Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=08.02.1998 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung 29.01.14
Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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Willkommen in unserer integrativen und interdisziplinären Abteilung Gesundheitspolitik, Gesundheitssystem, Krankenkassen, Sozialversicherung, Kosten, Nutzen, Schaden u.a.m., hier speziell zum Thema: Entwicklung der ÄrztInnen-Dichte
in Deutschland und ihrefinanz-ökonomische Bedeutung
für die Kostenexplosion im GesundheitswesenAnalyse und Lösungsvorschläge der
Allgemeinen und Integrativen Psychologischen PsychotherapeutInnenvon Dr. phil. Rudolf Sponsel, Erlangen
Querverweise
Zusammenfassung: Es wurden die Anzahlen der ÄrztInnen mit den Gesamt-Kosten für die Gesundheit linear(0) (partial-) korreliert für den Zeitraum 1970 bis 1995. Die Datenreihen wurden vom Statistischen Bundesamt auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Da die Zeitreihe vollständig ist (N=26 Jahre) liegt praktisch eine vollständige Population und keine Stichprobe vor. Signifikanztests, deren Voraussetzungen ohnehin fast nie erfüllt werden, erübrigen sich daher. Die Produkt-Moment-Korrelation nach Bravais-Pearson für quantitative Werte betrug r = -.9616 (negativ deshalb, weil zunehmende ÄrztInnendichte zu immer kleineren Zahlenwerten führt, also umgekehrt interpretiert werden muß) und wurde mit dem Programm ALMO (Version 6 für Win95) von Prof. Dr. K. Holm (Universität Linz) und MitarbeiterInnen gerechnet. Obwohl der exponentielle Verlauf noch wenig ausgeprägt ist, ist er doch erkennbar und führt bei der linearen Korrelation zu einem wertmäßigen Verlust. Linearisiert man die Werte durch Logarithmieren, so ergibt sich sogar ein Korrelationskoeffizient (zur Basis e) mit r = -.977 und (zur Basis 10) r = -.985. Dies sind für sozialwissenschaftliche Verhältnisse sehr
hohe Werte, die einen fast-funktionalen Zusammenhang zwischen
der Anzahl der ÄrztInnen und der Höhe der Gesundheitsausgaben
anzeigen. Ein Teil dieser für sozialwissenschaftliche Verhältnisse
ungewöhnlich hohen Korrelationen dürfte auf die mit beiden Variablen
konfundierte Variable Zeit gehen. Um den Einfluß, den die
Variable Zeit hat, auszuschalten, wurde eine partielle Korrelationsanalyse
gerechnet unter "Ausschluß" (Konstanthaltung) der Variablen Zeit.
Aber dieses Ergebnis zeigt
Die ÄrztInnendichte hat von 612 im Jahr 1970 auf 289 im Jahre 1995 zugenommen. Die Gesundheitsausgaben haben sich von 69,7 Milliarden im Jahr 1970 auf 429 Milliarden im Jahr 1995 erhöht. Inzwischen wurde die halbe Billion überschritten und die Gesundheitsausgaben sind höher als der Staatshaushalt. Es ist fast sicher, daß die Gesundheitsausgaben nicht vernünftig kontrolliert und den finanzökonomischen wie auch den sozialen Realitäten angemessen angepaßt werden können, wenn diese extrem hohe und im internationalen Vergleich auch überhaupt nicht erforderliche ÄrztInnendichte nicht zurückgeschraubt wird - z.B. auf 1 : 500 - und im Medizinsystem die marktwirtschaftsfremden Seltsamkeiten nicht abgeschafft werden, wie z. B. das Phänomen, daß sich eine gesellschaftliche Gruppe in ihrem Finanzwesen selbst kontrolliert, also das System der Kassenärztlichen Vereinigung. Das ist mindestens so seltsam und absurd wie die rechts- und gewaltenteilungsfremde Tatsache, daß im Bundesausschuß für die Zulassung neuer Psychotherapiesysteme die schärfsten KonkurrentInnen darüber bestimmen, ob sie ihre Konkurrenz zulassen wollen. |
Die ständig zunehmende ÄrztInnendichte ist ein sehr wesentlicher Faktor bei der Entwicklung der Gesundheitskosten.
1. Grundansatz: Wir messen die Bedeutung der ÄrztInnendichte durch eine einfache lineare Produkt-Moment-Korrelationsanalyse für quantitative Variable nach Bravais-Pearson mit dem Statistischen Programm ALMO von Prof. Kurt Holm und MitarbeiterInnen (Universität Linz). Da die Werte einen - zur Zeit noch milden (sonst koennte der lineare Korrelationskoeffizient auch nicht so hoch sein) - nicht-linearen, nämlich exponentiellen Verlauf anzeigen, empfiehlt es sich zur Kontrolle eine Linearisierung der Werte durch Logarithmieren vorzunehmen. Damit ergeben sich noch etwas höhere Korrelationskoeffizienten, nämlich zur Basis e mit r = -.977 und zur Basis 10 r = -.985.
2. Kontrollansatz: Da zu vermuten ist, daß ein Teil der Korrelation durch die mit beiden Variablen - ÄrztInnendichte und Gesundheitskosten - verbundene (konfundierte) Zeit zustande kommt, wird in einer Kontrollrechnung der Einfluß der Variablen Zeit mit Hilfe der partiellen Korrelationsanalyse berechnet. Partielle Korrelationsanalyse bedeutet hier, daß der Einfluß der Zeitvariablen durch Konstanthalten ausgeschaltet wird. Auch die partielle Korrelationsanalyse wird mit dem Programm ALMO (Version 6 Win95) von Prof. Kurt Holm und MitarbeiterInnen (Universität Linz) gerechnet. Die Anwendung der partiellen Korrelationsanalyse ist hier nicht unproblematisch, weil die Rechnung alle gegen den Rest methodisch nicht sicher ist. Außerdem enthält die Korrelationsmatrix eine Kollinearität; sie ist damit numerisch hochgradig instabil. Wie eine nachträgliche numerische Matrix-Analyse zeigt, ist die partielle Koorelationsmatrix entgleist und nicht interpretierbar. (L1)
ÄrztInnendichte heißt die Zahl, die sich ergibt, wenn man die Anzahl der Bevölkerung durch die Anzahl der ÄrztInnen teilt.
Bemerkung: Da zunehmende ÄrztInnendichte - definitionsbedingt
- zu immer kleineren Zahlen führt, die Gesundheitskosten mit der Zeit
rein inflationsbedingt in aller Regel zunehmen müssen, wird der reine
Zahlenwert, wenn ein Zusammenhang besteht, eine negative Korrelation ausdrücken.
Dies will richtig interpretiert sein. Man könnte diese scheinbare
Paradoxie ausschalten, wenn man die ÄrztInnendichte umgekehrt anordnet,
was einer Umpolung entspräche. Man muß also das Vorzeichen in
umgekehrter Bedeutung interpretieren.
Beispiel: Im Jahre 1991 hatten die alten Bundesländer 64.484.787 EinwohnerInnen (also rund 64,5 Millionen). Die Anzahl der ÄrztInnen betrug 1991 202.020 (202 Tausend und zwanzig). Teilt man 64.484.787 : 202.020 = 319,2. Das bedeutet, daß im Jahre 1991 statistisch 319,2 BundesbürgerInnen eine Arztpraxis mit einer ÄrztIn finanzieren mußten. Im Jahre 1960 betrug diese Zahl noch 705 (nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit 703) und 1953 noch 766.(1)
Die Daten der ÄrztInnendichte und der Gesundheitskosten (gesamt) wurden vom Statistischen Bundesamt auf Anfrage zur Verfügung gestellt, wofür wir uns hiermit bedanken möchten.
Tabelle I. Die Zahlen
_ 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 _ _ _ _ _ |
592 575 560 541 519 503 490 472 453 442 432 421 415 397 379 371 357 349 333 323 319 312 303 295 289 _ _ _ _ _ |
in Milliarden 69.7 80.8 92.9 108.3 122.4 134.5 145.4 153.3 165.8 177.6 192.8 205.0 207.4 212.9 224.4 238.2 248.7 259.3 275.1 279.3 303.7 336.9 369.9 380.3 397.0 429.8 _ _ _ _ _ |
Das Bundesministerium für Gesundheit, naiv-stolz und offenbar nicht ahnend, was es da von sich gibt, schreibt zur ÄrztInnen-Dichte: "Deutschland gehört zu den Staaten mit der höchsten Arztdichte. Kam in den alten Ländern 1960 mit 79.350 berufstätigen Ärzten ein Arzt auf 703 Einwohner, so hat sich diese Quote bis Anfang 1996 mit 233.812 Ärzten auf 289 Einwohner pro Arzt verringert. Die Zahl der Vertragsärzte hat sich seit 1960 mit 45.758 bis Anfang 1996 auf 90.262 fast verdoppelt." (Q, S. 22) Quellen und Erläuterungen Absolute Anzahlen von ÄrztInnen. Quelle Statistisches Bundesamt. ÄrztInnendichte: 1 berufstätige ÄrztIn pro ... EinwohnerInnen, d.h. im Jahre 1996 mußten 289 EinwohnerInnen eine berufstätige Ärztin versorgen. (1) Ausgaben in Milliarden DM. Quelle Statistisches Bundesamt. Q Aus: Gesundheit in Deutschland. Bundesministerium für Gesundheit (1997). Gesundheit in Deutschland. Bonn. |
IV Ergebnisse der Korrelationsanalysen
1. Grundsatz: Einfache lineare Korrelationsanalyse
GesundKo ArztDich ZeitJahr
V1 V2
V3
GesundKost V1 1.0000
-0.9616 0.9854
ArztDicht V2
-0.9616 1.0000
-0.9915
ZeitJahr V3
0.9854 -0.9915
1.0000
Korrelationsgraphik nach ALMO
Ergebnis in Worten: Die Korrelation zwischen Anzahl der ÄrztInnen und den Gesundheitskosten ist r = |.9616|, d. h. je mehr ÄrztInnen pro EinwohnerInnen praktizieren, desto höher sind die Gesundheitskosten. Läßt man den Faktor Zeit unberücksichtigt, ergibt sich ein fast funktionaler Zusammenhang.
Bemerkung: Der Zahlenwert der Korrelation muß negativ sein, da die zunehmende ÄrztInnendichte zu immer kleineren Zahlen führen muß, während natürlich die Gesundheitsausgaben schon in aller Regel rein inflationsbedingt steigen müssen. Die Vorzeichen wollen hier also richtig interpretiert sein. Man könnte diese scheinbare Paradoxie ausschalten, wenn man die ÄrztInnendichte umgekehrt anordnet, was einer Umpolung entspräche. Man muß also das Vorzeichen in umgekehrter Bedeutung interpretieren.
Wir prüfen nun, ob dieser Zusammenhang erhalten bleibt, wenn wir den Einfluß des Zeitfaktors ausschalten. Hierfür ist die Methode der partiellen Korrelationsanalyse wie geschaffen.
2. Kontrollansatz: Partielle Korrelationsanalyse: Auspartialisieren der Zeit
ArztDich GesundKo ZeitJahr
V1 V2 V3
ArztDich V1
1.0000 0.7036
0
GesundKo V2 0.7036
1.0000
0
ZeitJahr V3
0
0 1.0000
Partielle Korrelationsgraphik nach ALMO
Ergebnis in Worten: Schaltet man den Einfluß des Zeitfaktors
aus, so beträgt die Korrelation zwischen Anzahl der praktizierenden
ÄrztInnen und der Höhe der Gesundheitsausgaben r = .70. Die Interpretation
bei partiellen Korrelationsmatrizen
vom Typ Alle gegen den Rest ist schwierig und problematisch,
weil solche Matrizen nicht notwendigerweise positiv definit sein müssen.
(L1)
Auch der Vorzeichenwechsel zeigt die Interpretationsproblematik. Eine von
mir am 7.2.1998 durchgeführte numerische Matrix-Analyse der vollständigen
partiellen Korrelationsmatrix bestätigt den Hain'schen Satz: Die Matrix
hat eine extrem negative Determinante und einen hohen negativen Eigenwert.
Die Matrix hat damit ihre für eine Korrelationsmatrix notwendige positive
Definitheit verloren. Aufgrund dieser Ergebnisse verzichten wir auf eine
Interpretation.
Bereits die lineare Korrelation ergibt einen Koeffizienten von r = -.9616, das ist für sozialwissenschaftliche Verhältnisse ein selten hoher Wert. Die partielle Korrelatiosnanalyse ist aufgrund des Verlustes der Positiven Definitheit nicht interpretierbar (L1). Der hohe lineare Korrelationskoeffizient zeigt zwar schon an, daß die exponentielle Nicht-Linearität bislang noch sehr milde ausgeprägt ist. Da die Korrelation maximal den Betrag 1 annehmen kann, ist nicht mehr viel Platz bis dorthin. Genauer ist das Ergebnis aber doch, wenn man die Werte durch Logarithmieren linearisiert. Zur Basis 10 ergab sich sogar eine nonlineare Korrelation von r = -.985. Die Ergebnisse sind eindeutig und bedeuten schlicht und einfach:
höher werden die Gesundheitsausgaben. |
Man kann sich hier natürlich fragen, ob man sich dieses Ergebnis nicht auch durch den bloßen Gebrauch des gesunden Menschenverstandes hätte erschließen können. In der Tendenz sicher ja, man muß ja nur die Zahlenreihe anschauen, aber dieses Ausmaß eines fast-funktionalen Zusammenhangs läßt sich nur durch rechnen ermitteln und erkennen.
Vorschläge der Allgemeinen und Integrativen Psychologischen PsychotherapeutInnen
VII. Gesundheitspolitischer Kommentar
Die Bombe tickt
Die unkontrollierte hypertrophe Entwicklung der ÄrztInnendichte ist wohl mit ein sehr wesentlicher Grund für die extreme und volkswirtschaftsgefährdende Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Ein Korrelationskoeffizient von r =|.96| ist für den Sozialbereich ein selten hoher Wert und spricht für sich. Er heißt auf deutsch nichts anderes: Je mehr ÄrztInnen, desto höher die Gesundheitskosten. Dies sollte sich im Grunde auch schon dem gesunden Menschenverstand erschließen. Da sich die Wissenschaft gern ziert, wenn sie klar, eindeutig und praktisch sein soll, ist dieser ungewöhnlich hohe Wert aber nur gut. Das heißt, wir müssen nicht sehr viel herumdeuten, das Ergebnis ist klar. Das unverantwortliche und maßlose Wirtschaften muß, wie wir an anderer Stelle zeigen konnten, rein aus mathematisch ökonomischen Gründen zu einem Kollaps des Gesundheitsfinanzierungssystems führen. Durch den Zusammenbruch des Systems droht sogar der Zusammenbruch des gesamten Sozialsystems, wodurch der Sinn der Medizinisierung in sein Gegenteil verkehrt wird, weil dadurch zahlreiches neues und unübersehbares Leid über die Menschen gebracht wird. Und das in einer Zeit, die durch den weltweiten Strukturwandel, den Zusammenbruch des Kommunismus mit den Folgen Abermillionen Arbeitsloser und die Wiedervereinigungskosten besonders wirtschaftlich und finanzökonomisch in Bedrängnis geraten ist. Das Wirtschaftsparadies und Schlaraffenland Kassenärztliche Vereinigung, in dem die ÄrztInnen sich quasi selbst beaufsichtigen und kontrollieren, hat sich nicht bewährt. Als die Kassenärztliche Vereinigung 1933 nach der Machtergreifung Hitlers von den Nationalsozialisten gegründet wurde, um den ÄrztInnen eine stärkere Position gegenüber den Krankenkassen einzuräumen(2), mag sie kurzfristig gesamtgesellschaftlich nützlich gewesen sein. Heute mutet diese Einrichtung eher wie eine letzte und marktwirtschaftsfremde Zunft des Mittelalters an, die für diese Verhältnisse eine wichtige Hauptverantwortung trägt. Der größte Dienst für die Volksgesundheit und die Kostendämpfung wird daher darin bestehen, die Marktwirtschaft auch in die Organisation der ÄrztInnen einzuführen, und das kann nur bedeuten, die Kassenärztlichen Vereinigungen möglichst schnell abzuschaffen.
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