Analyse eines Antipsychiatrisch Radikal Autonom Fundamentalistischen (ARAF) Textes:
Die Rede Talbots in Paris
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Unter der Adresse https://www.irrenoffensive.de/paris.htm wurde eine Rede, die ein gewisser René Talbot am 10. Mai 2001 in Paris - unklar vor welchem Publikum (man denke immer an Postel) - gehalten haben soll, zum Thema Haus des Eigensinns (Gedenkstätte für die Opfer der Psychiatrie in der Tiergartenstraße 4) und der Prinzhornsammlung veröffentlicht. Dieser Text erscheint mir sehr typisch und von daher gut geeignet, Wesen, Stil, Agitation und Propaganda antipsychiatrisch radikal autonomer Fundamentalisten (ARAF) deutlich zu machen.
Fett-kursive Hervorhebungen im Zitat-Text
zur Hervorhebung besonderer Inhalte von mir. Meiner Anfrage, den Text komplett
hier zu spiegeln und in gegenüberliegenden Tabellen darzustellen:
links Original, rechts meine Analyse und Kommentar, wurde nur unter der
Bedingung zugestimmt, daß pro Tag 2,50 Euro Lizenzgebühr entrichtet
werden, was ich ablehnte und nun die Zitierdarstellung wähle. Zwischenüberschriften
zur thematischen Organisation des Textes sind von mir.
Die Prinzhornsammlung im
Internet: https://www.prinzhorn.uni-hd.de
Über die Persönlichkeit des Psychiaters Hans Prinzhorn hier. Und über das Werk Bildnerei von Geisteskranken Hans Prinzhorns können Sie sich hier einen Eindruck verschaffen: Inhaltsverzeichnis * Zusammenfassung Heidelberger Stellungnahme zum Streit mit den Antipsychiatrisch Radikal Autonomen (ARAF) und Fundamentalisten und diesbezüglichen Hauptsprecher René Talbot: https://www.prinzhorn.uni-hd.de/aktuelles/1999/11/stellungnahme.shtml |
Talbot: "Die erste Idee für das Konzept dieser geplanten Gedenkstätte stammt tatsächlich von mir."
Gegen diese Idee gibt es natürlich keine Einwände. Es ist sicher gut und wünschenswert, an die Verbrechen der Nazis und der in ihrem Gefolge tätigen Psychiater zu erinnern und zur Aufarbeitung zu mahnen.
Aber es ist nicht gut, die Psychiatrie- Opfer der Nazis und ihrer Schergen für einen Feldzug gegen die Psychiatrie schlechthin zu mißrauchen. Ein solcher Mißbrauch soll hier stattfinden, wie die folgende Analyse zeigen wird.
Talbot: "Ganz kurz dazu: Die Tiergartenstr. 4 ist die Adresse des Ortes, von dem die Nazi-spezifischen Greueltaten, schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ausgingen. Dort war die Mordzentrale, wo ab 1939 das systematische, rationalisierte Gaskammermorden geplant und organisiert wurde, das nach dieser Adresse "Aktion T4" genannt wurde."
Das ist historisch korrekt. Eine Gedenkstätte an dieser Stelle macht daher auch einen besonderen Sinn.
Talbot: "Und, wie Ihnen bekannt sein dürfte, begann das Morden tatsächlich in den Psychiatrien, deren Gefangene in sechs Mordzentren in Deutschland umgebracht wurden, bevor man dann dieses System mitsamt der biologistischen Ideologie, dem Personal und der Technik, 1942 nach Polen verlegte, wo -vielfach vergrößert- in den Vernichtungslagern Ausschwitz, Treblinka, Maydanek, usw., der millionenfache Mord an den europäischen Juden, Sinti und Roma begangen wurde."
"begann das Morden"
Morde der Nationalsozialisten an politisch und ideologisch
Mißliebigen begannen schon vor ihrer Machtübernahme.
Talbot: "Lassen Sie mich nochmals die Tatsache betonen, daß das Morden der Nazis in der Psychiatrie an sogenannten "Irren", "Verrückten", und wie man sie sonst bezeichnen mag seinen Anfang genommen hat."
"seinen Anfang genommen"
Hier wird die Scientology- Mythe vorbereitet : alles
Morden habe mit der Psychiatrie begonnen mit der impliziten Botschaft,
die Psychiatrie sei die Wurzel des nationalsozialistischen Übels;
die psychiatrische Verschwörungstheorie der Scientologen, wie sie
in dem Buch von Röder
& Kubillus (1994) vertreten wird. Als "Beleg" wird angeführt:
Talbot: "Ich will Ihnen dazu ein paar Zeilen aus einem Brief Max Horkheimers an Theodor Adorno zitieren, der schon im August 1941 sehr genau den Zusammenhang zwischen den Morden in den Psychiatrien und der darauffolgenden Shoah beschreibt: "Die Ermordung der Irren enthält den Schlüssel zum Juden-Pogrom... Daß sie von den Zwecken und Zielen, in deren Dienst das Leben der Heutigen verläuft, nicht genauso gebannt sind, wie die Tüchtigen selbst, macht die Irren zu unheimlichen Zuschauern, die man wegschaffen muß... Wieder und wieder sollte sich erweisen, daß Freiheit nicht möglich ist.""
Die These Horkheimers, daß man unheimliche Zuschauer
... wegschaffen muß, kann nur als abenteuerlich bezeichnet werden;
sie wird auch nicht belegt und hat keinerlei Erklärungswert.
Talbot: "In der Tiergartenstr. 4, dem Ort und Namensgeber der "Aktion T4", sollen neben der Dokumentation der Tat und dem Erinnern an die Schicksale der Opfer, die künstlerischen Werke von Menschen gezeigt werden, die in der damaligen Psychiatrie gefangengenommen worden waren und als "schizophren", "manisch depressiv", usw. verleumdet wurden."
"der damaligen Psychiatrie"
Prinzhorn schrieb sein Hauptwerk 1922, er starb ca. drei
Monate nach der Machtergreifung der Nazis und der wesentliche Teil seiner
Sammlung
ist 20 Jahre vor der T4 Aktion zusammengetragen worden.
"gefangengenommen
"
Diese justiziable Polizeivokabel
stellt einen möglichen Aspekt des Erlebens von zwangseingewiesenen
PsychiatriepatientInnen in den Vordergrund.
"schizophren", "manisch
depressiv", usw. verleumdet
Hier
werden Schizophrenie und Manisch- Depressive Erkrankung gänzlich
geleugnet, was über den Antipsychiater Szasz,
der nur die biologische Fundierung solcher Erkrankungen und die Berechtigung
einer entsprechenden diagnostischen Klassifikation leugnet, weit hinaus
geht. Sofern eine unkorrigierbare Leugnung der Wirklichkeit vorliegt -
hier schizophrener oder manisch- depressiver Erkrankungen
können die Definitionskriterien des Wahns
erfüllt sein. Folgerichtig mit der Leugnung der Wirklichkeit von Schizophrenie
und manisch- depressiver Erkrankung werden Menschen, PsychiaterInnen
und PsychotherapeutInnen als Verleumder hingestellt. Die
anscheinend unkorrigierbare Überzeugung und fundamentalistische Radikalität
mit der das mitunter geschieht, kann Ausdruck eines systematisierten Wahnsystems
sein, das in die Psychiatrie selbst projiziert wird. Nicht der Paranoide
leidet unter einem Wahn, sondern die Psychiatrie selbst ist das Wahnsystem.
Hier fehlte nicht nur Krankheitseinsicht, eines der dramatischsten Symptome
geistiger Erkrankungen, sondern die Krankheit wird offensiv in die Außenwelt,
in die Psychiatrie verlagert. Die PsychiaterInnen wären demnach die
Kranken.
Talbot: "Dazu sollen die Werke der sogenannten Prinzhornsammlung in den Besitz der sozialen Brüder und Schwester der Betroffenen, dem Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, überführt werden und wechselnde Teile der ca. 6000 Werke umfassenden Sammlung auf etwa 60% der Ausstellungsfläche im "Haus des Eigensinns" gezeigt werden."
Warum bleibt hier noch unklar.
Talbot: "Ich selbst bin der Sprecher eines Freundeskreises prominenter Unterstützer des Projektes, dem u.a. auch Dr. Ram Ishay angehört, der zwei Jahre lang Präsident der Weltärztekammer und fast zwanzig Jahre lang der Präsident der israelischen Ärztekammer war. Dem Freundeskreis gehören ebenfalls der Bischof von Berlin und Brandenburg, Prof. Dr. Wolfgang Huber, der Präsident der Sigmund Freud Gesellschaft, Horst Eberhard Richter, und Walter Jens an, der viele Jahre der Präsident der Kunstakademie von Berlin war."
In der Tat: Gut klingende, honorige
Namen, die vermutlich nicht wissen, für welche Thesen sie im Detail
agitatorisch mißbraucht werden, was sich hoffentlich ändern
wird.
Talbot: "Die "Aktion T4" und die sogenannte Prinzhornsammlung sind inhaltlich folgenschwer miteinander verquickt. Aber dazu später mehr."
Das ist eine üble Denunziation. Prinzhorns Hauptwerk Bildnerei der Geisteskranken wurde 1922 veröffentlicht, er selbst starb am 14.6.1933 in München. Prinhorn hat mit T4 nicht das geringste zu tun.
Talbot: "Zunächst würde ich gerne ein paar Sätze zu dem Wort "Geisteskrankheit" sagen, damit Sie gleich wissen, daß ich den Begriff nicht akzeptiere."
Zur Bedeutung der Leugnung der Wirklichkeit von Schizophrenie oder Manisch- Depressiv wurde oben schon ausreichend Stellung genommen.
Talbot: "Eine angemessene Rezeption fällt deswegen so schwer, weil implizit eine Kritik der menschenverachtenden Verhältnisse der Psychiatrie damit einhergeht, die nicht nur in meinen Augen ein Kerkersystem mit Folterregime ist."
Eine angemessene Rezeption setzt künstlerische, ästhetische,
kunstpsychologische und psychopathologische Fachkunde voraus, die in diesem
Text allerdings nicht erkennbar ist.
Im übrigen spricht die Sprache für sich.
Talbot: "Der Ihnen allen wohlbekannte französische Philosoph Michel Foucault hat die wesentlichen Bemerkungen dazu schon 1961 gemacht - ich muß sie Ihnen hier nicht mehr gesondert zitieren."
Appell an die Einmütigkeit mit Foucaults Thesen. Nun, es gibt auch dann kein repräsentatives Bild, wenn man sich wiederholt auf die Antipsychiatrie beruft.
Talbot: "Der Dreh- und Angelpunkt der Kritik ist dabei der verleumderische und diffamierende Gebrauch solcher Worte wie "Schizophrenie", "manische Depression", "Schwachsinn", usw. "
Hier wird die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt. Es geht nicht um den Gebrauch von Worten, sondern um die Sachverhalte, die diese Worte bezeichnen. Szasz leugnet auch nicht die Sachverhalte, er leugnet, daß die psychopathologischen Diagnosen Krankheiten repräsentieren.
Talbot: "Der amerikanische Psychoanalytiker und Psychiater Thomas Szasz hat ihn folgendermaßen prägnant charakterisiert: "Schizophrenie, schreibt Szasz, "ist ein strategisches Etikett, wie es "Jude" im Nazi-Deutschland war ....""
Nein, dagegen spricht auch, daß dieses "Etikett" in vielen Ländern gebräuchlich ist, die mit Nationalsozialismus, Links- oder Rechts- Faschismus gar nichts zu tun haben. Man will auch nicht ausgrenzen, das ginge ja viel leichter und billiger, sondern man gewährt aufwendigen Schutz und Status eines Kranken.
Talbot Szasz zitierend: "... "Wenn man Menschen aus der sozialen Ordnung ausgrenzen will, muß man dies vor anderen, aber insbesondere vor einem selbst rechtfertigen. Also entwirft man eine rechtfertigende Redewendung. Dies ist der Punkt, um den es bei all den häßlichen psychiatrischen Vokabeln geht: Sie sind rechtfertigende Redewendungen, eine etikettierende Verpackung für "Müll"; sie bedeuten "nimm ihn weg", " schaff ihn mir aus den Augen", etc. Dies bedeutete das Wort "Jude" in Nazi-Deutschland, gemeint war keine Person mit einer bestimmten religiösen Überzeugung. Es bedeutete "Ungeziefer", "vergas es".""
Das ist im Prinzip für Nazideutschland richtig. Allerdings waren sowohl die Kranken als auch die Vokabeln vor den Nazis da und sie haben sie in allen anderen Nicht-Nazi Ländern auch überdauert._
Talbot Szasz zitierend: "Ich fürchte, daß "schizophren" und "sozial kranke Persönlichkeit" und viele andere psychiatrisch diagnostische Fachbegriffe genau den gleichen Sachverhalt bezeichnen; sie bedeuten "menschlicher Abfall", "nimm ihn weg", "schaff ihn mir aus den Augen." (Zitiert aus: "Interview with Thomas Szasz" in The New Physician, 1969.)"
Hier werden nun die Zeiten und Gesellschaften
offen gelassen. Diese Methode kann auch sehr gut bei Scientology studiert
werden, indem Psychiatrie an sich - unabhängig von Zeit und Anwendung
- mit Faschismus gleichgesetzt wird. Wer überhaupt Begriffe wie geisteskrank,
schizophren,
manisch-
depressiv oder andere Worte für die psychischen Störungen
gebraucht, wird mit Faschismus identifiziert und entsprechend denunziert.
Hans Prinzhorn Kolonisator, böswilliger Räuber und Nazi-Ideologe?
Talbot: "Mit der Kritik des Gebrauchs der psychiatrischen Worte und der damit legitimierten gewalttätigen Praktiken geht letztlich das Verschwinden des ganzen Begriffs der "Geisteskrankheit" einher, gerade dann, wenn es nicht mehr möglich sein wird, die psychiatrische Begrifflichkeit und die Krankheitseinsicht auf der Seite der Betroffenen mit brachialen Mitteln wie Einsperren, Fixieren und zwangsweiser Drogenverabreichung gegenüber den so Stigmatisierten durchzusetzen."
Bei vielen psychisch Kranken muß keine Brachialgewalt eingesetzt werden; sie ist manchmal das letzte Mittel bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung.
Talbot: "Psychiatrische Verhältnisse in der Gesellschaft, der therapeutische Staat, sind der Ausgangspunkt für eine kolonialisierende Rezeption der Kunst, der auch die bösgläubig erworbenen Werke internierter Künstler anheimgefallen sind, die unter dem Namen des Nazi-Ideologen Hans Prinzhorn in der Universität Heidelberg okkupiert gehalten werden."
Nazi-Ideologen Hans Prinzhorn (siehe)
Okkupiert: Siehe bitte https://www.prinzhorn.uni-hd.de/aktuelles/1999/11/stellungnahme.shtml
Talbot: "Sie sehen also, es geht um ein ganzes Geflecht ineinander verwobener und verschränkter Begrifflichkeiten, die scharf kontrastieren mit Werten wie Menschenrechten. Im Zentrum stehen die Ausschreitungen eines Ausgrenzungs-, Straf- und Kontrollapparates: der Zwangspsychiatrie."
Eine ganze Sammlung diffamierender Unterstellungen. Bezeichnend ist der Rekurs auf die Menschenrechte, der ausgerechnet von der umstrittensten Psychosekte Scientology im Schulterschluss mit Thomas Szasz immer wieder vertreten wird.
Talbot: "Lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich machen: Allein die Rede vom "kranken" bzw. "gesunden" Geist, mit dem irgendeine Kunst charakterisierbar sei, ist eine Kränkung von Kunst überhaupt.
Man kann in der Tat die ungerechten Tatsachen der Biologie und des Lebens als Kränkung erleben. Wieso die Rede vom gesunden oder kranken Geist die Kunst kränken solle bleibt unklar. Abgesehen davon ist die Behauptung falsch, wie die Psychologie der Kunst, Psychopathologie der Kunst und die Ästhetik zeigen. Im übrigen zeichnet sich gerade Prinzhorns Werk durch seine scharfsinnige und tiefgreifende Kunstpsychologie aus._
Talbot: "Hans Prinzhorn, nach dem die Sammlung benannt ist, um die es uns hier geht, ist ein wesentlicher Protagonist dieser Verleumdung und Kränkung, die logisch in den brachialen Rassismus, die Naziideologie, führt. Tatsächlich war Hans Prinzhorn ein wesentlicher Wegbereiter des ideologischen Umfeldes, das in Gaskammermassenmorden und "medizinischen" Menschenversuchen seinen konsequenten Höhepunkt fand."
Die Diffamierung Prinzhorns erreicht
hier einen gewissen Höhepunkt. Genau das Gegenteil ist richtig, wie
aus folgendem auch klar hervorgeht.
Prinzhorns
wirkliche Meinung 1929 in seiner "Psychotherapie"
Hans Prinzhorn in seiner Psychotherapie (1929, S. 316) "Die Ethik der mächtigen Masse, sei es in amerikanischer, bolschewistischer oder faschistischer Form, unter kapitalistischer, marxistischer oder nationalistischer Ideologie, führt jedes mal auf die gleichen brutalen Machtprinzipien einer mechanistisch stilisierten Gesellschaft, niemals auf wirkliche Gemeinschaftsformen in jenem tiefen Sinne, der den biologischen wie den kulturellen Gruppen gemeinsam ist." |
Talbot: "Dies ist ein schwerer Vorwurf, der einer Klärung bedarf. Ich will mit dem einfachsten Teil beginnen, dem Nachweis, daß Hans Prinzhorn ein Nazi-Ideologe war. Um Hans Prinzhorn selbst zu Wort kommen zu lassen, werde ich Ihnen hier lediglich Zitat an Zitat reihen, um meine These zu belegen. Dem "Judenproblem" gegenüber gibt Prinzhorn zu bedenken: "Nur was man vernichten oder versklaven kann, muß Schmähungen erdulden". Der Titel eines seiner Aufsätze lautet: "Gemeinschaft und Führertum. Ansatz einer biozentrischen Gemeinschaftstheorie", von "vollständiger Theorie der Gemeinschaft" und dem "Urbild des Führermenschen" ist an anderer Stelle die Rede."
Eine der wichtigsten Strategien der Sophistik und Rabulistik ist die Textmontage, wobei die einzelnen Elemente aus dem Zusammenhang gerissen werden. Eine besonders kulturlose, antiwissenschaftliche und unfaire Form nehmen solche Montagen dann an, wenn sie noch nicht einmal belegt werden. Eine solche Strategie wird hier nun angewendet._Hier wird im Grunde eine tautologisch anmutende Trivilität ins Spiel gebracht: wer schwach ist, ist schwach und kann sich nicht richtig wehren. Beide Begriffe sind ein ewiges Thema der Anthropologie, Soziologie und Politologie. Zur Verdeutlichung wäre die inhaltliche Füllung des "Führermenschen" nach Prinzhorn wichtig und richtig gewesen. Richtig ist, daß Prinzhorn in seiner letzten Lebensphase nationalsozialistisches Gedankengut teilweise und in seiner Interpretation positiv bewertet und verarbeitet hat. Das macht ihn aber noch nicht zum Verbrecher.
Entscheidend ist ohnehin, daß sein Hauptwerk 1922 erschien, das als wissenschaftliche Grundlagen- Arbeit natürlich nicht rückwirkend beeinflußt werden konnte. So ist es denn auch sehr bedeutungsvoll, daß aus dem Hauptwerk von 1922 sich offenbar kein einziges Zitat finden läßt, daß für die gewünschte Diffamierung taugt.
Talbot: "In seinem Buch 'Psychotherapie' noch hatte er die "faschistische Form" einer "Ethik der mächtigen Masse" mit der von ihm negativ bewerteten "amerikanischen" und "bolschewistischen" gleichgesetzt. Von Prinzhorn stammt auch der Entwurf des "Idealbildes" eines Übermenschen Arztes, der imstande sein solle, "der ganzen Gesellschaft ein Wohltäter zu werden."
An welcher Stelle? Hier folgt Talbot
offenbar der Arbeit eines gewissen Dr. Röske,
der ebenfalls die Zitate aus dem Zusammenhang reißt. Geradezu wissenschafts-
kriminell wird der antifaschistische Teil des Zitats sogar unterdrückt
und verschwiegen:
"Die Ethik der mächtigen Masse, sei es in amerikanischer, bolschewistischer oder faschistischer Form, unter kapitalistischer, marxistischer oder nationalistischer Ideologie, führt jedes mal auf die gleichen brutalen Machtprinzipien einer mechanistisch stilisierten Gesellschaft, niemals auf wirkliche Gemeinschaftsformen in jenem tiefen Sinne, der den biologischen wie den kulturellen Gruppen gemeinsam ist." |
Talbot: "Gegen "die rasend schnelle, in kaum zwei Generationen geschehene Überflutung mit jüdischem Geist" empfiehlt er jedoch statt Kampf eine überzeugendere Selbstdarstellung, nämlich "in Werk und Tat... die dem Judentum unbequemen arischen Eigenwerte auf so hohem Niveau zum Ausdruck zu bringen, daß nur offensichtlich tendenziöse Gehässigkeit noch Angriffspunkte findet"."
Hier empfiehlt Prinzhiorn offenbar
eine Auseinandersetzung auf der Ebene des freien Wettbewerbs und nicht
der Vernichtung. Auch dieses Zitat wird wie beim Lieferanten nicht belegt.
_Zur
Rechtsfrage der Prinzhorn-Sammlung
Die Prinzhornsammlung im Internet: https://www.prinzhorn.uni-hd.de
Heidelberger Stellungnahme zum Streit mit den Antipsychiatrisch Radikal Autonomen (ARA): https://www.prinzhorn.uni-hd.de/aktuelles/1999/11/stellungnahme.shtml |
Talbot: "Für einen vollständigen Überblick der Lingua Tertii Imperii bzw. der Nazi-Sprache von Hans Prinzhorn empfehle ich das Buch von Thomas Röske "Der Arzt als Künstler", dem ich auch die Zitate entnommen habe."
Das Buch ist keine gute Empfehlung und man muß sich fragen, wie die Universität Hamburg dazu kam, es als Dissertation anzunehmen. Wer vorsätzlich wesentliche Elemente eines Zitates wegläßt, ruft massive Zweifel an seiner intellektuellen Redlichkeit vor.
Talbot: "Diese Äußerungen sind eine typische Essenz dessen, was Hans Prinzhorn bekannt gemacht hat:
typische Essenz: was ist denn das? Und: einzige fragwürdige Quelle: Dr. Röske.
Talbot: "Die Plünderung der künstlerischen Werke psychiatrisierter Menschen für die Gründung eines psychopathologischen Museums."
Prinzhorn war nicht der Plünderer, sondern Bewahrer und Wertschätzer der Bildnerei der Geisteskranken, so daß ihm zweifach zu danken ist: für sein Haupt- Werk 1922 und für seine bewahrende und wertschätzende Sammlung. Im agitatorischen Propaganda- und wie beim Schwarz-Weiß-Borderline Stil geht die Entwertung weiter. Ob hier Kunstwerke im Sinne des Urheberrechts vorliegen, ist - zumindest für die damalige Zeit - fraglich.
Talbot: "Dabei nutzte er die entrechtete Situation dieser Menschen schamlos aus. Er raubt ihnen, die eingesperrt und entmündigt sind, noch das letzte, was ihnen als Urhebern gehört, ihre künstlerischen Werke. In der selbstverständlichen Arroganz einer kolonialen Macht gelten für sie keine Gesetze mehr. Statt wenigstens ein schriftliches Einverständnis der Vormünder der Psychiatrisierten einzuholen, werden die Werke einfach von den Herrschern in den Kliniken, den Ärzten, beschlagnahmt. In vielen Fällen wird einfach das Abhängigkeitsverhältnis gefangengehaltener Patienten ausgenutzt, um sich die Werke angeblich "schenken" zu lassen."
Die Rechtsfrage kann heute gestellt
werden. Eine solche Frage ist immer legitim. Da es vermutlich keine Rechtsnachfolger
oder Erben gibt, erscheint es mir völlig natürlich, das Recht
der Sammlung bei denen zu belassen, die sich um sie verdient gemacht, sie
ermöglicht, wissenschaftlich erforscht, begleitet und bewahrt haben.
Die Prinzhorn Sammlung in die Hände von ARAF- Agitatoren
und Propagandisten zu übereignen, wäre jedenfalls völlig
fehl am Platze. Natürliche Rechte erwirbt, wer sich kümmert und
im Kümmern seine Wertschätzung und Verantwortung ausdrückt
und nicht, wer diffammiert und denunziert._
Sie
hierzu auch die Stellungnahme der Heidelberger.
Prinzhorn als Wissenschaftler und Mensch
Talbot: "Für Hans Prinzhorn bzw. die Institution, in deren Auftrag er handelt, als auch für die Ärzte, die als Komplizen in vielen anderen Anstalten, die an dem Raubzug beteiligt sind, kommen die Künstler als rechtliche Subjekte nicht vor."
Das ist in der Gestaltungstherapie auch heute noch so. Therapeutische Stätten sind keine Copyright- Einrichtungen.
Talbot: "Dies zeigt sich auch besonders deutlich an dem Blick, den Prinzhorn auf die Werke in seinem Buch 'Bildnerei der Geisteskranken' dokumentiert. "Nun soll die psychiatrische Haltung, welche Prinzhorn den Patienten gegenüber einnimmt, näher betrachtet werden. Diese ist geprägt von kühler Distanz des Beobachters zu seinem Objekt, welches nicht als Mensch interessant ist, sondern als Träger eines forschungsrelevanten psychopathologischen Syndroms.""
Eine Petra Storch vom Haus des Eigensinns
ist sicher nicht geeignet, Prinzhorns wissenschaftliche und menschliche
Haltung zu beurteilen. Wie üblich wird nicht belegt, so daß
der Kontext nicht geprüft werden kann. Eine wissenschaftliche Haltung
erfordert in der Tat immer Distanz und einen kühlen Kopf, dies Prinzhorn
als psychopathologischem Kunstwissenschaftler vorzuwerfen, ist völlig
abwegig. Die Deutung des Wahnsinns bei Prinzhorn ist ebenso falsch wie
die diffamierende Unterstellung, ihm fehle jedes Mitgefühl. Das folgt
sowohl durch sein Wirken und in ganz besonderer Weise auch durch seine
Eigenproblematik.
Ebenso absonderlich und falsch ist die These, Prinzhorn verneine den Kommunikationscharakter,
was die Realität - wie so oft im ARAF und seinem Umfeld - geradezu
auf den Kopf stellt. Bildnerei ist Ausdruck und Ausdruck ist Kommunikation._
_
Talbot: "In seinem Buch
"Ist das ein Mensch" beschreibt Primo Levi, wie er von Dr. Pannwitz, Chef
der chemischen Abteilung von Ausschwitz, ausgefragt wird."
Prinzhorn hat damit überhaupt
nichts zu tun.
_
Talbot: "Levi war Chemiker
von Beruf. Eine Arbeit in der chemischen Abteilung könnte ihn vielleicht
vor der Vernichtung bewahren. Als er in seiner KZ-Uniform auf der anderen
Seite des Schreibtisches stand, sah Dr. Pannwitz ihn an, als blicke er
auf einen Fisch im Aquarium. So war Primo Levi noch nie von jemandem angesehen
worden - und er hat die Bedeutung dieses Blickes nie vergessen."
Das hat mit Prinzhorn überhaupt
nichts zu tun.
Prinzhorn,
Nietzsche und das Jüdische Lexikon
Nietzsche 1875 (Menschliches - Allzumenschliches):
"Unangenehme, ja gefährliche Eigenschaften hat jede Nation, jeder
Mensch: es ist grausam zu verlangen, daß der Jude eine Ausnahme machen
solle ... Trotzdem möchte ich wissen, wie viel man bei einer Gesamtabrechnung
einem Volk nachsehen muß, welches, nicht ohne unser aller Schuld,
die leidvollste Geschichte unter allen Volkern gehabt hat, und man den
edelsten Menschen (Christus), den reinsten Weisen (Spinoza), das mächtigste
Buch und das wirkungsvollste Sittengesetz der Welt verdankt."
Nietzsche 1880/81: "So ist ein Kampf gegen die Juden immer ein Zeichen der schlechteren, neidischeren und feigeren Naturen gewesen: und wer jetzt daran teilnimmt, muß ein gutes Stück pöbelhafter Gesinnung in sich tragen." |
Talbot: "Hans Prinzhorns Sichtweise
ist begründet in seinem biologistischen Modell des Geistes,
das die medizinisch-psychiatrische
Herrschaft manifestieren soll und damit eine rassistisch-psychiatrische
Ideologisierung von Kunst als Akt der Kolonialisierung von "Wahnsinn"
zum Ziel hat."
So einen Unsinn kann nur behaupten, wer sich mit Prinzhorns kunstpsychologischem und psychotherapeutischen Werk nicht wirklich auseinandergesetzt hat und sich auf eine einzige fragwürdige Sekundärequelle beruft. Da die Belege fehlen, ist eine Auseinandersetzung nicht möglich.
Talbot: "Das ideologische Konzept findet seinen philosophischen Kontext in einer biologistisch verengten Interpretation von Nietzsche. Ich zitiere Hans Prinzhorn aus seinem Buch 'Nietzsche und das XX.Jahrhundert' . Auf Seite 38 dieser Schrift heißt es in der Frage des Übergangs von der statischen zur dynamischen Auffassung vom Menschen: "So bleibt nichts übrig von der Person als ein Kreuzpunkt zahlreicher wirkender Instanzen, unter denen am wichtigsten jene Kräfte sind, die aus dem Blut auf dem Erbwege von fernher sich noch durchsetzen, während das Individuum sich einredet, aus bewußten Motiven zu handeln." Und auf Seite 40: "Wenn wirklich das Leben in der Natur und Geschichte sein großes Geheimnis preisgegeben hatte - wenn wirklich das einzig Bleibende im bunten Wechsel der "Kampf ums Dasein", das "Recht des Stärkeren" war, dann mußte es doch möglich sein, aus solcher Erkenntnis endlich einmal radikal die Folgerung zu ziehen und die Entwicklung des Menschen planvoll zu lenken, wie der Pflanzen- und Tierzüchter seine Rassen in geduldiger Bemühung planvoll züchtet. Aus dieser großen Wendung Nietzsches zum Propheten eines neuen, höheren Menschentums entspringt abermals ein ganz tiefer Impuls, sich der seelischen Untergründe, der Antriebe, der wahren Ziele des menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns zu bemächtigen." Auf Seite 59 dann der Clou: "Moral ist eine Wichtigtuerei des Menschen vor der Natur".
Immerhin wird hier wenigstens einmal eine Quelle belegt. Die Bedeutung der biologischen Basis ist für einen Mediziner natürlich und normal. Die Verarbeitung Nietzsches führt denn auch zu keiner anderen Haltung als sie z.B. Freud für die Psychoanalyse formuliert hat. Bei Prinzhorn liest sich das ein Jahr nach "Nietzsche und das XX. Jahrhundert" in der Psychotherapie (1929, S. 255) wie folgt: "Am Eingange jeder analytischen Denkweise steht also Nietzsches Erkenntnis von der grundsätzlichen und systematischen Selbsttäuschung, aus der zumal der neuere Mensch sein bewußtes Bild von sich selbst, der Umwelt, den Mitmenschen aufbauen muß - ob er will oder nicht, ob er dagegen ankämpft oder nicht." Hier interpretiert Prinzhorn Nietzsche. Das Recht des Stärkeren wird sogar problematisiert. Historische Tatsache ist, wie schon Machiavelli sehr eindrucksvoll empirisch aufzeigt, daß die Starken - und meist eigennützig - Einfluß nehmen und bestimmen. Planvolle Lenkung, wird hier trivial ausgesagt, gelingt nur dann, wenn man die Macht hat. Wohl wahr.
Talbot: "Was bleibt einem da noch anderes als zu kommentieren: Wohlan zum munteren Sichten und Vernichten, Hans Prinzhorn?"
Das hat weder Nietzsche
noch Prinzhorn vertreten.
Talbot: "Ich will nun auf die Folgen einer Pathologisierung von Kunst eingehen. Hans Prinzhorn hat sie in ihrer radikalisierten Form nicht mehr miterlebt, da er noch vor dem Regierungsantritt der Nazis 1933 verstarb. Dennoch steht die Radikalisierung völlig in der Logik seiner Auffassungen einer Pathologisierung von Kunst."
Prinzhorn hat nicht die Kunst pathologisiert, das haben die Nazis mit der sog. 'modernen' Kunst gemacht, die sie entartet nannten. Ein Nazi wäre gar nicht auf die Idee gekommen, daß Produkt eines Geisteskranken als potentielle Kunst anzusehen. Das ist ja gerade ein großes Verdienst Prinzhorns ganz im Gegensatz zu den Nazis. Im übrigen war das Ermächtigungsgesetz am 24.03.1933 und Prinzhorn starb am 14.6.1933 in München.
Talbot: "Prof. Carl Schneider, der der Nachfolger des früheren Vorgesetzten Prinzhorns war, entkleidete die pathologisierende Logik von Hans Prinzhorn nur konsequent ihres romantisierenden "Ballast-Anteils", und schon hatte er damit sein Modell der angeblich "entarteten" Kunst in der Hand. Man kann dies nachlesen in Carl Schneiders Beitrag zum Archiv der Psychiatrie 1939 (Band 110): "Entartete Kunst und Irrenkunst"."
Prinzhorn ist in keiner Weise verantwortlich für das, was Carl Schneider schrieb oder tat. Prinzhorn war zum Zeitpunkt des Beitrags von Carl Schneider bereits 6 Jahre tot und konnte sich also nicht mehr dazu äußern.
Talbot: "Dieses Modell war hilfreich,
um zweierlei zu erreichen:
a) Es diente zur Durchsetzung der
Ideologie eines angeblich "entarteten" Menschen. Denn wenn die Werke von
Psychiatrisierten als Referenz zum Nachweis der "Entartetheit" von moderner
Kunst hinzugezogen werden, ist implizit vorausgesetzt, daß die Irrenhäusler
"Entartete" sind. Dies ist an sich nur eine Verschärfung jener Rhetorik,
die vom kranken Geist der Irrenhäusler spricht. Man sieht daran sehr
plastisch die Methode, mit der diese Ideologie und Rhetorik dem Gaskammermorden
den Weg bereitet hat. Das zivilisatorisch-moralische Grundprinzip "Du sollst
nicht morden" konnte gegenüber angeblich "Entartetem", das nur noch
Fleisch, bloße Materie und nicht mehr menschliches und damit rechtliches
Subjekt in der Gesellschaft war, verleugnet werden.
Dies brauchte Hitler gar nicht. Der schrieb und sprach schon 1922 völlig offen davon, die Juden öffentlich aufzuhängen. Hitler war auf die Psychiatrie für seine paranoiden Ideen überhaupt nicht angewiesen. Nicht die Psychiatrie stand hinter Hitler, wie es Scientology gerne und falsch darstellt, sondern Hitler instrumentalisierte und nutzte die Psychiatrie für seine verbrecherischen Zwecke wie viele, sehr viele andere auch, was damals aber vielen nicht so klar war, wenn uns das heute auch schwer fallen mag, nachzuvollziehen._
Die Existenz von Krankheit, auch von krankem Geist, hat mit dem Rechts- oder Links- Faschismus überhaupt nichts zu tun außer, daß man ihn selbst als krank bezeichnen könnte._
Talbot: "b) Pathologisierte Kunst sollte zur Vorbereitung einer ästhetischen Gleichschaltung und "Bereinigung" dienen: Bei einem Sieg der Nazis wären in ganz Europa die Künstler der Moderne den Irren in die Gaskammer gefolgt. Ihre Kunst sollte nur als Beispiel ihrer Unter-Menschlichkeit erhalten bleiben, sozusagen als Peepshow einer ausgerotteten Spezies. An dieser Stelle kann man nicht umhin, sich an die menschenzüchtenden Träume Hans Prinzhorns zu erinnern."
Der von den Nazis inszenierte Kulturkampf um die als "entartet" bewertete moderne Kunst ist von den Produktionen der psychisch Kranken unabhängig. Sofern Analogien bestehen, die es ohne Zweifel gibt, schließlich waren die Surrealisten ganz begeistert von der Prinzhorn- Sammlung, sprechen diese für Prinzhorn und seine Gesinnung, weil er diese Werke ja als erster in der Geschichte mit einer solchen Bedeutung versehen hat. Prinzhorn hätte leicht Opfer werden können, wenn er länger gelebt hätte._
Talbot: "Nun muß man sich
allerdings fragen: Wie sieht es heute aus? Habe ich Ihnen von einer Geschichte
berichtet, die sich auf dem Nazi-Mars zugetragen hat und von uns Heutigen
himmelweit entfernt ist? - Wohl kaum. Verwalterin der bösgläubig
erworbenen Kunst der sogenannten Prinzhornsammlung ist nämlich niemand
anders als die Heidelberger Universitätspsychiatrie. Obwohl sie, wie
ich Ihnen bereits dargelegt habe, nie Eigentum an den Werken erwerben konnte.
Die Interpretation der Werke
seitens der Heidelberger Universitätspsychiatrie ist allerdings bis
heute, trotz allen rhetorischen Leugnens, implizit dem Kontext einer Ideologie
der "entarteten Kunst" verhaftet geblieben.
Das wird überdeutlich in ihren Katalogen, in denen sich unverändert
der Aquariumsblick ihres Apologeten Prinzhorn widerspiegelt:"
Nun wird der Sprung vollzogen: Prinzhorn, der Schöpfer, Wertschätzer und Bewahrer wird zum Ideologen "entarteter Kunst", der die gegenwärtige Heidelberger Universitätspsychiatrie "verhaftet" bleibt.
Talbot: "Sehen Sie sich diese
Beispiele aus ihrem letzten Katalog an:
(Bilder werden gezeigt)"
Wie gewöhnlich werden die Belege und Quellen vorenthalten.
Talbot: "Der Künstler dieses Werks wurde mit der Diagnose Paranoia verleumdet. Jenem die Diagnose Schizophrenie aufgezwungen."
Hierzu ist oben schon genügend gesagt worden.
Talbot: "Bis heute werden die Werke nicht identifizierter Künstler mit Wörtern wie "Schizophrenie", "Paranoia", "degenerativer Schwachsinn", usw. verleumdet."
Es ist aus kunst-psychopathologischer Sicht sinnvoll und informativ, die Diagnosen mitzuteilen. Tatsächlich werden bildnerische Gestaltungen ja auch für die therapeutische Entwicklungsdiagnostik verwendet.
Talbot: "Es gibt auch nur eine einzige Schlußfolgerung. Sie lautet: Dieses Werk ist schizophren, jenes paranoisch."
Diese Behauptungen werden - wie
meist - nicht belegt. In meinem Katalog ist das nicht so. Bei Prinzhorn
selbst wird gekennzeichnet mit "Fall xx". Das kann aus Schutzgründen
damals auch nötig gewesen sein. Kapitel VII trägt die Überschrift:
"Zehn Lebensläufe schizophrene Bilder", wo also ausdrücklich
die Menschen und ihr Leben in den Mittelpunkt gestellt werden. (Inhaltsverzeichnis
Bildnerei der Geisteskranken) _
Prinzhorn und die gegenwärtige Heidelberger Universitätpsychiatrie
Talbot: "Das Kollektiv der sozialen Brüder und Schwestern der Künstler, der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, hat zwischenzeitlich die Forderung nach Herausgabe oder doch zumindest auf vorrangige und autonome Auswahl von 400 wechselnden Bildern aus der Sammlung für das "Haus des Eigensinns" an die Heidelberger Psychiatrie gerichtet. Die Reaktion war durchweg negativ."
Das ist nicht verwunderlich und vollkommen verständlich, wenn man sich die unglaublichen Diffamierungen sowohl Prinzhorns, seiner Sammlung und der gesamten Psychiatrie vergegenwärtigt (siehe Stellungnahme-Link).
Talbot: "Denn -und dies ist der zynische Teil des Umgangs der Universitätspsychiatrie mit dem Problem- sie will nun mit den Bildern den früheren psychiatrisch-neurologischen Hörsaal dekorieren. Dokumentiert im damaligen Vorlesungsverzeichnis hat Prof. Carl Schneider, T4-Oberpsychiater, dort gelehrt."
Hier wird erneut versucht, Prinzhorn und die - auch gegenwärtige - Heidelberger Psychiatrie mit Carl Schneider, der für die T4 Verbrechen mit hauptverantwortlich war, zu identifizieren. Welchen Grund sollte es für die Heidelberger Universitätspsychiatrie also geben, sich mit solchen realitätsentrückten Denunziationen auseinanderzusetzen?
Talbot: "Um es Ihnen plastisch zu machen, ohne an dieser Stelle den Beweis in jedem Detail antreten zu können: Prof. Carl Schneider reiste durch Deutschland, um sich die "Objekte" für seine medizinische "Forschung" auszusuchen. Diese Menschen wurden dann nach Heidelberg gebracht, wahrscheinlich in dem Hörsaal vorgeführt, und anschließend zur Ermordung zum Eichberg gebracht, der damals die Mordabteilung der Heidelberger Universität war. Was dort geschah, war Mord auf Bestellung, bei dem die Opfer anschließend zerteilt und ausgeweidet wurden."
Abgesehen davon, daß es falsch
ist, daß die Prinzhorn Sammlung oder Teile davon im "Hörsaal
der Mörder" gezeigt werden sollen, hat das Werk Prinzhorns mit Carl
Schneider und T4 nicht das Geringste zu tun. Es scheint auch nicht sinnvoll
und möglich, alle Gebäude in Deutschland niederzureißen,
in denen ein Nazi sein Unwesen getrieben hat. Es sind nicht die Gebäude,
die Böses tun: es ist der Mensch.
Zusammenfassende Bewertung der ARAF-Sophistik
Die ARAF-Sophistik ist schlicht und einfach:
Psychische Krankheiten, insbesondere Paranoia, Schizophrenie und manisch-depressive Erkrankungen, gäbe es nicht. Daher seien alle Psychiatrischen Diagnosen Verleumdungen im Dienste eines staatlichen Zwangs- und Gewaltapparates mit dem Psychiatrie immer schon und heute auch gemeinsame Sache gemacht habe. Die Psychiatrie sei demnach faschistisch und sei selbst ein Wahnsystem, womit man ohne es eigentlich zu bemerken in einer logischen Paradoxie landet: einerseits soll es keinen Wahn geben, andererseits erzeugt und pflegt einen solchen die Psychiatrie, indem sie Menschen wie Patienten behandelt.
Diese gesamte krause, verdrehende Wirklichkeitsverleugnung
und Verleumdung beruft sich bei den verschiedenen ARAF- Gruppierungen auf
den Antipsychiater Thomas Szasz,
der zwar die Störungen und Symptome nicht leugnet, ihnen aber keine
biologische Fundierung und auch keinen Krankheitswert zuerkennt. Szasz
kooperiert u.a. auch mit Scientology und mit jedem, der die Psychiatrie
bekämpft, wobei er offensichtlich aus strategischen und Wirkungs-
Überlegungen heraus auch die Leugnung der Störungen selbst in
Kauf nimmt. Mit seinem Weltwahrheitsanspruch, verkündet um 1969, kollidiert
allerdings sein Werk, das seither brach liegt.
Doch wie soll man nun mit dem Phänomen ARAF umgehen ?
Aus verhaltenstherapeutischer Sicht ergibt sich, daß
ARAF- Gebaren und Verhalten nicht belohnt werden darf. Ein großes
Problem ist natürlich, daß ARAF- Verhalten psychisch Kranke
verunsichern und Therapie erschweren kann, insbesondere wenn sie an psychischen
Erkrankungen leiden, die mit Verlust der Krankheitseinsicht einhergehen.
Verunsicherung und Behinderung ist eine zumindest in Kauf genommene Wirkung,
möglicherweise sogar bezweckt. Appelle, dies zu unterlassen, werden
nichts fruchten, sondern eher die Anstrengungen verstärken. ARAF-
Verhalten unterstützt paranoide und querulatorische Entwicklungen.
Das vielfach extrem provokative Verhalten wirkt mehr kalkuliert und berechnend
gewollt als gestört und weist doch sehr in die Richtung organisierter
Kräfte. Es nutzt hier wenig, empört zu reagieren, daß psychische
Kranke für diese Zwecke der Abschaffung der Psychiatrie mißbraucht
werden. Der Fanatismus ist so weit gediehen, daß damit nicht nur
niemand von ARAF erreicht wird, sie fühlen sich vielmehr eher bestärkt.
Die Heidelberger haben das Gespräch als sinnlos und unerträglich
abgebrochen. Das ist verständlich und vom Entzug der Aufmerksamkeit
her auch richtig. Nichtbeachtung ist wohl ein richtiger strategischer Hauptzug.
ARAFs scheinen aber in der Lage, gute Namen und honorige Persönlichkeiten
für ihre Ziele und Zwecke mobilisieren und mißbrauchen zu können.
Hier genügt es nicht, nicht zu beachten, hier ist Aufklärung
vonnöten. Es ist also wichtig, auf das Phäomen ARAF, seine Bedrohung
und Gefahr insbesondere im Zusammenhang mit Scientology aufmerksam zu machen.
Die Öffentlichkeit, Verwaltung, Recht und Politik sollten sehr hellhörig
und wachsam sein, wenn antipsychiatrische Thesen
vertreten werden, umso mehr, je radikaler dies geschieht. Nützlich
wird auch sein, den Boden für öffentlich wirksame Auftritte zu
begrenzen, so weit das mit unserem Verständnis von Freiheit, Demokratie
und Recht im Einklang steht.
Falls die Bewegung den gewünschten
Erfolg hätte, könnte am Ende eine Entwicklung wie in den USA
stehen, wo Zigtausende psychisch Kranke in Gefängnissen statt ein
Krankenhäusern untergebracht sind. Die vermeintliche und rechtsstaatlich
kontrollierte Gewalt der Psychiatrie könnte dann in eine unkontrollierte
Gewalt von ARAF Fanatikern oder organisierten Kräften wie z.B. Scientology
übergehen.
Am wirkungsvollsten wird aus derzeitiger Sicht vermutlich
folgende Haltung gegenüber dem ARAF- Phänomen sein:
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Nietzsche und das Jüdische Lexikon: Nietzsches Schwester war mit einem Antisemiten verheiratet und war von daher an entsprechenden antisemitischen Nietzsche- "Verwertungen" interessiert. Tatsächlich erkennt selbst das völlig nazi-ideologisch unverdächtige Jüdische Lexikon Nietzsches Haltung an, wenn es aus Menschliches - Allzumenschliches (1875) zitiert: "Unangenehme, ja gefährliche Eigenschaften hat jede Nation, jeder Mensch: es ist grausam zu verlangen, daß der Jude eine Ausnahme machen solle ... Trotzdem möchte ich wissen, wie viel man bei einer Gesamtabrechnung einem Volk nachsehen muß, welches, nicht ohne unser aller Schuld, die leidvollste Geschichte unter allen Völkern gehabt hat, und man den edelsten Menschen (Christus), den reinsten Weisen (Spinoza), das mächtigste Buch und das wirkungsvollste Sittengesetz der Welt verdankt." Und weiter zitiert das Jüdische Lexikon: "1880/81, als Nietzsches Morgenröte entstand, notierte er: 'So ist ein Kampf gegen die Juden immer ein Zeichen der schlechteren, neidischeren und feigeren Naturen gewesen: und wer jetzt daran teilnimmt, muß ein gutes Stück pöbelhafter Gesinnung in sich tragen.'".