Elektrosmog
Ein Faktor zur Umweltverschmutzung und Technologiebelastung?
von Rudolf Sponsel, Erlangen
"Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: 'Lieber Freund, das mache ich schon 20 Jahre lang so.' - Man kann eine Sache auch 20 Jahre lang falsch machen." (Kurt Tucholsky, 1932 [Nach])
Literatur * Begriff Elektrosmog * Strahlenarten * Gesundheitliche Wirkungen * Quellen Elektrosmog * Mobiltelephone * Vertrauensprobleme * Risikowahrnehmung I * Risikowahrnehmung II * Links * Querverweise
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Aus Neitzke et al. (1994, S. 428): "Die Aneignung des Risikos
Der Umgang mit elektromagnetischen Feldern in der Gesellschaft wirft auch gerade deshalb Konflikte auf, weil man Elektrosmog - außer in wenigen Frequenzbereichen - nicht eigentlich mit den Sinnen wahrnehmen kann. Die Gefahren, die von Elektrosmog ausgehen, kann man weder sehen noch hören, kann man weder riechen noch schmecken und auch nur in einigen Frequenzbereichen spüren. Insofern gibt es ungleich mehr Möglichkeiten, Position zum «Risiko Elektrosmog» zu beziehen, als bei anderen Umwelt- und Gesundheitsrisiken.
Schon die Bezeichnung macht das deutlich: während die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von «elektromagnetischen Feldern, Wellcn, Strahlen», von «elektromagnetischer Umweltverträglichkeit» oder «elektromagnetischer Emission und Immission» sprechen und schreiben, hat man in der Umgangssprache für das gleiche Problem das handliche Schlagwort «Elektrosmog» gefunden. Den Begriff Smog führte man 1905 auf dem Londoner Hygienekongreß ein, um damit die Verbindung von Rauch und Nebel in einem typischen Stadtklima zu bezeichnen. (Versuche, daran angelehnt im Deutschen das Kunstwort «Raubel» einzuführen, schlugen fehl.) Was aber das Charakteristische für Smog ist, nämlich sinnlich erfahrbar zu sein, fehlt dem Elektrosmog fast vollständig - gerade das ist ja sein Charakteristikum. Der Begriff Elektrosmog wird auch den teilweise extrem unterschiedlichen biologischen Wirkungen nicht gerecht, die von nieder- und hochfrequenten elektromagnetischen Strahlen und Feldern ausgehen.
Die Wortschöpfung vom Elektrosmog kennzeichnet also weniger ein exaktes ökologisches Problem, als daß sie ein Schlaglicht auf die «Umwege» wirft, die für die gesellschaftliche Aneignung dieses Problems notwendig sind. Dies kann zu Ergebnissen führen, die verblüffend sind: auf einer Bildungsveranstaltung des ECOLOG- Instituts referierten wir ausführlich über die Wirkung elektromagnetischer Felder. Nach der Veranstaltung meldete sich ein Teilnehmer zu Wort, bedankte sich für die ausführlichen Informationen und bat dann aber darum, doch jetzt auch noch etwas über Elektrosmog zu erzählen. Dieses Beispiel verdeutlicht dabei weniger die allgemeinen Schwierigkeiten von Laien auf diesem Gebiet, sich dem Thema zu nähern, sondern bezeugt die Ausstrahlungskraft von Begriffen. Elektrosmog steht in seiner Diffusität weniger für den - vermeintlich - exakten Umgang der «harten» Wissenschaften mit elektromagnetischen Feldern. Was sich in dem griffigen Schlagwort widerspiegelt, ist die Befürchtung vieler Menschen, gerade durch die Vielzahl der Emissionsquellen, die sie im Alltag umgeben, gesundheitlich gefährdet zu sein."
Leitgeb (1990, S. 13f) stellt folgende Grundfragen in seiner Einleitung voran:
"Betrachtet man die Wirkungen elektromagnetischer Strahlung
auf den Körper, ergeben sich drei wichtige Fragen:
Die Antwort auf diese Fragen fällt für verschiedene
Frequenzbereiche unterschiedlich aus. Teilt man den Frequenzbereich hinsichtlich
der biologischen Wirkungen auf, so ergeben sich zwei Hauptbereiche: ionisierende
und nichtionisierende Strahlung.
Die ionisierende Strahlung: Bei dieser energiereichen Strahlung besitzt bereits die kleinstmögliche Strahlungsmenge, ein Strahlungsquant, genug Energie, um den chemischen Zustand eines Moleküls zu ändern. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob überhaupt eine Schädigung möglich ist, sondern ob sie durch körpereigene Reparaturvorgänge behoben werden kann und wie wahrscheinlich daher ihre biologischen Konsequenzen sind: Dies führt dazu, daß eine Angabe von sicheren Schwellenwerten unterhalb denen keinerlei Schädigungen auftreten, nicht möglich ist und daher der Begriff des Risikos eingeführt werden muß. Die Maßnahmen zum Schutz vor übermäßiger Strahlung müssen sich daher auf Kosten-Risiko-Abschätzungen stützen.
Die nichtionisierende Strahlung: Hier besitzen die Strahlungsquanten weniger Energie, so daß biologische Wirkungen davon abhängen, wie viele Strahlenquanten pro Fläche gleichzeitig auftreten. Es existieren daher Schwellenwerte der Strahlungsintensität, unterhalb derer keine schädigenden Wirkungen möglich sind. Liegen die Intensitäten unterhalb dieser Schwellenwerte, bringt eine weitere Reduzierung keine zusätzliche Sicherheit. Die Festlegung von Grenzwerten richtet sich daher nach der Genauigkeit der Kenntnis der Schwellenwerte und der Streubreite der individuellen Empfindlichkeiten.
Grundsätzlich müssen jedoch biologische Wirkungen nicht in jedem Fall negativ zu bewerten sein: In der Medizin setzt man in verschiedensten therapeutischen Verfahren hochfrequente elektromagnetische Wellen und Infrarot, Laserlicht und UV-Strahlung ein."
Gesundheitliche Wirkungen von Elektrosmog
Mögliche gesundheitliche Wirkungen im Niederfrequenzbereich nach KATALYSE (2002, S. 146)
Quellen
der elektromagnetischen Strahlenbelastung ("Elektrosmog")
nach Rose
(1994, S. 25-27).
"Die elektromagnetische Strahlenbelastung nimmt weiter zu
In vielen Stadtregionen ist der ständige Strahlenhintergrund, der von Mikrowellen herrührt, schätzungsweise hundert- bis zweihundertmillionenmal so groß wie der natürliche Hintergrund an elektromagnetischen Wellen, der von der Sonne stammt.
Mehrere tausend Satelliten haben in den letzten Jahren zu einer drastischen globalen Erhöhung der Mikrowellendichte geführt. In der häuslichen Umgebung ist die Zahl der elektrischen Geräte wie Mikrowellen, Fernseher, Küchenmaschinen, Diebstahlsicherungen oder Personalcomputer ständig gewachsen. [>S. 26]
Außerhalb unserer Wohnungen kommen in der Bundesrepublik noch rund 10.000 Radio- und Fernsehsender, 1900 C-Netz-Sender, eine Million mobile Funkstellen, 600 Radaranlagen und 1,5 Millionen Hochfrequenzgeräte hinzu.
Allein 6000 Antennenanlagen für den Betrieb von Funktelefonen sollen demnächst von der Telekom und privatwirtschaftlichen Betreibern gebaut werden. Gegen deren Errichtung bilden sich an vielen Orten Bürgeriniativen. Schon jetzt gibt es über 200 Zusammenschlüsse von Anwohnern und Betroffenen.
Auch die Gerichte müssen sich zunehmend mit dem Thema Elektrosmog auseinandersetzen. Unzählige Widersprüche werden gegen den Bau von Funk- und Fernmeldeanlagen eingelegt. Mehrfach haben Gerichte bereits Baustopps verfügt, und Dutzende von Bauanträgen wurden von den Behörden zurückgestellt.
Daneben existiert ein dichtes Netz von Hochspannungsleitungen, unter denen erhebliche elektrische und magnetische Felder auftreten können.
Als Quellen von elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen
Feldern in der Umwelt und in den Wohnbereichen kommen eine ganze Reihe
von Verursachern in Frage:
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Quelle: Abb. aus Rose 1994. S. 29. Und Seite 31: "Die Gefahren, die von technisch erzeugter elektromagnetischer
Strahlung generell ausgehen, wurden bereits 1969 bei einem Mikrowellen-
Symposium in Richmond/USA von einer Untersuchungsgruppe unmißverständlich
dargelegt: »Elektromagnetische Strahlungen von Radar, Fernsehen,
Fernmeldeeinrichtungen durchdringen die heutige Umwelt im zivilen wie im
militärischen Bereich, sie setzen die Menschen jetzt einer Strahlung
aus, die in der Geschichte kein Gegenstück findet.« In dem Bericht
heißt es weiter: »Wenn nicht in naher Zukunft angemessene Vorkehrungen
und Kontrollen eingeführt werden, die auf einem grundsätzlichen
Verständnis der biologischen Wirkungen elektromagnetischer Strahlungen
basieren, wird die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten in ein Zeitalter
der Umweltverschmutzung durch Energie eintreten, welche mit der chemischen
Umweltverschmutzung vergleichbar ist.« Der Report warnt weiterhin:
»Die Folgen einer Unterschätzung oder Mißachtung der biologischen
Schädigungen, die infolge langdauernder Strahlenexposition auch bei
geringer ständiger Strahleneinwirkung auftreten könnten, können
für die
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nach KATALYSE 2002, S. 205:
"4.6 Mobiltelefone: Hochfrequenzsender in unmittelbarer Körpernähe
In dcn letzten Jahrzehnten hat die Hochfrequenzbelastung in den Ballungszentren der Industrieländer gegenüber dem natürlichen Pegel extrem zugenommen (vgl. Abschnitt 2.4.1) ohne dass ein Endc dieser Entwicklung in Sicht wäre - ganz im Gegenteil. 1950 begannen die ersten Unternehmcn und Institutionen, Mobilfunk für ihre Kommunikationszwecke einzusetzen: Radar für zivile und militärische Zwecke (Überwachung von Flug- und Schiffsverkehr, Satelliten- Navigation), Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, Rotes Kreuz und andere Rettungsdienste, Technische Hilfswerke, Taxigenossenschaften oder auch private Amateurfunker. Heute setzen über 100.000 Firmen Funknetze ein (Betriebsfunk, Bündelfunk), 70.000 Bundesbürger sind Funkamateure und sogar 2,5 Millionen CB-Funker. Private Fernseh- und Radiosender strahlen immer mehr Programme aus. Digitale Radio- und Fernsehprogramme befinden sich zur Zeit im flächendeckenden Ausbau. Im Jahr 2001 wurde in die Frequenz- Zuteilungsverordnung eine Regelung für die Umwandlung der bisherigen analogen in eine digitale Hörfunkübertragung bis zum Jahr 2015 und für die Fernsehübertragung bis zum Jahr 2010 aufgenommen und vom Bundesrat verabschiedet.
Immer mehr Satelliten umkreisen die Erde. Elektronische Überwachungsanlagen und Warensicherungen in den Kaufhäusern sieht man immer häufiger. Auch zukünftige Verkehrsleitsysteme und elektronische Kassen werden mit Hochfrequenz-(HF-) Strahlung arbeiten.
Ein neuer HF-Belastungsschub ging von
den Mobiltelefonnetzen aus, an denen laut Voraussagen bis zum Jahr 2000
fast zehn Millionen Teilnehmer partizipieren sollten. In Europa sollten
es 80 Millionen sein. Im Jahr 2001 sind in Deutschland tatsächlich
etwa 40 bis 50 Millionen Handys in Betrieb. Es gibt also in Deutschland
mittlerweile mehr Mobilfunkteilnehmer als Festnetzanschlüsse. Neben
den Mobilfunk-Handys und deren Basisstationen in der Öffentlichkeit
haben auch in den Wohnungen und Büros die schnurlosen digitalen „Home-Handys"
mit DECT-Standard
ihren Siegeszug angetreten. Damit gehören die deutschen
Ballungszentren zu den am höchsten HF-belasteten Regionen in der Welt."
Vertrauensprobleme in Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Politik
"Die" Wissenschaft ist kein einheitliches Gebilde,
schon gar nicht, wenn es um "Elektrosmog" geht. Hier sind viele AgentInnen,
GeschäftemacherInnen, RechthaberInnen, IdeologInnen und AgitatorInnen
von vielen unterschiedlichen Seiten am Thema, so daß man manchmal
denken könnte, man befinde sich inmitten der esoterischen Heilkundeszene.
Das hat mehrere Gründe, die aus allgemeiner und integrativer Forschungsperspektive
berücksichtigt werden müssen, besonders wichtig sind 4 und 5
(ich kenne allerdings keine Studie, die Punkt 4 und 5 angemessen gelöst
hat):
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Hierzu aus Neitzke et al. (1994, S. 425f): "Der wissenschaftliche Umgang mit Risiken
Seit die Wissenschaften zu einem bedeutenden Faktor des öffentlichen Lebens geworden sind und das gesellschaftliche Leben bis in den Alltag hinein durchdrungen haben, hängt die Art und Weise, wie ökologische Probleme gesellschaftlich behandelt werden, auch davon ab, wie diese Probleme wissenschaftlich bearbeitet werden. So wie die Wissenschaften heute strukturiert sind (in Stichworten: einzeldisziplinär, hochspezialisiert und unter Erfolgsdruck des Marktes), weisen sie neben enormen «Erfolgen» auch enorme «Defizite» in der Arbeit auf. Defizite existieren vor allem bei Umweltproblemen, deren Qualität (hochkomplex, synergistisch und lebensweltlich) konträr zu den traditionellen Wissenschaftsstrukturen ist.
In kaum einem anderen Bereich treten die Defizite herkömmlicher Wissenschaftspraxis und deren Einbettung in die Gesellschaft deutlicher zutage als auf dem Gebiet der elektromagnetischen Emissionen. Über ihre Auswirkungen gibt es wissenschaftliche Aussagen, Ergebnisse, Untersuchungen und Annahmen jedweder Schattierung. Das verwirrt die Öffentlichkeit eher, als daß es sie aufklärt. Die Kluft zwischen den hochspezialisierten Wissenschaften und den komplexen Alltags- und lebensweltlichen Problemen war nie größer als in der modernen Informationsgesellschaft. Entsprechend heterogen ist auch die öffentliche Diskussion zum Thema. Während am einen Ende der Skala mögliche Auswirkungen schlicht geleugnet werden, macht man am anderen Ende elektromagnetische Felder selbst für Phänomene wie Aids oder das Waldsterben verantwortlich.
Die Konfliktlinien in der Auseinandersetzung um die Gefährlichkeit des Elektrosmogs verlaufen dabei nicht nur zwischen Fachleuten und Laien, sondern auch zwischen wissenschaftlichen Experten und Gegenexperten (Jungermann et al. 1991). (Mit dem Wissen wächst der Zweifel, wußte schon Goethe.) Mittlerweile gibt es kaum einen Wissensbereich, der nicht auch durch konträre «wissenschaftliche Lager» bestimmt ist. Durch ihre Publikationen können diese «Lager» dann auch relativ schnell identifiziert werden. [>426]
Im Umgang mit dem «Risiko Elektrosmog»
zeigt aber auch die Allgemeinheit eine ambivalente Einstellung zur wissenschaftlichen
Arbeit und Rationalität. Auf der einen Seite spielen die Wissenschaften
die Rolle des «Retters in der Not»: kritischen Wissenschaftlern,
die Betroffene und ihre Verbände mit Argumcnten und (Gegen) Gutachtcn
versehen, wird ein Vertrauensbonus entgegengebracht, der manchmal schon
fast unheimlich anmutet. Auf der anderen Seite stehen die Betroffenen aber
der Wissenschaft auch außerordentlich skeptisch und feindselig gegenüber.
Die feindseligen Gefühle führen dazu, sich Erklärungsansätzen
zuzuwenden, die vorwissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich sind. Weil
Ansprüche und Sorgen der Öffentlichkeit vom traditionellcn Wissenschaftsbetrieb
häufig überhaupt nicht ernst genommen werden, können dabei
auch mancherlei obskure Erklärungsmuster gedeihen."
Risikowahrnehmung nach Leute (2001, S. 155)
Die
Schweizer Rückversicherungsgesellschaft sieht das Risiko wie folgt:
Quelle nach Leute
2001, S. 153: http-//swissre.com
„Nun wird auch verständlich, weshalb gerade schwache elektromagnetische Felder und nicht andere, vergleichbare Phänomene, auf so großes Interesse stoßen. Die EMF-Forschung weiß bereits zuviel, um die denkbaren Gesundheitsrisiken ignorieren zu können. Das vorhandene Wissen reicht allerdings nicht aus, um sie zu bemessen. Es sind denkbare, jedoch nicht beweisbare Risiken, weshalb sie als Phantomrisiken bezeichnet werden. Obwohl wir gar nicht wissen, ob es sie tatsächlich gibt, sind sie doch real, weil sie in den Köpfen existieren und damit eine Wirkung haben - und sei es nur die, Unsicherheit und Besorgnis zu erregen. Vor nichts hat der Mensch mehr Angst als vor einer ungewissen Gefahr - auch wenn es sie vielleicht gar nicht gibt. Wäre gewiss, dass schwache elektromagnetische Felder gefährlich sind, wäre das öffentliche Interesse weitaus geringer. Es gibt genügend bekannte Gesundheitsrisiken, denen sich Menschen sogar freiwillig aussetzen. ... Zumal die Materie so komplex und kompliziert ist, dass Laien sehr leicht zu falschen Schlussfolgerungen verleitet werden können." |
Leute kommentiert: "Hier werden mehrere wichtige Punkte zur Akzeptanz von Risiken angesprochen. Beginnen wir mit der Kompliziertheit des Elektrosmogproblems, das nur interdisplinär, also in Zusammenarbeit vieler wissenschaftlicher Disziplinen angegangen werden kann. Mediziner (Allgemein- und Umweltmediziner, Neurologen, Psychosomatiker, Physiologen u.a.), Tiermediziner, Medizinstatistiker, Biologen, Biophysiker, Physiker, Elektrotechniker, Nachrichtentechniker sowie die unvermeidlichen Juristen und Kaufleute müssen miteinander reden, ihre Arbeiten austauschen und aufeinander abstimmen. Hier sind Sprachprobleme unvermeidbar, und da die Wissenschaftler sich untereinander längst nicht immer verstehen, ist ein gewisses Mass an gegenseitigem Vertrauen nötig - der Mediziner muss sich z.B. auf die Feldberechnungen des Elektrotechnikers verlassen können. Um wieviel mehr muss der Laie Glauben aufbringen, wenn er das unverstandene Problem einschätzen will! Und hier liegt die Möglichkeit 'zu falschen Schlussfolgerungen verleitet' zu werden."
Leider vergißt der Autor die zuverlässigsten
und wahrscheinlich kompetentesten EpidemiologInnen:
allgemeine, integrative und interdisziplinäre PsychologInnen.
Das Buch von Leute enthält am Schluß (S. 156-158) interessante Empfehlungen für VertreterInnen der Elektrotechnik, Umweltinitiativen, JournalistInnen, WissenschaftlerInnen, FunktionsträgerInnen und PolitikerInnen. Die gesundheitlichen Gefahren, die sich aus der Epidemiologie (Beispiel Allergien, Beispiel Tinnitus) der letzten 50 Jahre ergeben, unterschätzt der Autor. KATALYSE kommt zu einer anderen Einschätzung und zitiert (2002, S. 218): |
"Der Vorstandsvorsitzende der Frankona Rückversicherung,
Achim Kann, warnte die Versicherungswirtschaft davor, die von elektromagnetischen
Feldern - insbesondere von Mobiltelefonen und Hochspannungsleitungen -
ausgehenden Schäden auf die leichte Schulter zu nehmen: 'Wenn sich
die Erkenntnisse bestätigen sollten, daß von elektromagnetischen
Feldern tatsächlich schädigende Wirkungen auf Mensch und Maschine
ausgehen, dann stehen wir vor einem Schadenspotenzial , dessen Ausmaß
nicht einmal ungefähr abzuschätzen ist' (WirtschaftsWoche Nr.20,
14.5.1993).
Mögliche Schadensersatzansprüche,
wie sie in den USA bereits gestellt werden, machen deutsche Versicherer
nervös. ...
[S. 219] Im April 2001 wurden in den
USA Sammelklagen gegen Mobilfunkbetreiber und -hersteller eingereicht.
Darin wird der Vorwurf erhoben, die Firmen würden wissentlich gesundheitsschädigende
Geräte anbieten. ..."
Elektromagnetische Felder und Risikowahrnehmung
Ergebnisse der Studie von Peter M. Wiedemann und Holger Schütz, in Preuss Bd. 1 (1996, S. 209f)
"Zusammenfassend zeigt sich also für die Risikobewertung von EMF-emittierenden Produkten folgendes Bild:
1. Unter Marketing-Gesichtspunkten liegen die neueren EMF-emittierenden Produkte in einem kritischen Bereich. Denn Risiken werden eingegangen oder akzeptiert, wenn sie (a) trivial sind oder (b) wenn der Nutzen subjektiv die Risiken aufwiegt. Zwar ist die Risikobewertung von EMF-Produkten nicht sonderlich hoch, aber ihr Nutzen wird eben auch niedrig eingeschätzt. Den Produkten fehlt damit der Akzeptanzpuffer "Nutzen". Schon geringe Vergrößerungen der Risikowahrnehmung können deshalb hier größere Effekte haben und EMF-emittierende Produkte zu einem "hot issue" - zu einem Reizthema - machen. Für Unternehmen, die im EMF-Bereich operieren, könnte sich dieses Reizthema zu einer (Öffentlichkeits-) Krise zuspitzen.
2. Die Risikoeinschätzung von EMF-emittierenden Produkten wie dem Mobiltelefon hängt offenbar vor allem von der Häufigkeits- bzw. Wahrscheinlichkeitseinschätzung ab. Wer zwar weiß, daß etwas passieren [>210] kann, aber eben davon ausgeht, daß dieser Schadensfall unwahrscheinlich ist, sieht nur ein geringes Risiko. Allerdings ist die Einschätzung von Häufigkeiten bei Laien in der Regel nicht oder nur zum Teil auf Daten gegründet. Vielmehr spielt hier die Verfügbarkeitsheuristik (vgl. Tversky & Kahneman 1973) eine entscheidende Rolle: Je häufiger in der Presse über Risiko- Ereignisse berichtet wird, je dramatischer die Berichterstattung ist und je eindrucksvoller das vermittelte Bild, desto präsenter ist das Ereignis im Gedächtnis fixiert und desto höher wird seine Wahrscheinlichkeit/ Häufigkeit eingeschätzt.
3. Wer seine Unkenntnis über ein Risiko so interpretiert, daß das bekannte Risiko nur die Spitze des Eisbergs ist, der wird höhere Risiken annehmen. Der Umgang mit hypothetischen Risiken ist also die entscheidende Frage bei der Bewertung von EMF-emittierenden Produkten. Und in welche Richtung solche hypothetischen Risiken interpretiert werden, hängt eben auch von dem Vertrauen in die soziale Verantwortung der Unternehmen ab.
4. Wer glaubt, daß der Staat nicht genug tut, um seine Bürger vor Risiken zu schützen, der setzt ein höheres Risiko an. Der Ruf der Unternehmen nach Risikoderegulation ist also zweischneidig. Wenn der Staat dem Ruf Folge leistet, dann verstärkt sich das Mißtrauen gegenüber dem staatlichen Risikomanagement. Der Bürger wird glauben, daß der Staat sich noch weniger um seine Gesundheit sorgt. Er wird annehmen, daß ihm Risiken aufgebürdet werden, damit die Wirtschaft prosperieren kann."
Nun, ich denke, der Vertrauensverlust in Staat und
Industrie ist längst eingeleitet und erfolgt. Daher kann es eigentlich
nur noch um die Entwicklung des Ausmaßes, der Ausdehnung, Vertiefung
und der Festigung gehen.
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