Vorbemerkung:
Aufgrund der unglaublichen politischen Entwicklung in Deutschland - aber
auch den international vielfältigen Formen poltischer Gewalt und des
Terrors - mit nie für möglich gehaltenem Fremden-, Ausländerhass
und der Restauration neo- nationalsozialistischer Entwicklungen haben wir
uns im August 2000 - nach dem rund 100. politischen Mord - entschlossen
in unserer Internet-Publikation GIPT, eine neue Abteilung Politische Psychologie
zu konzipieren, weil es nunmehr allerhöchste Zeit schien, die Stimme
vielfach kritisch zu erheben.
Ein zweiter 'Schub' für die Politische Psychologie kam mit dem kriegerischen
Terroranschlag vom 11.9.1 und seinen Folgen.
Der dritte 'Schub' ergab sich durch inzwischen durch die Ergebnisse unserer
Analysen zur Staatsverschuldung, der hemmungslosen Ausbeutung und Plünderung
des Staates durch seine PolitikerInnen und Amigos in Wirtschaft, Medien
und Recht und erbrachte ein erschütterndes Bild vom Zustand dieser
Republik.
Anregungen und MitarbeiterInnen, bevorzugt solche, die sich der Allgemeinen
und Integrativen Psychologie und Psychotherapie verbunden fühlen,
sind willkommen, denn Integration und interdisziplinäre Zusammenarbeit
auf allen Ebenen sind angesagt, um mit dieser Bedrohung jeglicher
Zivilisation fertig zu werden.
Zum erfolgreichen Kampf gegen Rechts zählen wir auch eine neue
Wahrhaftigkeit, die Abstand nimmt von Mythen, Legenden und gut gemeinten
Halbwahrheiten oder gar Lügen und dadurch insbesondere die Jugend
und damit die Zukunft zu gewinnen sucht.
Hierzu gehört auch eine Auseinandersetzung - nicht Ignorieren, Totschweigen,
Wegsehen - mit der Deutschen Wehrmachtspsychologie, die eine bedeutende
Rolle für die Entwicklung der Psychologie in Deutschland spielte.
So wurde 1941der Diplomstudiengang Psychologie eingeführt und damit
die Psychologie zu einer eigenen akademischen Fachrichtung.
Kritisches zur Deutschen Wehrmachtspsychologie
von
Rudolf Sponsel, Erlangen
Querverweise.
Als ich mehr oder minder zufällig in einem Buchantiquariat in Leiden (Holland) oder Uppsala (Schweden), ich weiß es nicht mehr genau, den Band "Menschenformen - Volkstümliche Typen", 1941 herausgegeben von der Inspektion des Personalprüfwesens des Heeres mit einem Vorwort von Dr. Max Simoneit und Generalleutnant von Voß in die Hände bekam, war ich fest davon überzeugt, nun schlimme Sätze von Psychologen über den Menschen, seinen Charakter und seine Persönlichkeit zu lesen. Ich war verblüfft, daß ich weder eine oberflächliche noch eine rassistische oder nationalsozialistische Persönlichkeitspsychologie vorfand, sondern durch und durch, wie mir schien, eine solide Persönlichkeitstypologie: gebildet und geistreich, scharfsinnig beobachtet, differenziert und kritisch ausgeführt.
Die deutsche Wehrmachtspsychologie und in ihrem Gefolge wohl auch die Psychologie hat in der Zeit des Nationalsozialismus einen großen Aufschwung erlebt. Die Beurteilung und Bewertung ihrer Rolle ist aber nicht ganz einfach. Eine allgemeine und pauschale Verurteilung als willfähriger Helfershelfer und Parteigänger der Nationalsozialisten ist sicher falsch, wie ein gründliches Studium der von der Deutschen Wehrmachtspsychologie abgefaßten Schriften belegen dürfte. Auch der oberste deutsche Wehrmachtspsychologe, Dr. Max Simoneit, läßt in seinen Schriften, Abhandlungen und von ihm herausgegebenen Werken eine deutliche Distanz zum nationalsozialistischen Gedankengut klar und deutlich erkennen. Simoneit war den Naziideologen immer supekt (Geuter 1988, S. 290ff), obwohl er ganz ohne Zweifel ein überzeugter Soldat und Wehrpsychologe war, wie sein Buch "Wehr-Ethik" von 1936 zeigt, wo er im Vorwort scheibt: "Deutschland hat sich selbst seine ihm geraubte Wehrfreiheit wiedergegeben. Die Grundgedanken dieses Buches werden beweisen, daß es damit eine ethische Pflicht erfüllt hat. Die Wehrpflicht ist eine ethische Aufgabe, der sich kein Volk der Erde entziehen sollte."
Dadurch stellt sich die Frage aber erst recht: wie konnte eine Persönlichkeit wie Dr. Max Simoneit und die ihm sicher ähnlichen zur Seite stehenden deutschen Wehrmachtspsychologen faktisch zum psychotechnischen Diener des nationalsozialistischen Systems werden? Liest man die Arbeit von Dr. Otto Brosius, Berlin, über den Fanatiker, so gleicht diese Persönlichkeitsanalyse einer unmittelbaren Beschreibung Hitlers und seiner Führungsriege. Daraus folgt: wenn jemand wußte, wie Hitler und seine Führungsriege einzuschätzen war, dann die deutschen Wehrmachtspsychologen unter Dr. Max Simoneit. Wie aber konnten sie ihm dann noch so dienlich sein? Denn ohne Zweifel war die deutsche Wehrmachtspsychologie akademisch und psychotechnisch sehr hochstehend. Eine gute Auswahl (Eignungsuntersuchung), Beratung, Training und Psychotechnik der Offiziere und Soldaten mußte dem nationalsozialistischen System dienen. Das aber führte womöglich auch zur Abschaffung der deutschen Wehrmachtspsychologie im Jahre 1942 nachdem die Söhne vieler prominenter nationalsozialistischer oder / und militärischer Persönlichkeiten durch die Begutachtungsstellen der Deutschen Wehrmachtspsychologie für die Offizierslaufbahn für untauglich befunden wurden, als prominente Beispiele (Flik 1998, S. 89f. ) führe ich an: 1) den Neffen des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring, die Nr. 2 nach Hitler, 2) den Sohn des Generalfeldmarschalls Keitel. Dr. Gotthilf Flik - wie Dr. Simoneit kein NSDAP-Mitglied - , der die Gutachten im Auftrag von Dr. Simoneit und Generalleutnant von Voß überprüfte (a.a.O., S. 90) und Obergutachten anfertigte, bestätigte die nur bedingte Eignung zur Offizierslaufbahn. Er schreibt: "Wenige Wochen nach diesen Beurteilungen des Neffen des obersten Führers der Luftwaffe sowie des Sohnes des obersten Führers des Heeres wurden Luftwaffen- und Heerespsychologie aufgelöst." (a.a.O., S. 90). Nachdem die Auflösung der eigenständigen Deutschen Wehrmachtspsychologie nie offiziell begründet wurde, gibt es eine ganze Reihe von Spekulationen über die Hintergründe. Geuter (1988, S. 390 ff) hat sie zusammengetragen. Vermutlich haben mehrere Faktoren zusammengewirkt: a) die Deutsche Wehrmachtspsychologie, insbesondere Dr. Max Simoneit, war schon immer ideologisch zu zurückhaltend und daher schon immer dem Amt Rosenberg verdächtig; b) den Nazipragmatikern war sie zu akademisch-empirisch; c) den Machtbonzen in Partei und Militär war sie nicht amigo-gefällig genug (siehe oben) und d) die hohen militärischen Verluste erlaubten keine entsprechenden Auswahlen mehr.
Nun, es kritisiert sich natürlich aus sicherem Abstand sehr einfach. Tasächlich war Kritik am nationalsozialistischen System nach meiner Einschätzung spätestens ab 1938 lebensgefährlich. Das muß man fairer- und realistischerweise berücksichtigen. Der Mensch braucht auch in einem solch totalitären System Arbeit und ein Auskommen, sonst riskiert er sein Leben und das seiner Angehörigen. So verständlich dies auf der einen Seite ist, so klar ist aber auch, daß die Deutsche Wehrmachtspsychologie Hitler und seinen Zielen objektiv gedient hat, wie immer auch der einzelne Psychologe zum Nationalsozialismus gestanden haben mag. Wie ist nun die Schuld der Psychologen, speziell auch der deutschen Wehrmachtspsychologen aber auch ganz allgemein der Menschen im Nationalsozialismus zu beurteilen? Dies soll hier nicht weiter sondern unter dem Stichwort "Schuld, Kollektivschuld, Bürgerpflicht" erörtert werden.
Eines aber steht wohl fest: Der Gewalt in der Welt kann man letztlich nur
mit Gewalt begegnen. Recht und Gerechtigkeit sind nur so stark, wie die
Faust, die dahintersteht und sie durchzusetzen im Stande ist. Daher stellt
sich letztendlich die Frage nach der Legitimiation der Gewalt: Es kommt
immer darauf an, für oder gegen wen und wie die Gewalt eingesetzt
wird.
"Heiligen"
die Zwecke also doch die Mittel?
Eine gute und tüchtige Psychologie in einem schlechten System, richtet größeren Schaden an als eine schlechte und untüchtige. Ich verstehe, daß die Versuchung sehr groß war, die Möglichkeiten zu nutzen, die die Wehrmacht mit ihren vielen, vielen Menschen bot. Das ist eine Versuchung für jede WissenschaftlerIn und EmpirikerIn. Wer die Menschen so gut kannte, wie die deutsche Wehrmachtspsychologie, hätte sich mehr verweigern müssen. Wer sonst, wenn nicht Psychologen, hätte dazu Mittel und Wege finden müssen? Vielleicht war ja aber die relativ unbestechliche Haltung der Deutschen Wehrmachtspsychologen in den diagnostischen Fachfragen - die den politischen und militärischen Bonzen des nationalsozialistischen Systems nicht willfährig war - auch ihre Form des Widerstandes, schließlich wurden 1942 die Prüfstellen der Deutschen Wehrmachtspsychologie aufgelöst. Ich kann und möchte mir in dieser existenziell schwierigen Frage aus meinem sicheren Abstand kein endgültiges Urteil anmaßen, weil ich über die Zeit und die damaligen Psychologen zu wenig weiß.
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