SGIPT - Gesellschaft für Allgemeine und Integrative Psychotherapie - Deutschland
    Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT DAS=29.06.2001 
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    KVB-Sondervereinbarung mit der AOK Bayern, der IKK Bayern und den Landwirtschaftlichen Krankenkassen in Bayern,

    Kommentar zum Rundschreiben der KVB vom 15.06.2001 Zeichen 15a

    von Rudolf Sponsel, Psychologischer Psychotherapeut, Erlangen

    Berufspolitisches Programm_Honorarstatistik ÄrztInnen_Honorarstatistische Probleme  _Geldfragen + BSG-Urteil


          Übersicht: _Zum Sachverhalt:  _Hintergrund_Worum es aktuell geht
          Zum vorgebrachten Anliegen der Krankenkassen
          Das legitime Ziel der Kontrolle
          Das legitime Ziel der Qualitätssicherung ist keine Effizienzsicherung
          Die sach-unangemessene Verschränkung Kontrolle und Punktwert
          Die rechtspolitisch problematische Herausnahme aus dem HVM
          Können die angebenen Ziele mit dieser Maßnahme erreicht werden?
          Entwurf einer Erklärung zur Unterschrift unter die Sondervereinbarung




    Zum Sachverhalt

    Hintergrund: Das Bundessozialgericht hat hier mit seinem Urteil  B 6 KA 14/98 R vom 25. August 1999 höchstrichterlich für Recht erkannt, daß die PsychotherapeutInnen den ÄrztInnen in ihren Honoraransprüchen 1) grundsätzlich gleich zu stellen sind und weil Psychotherapie eine nicht durch andere Abrechnungsmöglichkeiten ausgleichbare zeitgebundene Leistung ist, 2) mit einem sog. Mindestpunktwert abgesichert werden muß. Hierbei wird das PsychotherapeutInnen Einkommen an das vergleichbare ÄrztInnen Einkommen gekoppelt: verdienen die ÄrztInnen mehr, müssen die PsychotherapeutInnen mehr erhalten, verdienen die ÄrztInnen weniger, kürzt sich auch der Honoraranspruch der PsychotherapeutInnen entsprechend. Das erscheint uns fair und gerecht. Der für das Jahr 1996 angemessene Punktwert unter der unrealistischen Annahme einer durchschnittlichen 36-Wochensitzungszahl wurde auf 10 DPF bestimmt. Eine 50-Minuten Psychotherapiesitzung [FN01] in der ambulanten Praxis ist mit 1450 Punkten bewertet. 10 DPF ergeben damit ein Psychotherapiehonorar von DM 145.- für das Basisjahr 1996 bei durchschnittlich 36 Wochensitzungsstunden.

    Worum es aktuell geht: Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) hat nun in Verhandlungen mit der AOK, der IKK und den Landwirtschaftlichen Krankenkassen Bayerns für die PsychotherapeutInnen eine Vereinbarung [FN02] getroffen, die denjenigen einen Punktwert von 10 DPF für reguläre Psychotherapieleistungen gewährt, die eine von PatientInnen unterschriebene Erklärung über die Anzahl der pro Quartal stattgefundenen Sitzungen beibringen. Diese Vereinbarung birgt mehrere Unklarheiten, die nun vorgestellt, untersucht und kritisch gewürdigt werden sollen.


    Zum vorgebrachten Anliegen der Krankenkassen
    Die Wünsche der Krankenkassen nach Transparenz über den Status (Stand der geleisteten Stunden) zeitabhängiger Therapieleistungen (hier Psychotherapie) sind grundsätzlich verständlich und akzeptabel. Allerdings ist festzustellen, daß durch die in der Sondervereinbarung getroffene Maßnahme die gewünschten Informationen gar nicht vermittelt werden können. Diese Begründung im KVB Schreiben ist objektiv falsch. Denn: Aus einer Bestätigung über die Anzahl geleisteter Sitzungen ergibt sich nicht, ob vorliegt: Ausschleichen in der Therapieendphase, eine Unterbrechung, Pause (Urlaub, Krankheit, Kur, stationärer Aufenthalt, arbeits- oder ausbildungsbedingte Unterbrechungen), Abbruch [1) wegen mangelnden oder nicht genügenden Erfolges; 2) wegen Arbeitsbeziehungsproblemen; 3) wegen mangelnder Kooperation; 4) wegen Umzugs; 5) wegen anderer Terminverpflichtungen z. B. durch eine andere Arbeit bzw- Arbeitsstelle: 6) sonstiges] oder vorzeitige Beendigung [regulär a), weil Ziele erreicht; regulär b) weil weitere Ziele nicht mehr erreichbar scheinen, regulär c) sonstiges].



    Das legitime Ziel der Kontrolle
    Eine Kontrolle für die in Rechnung gestellten Leistungen ist grundsätzlich kaufmännisch und juristisch sinnvoll und wir akzeptieren sie daher. Wer Leistungen erbringt kann dies ja nirgendwo in der Wirtschaftswelt unkontrolliert in Rechnung stellen. Eine solche elementare Leistungs- und Rechnungskontrolle hat nun aber mit Qualitätssicherung so gut wie nichts zu tun, es sei denn, daß man unter Qualitätssicherung untypisch schon verstehen möchte, Abrechnungstricks oder gar Betrügereien zu unterbinden, was im psychotherapeutischen Setting ohnehin nicht einfach und wenig ergiebig erscheint. Die Bestätigung der PatientInnen ist nun aber in der Tat ein Schritt in die Richtung, etwa Sitzungen abzurechnen, die gar nicht - oder nicht im angegebenen Umfang - stattgefunden haben, zu unterbinden. Dagegen gibt es grundsätzlich nichts einzuwenden. Weniger schön ist allerdings, daß durch diese Maßnahme Unkundige mutmaßen könnten, daß Unlauterkeiten bei der Abrechnung von Psychotherapieleistungen besonders kontrolliert werden müssen. Die großen Skandale und Abrechnungsmanipulationen [FN03], die in den letzten Jahren durch die Medien gingen, sind aber nicht im ambulanten Psychotherapiebereich gewesen. Wir haben nichts dagegen, als Avantgarde ausgewählt zu werden. Wir möchten aber doch deutlich machen, daß die Milliardenmißwirtschaft im Psychotherapiebereich schon deshalb gar nicht stattfinden kann, weil der gesamte Umsatz sich nur im deutlich zu kleinen 1,5 Milliardenbereich bewegt. Eine angemessene Aufstockung und Finanzierung würde auch das Doppelte kaum überschreiten und auch dann nur etwa 1/2 Prozent der Gesundheitsgesamtkosten ausmachen. Wir denken, daß alle rechtschaffenen LeistungserbringerInnen im Gesundheitsystem - und das dürfte wohl die große Mehrheit sein - daran interessiert sind, daß den schwarzen Schafen das Handwerk erschwert wird; so gesehen begrüßen wir Bestrebungen nach sachgerechter Kontrolle. Weshalb die Kontrolle mit dem Punktwert verschränkt wird, bleibt unverständlich, sachunangemessen und wir erörtern es unten.



    Das legitime Ziel der Qualitätssicherung ist keine Effizienzsicherung
     
    Wichtig zur Unterscheidung: Abrechnungskontrolle - Qualitätskontrolle - Effizienzkontrolle
    Für die persönliche Effizienzkontrolle gibt es bislang keine Berufsrechtsgrundlage

    Das Qualitätssicherungsgebot ist fester Bestandteil des Sozialgesetzbuches geworden. Wir begrüßen das neue Bewußtsein nach Qualität, Qualitätssicherung und Qualitätsmanagment, wenn damit nicht nur neue bürokratische potemkische Dörfer erzeugt werden. Qualitätskontrolle kann nach dem geltenden Arztrecht aber bislang nur bedeuten, sicherzustellen und auch zu kontrollieren, ob die Arbeit lege artis verrichtet wird. Der Schritt von der Qualitäts- zur rechtswidrigen Effizienzkontrolle ist sehr klein und schnell getan. Ich persönlich hätte auch nichts gegen Effizienzkontrolle, wenn sie ausdrücklich eingeführt und rechtlich abgesichert und verankert würde. Hierzu müßte aber das Arztrecht geändert werden. Qualitätskontrolle heißt: wird eine Arbeit so ausgeführt, wie es nach der ärztlichen Kunst erlaubt, geboten und möglich ist. Effizienzkontrolle heißt hingegen: wird eine Arbeit mit entsprechendem Erfolg ausgeführt. Das Problem ist, daß Qualität und Effizienz auf verschiedenen Sachebenen miteinander vermischt sind.
        Wissenschaftlich können Therapieverfahren nur dann zugelassen werden, wenn sie ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben.
        Berufsrechtlich hingegen kann von einerÄrztIn oder PsychotherapeutIn nur verlangt werden, daß sie ihre Arbeit richtig macht; wirksam muß sie nicht sein, weil es leider nicht allein in der Macht therapeutischen Handelns steht, einen Erfolg herbeizuführen [FN04]. Das ist ein außerordentlich schwieriges Gebiet.
        Aufgrund der allgemeinen Knappheit der Mittel, des Fortschritts der Medizintechnologie und der für viele sehr attraktiven Berufsbilder, die immer mehr in das Gesundheitssystem strömen läßt [siehe exorbitante Zunahmen der Arztdichte] sind die Krankenkassen natürlich bestrebt, Mittel und Wege zu suchen, wie diese Kostenexplosion gestoppt und besser kontrolliert werden kann. Das ist gesellschafts- und gesundheitspolitisch sicher verständlich und richtig. Wenn man aber glaubt, daß zu viele zu wenig Erfolg haben, dann muß man dies klar sagen und eine Änderung des Arztrechtes zur Diskussion stellen und auf den Weg bringen. Leider sieht es gegenwärtig so aus, als ob manche Kreise im Gesundheitssystem versuchten, das Qualitätssicherungsgebot in Richtung Effizienzsicherung umzudeuten, was noch viel böses Blut geben wird. Will man Effizienzkontrolle, so soll man das klar sagen und die rechtlichen Voraussetzungen dafür herstellen, falls es gute Gründe dafür gibt, daß eine solche Effizienzkontrolle nicht mehr neue Probleme mit sich bringt als man alte beseitigt. Das Den- Teufel- mit- dem- Belzebub- austreiben- Syndrom ist weit  verbreitet und sehr gefährlich. Ansonsten kann die Grundsatz- Methode leicht umschrieben werden. 1) Man bestimme den durchschnittlichen Therapieerfolg. 2) man wähle zum Beispiel als kritische Untergrenze 1 Sigma (Standardabweichung: FN05) unter dem Mittelwert. Wer mit seiner Erfolgsstatistik darunter liegt erhält eine Effizienzberatungsmaßnahme. 3) Wer x-mal Effiziensberatungsmaßnahmen in einem Interval t herausfordert, erhält eine Nachschulung. Wiederholt sich der Fall, wird zur beruflichen Umorientierung oder Umschulung geraten. Für solche Maßnahmen gibt es derzeit aber keinerlei Rechtsgrundlagen. Sie erforderten ein neues ÄrztIn- oder TherapeutInnen-Recht, in dem die Pflicht zu einer bestimmten statistisch-mittleren Effizienz verankert würde.
     
    Im Psychotherapiebereich bieten sich zur Qualitätskontrolle etwa folgende Möglichkeiten an (unverbindliches persönliches brain storming): 1) Werden die Sitzungen dokumentiert? 2) Werden Therapieziele erfaßt? 3) Werden die Sitzungen vorbereitet? 4) Werden die Sitzungen nachbereitet? 5) Gibt es Evaluationskonzepte?  6) Werden die angewendeten Therapiemethoden evaluiert? 7) Wird der Therapiezielstatus erhoben? 8) Wird der Therapieverlauf und -fortschritt erhoben, dokumentiert und evaluiert? 9) Werden Konsil, Kooperation, Autosupervision, Intervision und Supervision wahrgenommen? 10) Wird Fort- und Weiterbildung gemacht (intern, extern)? 11) Werden zwischen Therapiesitzungen Pausen gemacht? 12) Wird zu viel [Überforderung, Streß, unangemessen niedrige Honorare] gearbeitet? 13) Wird zu wenig [zu wenig Routine, keine erfahrungsbildenden Fallzahlen] gearbeitet? 14) Ist genügend Zeit für die Erholung und Ressourcen Reaktivierung vorgesehen (Freizeit, Entspannung, Ausgleich, Sport, Spiel, Erholung, Urlaub)?, 15) ... u. a. m.



    Die sach-unangemessene Verschränkung Kontrolle und Punktwert
    Die Abrechnungskontrolle ist eine wichtige, natürliche und unverzichtbare Aufgabe der sozialen Kostenträger und ihrer Organisationen. Das ist völlig selbstverständlich und bedarf keiner besonderen Begründung. Wieso eine so triviale und im Grunde selbstverständliche Abrechnungskontrolle mit dem Punktwertanspruch verknüpft wird, kann ich logisch und sachlich nicht nachvollziehen. Ich habe auch Zweifel, ob eine solche Verschränkung überhaupt rechtlichen Bestand haben kann. Denn das Bundessozialgerichtsurteil hat den grundsätzlichen Honoraranspruch und die Vergleichbarkeits-  Kriterien ja völlig unabhängig von der Abrechnungs-, Qualitäts- oder gar der rechtlich nicht verankerten persönlichen Effizienzkontrolle festgestellt: wer zugelassen ist, hat Anspruch. Wir sehen in dieser - unserer Meinung nach rechtlich unhaltbaren - Verschränkung ein pragmatisches Politikum. Man wollte womöglich den Einstieg in die Abrechnungskontrolle und hat nach Anreizen gesucht. Vielleicht möchte man aber auch nur den Boden honorarpolitisch dafür vorbereiten, daß bestimmte Vergütungen (Punktwerte) an bestimmte Kriterien geknüpft werden. Das aber hat das Bundessozialgericht nicht gewollt, sonst hätte es das ja gemacht. Diese unglückliche Verschränkung dieser Vereinbarung bedeutet daher möglicherweise auch einen Versuch, sich an die Stelle des Bundessozialgerichtsurteils zu setzen, um es aus unserer Sicht zu verschlimmbessern.



    Die rechtspolitisch problematische Herausnahme aus dem HVM
     
    "Für den Fall, daß Sie sich diesem Verfahren nicht anschließen, zahlen die Regionalkassen den in Bayern geltenden Mindestpunktwert von 8,25 DPF ebenfalls außerhalb der pauschalierten Gesamtvergütung." (fett-kursiv von R.S: Quelle)

    Die Herausnahme der Finanzierung aus dem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ist nicht einfach zu bewerten. Ich denke, es gibt Gründe, die dafür sprechen und es gibt Gründe, die dagegen sprechen. Das HVM-Modell sieht vor, daß die sozialrechtlich zugelassenen GesundheitsdienstleisterInnen unter sich ausmachen, wie die Versichertengelder = Honorartopf verteilt werden. Aufgrund der Knappheit der Mittel und dem Verlangen der DienstleisterInnen möglichst viel für ihre Arbeit zu bekommen, ergeben sich hier ständige Verteilungskämpfe, was in gewisser Weise normal und natürlich ist. Sind die Machtverhältnisse der Interessengruppen ungleich und unausgewogen, kommt es vermehrt zu Honorar- Siegern und  Honorar- Verlierern. Damit sind die Sozialgerichte u. a. unentwegt beschäftigt. Die kleinen Gruppierungen sind in einem solchen System, das keinen Minderheitenschutz vor Interessen- und Machtmißbrauch  kennt, das natürliche "Futter" der Großen und mächtigen Interessenlobbies. Als kleine Gruppierung waren davon auch in besonderem Maße bis zum heutigen Tage die PsychotherapeutInnen betroffen, was zu zahlreichen Honorarklagen und 1999 zu dem - schon mehrfach zitierten - bahnbrechenden und wegweisenden Bundessozialgerichtsurteil geführt hat. Das PsychotherapeutInnenhonorar ist nach diesem höchstrichterlichen Urteil keine reine Verhandlungssache mehr, sondern es wurden Kriterien für deren Veranschlagung festgelegt. Damit ist auch eine neue Situation für das HVM-Modell entstanden, das formal gesehen Freiheitsgrade verloren hat. Eine Herausnahme aus dem HVM Modell hat das Bundessozialgericht weder vorgeschrieben noch beabsichtigt. Im Gegenteil: der Kern des Urteils besagt ja, daß das PsychotherapeutInnen Einkommen an das vergleichbare ÄrztInnen Einkommen gekoppelt ist. Andererseits hat das Bundessozialgericht keine Vorschriften gemacht, wie die Finanzierungsmittel zu organisieren und zu beschaffen sind. Eine Herausnahme aus dem HVM- Modell bedeutet rein finanziell sowohl für die Honorare der ÄrztInnen als auch der PsychotherapeutInnen Vorteile, denn zum HVM- Topf kommt ein weiterer Topf, nennen wir ihn FIX-Topf hinzu. Die höheren Honorare für PsychotherapeutInnen würden nicht mehr zu Minderungen der anderen ÄrztInnengruppen führen. Der Verteilungskampf und die Honorarinteressen- Konflikte würden sich an dieser Stelle sehr merklich entspannen, was wohl positiv zu bewerten ist. Dies ist im Grunde dann auch ein Einstieg in ein eigenes Finanzierungsmodell für Psychotherapieleistungen. Dies könnte von berufs- und gesundheitspolitischen GegnerInnen der Psychotherapie dazu genutzt werden, zu versuchen, die Psychotherapie aus dem Katalog der medizinischen Grundleistungen herauszudrängen. Es ist ziemlich sicher, daß das Gesundheitswesen der Zukunft mehr Eigenbeteiligung und Eigenverantwortung fordern wird und muß, weil die Mittel aus vielfachen Gründen für die Bedienung aller Wünsche nicht mehr reichen. Kontrolle, Qualität und möglicherweise auch der Gesichtspunkt der persönlichen Effizienz - für die es noch keine Rechtsgrundlage gibt - werden in Zukunft eine zunehmend stärkere Rolle spielen. Die Gefahr ist, daß man die Dinge halbherzig betreibt, nur den Anschein wahrt und nur die Bürokratie vervielfacht, also potemkische Dörfer errichtet, ohne wirklich etwas Wesentliches und Nützliches zu verändern. Die Herausnahme aus dem HVM Modell bietet daher Chancen und Risiken. Wir sollten also nicht vorschnell überängstlich und abwehrend reagieren, aber schon sehr darauf achten, daß Herausnahme aus dem HVM nicht bedeuten kann und darf, Notwendigkeit, Sinn und Nutzen der Psychotherapie als medizinische Grundversorgungsleistung in Frage zu stellen. Grundversorgung wird auch in Zukunft mehr und mehr bedeuten: Kostenträger + Eigenanteil. Damit wird dann zugleich ein natürlicher Wettbewerb gefördert, der dem Gesundheitswesen schon lange fehlt: Effizienzregulierung durch die Kräfte des freien Marktes.



    Können die angegebenen Ziele mit dieser Maßnahme erreicht werden?
    Die Antwort lautet klar: Nein. Gegen die Kontrolle erbrachter Sitzungsleistungen gibt es nichts einzuwenden. Auch die Transparenzwünsche der Krankenkassen sind völlig in Ordnung. Aber diese Ziele nach mehr Transparenz hinsichtlich Therapie- Status "(z. B. wurde die genehmigte Stundenzahl ausgeschöpft, hat der Patient die Behandlung abgebrochen, ist die Behandlung beendet)"  lassen sich durch dievereinbarte Maßnahme nicht erreichen, sie sind bestenfalls ein Signal für die Zukunft. So stellt sich die Frage: Haben wir etwas gegen diese Signalwirkung für die Zukunft? Ich denke: Nein. Es ist aber schon sehr schade, daß die Begründung so schwach und sachunangemessen ist und eine Argumentation daher zu Mißtrauen bis zum Argwohn führen kann und vielfach auch tut (Horst Seehofer: "Die Gesundheitspolitik, das ist ein Haifischbecken").
        Wie oben schon einmal ausgeführt: Aus einer Bestätigung über die Anzahl geleisteter Sitzungen ergibt sich nicht, ob vorliegt: Ausschleichen in der Therapieendphase, eine Unterbrechung, Pause (Urlaub, Krankheit, Kur, stationärer Aufenthalt, arbeits- oder ausbildungsbedingte Unterbrechungen), Abbruch [1) wegen mangelnden oder nicht genügenden Erfolges; 2) wegen Arbeitsbeziehungsproblemen; 3) wegen mangelnder Kooperation; 4) wegen Umzugs, 5) wegen anderer Terminverpflichtungen z. B. durch eine andere Arbeit bzw- Arbeitsstelle, 6) sonstiges] oder vorzeitige Beendigung [regulär a), weil Ziele erreicht; regulär b) weil weitere Ziele nicht mehr erreichbar scheinen, regulär c) sonstiges].
        Wie könnte und sollte man den Therapie-Status erheben? Das ist im Grunde sehr einfach zu machen - wie, darauf werden wir in einer späteren Ausarbeitung eingehen.



    Entwurf einer Erklärung zur Unterschrift unter die Sondervereinbarung
    für alle diejenigen KollegInnen, die sicherstellen möchten, daß Ihre Unterschrift nicht mißverstanden und fehlinterpretiert wird
     
    Aufgrund der zahlreichen Probleme, Miß- und Fehlinterpretationen, die eine Unterschrift unter die Sondervereinbarung mit sich bringen kann, haben wir uns für folgenden Weg entschieden: Wir unterschreiben, aber wir erklären unsere Unterschrift, was wir meinen und nicht meinen. Alle KollegInnen, die das möchten, können sich diesen Vorschlag zu eigen machen oder ihn nach ihren Wünschen, Zielen und Bewertungen umformulieren.

    Wir, Dipl.-Psych. Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil.Rudolf Sponsel erklären zu unserer Unterschrift unter die Sondervereinbarung folgendes:

    Unsere Unterschrift bedeutet, daß wir
    1+) die Wünsche der Krankenkassen nach Transparenz über den Status (Stand der geleisteten Stunden) zeitabhängiger Therapieleistungen (hier Psychotherapie) akzeptieren. Allerdings müssen wir feststellen, daß durch diese Maßnahme keinerlei neue Information (laufend, pausierend, unterbrochen, abgebrochen, beendet) gewonnen wird, weil der Stand der bisher geleisteten Stunden ja bisher auch schon bekannt ist; neu ist lediglich die Kontrollbestätigung durch die PatientInnen;
    2+) eine Kontrolle für die in Rechnung gestellten Leistungen grundsätzlich für kaufmännisch und juristisch sinnvoll halten und akzeptieren;
    3+) der Sondervereinbarung mit der AOK Bayern, der IKK Bayern und den Landwirtschaftlichen Krankenkassen in Bayern zustimmen, falls uns der Wortlaut original übermittelt wurde (Schreiben vom 15.6.2001 mit dem Zeichen 15a der KVB).

    Wir bedauern,
    4-) daß möglicherweise der falsche Eindruck entsteht, daß diese Form der Kontrolle etwas mit Qualitätssicherung zu tun hat;
    5-) daß diese Kontrolle mit dem Thema Punktwert sachunangemessen verschränkt wird;
    6-) daß für die zusätzliche Leistung keine EBM-Zuordnung (analog Ordination Ziffer 1) avisiert wurde.

    Wir finden es honorarrechtspolitisch sehr problematisch,
    7-) daß mit der Herausnahme aus dem HVM ein neues Finanzierungsmodell auf dem Weg gebracht wird, das den falschen Eindruck erwecken könnte, daß Psychotherapieleistungen nicht mehr zur Grundversorgung gehören, wovon wir uns ausdrücklich distanzieren.

    Unsere Unterschrift bedeutet NICHT,
    8-) daß wir zwei unterschiedliche Punktwerte (fix und floatend) für die gleichen Leistungen (probatorische versus genehmigte Sitzungen) akzeptieren, d. h. wir behalten uns vor, gegen das Floatingsystem Widerspruch einzulegen;
    9-) daß wir einen Punktwert von 10 DPF akzeptieren.
    Das BSG Urteil B 6 KA 14/98 R vom 25. August 1999 hat pro 50-Minuten Sitzung für das Basisjahr 1996 einen Punktwert von 10 DPF auf der Basis von 36 Wochenstunden errechnet. Das auf Dauer leistbare Wochenstundenkontingent beträgt aber maximal 30 Sitzungen. Daher ist der Punktwert umzurechnen 10 DPF * 36/30. Da als Vergleichsbasis das entsprechende ÄrztInneneinkommen gilt, ergibt sich für uns ein Honoraranspruch nach der Berechnungsformel (ausführlichere Darlegung hier):

        VAE = Vergleichbares AerztInneneinkommen mit Gebietsbezeichnung
        X =   örtlicher Auf- oder Abschlagsfaktor nach Bundesland oder KV-Gebiet.

       1996    VAE96 = 145 * 36/30 = 174.- DM
     1997    VAE97 =  VAE96 *  (VAE97 / VAE96)  *  X
     1998    VAE98 =  VAE97 *  (VAE98 / VAE97)  *  X
     1999    VAE99 =  VAE98 *  (VAE99 / VAE98)  *  X
     2000    VAE00 =  VAE99 *  (VAE00 / VAE99)  *  X
     ...............................................
     2005    VAE05 =  VAE04 *  (VAE05 / VAE04)  *  X
     ...............................................
     2010    VAE10 =  VAE09 *  (VAE10 / VAE09)  *  X
     ...............................................

    gezeichnet: xyz


    Fußnoten


    FN01 50 Minuten Psychotherapiesitzung und damit verbundene Leistungen:
    An eine 50-Minuten Psychotherapiesitzung sind folgende zusätzliche Leistungen gebunden: (1) Dokumentation der Sitzung; (2) Vorbereitung der Sitzung; (3) Nacharbeit der Sitzung, (4) Qualitätssicherung, Evaluation, Kontrolle, Supervision der Sitzung, (5) Verwaltung (5.1) Organisation, 5.2) Terminierung, 5.3) Buchführung, 5.4) Abrechnung, 5.5) Auswertung, 5.6 Kooperation, 5.7) Berichte, 5.8) Anträge, 5.9) Formulare); 6) Fort- und Weiterbildung (Literatur, Workshops, Kongresse). Für diese Aufwendungen sind im Mittel mindestens ca. 50 % pro Psychotherapiesitzung anzusetzen. Dies ergibt bei 30 Wochensitzungen 30 * 50 + 30 * 25 = 2250 = 37,5 Stunden, wobei notwendige kleine Pausen und Abstände zwischen den Sitzungen nicht eingerechnet wurden.


    FN02 Schreiben der KVB vom 15.6.2001
    KASSENÄRZTLICHE VERElNIGUNG BAYERNS Körperschaft des öffentlichen Rechts
    Kassenärztliche Vereinigung Bayerns Anschrift : Arabellastraße 30, 81925 München, Postfach 81 05 60 - 81905 München, Telefon : (0 89) 9 20 96-0  Telefax : (0 89) 9 20 96 - 105. München, 15.06.2001, Unser Z. : 15a
    Damen und Herren Mitglieder der KVB, die genehmigungspflichtige, zeitgebundene Leistungen der Psychotherapie abrechnen
    Ergebnis der Honorarverhandlungen mit den Regionalkassen (ohne BKK) über die Honorierung genehmigungspflichtiger, zeitgebundener Leistungen im Jahr 2001
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    in den Honorarverhandlungen für das Jahr 2001 mit der AOK Bayern, der IKK Bayern und den Landwirtschaftlichen Krankenkassen in Bayern (im folgenden Regionalkassen genannt) konnten wir bereits Teilergebnisse erzielen.
    Ein Ergebnis betrifft die genehmigungspflichtigen, zeitgebundenen Leistungen des Kapitels G IV EBM, für die aufgrund des BSG-Urteils vom 25.08.1999 ein Mindestpunktwert gefordert ist.
    Die Regionalkassen zahlen ab dem 1. Quartal 2001 für diese Leistungen einen Punktwert von 10 DPF außerhalb der pauschalierten Gesamtvergütung unter der Voraussetzung, daß eine von Ihnen und von Ihren Patienten unterschriebene Erklärung mit der Quartalsabrechnung bei der KVB eingereicht wird. Ein Muster dieser, für jeden bei o.g. Regionalkassen versicherten Patienten, auszufüllenden Erklärung liegt anbei. Wir bitten Sie, sich selbst eine entsprechende Anzahl von Kopien anzufertigen.
    Warum wollen die Kassen diese Erklärung? Die Kassen haben uns gegenüber versichert, daß sie keinen gläsernen Patienten wollen. Jedoch haben die Kassen ein Interesse daran, etwas mehr Transparenz über den Fortgang der Behandlung (z. B. wurde die genehmigte Stundenzahl ausgeschöpft, hat der Patient die Behandlung abgebrochen, ist die Behandlung beendet) zu bekommen. Diese Informationen bekommen die Kassen bisher nicht. Die Kassenvertreter haben uns versichert, daß mit der Unterschrift des Patienten nur die Anwesenheit in den Sitzungen dokumentiert wird und keine rechtsgeschäftliche Handlung vorgenommen wird. Daher kann die Anwesenheit auch von Kindern bzw. Jugendlichen bestätigt werden.
    Die Kassen haben sich auch bereit erklärt, für das erste und zweite Quartal 2001 rückwirkend einen Punktwert von 10 DPF zu zahlen, wenn Sie Ihrer KVB-Bezirksstelle gegenüber erklären, dieses Verfahren ab dem 3. Quartal 2001 anzuwenden. Um dies noch mit der laufenden Abrechnung 2/2001 realisieren zu können, müssen Sie die beigefügte
    "Erklärung zur Teilnahme an der Sondervereinbarung" bis spätestens Freitag, 06.07.2001 an Ihre KVB - Bezirksstelle [Seite 2]
    senden. Um aufwendige Nachberechnungen zu vermeiden, erhalten Sie für das 1. Quartal 2001 einen Punktwert von 8,25 DPf. und mit der Abrechnung für das zweite Quartal 2001 einen entsprechend hohen Zuschlag auf die genehmigungspflichtigen, zeitgebundenen G IV Leistungen als pauschale Nachzahlung für das 1. Quartal 2001.
    Ab dem Quartal 3/2001 müssen Sie bei Teilnahme an dieser Vereinbarung für jeden Patienten die beigefügte "Erklärung zur Abrechnung genehmigungspflichtiger Leistungen des Abschnitts G IV EBM zur Weiterleitung an die Krankenkasse" unterschrieben von dem Patienten und von Ihnen, sortiert nach AOK Bayern, IKK Bayern und Landwirtschaftliche Krankenkassen, mit der Quartalsabrechnung 3/2001 bei Ihrer KVBBezirksstelle einreichen.
    Sollte die Unterschrift nicht eingeholt werden können, weil die Behandlung bereits abgeschlossen wurde, der Patient stationär liegt, oder die Behandlung abgebrochen wurde, vermerken Sie dies bitte in dem dafür vorgesehenen Teil der Erklärung.
    Für den Fall, daß Sie sich diesem Verfahren nicht anschließen, zahlen die Regionalkassen den in Bayern geltenden Mindestpunktwert von 8,25 DPF ebenfalls außerhalb der pauschalierten Gesamtvergütung.
    Diese Sondervereinbarung gilt ausschließlich für die genehmigungspflichtigen und zeitgebundenen psychotherapeutischen Leistungen, die übrigen Ziffern des Abschnitts G IV EBM werden mit einem floatenden Punktwert vergütet.
    Unsere Forderung nach 10 DPF für die genannten Leistungen ohne jegliche Zusatzbedingung konnten wir nicht durchsetzen. Aber wir glauben, daß wir diese Erklärung in einer Form abfassen konnten, die zu keinen Problemen mit den Patienten führt. (Diese Erklärung wurde auch mit dem beratenden Fachausschuss für Psychotherapie abgestimmt.)
    Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Ihre KVB-Bezirksstelle.
                                                                Freundliche Grüße
    Dr. med. Axel Munte                                                                     Dr. med. Wolfgang Hoppenthaller
    Vorsitzender des Vorstandes                                                         Stellv. Vorsitzender des Vorstandes

    Anlagen" 



    FN03 Etscheit, Jost (1988). Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen. Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Bereichs Abrechnungsmanipulation durch Ärzte und Apotheker. Köln: Müller-Boltermann. Die PsychotherapeutInnen bilden in diesem Buch noch nicht einmal eine eigene Kategorie (siehe Kapitel 2.3.4). Etscheit macht im übrigen in seiner Zusammenfassung folgende Vorschläge zu Prophylaxe von Abrechnungsmanipulationen (S. 356): "Praktikabel erscheinen am ehesten die Vereinfachung der bisher praktizierten Abrechnungsverfahren, eine Abkehr von der Einzelleistungsvergütung hin zu Leistungskomplex-Honorierungsverfahren, eine unmittelbare Selbstbeteiligung der Versicherten an den Behandlungskosten und, unter bestimmten Prämissen, die Einführung des Kostenerstattungsprinzips anstelle des bisherigen Sachleistungsprinzips in einer Weise, wie es in verschiedenen europäischen Nachbarländern und in der Privaten Krankenversicherung bereits seit geraumer Zeit erfolgreich praktiziert wird."


    FN04 Ich habe die Einflußfaktoren in meiner Dissertation: Sponsel, Rudolf (1984). Lebens- und Selbstzufriedenheit als Psychotherapieerfolgskontrolle - Praktische Systematik psychologischer Behandlungsforschung. Erlangen: IEC-Verlag gründlich untersucht und dargestellt. Hierbei spielen neben der eigentlichen Behandlung nicht nur die Persönlichkeit und ihre Selbstheilungskräfte, sondern auch die Persönliche und Sonstige Umwelt mit ihren zahlreichen Komponenten und Wirkfaktoren eine wichtige Rolle. Auf dieser Erkenntnis beruht das Rechtsprinzip, daß man eine lege artis Behandlung, aber keinen Erfolg verlangen kann, weil dieser zu wichtigen Teilen nicht in der Macht der BehandlerIn liegt. Wenn dies schon für die körperliche Medizin gilt, dann muß es natürlich erst recht im Psychotherapiebereich gelten, weil die Seele viel stärker sozial vernetzt und abhängig ist als der bloße Körper. 

    FN05  Standardabweichung: Diese Linie können Sie auf dem deutschen 10-DM Schein in der Graphik der Normalverteilung sehen (die jeweils erste Linie links und rechts von der Mittellinie).

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). KVB-Sondervereinbarung mit der AOK Bayern, der IKK Bayern und den Landwirtschaftlichen Krankenkassen in Bayern, Kommentar zum Rundschreiben der KVB vom 15.06.2001 Zeichen 15a. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/berpol/geld/sv_kvb1.htm
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