David Ricardo
19.4.1772 London - 11.9.1823 Gatcombe Park (Gloucestershire)
"Ricardo entstammt einer aus Holland nach England eingewanderten Börsenmaklerfamilie. Er erwarb schon in jungen Jahren praktische Erfahrungen im Geschäftsleben; eine weiterreichende Ausbildung, etwa ein Universitätsstudium hielt der Vater für überflüssig. Unter Bruch mit der jüdischen Orthodoxie des Elternhauses (wegen einer Heirat mit einer Christin) machte er sich frühzeitig selbständig. R. entwickelte sich schnell zu einer überaus erfolgreichen Persönlichkeit der Londoner Finanzwelt und gehört mit 40 Jahren zu den 100 reichsten Männern Englands. Neben seiner geschäftlichen Tätigkeit widmete er sich naturwissenschaftlichen Studien (Mathematik, Mineralogie) und in wachsendem Maße der politischen Ökonomie." Quelle |
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Aus: Ricardo, David (dt. 1959, engl. 1821, 3.A.). Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung. Übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Gerhard Bondi. Berlin: Akademie-Verlag.
Ich habe mich bei dieser Auflage bemüht, meine Ansicht über das schwierige Problem des Wertes vollständiger als früher darzulegen, und ich habe deswegen dem ersten Kapitel einiges hinzugefügt. Ich habe auch ein neues Kapitel über Maschinerie und über die Auswirkungen ihrer Verbesserungen auf die Interessen der verschiedenen Klassen des Landes eingeschoben. In dem Kapitel über die unterschiedlichen Eigenschaften von Wert und Reichtum habe ich die Theorien Says zu dieser bedeutenden Frage untersucht, so wie sie in der vierten und letzten Auflage seines Werkes entwickelt werden. Ich habe mich im letzten Kapitel bemüht, die Theorie von der Fähigkeit eines Landes, zusätzliche Geldsteuern durch die Ausfuhr seiner Mankufakturwaren aufzubringen, — obwohl der Gesamtwert seiner Warenmasse in Geld sinkt, entweder infolge des durch Verbesserungen in der Agrarwirtschaft geringeren Arbeitsquantums, das für die Produktion seines Getreides im Inland erforderlich ist, oder infolge der Einfuhr eines Teiles seines Getreides aus dem Ausland zu einem niedrigeren Preis, — stärker als früher in den Mittelpunkt zu rücken. Diese Untersuchung ist von großer Bedeutung für die Frage der ungehinderten Einfuhr ausländischen Getreides, speziell in einem Lande, das als Folge einer ungeheueren Staatsschuld mit hohen und nnelastischen Geldsteuern belastet ist. Ich war bestrebt zu zeigen, daß die Fähigkeit, Steuern zu zahlen, weder von dem Bruttogeldwert der Warenmasse noch [>6] von dem Netto-Wert in Geld der Revenue des Kapitalisten oder des Grundeigentümers abhängt, sondern von dem Geldwert der Revenue jedes Einzelnen, verglichen mit dem Geldwert der üblicherweise von ihm konsumierten Waren.
26. März 1821.
KAPITEL I
Der Wert einer Ware oder die Quantität einer anderen Ware, gegen die sie ausgetauscht wird, hängt ab von der verhältnismäßigen Menge an Arbeit, die zu ihrer Produktion notwendig ist, nicht aber von dem höheren oder geringeren Entgelt, das für diese Arbeit gezahlt wird.
Adam Smith stellt fest, daß "das Wort Wert zwei verschiedene Bedentungen hat, manchmal die Nützlichkeit eines bestimmten Gegenstandes ausdrückt und manchmal die Fähigkeit, andere Waren zu kaufen, die der Besitz dieses Gegenstandes verleiht. Die eine kann man Gebrauchswert, die andere Tauschwert nennen. Die Gegenstände", fährt er fort, "die den größten Gebrauchswert haben, besitzen häufig geringen oder gar keinen Tauschwert, während andererseits diejenigen, die den größten Tauschwert haben, einen geringen oder keinen Gebrauchswert besitzen". Wasser und Luft sind außerordentlich nützlich; sie sind sogar für unsere Existenz unentbehrlich, und doch erhält man unter normalen Umständen nichts im Austausch für sie. Hingegen kann man für Gold, obwohl es im Vergleich mit Luft oder Wasser nur geringen Nutzen besitzt, eine große Menge anderer Waren eintauschen.
Nicht die Nützlichkeit ist das Maß des Tauschwertes, obwohl sie ein notwendiges Element desselben ist. Wenn eine Ware in keiner Weise nützlich wäre — anders ausgedrückt, wenn sie durch nichts zu unserem Wohlbefinden beitrüge — so würde ihr jedweder Tauschwert [>10] mangeln, gleichgültig, wie selten sie sei oder wieviel Arbeit notwendig wäre, um sie zu beschaffen.
Die Dinge, sobald sie einmal als an sieh nützlich anerkannt sind, beziehen ihren Tauschwert aus zwei Quellen: Aus ihrer Seltenheit und der zu ihrer Gewinnung nötigen Arbeitsmenge.
Es gibt einige Dinge, deren Wert nur von ihrer Seltenheit abhängt. Keine Arbeit kann ihre Zahl vermehren, und daher kann ihr Wert nicht durch ein vermehrtes Angebot herabgesetzt werden. Einige auserlesene Statuen und Bilder, seltene Bücher und Münzen, Wein von spezieller Qualität, der nur aus Trauben gekeltert werden kann, die auf besonderem Boden beschränkter Ausdehnung gedeihen, gehören zu dieser Kategorie. Ihr Wert ist völlig unabhängig von der zu ihrer Produktion ursprünglich erforderlichen Menge Arbeit, und er verändert sich mit dem Wechsel des Wohlstandes und der Neigungen derer, die sie zu besitzen wünschen.
Allerdings stellen diese Dinge nur einen sehr kleinen Teil der Warenmasse dar, die täglich auf dem Markt ausgetauscht wird. Der weitaus größte Teil der Gegenstände, für die ein Bedürfnis besteht, wird durch Arbeit gewonnen. Sie können nicht nur allein in einem, sondern in vielen Ländern in fast unbegrenzter Menge vermehrt werden, wenn wir dazu bereit sind, die für ihre Erzeugung notwendige Arbeit aufzuwenden.
Wenn wir also von Waren, ihrem Tauschwert und den Prinzipien reden, die ihre relativen Preise bestimmen, so haben wir stets nur solche im Auge, deren Menge durch menschliche Arbeit vermehrt werden kann und deren Produktion durch uneingeschränkte Konkurrenz beherrscht wird.
In den frühen Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung ist der Tauschwert jener Waren oder das Gesetz, welches bestimmt, wieviel von einer Ware für eine andere hingegeben werden muß, fast ausschließlich von der ver [>11] hältnismäßigen Menge Arbeit abhängig, die auf jede verwandt wurde.
"Der wirkliche Preis jedes Dinges", sagt Adam Smith,
"das, was jedes Ding den Mann kostet, der es zu erwerben wünscht,
ist die Mühe und Beschwerlichkeit des Erwerbes. Was jedes Ding für
denjenigen wert ist, der es sich verschafft hat und der es zu veräußern
oder für etwas anderes auszutauschen wünscht, ist die Mühe
und Beschwerlichkeit, die es ihm selbst dadurch erspart und anderen auferlegt."
"Arbeit war der erste Preis — das ursprüngliche Kaufgeld, mit dem
alle Dinge bezahlt wurden". Weiter: "In jenem frühen und rohen Zustande
der Gesellschaft, der sowohl der Akkumulation von Kapital als auch der
Aneignung des Bodens vorangeht, scheint das Verhältnis zwischen den
zur Erlangung verschiedener Gegenstände erforderlichen Arbeitsmengen
die einzige Grundlage zu sein, aus der irgendeine Regel für den wechselseitigen
Austausch abgeleitet werden kann. Wenn in einem Stamm von Jägern beispielsweise
die Erlegung eines Bibers in der Regel zweimal soviel Arbeit wie die eines
Hirsches kostet, so wird natürlich der Biber gegen zwei Hirsche ausgetauscht
oder zwei Hirsche wert sein. Es ist selbstverständlich, daß
das normale Produkt zweitägiger oder zweistündiger Arbeit doppelt
soviel wert ist wie das, was normalerweise das Erzeugnis eintägiger
oder einstündiger Arbeit ist. (FN-1 Buch I, Kap. 5)
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