissen „von etwas". Alles letztere mit dem Terminus
      „Bewusstsein von" decken zu wollen wäre deshalb so
      gefährlich, weil damit die Grenze des nur 2.5erlebnismässig mir
      Gegebenseins gegenüber allem geistig Gegebensein, etwa dem
      Erkenntnismässigen, verwischt würde.
      Fassen wir nun diejenigen 2.6„Bewusstseinserlebnisse" ins
      Auge, die man — obwohl sie auch 2.7erlebt werden können — als
      „gegenstandshaltige" bezeichnen kann. Doch besteht zwischen
      ihnen ein grosser Unterschied in der Art und Weise,
      wie ihr Gegenstand innerhalb des 2.8Erlebnisses selbst und zum
      2.9Erlebenden steht. Beispiel dafür kann die Freude an einem
      Objekt einerseits und etwa die Wahrnehmung oder auch die
      Vorstellung dieses Objekts andererseits sein.'
      Unter Beschränkung auf solche gegenstandshaltige 2.10Erlebnisse,
      wie es Wahrnehmung und Vorstellung sind, ist zunächst
      bei beiden die Weise, wie der Gegenstand bei ihnen
      auftritt, charakterisierbar als eine gewisse „Sichtbarkeit" oder [>3]
       

        KommentarKap1-S1,2: Hier wird versucht, die Begriffe Wahrnehmung, Vorstellung, Denken zu unterscheiden und der nicht weitere begründete Satz aufgestellt, dass nicht jedes Erleben ein - unerläutert - Gegenstandserleben ist, wobei Conrad als Beispiel die Freude anführt. Das Erleben des eigenen 2.1Gefühls ist ganz sicher kein Erleben höherer Stufe, sondern eine bloße erste Klassifikation einer Kategorie des Erlebens.


      ...
      S.9: "Hierzu eine Einschaltung: Ein solches Gebilde wie die Wahrnehmung
      ist komplexer Natur: es erschöpft sich nicht im
      9.1„Erleben" als solchen. Das ersieht man schon daraus, dass es
      schief, ja unmöglich wäre, vom Wahrnehmen zu sagen, man
      9.2„erlebe" in ihm seinen Gegenstand. So enthält bereits die
      übliche Rede vom 9.3„Wahrnehmungs-Erlebnis" ein Problem.
      Wohl kann man sagen, ich könne mein Sehen oder Hören
      9.4„erleben" im echten Sinne dieses Wortes. Ich kann ja alles 9.5erleben,
      was ein innerlich vorfindliches Ichhaftes ist, so auch
      die Ichtätigkeit des Wahrnehmens. Aber das Wahrnehmen
      als psychisches Gesamtvorkommnis hat noch eine andere
      Seite. Wir sagten schon: indem ich wahrnehme, vollzieht sich
      eine echte Ichbegegnung mit dem Wahrgenommenen. Das ist
      also ein Geschehen im Ichbereich — und das heisst: es ist mehr
      als ein blosses 9.6„Erlebnis"! Das Ichgeschehen wird erst — abgesehen
      von seiner Faktizität — auch noch von mir 9.7„erlebt". Insofern
      ich dieses Ichereignisses „bewusst" werde, kann und
      darf man überhaupt erst mit Bezug aufs Ganze von einem
      9.8Bewusstseins-Erlebnis reden.
      Aber nun noch zur eben erwähnten anderen Seite solcher
      „gegenstandsbezogenen" 9.9Erlebnisse. Man kann darauf hinweisen,
      dass dem Subjekt durch die Objekt-Subjekt-Begegnung,
      die als solche dann 9.10erlebt wird, faktisch etwas inner-
      lich „widerfährt". Das Ich „erleidet" sozusagen das, was ihm
      da „widerfährt". Und eben dieses Widerfahrnis wird vom Ich
      in der Weise des es 9.11„Erlebens" innerlich „aufgenommen". In
      solcher innerlicher erlebnismässiger Aufnahme besteht das Wesen
      des 9.12Erlebens. Aber in der Wahrnehmung steckt noch eine [>10]
      andere Komponente: indem wir ein Objekt wahrnehmen,
      kapern wir es sozusagen für uns; wir kapern es geistig; wir gewinnen
      geistig einen „Gegenstand"; das „Erfassen" desselben
      ist ja ein geistiger Vorgang. Er hat als solcher gar nichts mit
      dem 10.1„Erleben" zu tun. Wir 10.2erleben unser Sehen und Hören;
      insofern kann die Wahrnehmung ein 10.3Erlebnis genannt werden.
      Und andererseits erfassen wir, indem wir wahrnehmen,
      ein Objekt, das in diesem Erfassen unser „Gegenstand" ist.
      Ihn können wir ebensowenig 10.4erleben, wie etwa umgekehrt
      das 10.5Erleben an sich als eine „gegenständliche" psychische Gegebenheit
      angesprochen werden kann. Aber da nun einmal
      die Wahrnehmung ein solch zweiseitiger Komplex ist, erscheint
      es nicht inkorrekt, von einem 10.6Wahrnehmungs-Erlebnis
      zu sprechen. Man muss nur die Lagerung der beiden Komponenten
      zueinander und ihre prinzipielle Strukturverschiedenheit
      im Auge behalten.
      Dass unser Sehen und Hören - abgesehen von unserem es
      10.7Erleben - zugleich ein geistiges In-Besitz-Nehmen ihres Gegenstandes
      ist, zeigt sich darin, dass es ein „Kenntnis-Nehmen"
      vom Sein und Sosein der betreffenden Objekte darstellt.
      Indem wir etwas erstmals wahrnehmen, „lernen" wir es
      „kennen". Und jedes weitere Wahrnehmen vermag diese
      Kenntnis zu vertiefen. In solcher durchs Sehenserlebnis zugleich
      gewonnenen Objektskenntnis besteht offenbar die
      geistige Besitznahme von dem Objekt, von der wir sprachen.
      Wir kommen also durch das psychisches 10.8Erleben einer Ichbegegnung
      mit dem Objekt zum geistigen Einbeziehen des Objekts.
      Anders ausgedrückt: Durch Vermittlung des psychischen
      10.9Erlebensbereichs unseres Ichs gelangen wir zum geistigen Bereich,
      über den dann der Geist verfügt. Hierin liegt eine wichtige
      Erkenntnis des wesenhaften Zusammenhangs zwischen
      Psyche und Geist."
       

        KommentarKap1-S9,10:  S.9 hat 12 Erwähnungen, S.10 hat 9 Erwähnungen: "Ich kann ja alles 9.5erleben, was ein innerlich vorfindliches Ichhaftes (ein neuer  Begriffsverschiebebahnhof) ist, so auch die Ichtätigkeit des Wahrnehmens. Und: "In solcher innerlicher erlebnismässiger Aufnahme besteht das Wesen des 9.12Erlebens." Weiter: Wir kommen also durch das psychisches 10.8Erleben einer Ichbegegnung
        mit dem Objekt zum geistigen Einbeziehen des Objekts. Anders ausgedrückt: Durch Vermittlung des psychischen 10.9Erlebensbereichs unseres Ichs gelangen wir zum geistigen Bereich, über den dann der Geist verfügt. Hierin liegt eine wichtige Erkenntnis des wesenhaften Zusammenhangs zwischen Psyche und Geist."





    Literatur (Auswahl)
    Conrad, Theodor (1968) Zur Wesenslehre des psychischen Lebens und Erlebens. Phaenomenologica 27. Den Haag: Nijhoff.



    Links (Auswahl: beachte)



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    ___


    Querverweise
    Standort: Conrads phänomenologische Analyse des Erlebens.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Conrads phänomenologische Analyse des Erlebens. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/Conrad.htm

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    korrigiert: 22.11.2022 irs Rechtschreibprüfung und gelesen






    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    22.11.22    irs Rechtschreibprüfung und gelesen, D und InVerz in Kopf und Fußzeile.
    20.10.22    Vorläufiger Abschluss nach Analyse der ersten 54 Fundstellen > Fazit.
    00.10.22    Analysen
    00.10.17    Im September/ Oktober angelegt.