"Mythen, Macht und Psychotherapie
-
Therapie als Praxis kritischer
Kulturarbeit"
AutorInnen
Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold, Dipl. Sup. Ilse Orth, MSc., Prof.
Dr. phil. Johanna Sieper sind BegründerInnen der Integrativen Therapie
und Supervision, bekannt durch zahlreiche Buchveröffentlichungen und
therapiemethodische Innovationen. Sie leiten die Europäische Akademie
für biopsychosoziale Gesundheit in Hückeswagen am Beversee.
Verlag AISTHESIS |
„Für alle, die mit Menschen psychotherapeutisch und pädagogisch aus geschichtsbewusster Achtsamkeit arbeiten, ein höchst inspirierendes, ja unverzichtbares Buch.“ Prof. Dr. Erika Horn, Graz"
Vorwort (2013) I [In der Leseprobe]
Einführung (2013) Transversale Kulturarbeit in der "Dritten Welle"
Integrativer Therapie IX
I. Orth, H. Petzold, J. Sieper [In der Leseprobe]
Vorwort (1999) 9
Einführung: Psychotherapie, MYTHEN und Diskurse der MACHT
und der FREIHEIT - H. Petzold, I. Orth, J. Sieper
15
PROLEGOMENA. Gespräch zwischen Michel Foucault und Gilles
Deleuze.
Die Intellektuellen und die Macht 67
I. Ideologien und Mythen in der Psychotherapie 77
THESEN: Die Psychotherapie ist in beunruhigendem Maße mit
überflüssigen Mythen belastet - Albert Ellis
79
Psychotherapie, ein integrativer Ansatz oder weiterhin
schulengebundene Ideologie? - Probleme, Hintergründe,
Argumente - H. Petzold 87
Kritische Überlegungen zu offenen und verdeckten Ideologien
in der Psychotherapie. Überlieferungen und Veränderungen
im psychotherapeutischen Feld - Präzisierungen Integrativer
Positionen - H. Petzold, I. Orth 125
II. Psychotherapie, Ideologie, Macht 263
THESEN: „Die Menschen werden verändert
und transformiert“ - Paul Parin 265
Ideologeme der Macht in der Psychotherapie -
Reflexionen zu Problemen und Anregungen
für alternative Formen der Praxis - I. Orth, H. Petzold, J.
Sieper 269
III. Psychotherapie als Kulturkritik, Kulturarbeit
und engagierte Praxis mit Patientinnen und Patienten
335
Der „Andere“ - der Fremde und das Selbst.
Tentative, grundsätzliche und persönliche Überlegungen
für die Psychotherapie anläßlich des Todes
von Emmanuel Lévinas (1906-1995) - H. Petzold
337
Patienten als „Partner“ - oder als „Widersacher“ und „Fälle“.
Über die Beziehung zwischen Patienten und Psychotherapeuten -
kritische Gedanken und Anmerkungen - H. Petzold, G. Gröbelbauer,
I. Gschwend 363
"Iatrogene" Psychotherapieschäden, „riskante Therapie“ - H. Petzold 393
Mentalisierung an den Schnittflächen von Leiblichkeit, Gehirn,
Sozialität. Biopsychosoziale Kulturarbeit - ein Essay zu „dunklen
Zeiten“ und darüber hinaus - Hilarion G. Petzold im Gespräch
mit Ilse Orth und Johanna Sieper 401
Infernalisches Schreien in der rechtsextremen Musikszene.
Mythotrophe und mythopathische Dimensionen des „National
Socialist Black Metal“, des „Black Metal“ and „Death Metal“ –
Hilarion G. Petzold, erstellt in Ko-reflexionen mit Ilse
Orth und
Johanna Sieper 619
Manifest der Integrativen Kulturarbeit 2013 – Hilarion G. Petzold,
Ilse Orth,
Johanna Sieper 671
Literatur (1999) 689
Literatur (2013) 735
Sachwortregister 806
Auseinandersetzung mit einigen interessanten und zentralen Aussagen des Buches
Aus der Einführung: Psychotherapie, MYTHEN und Diskurse der MACHT und der FREIHEIT von H. Petzold, I. Orth, J. Sieper
Psychotherapie
als Freiheitsdiskurs entstanden ?
Zentrale These der Einführung ist
(S. 15): "Moderne Psychotherapie entstand als eine Disziplin der Freikeitsdiskurse
gegen
die Diskurse der Unterdrückung.
Janet und in seiner Folge Freud
sahen sich der Aufklärung verpflichtet, die sich
gegen die
Verdunkelung der Vernunft - eine Welt der Magie und düsterer Mythen
- wandte. ..."
"... Auch die Psychotherapie ist in ihrem Untergrund, der sich in ihrer alltäglichen Praxis zeigt, d.h. mit Bezug auf die Themen FREIHEIT und MACHT, doppelbödig und zwiespältig. MACHT hat dunkle und helle Seiten, kann sich in die Richtung des Machen-Könnens oder in die der Gewalt entwickeln. FREIHEIT hat beflügelnde und tragische, zuweilen zerstörerische Qualitäten, Ordnungen und Regeln gewährleisten Gerechtigkeit und Schutz, haben versichernde Momente, aber auch einengende, unterdrückende, bis hin zur Versklavung. Freiräume ermöglichen Entfaltung, Kreativität, Ekstase, aber auch Entgrenzung, Grenzverletzung, Exzeß. Beide Seiten von MACHT und FREIHEIT - und diese beiden Konstituenten menschlicher Subjektivität und gesellschaftlicher Wirklichkeit selbst - sind miteinander verwoben in einer vielschichtigen, verwirrenden Textur - ..." (S. 17) |
Dies scheint mir nur ein
Aspekt, die gesellschaftspolitisch-ideologische Perspektive. Die
Psychoanalyse um Freud
mag aufklärerische Ansprüche und Bestrebungen haben, ist aber doch selbst auch sehr dunkel, mythisch und magisch. Der Doppelcharakter der Macht in ihrer Anwendung und Ausübung
ist trefflich beschrieben. Vielleicht sollte man aber auch die praktische
Hauptaufgabe aller Therapie
|
"Als Beobachter des psychotherapeutischen Feldes,
die aufgrund ihrer Studien auch mit der Optik anderer Kultur-, Sozial-,
Natur- und Humanwissenschaften auf dieses Feld
und seine vielfältigen Szenen schauen konnten, mehr als ein Vierteljahrhundert lang, ha- ben wir mit zunehmender Skepsis die verschiedenen Moden kommen und gehen sehen: In der Psychoanalyse von der Selbstpsychologie, der hermeneutischen Wende, bis zur neuen Babyforschung, jetzt der Trauma- bzw. der PTSD-Welle und zu den inzwischen nicht mehr heimlichen - weil verbotenen (Bittner 1989; Ehebald 1979) - Exkursionen in die Körpertherapien (vgl. allerdings Bauriedl 1998); in der Verhaltenstherapie von Desensibilisierungsbegeisterung, Selbstbehauptungstrainings über die Verhaltensanalyse und Selbstkontrolltechniken bis zur „kognitiven Wende"; in der Familientherapie von den einfachen Kommunikationsmodellen bis zum „radikalen Konstruktivismus", der „Kunden orientierung" oder der sogenannten systemischen „Aufstellungsarbeit". Was sonst noch an Wellen mit Primärtherapie, Focusing, Bioenergetik, Rebirthing, Provokativer Therapie, NLP, Transpersonaler Therapie usw. durch die Szene schwappte, ist kaum (Goldner 1997) nachzuhalten. Das alles ist als Kulturphänomen Ausdruck moderner bzw. postmoderner Lebensvielfalt höchst interessant, auch als Ausdruck der Identitätsfindung, des Wunsches nach Selbstverwirklichung und persönlicher Experimentier- und Freiräume, ja der freien Meinungsäußerung - wie immer man das sehen will. Es ist der Ausdruck von „life styles", denen man in kulturanalytischer und sicher auch in klinischer, d.h. diagnostischer und therapeutischer Hinsicht (Müller, Petzold 1998) in Zukunft weitaus mehr Beachtung schenken muß. Es ist der Raum „kollektiver Kognitionen und Emotionen", der „social worlds" (Petzold 1998a, 114ff), voller Mythen, Simulacren, Trends, den man nicht durch gesetzliche Reglementierungen eingrenzen oder beschneiden sollte, wie dies die fragwürdige Gesetzesinitiative zur Regelung professioneller Lebenshilfe versucht. Auf (fast) jeden Trip kann man in dieser Gesellschaft gehen, von den Hard-core-Videos, vom Bungee-Springen bis zur Life-Sex-Show, aber wenn es um die Seele [<21] geht, wird es plötzlich ernst und problematisch, da müssen Regelungen her für Erwachsene ..." (S. 21f) "Man muß zwischen
allgemeinen Kulturphänomenen,
Moden, die gerade „in" sind, dem, was man im „Maxx", „Konr@d", „Go",
„Metropolitan", „Esquire", „Brigitte" und „Vogue" etc. etc. gerade trendy
findet, und spezifischen Kulturphänomenen, wie sie sich in
Fachwelten finden, unterscheiden, etwa der klinischen Fachwelt der Psychotherapie
mit ihren „mainstreams", den Rand- und Alternativverfahren, Psychotherapie-Trends.
Die Moden der
Psychoszene stehen irgendwie dazwischen. Viele Therapeuten
„driften" ziemlich wahllos zwischen den Trends. Wir sind unentschieden,
ob wir das für besser halten als die dogmatische Festgelegtheit auf
einen Ansatz, eine Schule. Beides sagt uns nicht zu, beides kann recht
oberflächlich betrieben werden, und das ist dann kaum zu ertragen.
Uns geht es nicht um Psychotherapeuten- schelte, aber auch nicht um die
Ausblendung des kritischen Blickes auf diese Profession. ...
|
Die extreme Vielfalt und
immer neuen thera- peutischen "Entdeckungen" neben all den modischen Erscheinungen
werden zutreffend beschrieben. Ich sehe aber nicht, dass viele der
"neuen" - manche sind uralt und nur neu aufgewärmt - Errungenschaften
nach ihrem "Kommen" wieder "gehen" und verschwinden. Gut wäre
an dieser Stelle gewesen, wenn die AutorInnen analysiert
und ausgearbeitet hätten, warum das so ist - hier hatte Grawe ja einiges geleistet. Hier wäre auch die praktisch wichtige Unter- scheidung zwischen Therapie als heilkundliches Handeln gegenüber mehr oder minder professioneller Beratung bis hinein ins Philosophisch-Religiöse, Esote- risch-Alternative, und Life-Style- Ökonomische sinnvoll abzuhandeln, was gar nicht immer so einfach ist. Es gibt eine riesige Grauzone, ein ungeheures Dunst- und Nebelfeld um das Kerngebiet Psychotherapie. Und deshalb scheint mir ein gesetzlicher PatientInnenschutz auch grund- sätzlich wichtig, wenn er auch von den Etablierten auf das Übelste missbraucht wird. Denn hier geht es um Geld, Pfründe, Macht und Einfluss und nicht um Wissenschaft, Wahrheit, Ethik und Fairness, was viele Therapieschul-MitbewerberInnen inzwischen schmerzlich erfahren haben. _ _ _ _ _ _ _ _ _ Auch hier fehlt noch eine Strategie, was man gegen den Wildwuchs und die Eigendynamik der ungeheuren vielfältigen Grauzone um das Kerngebiet "Psychotherapie" machen kann und soll. Betrachten wir die Politik, stellen wir ernüchtert fest, dass es keine Möglichkeit zu geben scheint, dem Medienterror und seiner seichten Massenorientierung im Tanz um das goldene Kalb der westlichen "Kultur" - der Geldmacht im Klartext - zu entrinnen. Also warten auf "bessere Zeiten" in der Hoffnung, die Chaos-Theorie / Zufall wird es irgendwann schon richten? _ _ _ _ _ _ _ |
"Vor diesem sehr breiten und vielfältigen
Hintergrund, über den wahrscheinlich nur wenige Psychotherapeuten
und Psychotherapeutinnen in diesem Maße verfügen, müssen
wir heute für weite Bereiche der Psychotherapie in den deutschsprachigen
Ländern (und nicht nur dort), die sich stets als „kritisch-emanzipatorische
Disziplin" gerierte und für das Gros der Psychotherapeuten, die immer
wieder einen kultur- und gesellschaftskritischen Anspruch vor sich her
trugen, eine recht desillusionierte Bilanz ziehen. Wir tun dies ohne Bitterkeit
und sind weiterhin kämpferisch für diese Profession in ihrer
ganzen Vielfalt, mit ihren tiefenpsychologischen, psychoanalytischen, behavioralen,
humanistischen, systemischen, körpertherapeutischen, kreativ- bzw.
kunsttherapeutischen usw. Ausfaltungen, nomothetisch-quantitativen und
idiographisch-qualitativen Vorlieben, ihren klinischen, pädagogischen
und kulturkritischen Orientierungen engagiert. ... (S. 23)
_ |
Die Grundhaltung weiter
zu kämpfen für die Ideale, ist zu begrüßen, jetzt
fehlt "nur" noch die Strategie, wie man erfolgreich kämpft und wirbt.
Eine zweifellos zentrale und grund- legende Idee integrativer Therapie
ist den Partikularismus - die extreme Viel- und aufgeblähte "Kleinstaaterei"
- aufzuheben.
Das heißt alle relevanten Verfahren, Metho- den und Techniken in einer einzigen grund- legenden Ausbildung zu integrieren, die den ganzen Menschen, sein Bio-Psycho-Soziales- System umfasst, also auch seine soziokultu- relle und ökologische Vernetzung. So gese- hen ergibt sich eine natürliche Nähe zur Gestalttherapie, die stets dem Ganzen und der Ganzheit ihre Bedeutung zuerkannte. |
"... Aber gerade deshalb müssen wir mit Blick auf
die Entwicklungen der letzten Jahre sagen: In diesem Feld der Psychotherapie
gibt es sehr viele ungute Phänomene, z.B. eine starke Tendenz zu einem
medizinalisierten und restriktiven, ja repressiven Verständnis von
Psychotherapie (bei den Richtlinienverfahren z.B.), wissenschaftlich verbrämte
wirtschaftliche Interessen und Machtspiele einzelner Richtungen und Gruppierungen,
fragwürdige Ideologien, unseriöse Behandlungskonzepte, kryptoreligiöse
Diskurse, Ansprüche auf Wahrheiten und Wirksamkeiten, die Klientelisierung
und Parentifizierung von Patienten unter Vernachlässigung ihrer Interessen.
Das alles muß man äußerst kritisch sehen - wir tun dies
seit langem! Mit einigen dieser Themen wollen wir uns in diesem
Buch auseinandersetzen, andere werden wir an dieser Stelle nicht aufgreifen,
z.B. die für die Psychotherapie so zentrale und unzureichend beachtete
Genderfrage (cf. unser diesbezügliches Buch, Petzold
1998h). Es geht uns hier vielmehr um die Diskussion obskurantistischer,
machtvoller MYTHEN in der Psychotherapie.
„Mythos/Mythen" verwenden wir in diesem Zusammenhang im alltags- sprachlichen Sinn als Begriff für wissenschaftlich und rational nicht weiter begründba- [<23] re Werte- Erklärungs- und Handlungsmuster ..." (S. 23f) |
Diese Kritik ist zweifellos
richtig. Aber was können wir, was sollen wir tun - die anderen, die
Integrativen? Besser, erfolgreicher sein? Das ist im Prinzip eine gute
Idee, aber wirkungsvolle Methoden oder Techniken werden sofort von den
etablierten Schulen auf- gesogen und "integriert". So schnell schaut
man gar nicht. Die etablierten Machtstrukturen sind einfach da. Und freiwillig
werden die Etablierten kaum etwas hergeben. Wahrscheinlich ist am besten,
integrative Entwicklungen überall zu fördern, besonders
dort, wo Offenheit für Vielfalt, Entwicklung und Erweiterung gegeben ist. _ _ _ _ _ _ _ |
Psychotherapieschäden "riskante Therapie", "iatrogene Behandlungen" von H. Petzold
Das ist ein besonders starkes Kapitel mit vielen interessanten und wichtigen Informationen.
Nutzen
und Schaden systemisch und systematisch erfassen
"„Irren ist ärztlich", so lautet der Titel eines Buches der Psychotherapeutin Erica Brühlmann-Jecklin (1995), in dem sie ihre bedrückende Karriere von Fehlbe- handlungen in der somatischen Medizin und die daraus resultierenden Belastungen beschreibt. Vor dieser Art somatischem Streß oder gar Traumatisierung soll hier nicht die Rede sein, sondern von schädigender Psychotherapie, die zu den pathogenen Risiken des Erwachsenenlebens gerechnet werden muß. Hierher gehören alle negativen Therapieeffekte und dogmatisch-obskurantistische Kategorisierungen von Patienten und Klienten und dadurch, bewirkte Therapieschäden oder negative Therapieergebnisse und Nebenwirkungen, die direkt und indirekt durch, „riskante Therapie", „mißbräuchliche (Psycho)therapie", „iatrogene Behandlung" verursacht sind. Diese Schäden stellen immer noch ein Stiefkind in der Reflexion psychotherapeutischer Praxis und auch in der Psychotherapieforschung dar, da der gesellschaftliche Legitimationsdruck zur Fokussierung auf den Nutzen von Therapie geführt hat. ..." (S. 393) | Im Grunde liegen angemessene
Instrumente, die Nutzen und Schaden des Gesamtsystems "PatientIn" erfassen
und abwägen anwendungsreif noch nicht vor.
Ich habe zwar in meiner Dissertation - Sponsel, 1984 - für den Aspekt Heilung, Besserung, Linderung und Bewältigung im Modell der Heilwirkfaktoren auch die Schäden schon systemisch und systematisch mit angedacht, aber noch keinen anwendungs- reifen diagnostischen Formalismus für ein Gesamtmaß gebildet und evaluiert. Petzold erklärt klar, einfach und stimmig
|
Varianzerweiterungsphänomen
Bergin (1963, 1971)
"... Neben Falldarstellungen, die
dramatische Verschlechterungen dokumentierten, hat
sich zuerst Bergin (1963, 1971) intensiv „empirisch" mit negativen Effekten psychotherapeutischer Behandlungen beschäftigt. Er hat 30 Studien der Effizienzforschung herangezogen und anhand der Daten ein Phänomen beschrieben, das als „Varianzerweiterungsphänomen" in die Forschungsgeschichte eingegangen ist. Es besagt, daß sich in den Behandlungsgruppen im Unterschied zu den Kontrollgruppen der Therapiestudien die Streuungswerte der Behandelten stärker vergrößerten, es also bei verbesserten Mittelwerten zu Verschlechterungen bei einzelnen Fällen gekommen ist. Bergin schätzte circa 10 % der Fälle als klinisch verschlechtert ein, wobei verhinderter oder unzureichender Therapiefortschritt durch die Wahl unzureichender Methoden (z.B. bei Angststörungen) nicht mitgerechnet wurde." (S. 393) |
Die Ergebnisse von Bergin
sind eine sehr wichtige Mitteilung. Es kann aber sein, dass gerade diese
kritische Beobachtung dazu geführt hat, dass man Mittelwerte nicht
mehr als valide erachtet, sondern Standardwerte bildet, also auf die Standardabweichung
1 normiert (> Meta-Analyse).
_ _ _ _ _ _ _ |
Ursachenforschung für Verschlechterungen bei Behandlungen gefordert
"Schwierig bleibt die Frage nach
den Ursachen der Verschlechterungen, die einerseits durch offenen oder
verdeckten Machtmißbrauch in der Psychotherapie (Becker-Fischer,
Fischer 1996) sowie durch Kunst- oder Behandlungsfehler verursacht
sein können, welche je nach therapeutischer Orientierung anders definiert
werden, aber auch bei einer lege artis durchgeführten Behandlung
auftreten können, also Komplikationen und keine Therapieschäden
darstellen (Übersicht bei Sponsel 1997). Schäden, die
durch Negierung fehlender „Passung" oder dysfunktionale Therapieideologien
und -praktiken (z.B. verwei- gernde [>394] „Abstinenz", unangemessene Konfrontation,
Klientelisierung, einseitige Frühstörungsorientierung etc.) entstehen,
sind bislang noch kaum beachtet worden. ..."
(S. 393f) |
Das ist eine ebenso wichtige
wie richtige, aber auch sehr schwierige Forderung, weil wir vor einer großen
Vielfalt sich wechselseitig beeinflussender Faktoren stehen (> Modell
der Heilwirkfaktoren) und auch die systemi- sche Umwelt der PatientIn einbezogen wer- den muss. Der übliche Wissenschaftsbetrieb dürfte da- für wenig geeignet sein, schon wegen der meist völlig unkritisch angewandten statistischen Methoden.. |
Klassifikation
der Schäden nach Schulz 1984 und das soziale Umfeld
" ...Man unterscheidet mittelbare
Schäden, die zwangsläufig durch eine Therapie bedingt sind,
von unmittelbaren, die auf bestimmte therapeutische Interventionen zurückgeführt
werden. Hierzu zählt Schulz (1984):
1. „Verschlechterung der bestehenden Symptomatik"
Außer Punkt 10 können alle Auswirkungen auch im sozialen Umfeld des Klienten auftreten, da immer deutlicher wird, daß eine Therapie nicht nur Auswirkungen auf den behandelten Klienten, sondern auch, auf dessen Netzwerk und Bezugspersonen hat, hier also ebenfalls nicht zu unterschätzende Therapieschäden auftreten können (z.B. Aggressivität, Sexualstörungen, Beziehungszerrüttung, Trennung). Den Fragen nach „mißbräuchlicher", „riskanter" und „iatrogener Therapie" und nach Therapieschäden muß durch empirische Forschung u. a. durch Dunkelfeldstudien in Zukunft unbedingt nachgegangen werden. ..." (S. 394) |
Vielleicht kann und sollte
man sich zu Beginn auf eine Auswahl möglicherweise repräsentativer
Kenngrößen beschränken:
1) Symptomreduktion (idealiter keine mehr)
Hier bieten sich dann drei Erhebungszeiten an:
|
Links (Auswahl: beachte)
Besprechungen,
Präsentationen, Kritiken
Buchbesprechung von Jules Zwimpfer (gfk)
Ungekürzte Fassung des bvvp-magazin-Interviews
mit Hilarion G. Petzold [Q]
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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Modell der Heilwirkfaktoren
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
Psychotherapie Macht site: www.sgipt.org. |
korrigiert: irs 20.09.2014